Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung in der Probezeit. Personalratsbeteiligung durch Vertreter des Dienststellenleiters
Normenkette
BGB §§ 134, 138, 242; GG Art. 1-3, 5; PersVG-DDR § 79; BAT-O § 57
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 6. Dezember 1994 – 2 Sa 1002/94 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die am 14. September 1955 geborene Klägerin war seit 1. Januar 1993 bei der M. Magdeburg als Abteilungsleiterin Recht beschäftigt. Ihr monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt 5.656,24 DM.
Mit Schreiben vom 13. April 1993 kündigte der Kanzler der M. das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 30. April 1993. Zuvor war der dort gebildete Personalrat mit Schreiben vom 7. April 1993 von der Kündigungsabsicht in Kenntnis gesetzt worden. Am 8. April 1993 wurde der Personalrat durch den Personaldezernenten mündlich über das Sozialverhalten der Klägerin als Grund der beabsichtigten Kündigung informiert. Der Personalrat stimmte am selben Tag der Kündigung ohne Gegenstimme zu und bestätigte die Anhörung.
Mit ihrer am 26. April 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt. Sie hat die Kündigungsbefugnis des Kanzlers bestritten und die Ansicht vertreten, die Kündigung sei gesetz-, sitten- und treuwidrig. Ihre fachlichen Leistungen seien zu keinem Zeitpunkt kritisiert worden. Die Kündigung sei nur erfolgt, weil sie sich geweigert habe, in das Studentenwohnheim der Technischen Universität Magdeburg umzuziehen. Als Dienstvorgesetzte habe sie die Arbeitsleistungen ihrer Untergebenen zu beurteilen, zu bewerten und ggf. zu kritisieren gehabt. Ihre Äußerungen hätten sich alle im grundgesetzlich geschützten Bereich der Meinungsfreiheit bzw. der freien Entfaltung der Persönlichkeit bewegt. Die Klägerin hat ferner geltend gemacht, in dem Kündigungsschreiben hätten die Kündigungsgründe angegeben werden müssen. Auch sei die zuständige Personalvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Dienststellenleiter habe sich bei der Anhörung des Personalrats nicht vertreten lassen können.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 13. April 1993 nicht beendet worden ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, die Kündigung beruhe auf dem Sozialverhalten der Klägerin. Unter anderem habe sie innerhalb der Rechtsabteilung über Mitarbeiter negativ geredet. Der für die Kündigung zuständige Kanzler der M. habe sich bei der Anhörung des Personalrats durch den Personalreferenten vertreten lassen können. Der Personalrat habe dies akzeptiert, es habe auch seit Oktober 1992 eine entsprechende Regelungsabsprache gegeben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Kündigungsschutzantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die streitige Kündigung sei weder Sitten – noch treu – oder gesetzwidrig. Weder habe die Klägerin Anhaltspunkte für ein verwerfliches Motiv auf seiten des beklagten Landes noch für ein widersprüchliches Verhalten aufgezeigt. Auch wenn die fachlichen Leistungen der Klägerin nicht beanstandet worden seien, bleibe es dem beklagten Land unbenommen, die Kündigung auf mangelhaftes Sozialverhalten der Klägerin gegenüber den übrigen Mitarbeitern zu stützen.
Die fehlende Angabe der Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben mache die Kündigung nicht unwirksam, weil § 57 BAT-O eine bloße Sollvorschrift sei. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Kanzler habe sich dabei gemäß § 7 PersVG-DDR durch seinen Personaldezernenten vertreten lassen dürfen, womit sich der Personalrat im übrigen einverstanden erklärt habe.
II. Die angegriffene Entscheidung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Die Klägerin hat im Berufungsverfahren die Kündigungsbefugnis des Kanzlers nicht mehr bestritten, auch Revisionsrügen hat sie insoweit nicht erhoben. Dessen Kündigungsbefugnis ist von dem beklagten Land im einzelnen dargestellt und vom Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung bejaht worden.
2. Entgegen der Annahme der Revision beinhaltet § 57 Satz 2 BAT-O als Sollvorschrift kein Wirksamkeitserfordernis der Kündigung. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Zudem hat das Arbeitsgericht mit Recht angenommen, für die Wirksamkeit der streitigen Kündigung habe es schon deshalb keiner Angabe der Gründe bedurft, weil § 57 BAT-O Probezeitkündigungen vom Schriftformerfordernis ausnehme (vgl. zur wortgleichen Vorschrift des § 57 BAT Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, § 57 Erl. 3; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler, BAT, § 57 Erl. 2; Crisolli/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, § 57 BAT Erl. 14).
3. Soweit das Landesarbeitsgericht aus der Vertretung des Kanzlers durch den Personaldezernenten keine Unwirksamkeit der Personalratsbeteiligung hergeleitet hat, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Personalrat hatte sich nämlich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit der Vertretung einverstanden erklärt. Rügt der Personalrat im Laufe des Beteiligungsverfahrens nach § 79 PersVG-DDR wegen einer vom öffentlichen Dienstherrn beabsichtigten Kündigung nicht, daß der sonstige Beauftragte ohne Verhinderung des Dienststellenleiters handele, so ist auch bei fehlender Verhinderung des Dienststellenleiters dieser Mangel im Verhältnis zum gekündigten Arbeitnehmer unbeachtlich (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 – PersR 1996, 129 – im Anschluß an BVerwG Beschluß vom 26. August 1987 – 6 P 11.86 – BVerwGE 78, 72, 76 und unter Aufgabe der früheren gegenteiligen Rechtsprechung).
4. Die Instanzgerichte haben eine Treuwidrigkeit der streitigen Kündigung mit zutreffenden Argumenten verneint. § 242 BGB ist neben § 1 KSchG bzw. vor Beginn des Kündigungsschutzes nur in beschränktem Umfang anwendbar. Für einen Ausnahmefall (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. Juni 1994 – 2 AZR 617/93 – AP Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung, zu II 2 b und c der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) bietet der vorliegende Sachverhalt keinen Anhaltspunkt. Die Revision hat insoweit auch keine Rügen mehr erhoben, sondern nur noch geltend gemacht, die Kündigung verletze Grundrechte und damit Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB.
5. Auch die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, die streitige Kündigung verstoße nicht gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) ist jedoch nicht zu beanstanden. Dabei braucht auf die Frage der unmittelbaren Anwendung der von der Klägerin für sich reklamierten Grundrechte (Art. 1, 2, 3 und 5 GG) nicht eingegangen zu werden (ablehnend Kühling, ArbuR 1994, 126, 127, m.w.N.).
Die Kündigungsfreiheit des beklagten Landes dürfte zwar dann zurücktreten müssen, wenn ihre Ausübung Grundrechte der Klägerin nicht nur berühren würde, sondern umgekehrt ohne Berührung des arbeitsvertraglichen Pflichtenkreises allein zur Beschränkung von Grundrechten der Klägerin eingesetzt würde. Nach der Einlassung des beklagten Landes ging es jedoch bei der streitigen Kündigung darum, eine Beeinträchtigung des Betriebsklimas durch nicht gegenüber den betroffenen Mitarbeitern, sondern hinter deren Rücken geäußerte Kritik und durch ein Verhalten (Verweigerung des Händedrucks), das als Unkollegialität bzw. Unhöflichkeit aufgefaßt werden könnte, zu begegnen und vorzubeugen. Dies sind sachliche, den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis berührende Erwägungen. Gegenüber diesem Vorbringen durfte sich die Klägerin nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen. Die Revision verkennt, daß die Klägerin für einen die Unwirksamkeit der Kündigung begründenden Verstoß gegen ein Verbotsgesetz selbst darlegungs- und beweispflichtig wäre (vgl. KR-Friedrich, 4. Aufl., § 13 KSchG Rz 320, 321, m.w.N.). Die Klägerin ist aber dem Vorbringen des beklagten Landes schon nicht mit einem hinreichend substantiierten eigenen Sachvortrag entgegengetreten; jedenfalls hat sie insoweit jeglichen Beweisantritt unterlassen.
6. Gleiches gilt hinsichtlich der angeblichen Sittenwidrigkeit der Kündigung (§ 138 BGB; zur Beweislast vgl. KR-Friedrich, a.a.O.). Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit einer Kündigung kommt nur in besonders krassen Fällen in Betracht (vgl. BAG Urteil vom 2. April 1987 – 2 AZR 227/86 – BAGE 55, 190 = AP Nr. 1 zu § 612 a BGB). Der Vorwurf ist nur dann berechtigt, wenn die Kündigung auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht, wie insbesondere Rachsucht oder Vergeltung, oder wenn sie aus anderen Gründen dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht (vgl. BAG, a.a.O., m.w.N.). Davon kann nach dem Vorstehenden keine Rede sein.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Fischermeier, Binzek, Engel
Fundstellen