Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. ver.di. Gründung. Tarifwechsel. Kongruente Tarifgebundenheit
Leitsatz (redaktionell)
- Sind Arbeitnehmer und Betriebserwerber nicht bereits im Zeitpunkt des Betriebsübergangs kongruent tarifgebunden, entsteht die kongruente Tarifgebundenheit an einen Tarifvertrag aber später, so verdrängt dieser Tarifvertrag einen anderen Tarifvertrag, der nach § 613a Abs 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses gewordenen ist (§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB). Es gibt keine zeitliche Grenze für die Verdrängungswirkung.
- Ist bei einem Betriebsteilübergang der neue Arbeitgeber an Tarifverträge gebunden, die die vormalige Gewerkschaft ÖTV geschlossen hat, und der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Betriebsteilübergangs Mitglied der vormaligen IG Medien und später von ver.di, entsteht mit der Verschmelzung der IG Medien und der ÖTV zur Gewerkschaft ver.di am 01.07.2001 kongruente Tarifgebundenheit an die Tarifverträge, die die ÖTV abgeschlossen hat. Dies gilt auch, wenn der Betriebsteilübergang vor der Verschmelzung stattfand.
- § 95 der Satzung der Gewerkschaft ver.di steht der Verdrängung von gemäß § 613a Abs 1 Satz 2 BGB weitergeltenden Tarifverträgen nach § 613a Abs 1 Satz 3 BGB nicht entgegen.
- Das Günstigkeitsprinzip findet im Verhältnis zwischen dem nach § 613a Abs 1 Satz 2 BGB fortgeltenden und dem beim Erwerber normativ geltenden neuen Tarifrecht keine Anwendung.
Parallelentscheidungen zu BAG, Urteil v. 11.05.2005, 4 AZR 315/04.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 Sätze 2-3; Satzung der Gewerkschaft ver.di § 95; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis anstelle der zuvor geltenden Bestimmungen der Tarifverträge für die Druckindustrie die der Tarifverträge der Kölner Hafenspediteure Anwendung finden.
Der Kläger war seit dem 5. Dezember 1977 bei der B… KG als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. In seinem Formulararbeitsvertrag heißt es ua.:
“Im übrigen gelten die Bestimmungen des jeweiligen Manteltarifvertrages der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und die Betriebsvereinbarungen.”
Der Kläger war Mitglied der IG Medien. Die B… KG war Mitglied im Arbeitgeberverband Medien, Druck und Papier.
Zum 1. April 1998 wurde der Unternehmensbereich “Innerbetrieblicher Transport” der B… KG im Wege eines Betriebsteilübergangs auf die Beklagte übertragen, die seinerzeit noch unter T… GmbH firmierte und auf Grund Beschlusses der Gesellschafter vom 23. März 1999 unter der jetzigen Beklagtenbezeichnung firmiert. Der Betriebsteilübergang erfasste auch das Arbeitsverhältnis des Klägers. Die Beklagte ist als Mitglied des Verbandes der Kölner Spediteure und Hafenanlieger e.V. (KSH) an die von diesem Verband mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) vereinbarten Tarifverträge für alle Beschäftigten der Kölner Hafenumschlagsbetriebe gebunden. Zu diesen Tarifverträgen zählen zB der Rahmentarifvertrag vom 15. August 1997 (RTV-KSH) mit Regelungen über die allgemeinen Arbeitsbedingungen (ua. Arbeitszeit, Urlaub, Arbeit an Sonn- und Feiertagen) und der Tarifvertrag über die Entlohnung für die gewerblichen Arbeitnehmer.
Am 1. Juli 2001 verschmolzen die Gewerkschaften IG Medien, ÖTV, HBV, DAG und DPG zur Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft e.V. (ver.di). Der Kläger ist seit diesem Zeitpunkt Mitglied bei ver.di. Die Satzung von ver.di enthält ua. folgende Bestimmung:
“§ 95 Fortgeltung von Tarifverträgen
1. Die von den Gründungsgewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge gelten nach Wirksamwerden der Verschmelzung unverändert fort. Ver.di tritt als Tarifvertragspartei an die Stelle derjenigen Gründungsgewerkschaft, die den Tarifvertrag abgeschlossen hat. Die Tarifbindung im persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages bleibt so lange unverändert, bis der bisherige Tarifvertrag durch einen nachfolgenden Tarifvertrag abgelöst wird.
2. Ein neu eintretendes ver.di-Mitglied hat sich im Falle einer Tarifkonkurrenz zu entscheiden, welcher Tarifvertrag anwendbar sein soll, und dies dem Arbeitgeber mitzuteilen.”
Nach der Verschmelzung der genannten Einzelgewerkschaften zur Gewerkschaft ver.di am 1. Juli 2001 wendet die Beklagte die Tarifverträge KSH an.
Der Kläger fordert von der Beklagten über den genannten Zeitpunkt hinaus die Anwendung der tariflichen Regelungen der Druckindustrie in der zur Zeit des Betriebsteilübergangs am 1. April 1998 geltenden Fassung. Insbesondere erhebt er Anspruch auf Entgelt, Zuschläge und Urlaubsentgelt nach diesen Tarifbestimmungen. Darüber hinaus verlangt er wegen der nach dem MTV-Druck im Vergleich zum RTV-KSH geringeren wöchentlichen Arbeitszeit Überstundenvergütung, da er in der Regelarbeitszeit des RTV-KSH bei der Beklagten arbeitet. Schließlich fordert er die Zahlung einer Pauschalabgeltung für die Kontoführungskosten und erstrebt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihm Freischichten nach § 4 MTV-Druck zu gewähren.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Tarifverträge der Druckindustrie seien nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt seines Arbeitsverhältnisses geworden. Diese Vorschrift sei nicht durch § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ausgeschlossen. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB setze voraus, dass eine anderweitige Tarifgebundenheit zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestanden habe. Auch das Interesse an einer einheitlichen Tarifgeltung könne dessen Anwendung nicht begründen; der Arbeitgeber habe die Möglichkeit, nach Ablauf eines Jahres nach Betriebsübergang die bei ihm geltenden Tarifverträge durch Ausspruch einer Änderungskündigung Bestandteil des Arbeitsverhältnisses werden zu lassen. Aus diesem Grunde würden die Tarifverträge der Druckindustrie individualrechtlich weitergelten. Im Verhältnis dieser und der Tarifverträge KSH gelte das Günstigkeitsprinzip. Danach seien die Tarifverträge für die Druckindustrie als die für ihn günstigeren weiter maßgebend.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.562,72 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 151,19 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2001, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April und 1. Mai 2002 und aus je 25,41 Euro seit dem 1. Juni und 1. Juli 2002 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.333,16 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 277,76 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2001, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni und 1. Juli 2002 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15,36 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 1,28 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2001, 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni und 1. Juli 2002 zu zahlen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 813,70 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2002 zu zahlen;
5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeitraum von Juli 2001 bis Juni 2002 insgesamt drei Freischichten gemäß § 4 Ziff. 1 des MTV für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland idF vom 1. Januar 1997 zu gewähren;
6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 12.222,54 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 101,64 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 25,41 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober und 1. November 2002 zu zahlen;
8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.944,32 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 277,76 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2002, 1. Januar und 1. Februar 2003 zu zahlen;
9. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8,96 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 1,28 Euro seit dem 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2002, 1. Januar und 1. Februar 2003 zu zahlen;
10. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeitraum Juli 2002 bis Oktober 2002 eine Freischicht gemäß § 4 Ziff. 1 des MTV für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland idF vom 1. Januar 1997 zu gewähren;
11. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.294,88 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
12. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 555,53 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 277,76 Euro seit dem 1. März und 1. April 2003 zu zahlen;
13. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2,56 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus je 1,28 Euro seit dem 1. März und 1. April 2003 zu zahlen;
14. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für den Zeitraum November 2002 bis Februar 2003 eine Freischicht gemäß § 4 Ziff. 1 des MTV für gewerbliche Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung vom 1. Januar 1997 zu gewähren;
15. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.949,80 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ab 1. Juli 2001 seien die Tarifverträge KSH auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, weil zu diesem Zeitpunkt die von der Rechtsprechung geforderte beiderseitige kongruente Tarifgebundenheit eingetreten sei. Mit der Verschmelzung sei ver.di als Tarifvertragspartei an die Stelle der Gründungsgewerkschaften getreten. Ab diesem Zeitpunkt bestehe beiderseitige Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien an die Tarifverträge KSH. Interne Regelungen von ver.di änderten nichts daran, dass nach außen hin ver.di als tarifvertragsschließende Gewerkschaft auftrete. Bei § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB handele es sich um einen Auffangtatbestand für den Fall, dass der Arbeitnehmer im aufnehmenden Betrieb in Ermangelung beiderseitiger Tarifgebundenheit seinen kollektiven Schutz verliere. Ab dem Eintritt beiderseitiger kongruenter Tarifgebundenheit unterliege der Kläger aber den Tarifverträgen KSH. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB schließe als Sonderregelung auch eine Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips aus.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter, ohne sich dabei auf die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel zu stützen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.
I. Die Klage ist unbegründet. Die Bestimmungen der Tarifverträge der Druckindustrie, auf die sich der Kläger zur Begründung seiner Ansprüche stützt, sind im Anspruchszeitraum nicht mehr Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Sie waren nur bis zum 30. Juni 2001 nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB maßgebend. In der Zeit danach gelten die Tarifverträge KSH kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB.
1. Die Bestimmungen der Tarifverträge der Druckindustrie galten ursprünglich im Arbeitsverhältnis des Klägers mit der B… KG kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG normativ. Zum 1. April 1998 wurden die Tarifverträge der Druckindustrie in Folge des Betriebsteilübergangs gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Bestandteil des Arbeitsverhältnisses der Parteien (vgl. Senat 20. April 1994 – 4 AZR 342/93 – AP BGB § 613a Nr. 108 = EzA BGB § 613a Nr. 118, zu III der Gründe mwN); die kollektivrechtliche Weitergeltung der Drucktarifverträge war nach dem Betriebsteilübergang mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit an diese (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) ausgeschlossen.
2. Seit dem 1. Juli 2001 sind die Tarifverträge der Druckindustrie nicht mehr Bestandteil des Arbeitsverhältnisses. Sie wurden zu diesem Zeitpunkt gem. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch die für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden Tarifbestimmungen der Tarifverträge KSH verdrängt.
a) Nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB gilt dessen Satz 2 nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages geregelt werden. Erforderlich für die Verdrängung nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB weitergeltender Tarifbedingungen durch einen anderen Tarifvertrag ist die sog. kongruente Tarifgebundenheit der Parteien des Arbeitsverhältnisses – also sowohl diejenige des neuen Inhabers als auch die des Arbeitnehmers – an den anderen Tarifvertrag (Senat 21. Februar 2001 – 4 AZR 18/00 – BAGE 97, 107, zu B I 2b aa der Gründe; 30. August 2000 – 4 AZR 581/99 – BAGE 95, 296, zu I 2b der Gründe; 19. März 1986 – 4 AZR 640/84 – BAGE 51, 274, 279 f.; 20. April 1994 – 4 AZR 342/93 – AP BGB § 613a Nr. 108 = EzA BGB § 613a Nr. 118, zu IV 2a der Gründe; BAG 19. November 1996 – 9 AZR 640/95 – AP BGB § 613a Nr. 153 = EzA BGB § 613a Nr. 147, zu I 2 der Gründe).
b) Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt nach § 1 RTV-KSH dessen Geltungsbereich. Nach dem Einleitungssatz des Entlohnungstarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Kölner Hafenumschlagsbetriebe vom 23. November 2000 und § 1 des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten der Hafenumschlagsbetriebe im Verband Kölner Spediteure und Hafenanlieger e.V. Köln vom 10. Oktober 2002 unterfallen sie ebenfalls dem Geltungsbereich dieser Tarifverträge.
c) Kongruente Tarifgebundenheit der Parteien an die Tarifverträge KSH gem. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG besteht seit dem 1. Juli 2001. Denn die Beklagte war schon zuvor kraft Verbandsmitgliedschaft an diese Tarifverträge gebunden, und die Tarifgebundenheit des Klägers ist am 1. Juli 2001 durch seine seitdem bestehende Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di begründet worden. Mit der Verschmelzung zum 1. Juli 2001 sind die IG Medien und die ÖTV als Rechtspersönlichkeiten untergegangen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) und deren Vermögen einschließlich der Verbindlichkeiten auf die Gewerkschaft ver.di übergegangen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Damit sind auch die von den verschmolzenen Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge auf ver.di übergegangen (vgl. Senat 24. Juni 1998 – 4 AZR 208/97 – BAGE 89, 193, zu 2a der Gründe). Die Mitglieder der IG Medien sind zu diesem Zeitpunkt Mitglieder von ver.di geworden (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 1. Halbs. iVm. § 2 UmwG).
aa) Der beiderseitigen Gebundenheit an die Tarifverträge KSH steht nicht § 95 Abs. 1 Satz 3 der Satzung von ver.di entgegen, wonach die “Tarifbindung” im persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages so lange unverändert bleibt, bis der bisherige Tarifvertrag durch einen nachfolgenden Tarifvertrag abgelöst wird. Denn der Tatbestand für das Fortbestehen der “Tarifbindung” nach dieser Satzungsnorm liegt nicht vor.
(1) § 95 der Satzung trifft eine Regelung für eine durch die Gründung von ver.di entstehende Konkurrenz normativ geltender Tarifverträge. Da die Gewerkschaft ver.di als Tarifvertragspartei an die Stelle der Gründungsgewerkschaften getreten ist, deren vor der Verschmelzung abgeschlossene Tarifverträge für ver.di als Rechtsnachfolger der Gründungsgewerkschaften unverändert fortgalten (§ 95 Abs. 1 Satz 1 und 2), können Tarifkonkurrenzen entstehen, wenn für denselben persönlichen, betrieblich/fachlichen und räumlichen Geltungsbereich mehrere vor der Verschmelzung von einzelnen Gründungsgewerkschaften abgeschlossene Tarifverträge bestehen. Hierzu bestimmt § 95 Abs. 1 Satz 3 der Satzung, dass die “Tarifbindung”, also die Tarifgebundenheit iSv. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, im persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages so lange unverändert bleibt, bis der bisherige Tarifvertrag durch einen nachfolgenden Tarifvertrag abgelöst wird. § 95 der Satzung setzt damit die normative Bindung an einen Tarifvertrag voraus. Die Auffassung, § 95 der Satzung sei so zu verstehen, dass die ehemaligen Mitglieder der IG Medien weiter an deren und die Mitglieder der ÖTV weiter an deren Tarifverträge gebunden sein sollen (zB Arbeitsgericht Köln 20. August 2003 – 11 Ca 10824/02 – unter Berufung auf Kempen NZA 2003, 415 ff.), könnte daher nur insoweit zutreffen, als im Zeitpunkt der Verschmelzung der Gewerkschaften eine normative Bindung nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 TVG bestand.
(2) Hier fehlt es bereits an der beiderseitigen Tarifgebundenheit der Parteien an die Tarifverträge der Druckindustrie, die deren normative Geltung im Arbeitsverhältnis vor dem Zusammenschluss zu ver.di begründet hätte. Diese galten vielmehr – seit dem Betriebsteilübergang am 1. April 1998 – am 1. Juli 2001 zwischen den Parteien allein auf Grund von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Senat 20. April 1994 – 4 AZR 342/93 – AP BGB § 613a Nr. 108 = EzA BGB § 613a Nr. 118, zu III der Gründe mwN).
(3) Auf die Frage, welche Rechtswirkungen § 95 der Satzung für die Tarifgebundenheit iSv. § 3 TVG entfalten kann, kommt es für den vorliegenden Fall nicht an.
bb) Das Vorliegen der kongruenten Tarifgebundenheit scheitert nicht daran, dass ver.di nach § 22 Abs. 3 der Satzung in 13 Fachbereiche unterteilt ist und die Tarifarbeit von diesen Fachbereichen nach §§ 68, 69 der Satzung eigenständig wahrgenommen wird (ebenso Schiefer DB 2003, 390, 392; ders. FS 50 Jahre BAG S. 859, 868). Nach § 3 Abs. 1 TVG sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien tarifgebunden. Nach außen hin tritt allein ver.di als tarifschließende Gewerkschaft auf; sie und nicht die Fachbereiche sind Tarifvertragspartei. Dementsprechend gibt es auch keine Mitgliedschaft in einem Fachbereich von ver.di, sondern nur eine Mitgliedschaft bei ver.di selbst. Da mit der Verschmelzung ver.di Tarifvertragspartei der Tarifverträge KSH und der Kläger Mitglied von ver.di geworden sind, bestand ab diesem Zeitpunkt eine beiderseitige, kongruente, normative Bindung an die Tarifverträge KSH (vgl. Schliemann Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 3, 9 in Fn. 44; Prange NZA 2002, 817, 821; Melms NZA 2002, 296, 300; Welslau FA 2002, 303, 304; Schiefer DB 2003, 390, 392; ders. FS 50 Jahre BAG S. 859, 868; Schiefer/Pogge NJW 2003, 3734, 3739).
cc) Nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist auch nicht erforderlich, dass die beiderseitige Tarifgebundenheit der Parteien an die Tarifverträge KSH bereits zum Zeitpunkt des Betriebsteilübergangs am 1. April 1998 bestand.
Für das Eingreifen des anderen Tarifvertrages ist es unerheblich, ob dieser schon zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs für den bereits vorhandenen Betrieb des Erwerbers gilt und damit von vornherein die Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ausschließt, oder erst später für den Erwerber Geltung erlangt und demgemäß erst von diesem Zeitpunkt die bisherigen, nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB weitergeltenden tariflichen Vorschriften verdrängt (BAG 16. Mai 1995 – 3 AZR 535/94 – BAGE 80, 139, zu II 2b der Gründe; Senat 20. April 1994 – 4 AZR 342/93 – AP § 613a BGB Nr. 108 = EzA BGB § 613a Nr. 118, zu IV 2c aa der Gründe; 19. März 1986 – 4 AZR 640/84 – BAGE 51, 274, 280; ErfK/Preis 5. Aufl. § 613a BGB Rn. 121 mwN). Dafür spricht bereits der Gesetzeswortlaut, der die Verdrängung des bisherigen Tarifvertrages nicht auf den Fall beschränkt, dass die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber geregelt “sind”, sondern darauf abstellt, ob diese dort geregelt “werden”. Dies schließt gerade auch den Fall der später begründeten normativen Tarifgeltung ein. Entsprechendes gilt auch bei einer späteren Begründung der Tarifgebundenheit auf Seiten des Arbeitnehmers (vgl. dazu ErfK/Preis aaO Rn. 120). § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ist daher nicht nur auf den Fall der Ablösung des einen kollektivrechtlich geltenden Tarifvertrages durch einen anderen kollektivrechtlich geltenden Tarifvertrag anzuwenden. Der kollektivrechtlich geltende neue Tarifvertrag verdrängt auch die nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB kraft gesetzlicher Anordnung geltenden Regelungen eines anderen Tarifvertrages (BAG 16. Mai 1995 – 3 AZR 535/94 – aaO; Senat 20. April 1994 – 4 AZR 342/93 – aaO; 19. März 1986 – 4 AZR 640/84 – aaO). Eine zeitliche Grenze für die Anwendbarkeit des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB gibt es nicht. Für die vom Kläger benannte Grenze von einem Jahr findet sich im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ordnet die Nichtgeltung von Satz 2 an, ohne diese Rechtsfolge an eine Frist zu knüpfen.
dd) Entgegen der Ansicht des Klägers ist im Verhältnis der Tarifverträge Druck und KSH auch nicht das Günstigkeitsprinzip anwendbar (Senat 20. April 1994 – 4 AZR 342/93 – AP BGB § 613a Nr. 108 = EzA BGB § 613a Nr. 118, zu IV 3a der Gründe; zB auch ErfK-Preis aaO Rn. 121 mwN). § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB enthält eine Spezialregelung, welche die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ausschließt. Würde man das Günstigkeitsprinzip anwenden, wäre § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB sinnentleert. Der Gesetzgeber geht bei dieser Regelung von der qualitativen Gleichwertigkeit aller Tarifverträge im Rechtssinne, also auch der alten und neuen Tarifregelungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang, aus. Hiervon ausgehend kann in diesem Verhältnis nur das Ablösungs-, nicht das Günstigkeitsprinzip gelten. Schließlich gehen die “alten” Tarifregelungen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, der eine Überbrückungsfunktion hat, mit dem Inhalt in das Arbeitsverhältnis über, den sie bei Betriebsübergang haben (Senat 20. Juni 2001 – 4 AZR 295/00 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 18 = EzA BGB § 613a Nr. 203, zu I 2b cc der Gründe), während sich die normativ geltenden neuen Regelungen – vielfach zum Vorteil des Arbeitnehmers – weiterentwickeln.
3. Die kongruente Tarifgebundenheit an die Tarifverträge KSH führt dazu, dass die Tarifverträge der Druckindustrie, auf die sich der Kläger zur Begründung seiner Ansprüche stützt, nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB keine Anwendung mehr finden. Denn sie sind durch die denselben Regelungsgegenstand betreffenden Tarifnormen (Senat 20. April 1994 – 4 AZR 342/93 – aaO; BAG 22. Januar 2003 – 10 AZR 227/02 – AP BGB § 613a Nr. 242 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 1, zu II 2 der Gründe) der Tarifverträge KSH abgelöst worden. Dies ist bei allen Ansprüchen, die Gegenstand des Rechtsstreits sind, der Fall, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend und von der Revision nicht angegriffen ausgeführt hat.
4. Die Anwendbarkeit der Tarifverträge der Druckindustrie ergibt sich auch nicht aus der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien. Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Streitgegenstand, der nicht in die Revisionsinstanz gelangt ist.
a) Der Streitgegenstand wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und durch den zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BAG 17. April 2002 – 5 AZR 400/00 – AP ZPO § 322 Nr. 34, zu II 1 der Gründe; BGH 19. Dezember 1991 – IX ZR 96/91 – BGHZ 117, 1, 5; 17. März 1995 – V ZR 178/93 – NJW 1995, 1757, zu II 1b der Gründe; BAG 19. März 1998 – 8 AZR 536/96 –, zu II 1 der Gründe; 6. Juni 2000 – 1 ABR 21/99 – BAGE 95, 47, 54 f.). Der Lebenssachverhalt umfasst das ganze dem Klageantrag zugrunde liegende tatsächliche Geschehen, das bei natürlicher, vom Standpunkt der Parteien ausgehender Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag des Klägers zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehört oder gehört hätte (BGH 20. März 2000 – II ZR 250/99 – NJW 2000, 1958, zu II 2a der Gründe mwN). Die im Jahre 1977 vereinbarte arbeitsvertragliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Druckindustrie und deren ursprüngliche normative Geltung sind unterschiedliche Lebenssachverhalte und damit verschiedene Streitgegenstände.
b) Mit der Bezugnahmeklausel begründet der Kläger seine Ansprüche in der Revision nicht mehr. In der Revisionsbegründung fehlt jeder Hinweis, dass sich der Kläger auf die Vereinbarung aus dem Jahre 1977 stützen will.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Wolter, Bott, Pfeil, Rupprecht
Fundstellen