Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildungsfreistellung – gesellschaftspolitische Weiterbildung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anerkennung einer Bildungsveranstaltung durch die zuständige Landesbehörde nach § 7 Abs. 1 BFG begründet keine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Bildungsmaßnahme den in § 3 BFG genannten Zwecken dient.
2. Mit einer gesellschaftspolitischen Weiterbildung im Sinne von § 3 Abs. 3 BFG können auch Kenntnisse vermittelt werden, die Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder § 37 Abs. 7 BetrVG sind.
3. Der Träger der Bildungsmaßnahme ist nicht verpflichtet, seine Leistungen unentgeltlich zu erbringen. Eine Veranstaltung ist im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 5 BFG auch dann offen zugänglich, wenn ein gewerkschaftlicher Veranstalter mit Rücksicht auf die satzungsgemäß geleisteten Beiträge seinen Mitgliedern die kostenlose Teilnahme ermöglicht und von Nichtmitgliedern einen angemessenen Beitrag erhebt (Bestätigung und Fortführung der Rechtsprechung, vgl. BAG Urteile vom 21. Oktober 1997 – 9 AZR 253/96 – AP Nr. 24 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 2. Dezember 1997 – 9 AZR 584/96 –, n.v.).
Normenkette
Landesgesetz Rheinland-Pfalz über die Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zum Zwecke der Weiterbildung (Bildungsfreistellungsgesetz – BFG –) vom 30. März 1993 (GVBl. S. 157) §§ 1, 6-7
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Mai 1997 – 11 (8) (5) Sa 832/95 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin nach dem Bildungsfreistellungsgesetz Rheinland-Pfalz (BFG).
Die Klägerin ist bei der Beklagten als technische Angestellte beschäftigt. Mit einem „An alle interessierten Arbeitnehmer” gerichteten Schreiben vom 20. Juni 1994 lud die Industriegewerkschaft Chemie, Papier und Keramik, Bezirk Rheinland-Pfalz, Verwaltungsstelle Wirges, unter Hinweis auf den Freistellungsanspruch nach dem BFG zu einem fünftägigen Seminar mit dem Thema „Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft” ein. Die Kosten wurden mit 300,00 DM angegeben; für Mitglieder der IG-Chemie, Papier und Keramik seien die Seminarkosten mit dem Gewerkschaftsbeitrag abgegolten.
Die Verwaltungsstelle übermittelte das Schreiben an die regionalen Betriebsräte mit der Bitte, die Einladung an den betrieblichen Informationstafeln auszuhängen. Sie veranlaßte außerdem einen Artikel der Westerwälder-Zeitung vom 25. Juli 1994 mit einem Hinweis auf das Seminar. Am 28. Juni 1994 ist das Seminar als Bildungsveranstaltung nach dem BFG und der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung vom zuständigen Ministerium anerkannt worden. Der dem Ministerium zugeleitete Themenplan lautete:
„Lernziel:
Die Teilnehmer/innen befassen sich mit der Situation der Arbeitnehmer/innen in Betrieb und Gesellschaft. Sie erarbeiten eine realistische Einschätzung ihrer Situation. Dabei erkennen sie, daß gesetzliche Bestimmungen für die am Wirtschaftsprozeß Beteiligten existieren. Die Teilnehmer/innen erarbeiten darüber hinaus die Aufgabe der Verbände und ihrer Rechtsstellung in der Bundesrepublik Deutschland.
25.10.1994
Begrüßung, Vorstellung der Teilnehmer/innen, Organisatorisches
vormittags: |
Einführung ins Thema |
09.00-12.00 |
Arbeitsgruppen zum Erkennen von betrieblichen Problemen und die Funktion der betrieblichen Interessenvertretung |
nachmittags: |
Auswertung der Arbeitsgruppen |
13.00-16.00 |
Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat, Beschäftigten, Arbeitgeber und Gewerkschaften |
08.11.94 |
|
vormitttags: 09.00-12.00 |
Rechte, Pflichten und Handlungsmöglichkeiten der Beschäftigten, des Betriebsrates, der Vertrauensleute und Arbeitgeber |
|
Arbeitsgruppen, Planspiel |
nachmittags: |
Auswertung der Arbeitsgruppen im Plenum |
13.00-16.00 |
Organisation der Arbeit von betrieblicher Interessenvertretung, Projektarbeit und Zusammenarbeit auf der betrieblichen Ebene |
22.11.94 |
|
vormittags: |
Geschichte der Gewerkschaftsbewegung |
09.00-12.00 |
Veränderte Zeiten – neue Aufgaben |
|
Rolle und Notwendigkeit von Gewerkschaften heute |
nachmittags: |
Tarifpolitische Forderungen der Gewerkschaften |
13.00-16.00 |
Wie entstehen sie; welche gesellschaftliche Bedeutung hat die Tarifpolitik |
06.12.94 |
|
vormittags: |
Fallbeispiele an betrieblichen Problemen in |
09.00-12.00 |
Arbeitsgruppen |
|
Auswertung der Arbeitsgruppen im Plenum |
nachmittags: 13.00-16.00 |
Arbeitnehmer und Gewerkschaften im technischen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungsprozeß |
|
Wirkungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers in Betrieb und Gewerkschaft |
20.12.94 |
|
vormittags: 09.00-12.00 |
Mitwirkung, Gestaltung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer/innen und des Betriebsrates in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten |
|
Plenum und Arbeitsgruppen |
nachmittags: |
Auswertung der Arbeitsgruppen im Plenum |
13.00-16.00 |
Zusammenfassung |
|
Lehrgangskritik” |
Die Klägerin nahm im Einvernehmen mit der Beklagten ohne Fortzahlung der Vergütung an dem in der Stadthalle Ransbach-Baumbach durchgeführten Seminar teil. Die Beklagte verpflichtete sich, das Arbeitsentgelt zu zahlen, wenn die Veranstaltung rechtskräftig als Bildungsmaßnahme i.S. des BFG bestätigt wird.
Die Klägerin hat geltend gemacht, die Veranstaltung habe der gesellschaftspolitischen Weiterbildung gedient.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet war, sie am 25. Oktober, 8. November, 22. November, 6. Dezember und 20. Dezember 1994 nach Maßgabe des Bildungsfreistellungsgesetzes Rheinland-Pfalz unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte hat geltend gemacht, nach dem Themenplan und den überreichten Unterlagen habe es sich um eine Funktionärsschulung gehandelt und nicht um eine gesellschaftspolitische Bildungsveranstaltung. Der von Nichtmitgliedern der Gewerkschaft erhobene Kostenbeitrag von 300,00 DM habe den Teilnehmerkreis unzulässig beschränkt.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
I. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Er ist zwar auf einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Sachverhalt gerichtet. Feststellungsanträge mit diesem Inhalt sind jedoch zulässig, wenn sich daraus Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (ständige Rechtsprechung des Senats Urteil vom 15. Juni 1993 – 9 AZR 261/90 – BAGE 73, 225 = AP Nr. 4 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW, m.w.N.; vgl. außerdem Urteil des Fünften Senats vom 23. April 1997 – 5 AZR 727/95 – AP Nr. 40 zu § 256 ZPO 1977 und Urteil des Vierten Senats vom 24. September 1997 – 4 AZR 429/95 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Reichsbund).
Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Beklagte hat sich verpflichtet, der Klägerin die aufgrund ihrer Teilnahme an der Bildungsveranstaltung entgangene Vergütung zu zahlen, sofern sie in diesem Rechtsstreit obsiegt.
II. Die Beklagte war verpflichtet, die Klägerin für das Seminar bezahlt freizustellen.
1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist zwar das Rheinland-Pfälzische Gesetz über die Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zum Zwecke der Weiterbildung (Bildungsfreistellungsgesetz – BFG –) vom 30. März 1993 (GVBl. S. 157) anzuwenden. Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 6 Abs. 1 BFG.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für Bildungsurlaub nach den jeweiligen Landesgesetzen nur, wenn der Arbeitgeber erklärt, den Arbeitnehmer von der Arbeit zur Teilnahme an einer Arbeitnehmerweiterbildungsveranstaltung freizustellen (BAGE 73, 135, 137, Urteil vom 21. September 1993 – 9 AZR 335/91 –, BAGE 74, 204, 205, BAGE 81, 180, 182 = AP Nr. 2, 6, 7 und 21 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW; Urteil vom 21. Oktober 1997 – 9 AZR 253/96 – AP Nr. 24 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Für den Anspruch nach § 6 Abs. 1 BFG gilt nichts anderes. An der erforderlichen Freistellungserklärung fehlt es.
2. Der Anspruch der Klägerin auf Fortzahlung ihres Entgelts für die Dauer der Teilnahme an der Bildungsveranstaltung ergibt sich aber aus der mit der Beklagten getroffenen Vereinbarung. Die Beklagte hat sich rechtsgeschäftlich verpflichtet, nach der gerichtlichen Feststellung der Freistellungsvoraussetzungen das Entgelt entsprechend § 6 BFG fortzuzahlen (vgl. zu solchen Vereinbarungen Senatsurteile vom 9. Februar 1993 – 9 AZR 648/90 – BAGE 72, 200 = AP Nr. 1 zu § 9 BildungsurlaubsG
Hessen; vom 23. August 1993 – 9 AZR 240/90 – BAGE 74, 99 = AP Nr. 9 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW; vom 9. November 1993 – 9 AZR 9/92 – BAGE 75, 58 = AP Nr. 8 zu § 9 BildungsurlaubsG NRW; vom 21. Oktober 1997 – 9 AZR 253/96 – AP Nr. 24 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW).
Die von der Klägerin besuchte Lehrveranstaltung diente ihrer gesellschaftspolitischen Weiterbildung im Sinne von § 3 Abs. 3 BFG. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Bildungsfreistellung im Sinne von § 1 Abs. 1 BFG lagen vor. Die Veranstaltung war auch offen zugänglich.
a) Die Eignung des Seminars folgt nicht bereits aus der ministeriellen Anerkennung nach § 7 Abs. 1 BFG. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Anerkennungsbescheiden nach den Bildungsurlaubsgesetzen der Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen und der Freien und Hansestadt Hamburg (Urteile vom 9. Februar 1993 – 9 AZR 203/90 – AP Nr. 1 zu § 1 BildungsurlaubsG Hessen, Urteil vom 3. August 1989 – 8 AZR 249/87 – BAGE 62, 280 = AP Nr. 4 zu § 9 BildungsurlaubsG NRW und vom 17. Februar 1998 – 9 AZR 100/97 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) ist die Anerkennung einer Bildungsveranstaltung durch die zuständige Behörde nur ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal.
Für die Anerkennung nach § 7 BFG gilt nichts anderes. Die in § 7 Abs. 2 BFG vorgesehene Beteiligung der Spitzenorganisationen der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften sowie des Landesbeirats für Weiterbildung nach dem Weiterbildungsgesetz beschränkt sich auf grundsätzliche Fragen. Sie ersetzt nicht die verfassungsrechtlich gebotene Rechtskontrolle des Inhalts der Bildungsveranstaltung durch ein Gericht (vgl. BVerfG Beschluß vom 15. Dezember 1987 – 1 BvR 563/85 –, – 1 BvR 582/85 –, – 1 BvR 974/86 –, – 1 BvL 3/86 – BVerfGE 77, 308 = AP Nr. 62 zu Art. 12 GG). Die Anerkennung begründet deshalb keine tatsächliche Vermutung, daß es sich um eine gesellschaftspolitische Bildungsmaßnahme handelt. Dies haben die Vorinstanzen unzutreffend angenommen.
b) Das Seminar „Interessenvertretung in Betrieb und Gesellschaft” diente der Bildungsfreistellung im Sinne von § 3 Abs. 3 BFG.
aa) Nach § 3 Abs. 3 BFG soll die gesellschaftspolitische Weiterbildung über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge informieren und den Arbeitnehmer befähigen, das gesellschaftliche, soziale und politische Leben zu beurteilen, an ihm teilzuhaben und an ihm mitzuwirken. Der erkennende Senat hat bereits zum Begriff der politischen Weiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 2 und 3 des Hessischen Bildungsurlaubsgesetzes und im Sinne von § 1 Abs. 2 des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes NRW (Urteil vom 9. Februar 1993 – 9 AZR 648/90 – BAGE 72, 200 = AP Nr. 1 zu § 9 BildungsurlaubsG Hessen; Urteil vom 24. August 1993 – 9 AZR 240/90 – BAGE 74, 99 = AP Nr. 9 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW) entschieden, daß der Bildungsurlaub die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache in Staat, Gesellschaft und Beruf fördern soll. Für das Landesgesetz Rheinland-Pfalz gilt nichts anderes. Vorausgesetzt wird, daß das didaktische Konzept sowie die einzelnen Lerneinheiten zeitlich und sachlich uneingeschränkt ermöglichen, dieses Ziel zu erreichen (BAG Urteile vom 24. Oktober 1995 – 9 AZR 433/94 – BAGE 81, 185 und vom 5. Dezember 1995 – 9 AZR 666/94 – BAGE 81, 328 = AP Nr. 16 und Nr. 22 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW).
bb) Das Seminar hat mit seinem Themenplan und seinen Lernzielen diesen Vorgaben entsprochen. Das haben die Vorinstanzen zu Recht angenommen.
In dem Seminar sind die Teilnehmer über die im Betrieb bestehenden Interessenvertretungen unterrichtet und Kenntnisse über die Möglichkeiten der Arbeitnehmer und ihrer Vertretung zur Mitgestaltung des betrieblichen Geschehens vermittelt worden. Das schließt eine Unterrichtung über die gestuften Beteiligungsrechte des Betriebsrats in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ein. Die Gewerkschaften sind in die Betriebsverfassung eingebunden. Die hierauf bezogenen Lerninhalte sind deshalb nicht zu beanstanden. Das trifft auch für die Darstellung der gesellschaftlichen Bedeutung der Tarifpolitik zu.
Soweit die Revision geltend macht, es habe sich um eine unzulässige Funktionärsschulung gehandelt, betrifft dies nicht die vermittelten Bildungsinhalte, sondern die Allgemeinzugänglichkeit der Veranstaltung (BAG Urteil vom 3. August 1989 – 8 AZR 249/87 – BAGE 62, 280 = AP Nr. 4 zu § 9 BildungsurlaubsG NRW). Grundsätzlich sind alle Themen, die sich mit der Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb befassen, geeignet, Gegenstand der Arbeitnehmerweiterbildung zu sein. § 3 Abs. 2 BFG bezweckt nicht nur die Information über gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge, sondern soll insbesondere auch den Einzelnen befähigen, sein soziales Umfeld mitzugestalten. Hierzu gehört auch die Mitwirkung in Arbeitnehmervertretungen. Eine gesellschaftspolitische Weiterbildung im Sinne von § 3 Abs. 3 BFG kann deshalb auch Kenntnisse vermitteln, die Inhalt von Betriebsräteschulungen nach § 37 Abs. 6 oder Abs. 7 BetrVG sind.
c) Die Veranstaltungsreihe ist entsprechend den landesrechtlichen Bestimmungen durchgeführt worden; sie war offen zugänglich im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 5 BFG.
aa) Die nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 BFG gebotene Veröffentlichung der Veranstaltung hat das Landesarbeitsgericht zutreffend als gegeben angesehen. Für ein regionales Seminar genügen die innerbetrieblichen Aushänge des Einladungsschreibens und ein Hinweis in der örtlichen Presse. Damit war gewährleistet, daß die nach § 1 Abs. 1 BFG anspruchsberechtigten Arbeitnehmer von der Veranstaltung Kenntnis nehmen konnten.
bb) Deren offene Zugänglichkeit wird entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb in Frage gestellt, weil auch Betriebsräte als Teilnehmer gewonnen werden sollten. § 7 Abs. 1 Nr. 5 Satz 6 BFG läßt zielgruppenorientierte Bildungsveranstaltungen ausdrücklich zu. Zielgruppe können deshalb auch Arbeitnehmervertreter sein.
cc) Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 BFG wäre es allerdings unzulässig, wenn die Teilnahme am Seminar von der Zugehörigkeit zur Gewerkschaft oder einer sonstigen Vereinigung abhängig gemacht würde. Das war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht der Fall.
Das Landesarbeitsgericht hat die Erhebung einer Teilnehmergebühr von Nichtgewerkschaftsmitgliedern bei gleichzeitiger Kostenfreiheit für Angehörige der IG-Chemie zutreffend nicht als unzulässige Zugangsbeschränkung beurteilt.
Die hiergegen von der Revision erhobenen Bedenken sind unbegründet.
Die nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 BFG erforderliche „offene Zugänglichkeit” entspricht der „Jedermannzugänglichkeit”, wie sie für Bildungsmaßnahmen nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW vorausgesetzt wird. Hierzu hat der Senat im Urteil vom 21. Oktober 1997 (– 9 AZR 253/96 – AP Nr. 24 zu § 1 BildungsurlaubsG NRW) Stellung genommen. Der Senat hat in der unterschiedlichen Behandlung keinen Umstand gesehen, der die Zugänglichkeit des Seminars ausschließt. Er hat dies im Urteil vom 2. Dezember 1997 (– 9 AZR 533/96 –, n.v.) bestätigt.
Daran ist für die inhaltlich vergleichbare Vorschrift in § 7 Abs. 1 BFG festzuhalten. Es ist unerheblich, daß hier der Kostenbeitrag für die Teilnahme am Seminar erhoben wurde, während es in den anderen Fällen um die Kosten von Unterkunft und Verpflegung ging. Der Träger einer Weiterbildungsmaßnahme ist nicht verpflichtet, die Bildungsveranstaltung kostenfrei anzubieten. Kosten entstehen für Referenten, Unterlagen, Räumlichkeiten, Einladungen/Rundschreiben usw., üblicherweise erhalten die Teilnehmer Getränke und ein Essen. Ein Tagessatz von 60,00 DM für die angebotene Leistung bewegt sich im üblichen Rahmen. Da der Arbeitgeber die dem Arbeitnehmer entstehenden Kosten nicht zu tragen hat, kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten auf eine Aufschlüsselung der Veranstaltungskosten durch den Träger der Maßnahme nicht an. Ob im Einzelfall ein besonders hoher Beitrag interessierte, nichtorganisierte Arbeitnehmer von einer Teilnahme abschrecken kann, und deshalb die offene Zugänglichkeit zu verneinen ist, kann dahinstehen. Der Streitfall bietet hierzu keinen Anlaß.
III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision nach § 97 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Düwell, Reinecke, Trümner, H. Unger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.06.1998 durch Brüne, Reg.-Obersekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 112 |
DB 1999, 590 |
ARST 1999, 68 |
FA 1999, 34 |
NZA 1999, 218 |
RdA 1999, 291 |
ZTR 1999, 183 |
AP, 0 |