Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachwirkender Schutz des vorübergehend nachgerückten Ersatzmitglieds der Jugendvertretung
Leitsatz (redaktionell)
Auch das vorübergehend nachgerückte Ersatzmitglied der Jugendvertretung kann den nachwirkenden Schutz gemäß § 9 Abs 3 BPersVG bzw § 78a Abs 3 BetrVG für sich in Anspruch nehmen, sofern das Berufsausbildungsverhältnis innerhalb eines Jahres nach dem Vertretungsfall erfolgreich abgeschlossen wird und der Auszubildende innerhalb von drei Monaten vor der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses seine Weiterbeschäftigung schriftlich verlangt (Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Senats vom 15. Januar 1980, 6 AZR 726/79 = AP Nr 8 zu § 78a BetrVG 1972).
Orientierungssatz
Vergleiche hierzu auch Urteil des Senats vom 13. März 1986, 6 AZR 207/85.
Normenkette
BPersVG §§ 106-107, 9 Abs. 4, 2-3; BetrVG § 78a Abs. 4, 3, 2; KSchG § 15 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 25.01.1985; Aktenzeichen 12 Sa 122/84) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 30.05.1984; Aktenzeichen 6 Ca 323/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses der Klägerin zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist.
Die am 12. August 1961 geborene Klägerin wurde von der Beklagten in deren Dienststelle Krankenhaus S seit dem 1. April 1981 bis zur erfolgreich abgelegten Prüfung am 6. März 1984 als Krankenschwester ausgebildet. Bei den im September 1983 in der Dienststelle durchgeführten Jugendvertreterwahlen war die Klägerin zum Ersatzmitglied gewählt worden. Sie vertrat die am 2. November 1983 wegen Krankheit verhinderte Jugendvertreterin Frau F und nahm an einer Sitzung des Personalrats als Jugendvertreterin teil. Mit Schreiben vom 9. Januar 1984 und vom 1. Februar 1984, der Beklagten am 12. Januar 1984 bzw. 3. Februar 1984 zugegangen, verlangte die Klägerin die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis für die Zeit nach Beendigung der Ausbildung. Das lehnte die Beklagte ab.
Die Klägerin hat behauptet, nicht nur am 2. November 1983 anstelle der erkrankten Frau F, sondern auch in anderen Fällen der persönlichen Verhinderung für die Teilnahme an Personalratssitzungen herangezogen worden zu sein. So habe sie an den Personalratssitzungen vom 5. Oktober 1983, 25. Oktober 1983, 8. November 1983, 1. Dezember 1983, 6. Dezember 1983 und 14. Februar 1984 teilgenommen. Der Verwaltungsleiter des Krankenhauses habe nach Überprüfung den Anspruch auf Überstundenvergütung für ihre Teilnahme an der Personalratssitzung vom 14. Februar 1984 anerkannt und die Bezahlung veranlaßt.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und behauptet, daß die Klägerin die Jugendvertreterin Frau F nur am 2. November 1983 vertreten habe. Da sie an den Tagen, an denen die Weiterbeschäftigungsverlangen eingegangen seien, das ordentliche Mitglied nicht vertreten habe, könne sie keinen Anspruch aus § 9 Abs. 2 BPersVG herleiten. § 9 Abs. 3 BPersVG sei auf Ersatzmitglieder nicht anzuwenden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung und zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Zwischen den Parteien ist ein Arbeitsverhältnis nach § 9 Abs. 3 i. V. m. § 9 Abs. 2 BPersVG, welcher nach § 107 Satz 2 BPersVG im Land Niedersachsen unmittelbar gilt, zustandegekommen.
I. Die Klägerin verfolgt ihren Anspruch zu Recht im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren.
1. Die gesetzliche Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten an die Verwaltungsgerichte nach den §§ 106, 107 Satz 2, § 9 Abs. 4 BPersVG bezieht sich nur auf Verfahren, in denen der Arbeitgeber als Antragsteller tätig wird, um den gesetzlichen Übergang des Ausbildungsverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis zu verhindern oder um ein Arbeitsverhältnis aufzulösen (BAG 46, 270, 273). Ergreift jedoch anstelle des passiven Arbeitgebers der Auszubildende die Initiative und erhebt seinerseits eine Feststellungsklage, so handelt es sich um eine individualrechtliche Streitigkeit aus dem Arbeitsrecht, nicht um eine kollektivrechtliche Streitigkeit aus dem dem öffentlichen Dienstrecht zuzurechnenden Personalvertretungsrecht. Demgemäß sind für einen solchen Rechtsstreit die Gerichte für Arbeitssachen zuständig (BAG, aaO).
2. Der Klageantrag ist auch in der richtigen Verfahrensart gestellt worden. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß über den Antrag eines Auszubildenden, der den Schutz nach § 78 a BetrVG in Anspruch nehmen und das Bestehen seines Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen will, jedenfalls dann im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren entschieden werden muß, wenn der Arbeitgeber zwar den Bestand des Arbeitsverhältnisses oder die Mitgliedschaft in einem der in § 78 a Abs. 1 BetrVG genannten betriebsverfassungsrechtlichen Organe leugnet, die nach § 78 a Abs. 4 BetrVG vorgesehenen Anträge aber nicht stellt (BAG 45, 305; BAG 44, 154; BAG Urteil vom 23. Juni 1983 - 6 AZR 595/80 - AP Nr. 10 zu § 78 a BetrVG 1972). Das gilt gleichermaßen für Anträge eines Auszubildenden nach § 9 BPersVG (BAG 46, 270, 273 f.).
II. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, § 9 Abs. 3 BPersVG sei auf die Klägerin nicht anzuwenden. Zwar habe das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - (AP Nr. 7 zu § 15 KSchG) entschieden, daß Ersatzmitglieder des Betriebsrats, die ein zeitweilig verhindertes, gewähltes Mitglied vertreten und während der Vertretungszeit auch tatsächlich Betriebsratsaufgaben wahrgenommen haben, den nachfolgenden Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG genießen. Die Übertragung dieses Ergebnisses auf Ersatzmitglieder einer Jugendvertretung im Rahmen der §§ 78 a Abs. 3 BetrVG und 9 Abs. 3 BPersVG verbiete sich jedoch. Die Konsequenzen eines nachwirkenden Schutzes der Ersatzmitglieder für den Zeitraum eines Jahres im Rahmen von § 9 Abs. 3 BPersVG seien wesentlich weitgehender als diejenigen des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Während das Kündigungsschutzgesetz lediglich den normalen Bestandsschutz verstärke, würde bei der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Auslegung des § 9 Abs. 3 BPersVG dem Auszubildenden, der als Ersatzmitglied tätig gewesen sei, ein Arbeitsverhältnis verschafft. Für eine derartig einschneidende Regelung sei eine eindeutige gesetzliche Grundlage zu fordern. Diese fehle jedoch. Weder § 78 a BetrVG noch § 9 BPersVG gebe dem Ersatzmitglied, das im Jahr vor der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses einmal vertretungsweise tätig gewesen sei, einen Übernahmeanspruch. Wenn sich auch die Anwendung von § 78 a Abs. 2 BetrVG bzw. § 9 Abs. 2 BPersVG auf Ersatzmitglieder im vom Bundesarbeitsgericht vorgegebenen Rahmen durch die Erwägung rechtfertigen lasse, daß zum Schutz der Amtsträger die Einschaltung einer sog. Abkühlungsphase vonnöten sei, so scheine dieses Anliegen im Hinblick auf die relativ lange Jahresfrist in § 9 BPersVG nicht legitim. Es sei weder typisch noch üblich, daß sich mögliche kontroverse Konfliktsituationen aus der vertretungsweisen Amtsführung über ein ganzes Jahr erstreckten. Das Schutzbedürfnis der Ersatzmitglieder rechtfertige daher die Anwendung von § 9 Abs. 3 BPersVG nicht.
III. Dieser Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden.
1. Nach dem mit § 78 a Abs. 2 BetrVG insoweit inhaltsgleichen § 9 Abs. 2 BPersVG gilt ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zwischen Auszubildenden und Arbeitgebern im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis als begründet, wenn ein in Abs. 1 genannter Auszubildender innerhalb der letzten 3 Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung verlangt. Gleiches gilt auch für Ersatzmitglieder der Jugendvertretung, wenn sie ein ordentliches Mitglied vertreten und ein Übernahmeverlangen gerade zu diesem Zeitpunkt stellen (BAG Urteil vom 15. Januar 1980 - 6 AZR 726/79 - AP Nr. 8 zu § 78 a BetrVG 1972 = EzA § 78 a BetrVG 1972 Nr. 9 mit zustimmender, im Ergebnis noch weitergehender Anm. von Grunsky). Noch nicht entschieden, sondern vom Senat bislang ausdrücklich offengelassen worden (BAG, aaO, am Ende in II 2 c der Gründe), ist die Frage, ob Ersatzmitglieder der Jugendvertretung auch den nachwirkenden Schutz aus § 9 Abs. 2 BPersVG gem. § 9 Abs. 3 BPersVG bzw. aus § 78 a Abs. 2 BetrVG gem. § 78 a Abs. 3 BetrVG für sich in Anspruch nehmen können.
2. Im Schrifttum wird auch nur vorübergehend tätig gewordenen Ersatzmitgliedern der Jugendvertretung überwiegend der nachträgliche Schutz gemäß § 78 a Abs. 3 BetrVG bzw. § 9 Abs. 3 BPersVG zugebilligt. So fordern sowohl Weigand (KR-Weigand, 2. Aufl., § 78 a BetrVG Rz 20) als auch Grunsky (Anm. zu EzA § 78 a BetrVG 1972 Nr. 9), daß das Ersatzmitglied denselben Schutz wie das in erster Linie berufene Mitglied genießen solle, da auch die Ersatzmitgliedschaft ausreichen könne, um beim Arbeitgeber Benachteiligungsabsichten hervorzurufen. Für die Schutzwirkung des § 78 a BetrVG müsse es demnach ausreichen, wenn das Ersatzmitglied innerhalb der Jahresfrist gemäß § 78 a Abs. 3 BetrVG einmal, und sei es auch nur vorübergehend, in die Jugendvertretung eingerückt sei. Ein nachwirkender Schutz gemäß § 78 a Abs. 3 BetrVG für auch nur vorübergehend tätig gewordene Ersatzmitglieder wird auch von Reinecke (DB 1981, 889) und - wenn auch ohne nähere Begründung - von Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke (BetrVG, 2. Aufl., § 78 a Rz 6) und neuerdings von Hess (in Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 78 a Rz 8) bejaht. Thiele (GK-BetrVG, § 78 a Rz 18) hält in allerdings nur analoger Anwendung des § 78 a Abs. 3 BetrVG einen nachwirkenden Schutz jedenfalls dann für gegeben, wenn dessen Amtstätigkeit zeitlich und sachlich nicht nur von untergeordneter Bedeutung gewesen ist. Ebenso - in Konsequenz der Rechtsprechung zu § 15 KSchG - wohl auch Richardi (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 78 a Rz 8). Einschränkend auch Löwisch (Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 78 a Rz 4 a), der den nachwirkenden Schutz (soweit dort von Kündigungsschutz gesprochen wird, dürfte es sich um ein Versehen handeln) auf das jeweils erste Mitglied einer Liste beschränken will, um den weitgehenden Schutz des § 78 a BetrVG in ein vertretbares Verhältnis zur Vertragsfreiheit des Arbeitgebers zu bringen. Bei Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 78 a Rz 4 bleibt unklar, ob sie dem Ersatzmitglied den Schutz des § 78 a BetrVG nur in dem mit Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Januar 1980 - 6 AZR 726/79 - (AP Nr. 8 zu § 78 a BetrVG 1972) entschiedenen Umfang oder ohne Einschränkung zubilligen wollen. Hanau (AR-Blattei "Betriebsverfassung IX" unter A VI) und Richardi für den Bereich des Personalvertretungsrechts (Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 9 Rz 8) lehnen es dagegen ab, den nachwirkenden Schutz des § 78 a Abs. 3 BetrVG bzw. des § 9 Abs. 3 BPersVG auf ein vorübergehend nachgerücktes Ersatzmitglied zu erweitern. Allerdings begründen sie ihre Auffassung mit der vom Senat in den Urteilen vom 21. August 1979 - 6 AZR 789/77 - (AP Nr. 6 zu § 78 a BetrVG 1972) und vom 15. Januar 1980 (aaO) abgelehnten Auslegung des Gesetzes, wonach der nachwirkende Schutz an die Amtszeit der Jugendvertretung als Organ gebunden sei.
3. Der Senat bejaht im Ergebnis übereinstimmend mit den überwiegenden Stimmen im Schrifttum die Anwendung des § 9 Abs. 3 BPersVG (in Verbindung mit § 9 Abs. 2 BPersVG) auf das auch nur vorübergehend in die Stellung eines ordentlichen Mitglieds nachgerückte Ersatzmitglied der Jugendvertretung. Voraussetzung ist jedoch, daß das vorübergehende Nachrücken in die Jugendvertretung vor Ablauf eines Jahres vor der erfolgreichen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses geschehen ist und der Auszubildende innerhalb von drei Monaten vor der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses seine Weiterbeschäftigung schriftlich verlangt hat.
a) Die Anwendung des § 9 Abs. 3 BPersVG auf Ersatzmitglieder, die nur zeitweilig ein ordentliches Mitglied vertreten, scheitert nicht daran, daß das Berufsausbildungsverhältnis vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit der Jugendvertretung erfolgreich beendet sein muß. Zwar stellt der Wortlaut des § 9 Abs. 3 BPersVG - ebenso wie § 78 a Abs. 3 BetrVG - für den nachwirkenden Schutz des Jugendvertreters nur auf die Beendigung der Amtszeit der Jugendvertretung als Organ ab. Im Anschluß an die Entscheidung des Zweiten Senats vom 5. Juli 1979 - 2 AZR 521/77 - (AP Nr. 6 zu § 15 KSchG 1969) hat der erkennende Senat bereits in seinen Entscheidungen vom 21. August 1979 - 6 AZR 789/77 - (AP Nr. 6 zu § 78 a BetrVG 1972) und vom 22. September 1983 - 6 AZR 323/81 - (AP Nr. 11 zu § 78 a BetrVG 1972) ausgeführt, daß grundsätzlich auch das vorzeitig ausgeschiedene Mitglied der Jugendvertretung die Rechte nach § 78 a Abs. 3 i.V.m. § 78 a Abs. 2 BetrVG hat. Dies gilt entsprechend der gleichen Sach- und Rechtslage auch für den Bereich des § 9 BPersVG.
b) Erlaubt aber der so ausgelegte § 9 Abs. 3 BPersVG einerseits die Anwendung des nachwirkenden Schutzes bei Beendigung der persönlichen Mitgliedschaft und gestattet der Wortlaut des § 9 Abs. 2 BPersVG andererseits eine Anwendung auf das Ersatzmitglied, das ein ordentliches Mitglied ordnungsgemäß vertreten hat, so bedarf es keiner weiteren ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage mehr, um die beiden Vorschriften auch auf das zeitweilig in die Jugendvertretung aufrückende Ersatzmitglied anzuwenden, wie das Landesarbeitsgericht meint. Die am Schutzzweck der Norm orientierte Auslegung des Gesetzes gestattet dann ohne weiteres die über den grammatikalischen Wortlaut hinausgehende Anwendung (abweichend Kraft, Anm. zu AP Nr. 6 zu § 78 a BetrVG 1972 und Thiele in GK-BetrVG, § 78 a Rz 18, die eine unbewußte Regelungslücke annehmen und deshalb nur eine analoge Anwendung des § 78 a Abs. 3 BetrVG für sachgerecht halten). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats liegt der Sinn der Bestimmungen der §§ 78 a BetrVG und 9 BPersVG darin, der möglichen Benachteiligung des in der Ausbildung befindlichen Jugendvertreters vorzubeugen. Durch diese Bestimmungen soll die zeitliche Kontinuität des Amtes eines Jugendvertreters sichergestellt werden. Der Jugendvertreter, der in einem Ausbildungsverhältnis steht, soll ähnlich wie seine in einem Arbeitsverhältnis stehenden Kollegen und Betriebsratsmitglieder weitgehenden Schutz vor einer Beendigung seines Amtes während seiner Amtszeit bzw. innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Amtszeit erhalten. Der § 78 a Abs. 3 BetrVG bzw. der § 9 Abs. 3 BPersVG will damit für den Jugendvertreter eine Rechtsposition schaffen, die offensichtlich der des Betriebsrats nach § 15 KSchG, § 103 BetrVG angenähert ist, wenn auch ohne die besondere aus § 103 BetrVG sich ergebende zusätzliche Sicherung (BAG Urteil vom 16. Januar 1979 - 6 AZR 153/77 - AP Nr. 5 zu § 78 a BetrVG 1972; BAG Urteil vom 21. August 1979 - 6 AZR 789/77 - AP Nr. 6 zu § 78 a BetrVG 1972; BAG Urteil vom 23. Juni 1983 - 6 AZR 595/80 - AP Nr. 10 zu § 78 a BetrVG 1972 und BAG 46, 270). Den Mitgliedern der Betriebsverfassungsorgane soll die Ausübung ihres Amtes ohne Furcht vor Nachteilen für ihre zukünftige berufliche Entwicklung ermöglicht werden (BT-Drucks. 7/1170, S. 1).
Dieser Schutzgedanke gilt für das zeitweilig nachgerückte Ersatzmitglied gleichermaßen. Denn wie das ordentliche Mitglied der Jugendvertretung kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch der nachgerückte Ersatzmann in Situationen kommen, in denen er aus Furcht, sich gegen den Arbeitgeber stellen zu müssen und deshalb am Ende der Ausbildung nicht übernommen zu werden, seinen Pflichten als Organ der Betriebsverfassungsgesetze nicht nachkommen mag. Man denke nur an die Teilnahme des Ersatzmitglieds nach § 67, § 65 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG an einer Sitzung des Betriebsrats, in der über einen Antrag des Arbeitgebers nach § 103 Abs. 1 BetrVG zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Jugendvertreters nach § 15 Abs. 1 KSchG beraten werden soll. Die Situation des zeitweilig nachgerückten Ersatzmitglieds der Jugendvertretung ist vergleichbar mit der des zeitweilig nachgerückten Ersatzmitglieds des Betriebsrats und ebenso wie dieser bedarf er eher noch dringender als das ordentliche Mitglied des Schutzes des Gesetzes (BAG Urteil vom 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - AP Nr. 7 zu § 15 KSchG).
c) Dem Landesarbeitsgericht kann auch nicht gefolgt werden, soweit es einen nachwirkenden Schutz des Ersatzmitgliedes im Hinblick auf die relativ lange Jahresfrist des § 9 Abs. 3 BPersVG ablehnt. Zwar könnte daran gedacht werden, dem zeitweilig nachgerückten Ersatzmitglied nur dann nachwirkenden Schutz zu gewähren, wenn Vertretungsfall und Übernahmeverlangen im Zeitraum der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses liegen. Eine solche Einschränkung ist sachlich jedoch nicht gerechtfertigt. Wenn es schon geboten ist, die zeitweilig nachgerückten Ersatzmitglieder der Jugendvertretung in den Schutzbereich des § 9 Abs. 3 BPersVG einzubeziehen, kann es nicht erlaubt sein, die anderen tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Norm einschränkend zu Lasten des Auszubildenden, gewissermaßen als Korrektur zugunsten des belasteten Arbeitgebers zu verändern und auf die Fristen des § 9 Abs. 1 BPersVG und/oder § 9 Abs. 2 BPersVG zurückzugreifen. Ganz abgesehen davon, daß die vom Gesetzgeber normierte Abkühlungsphase zu Recht pauschaliert ist und es auf tatsächliche oder vermutete anderweitige Erfahrungssätze nicht ankommt und sich deshalb eine Anpassung verbietet, wird mit der Drei-Monats-Frist der ersten beiden Absätze des § 9 BPersVG eine gänzlich andere Zielrichtung verfolgt. Während die Frist des § 9 Abs. 1 BPersVG dazu dient, den Auszubildenden rechtzeitig darauf hinzuweisen, sich anderenorts um eine Arbeitsstelle zu bemühen, wollte der Gesetzgeber mit der Drei-Monats-Frist des § 9 Abs. 2 BPersVG den Auszubildenden dagegen vor einer vorzeitigen Bindung an seinen Arbeitgeber schützen (BAG Urteil vom 15. Januar 1980 - 6 AZR 621/78 - AP Nr. 7 zu § 78 a BetrVG 1972). Diese beiden Schutzvorstellungen gestatten eine kürzere Frist als der Schutz, der durch die Abkühlungsphase gewährt werden soll. Das hindert den Rückgriff auf die Drei-Monats-Frist anstelle der Jahresfrist (für die Jahresfrist auch KR-Weigand, § 78 a BetrVG Rz 20; Grunsky in Anm. zu EzA § 78 a BetrVG 1972 Nr. 9; wohl auch Richardi in Dietz/-Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 78 a Rz 8; Thiele in GK-BetrVG, § 78 a Rz 18; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 78 a Rz 6).
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten gebietet der Unterschied der Stellung des im Arbeitsverhältnis stehenden Ersatzmitglieds der Personalvertretung zum nur im Ausbildungsverhältnis stehenden Ersatzmitglied der Personalvertretung oder der Jugendvertretung keine einschränkende Interpretation des § 9 BPersVG. Die Argumentation, im ersten Fall sei ein ohnehin bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis für die Dauer eines Jahres eben "noch bestandsgeschützter", während im zweiten Fall mit der nicht vorgesehenen Übernahme von Ersatzmitgliedern in die Vertragsfreiheit eingegriffen werde, und das verbiete die Anwendung des § 9 Abs. 3 BPersVG auf zeitweilig nachrückende Ersatzmitglieder, übersieht, daß dieser Unterschied schon für den gesetzlichen Normalfall vorgegeben ist. Auch das ehemals ordentliche Mitglied der Personal- oder Jugendvertretung wird gegenüber dem im Arbeitsverhältnis stehenden ehemaligen ordentlichen Mitglied des Betriebsrats mit dem nachwirkenden Schutz insoweit bevorzugt, als es überhaupt erst in ein Arbeitsverhältnis kommt, während der andere nur "noch mehr Bestandsschutz" erhält. Insoweit wird durch den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrahierungszwang in die Vertragsfreiheit eingegriffen (verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit bestehen nicht, vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 78 a Rz 3; Hess/-Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 78 a Rz 4). Die Beibehaltung dieser Differenzierung bei einer Ausdehnung des nachwirkenden Schutzes auf Ersatzmitglieder in beiden Bereichen ist sachgemäß.
e) Soweit die Beklagte auf Mißbrauchsmöglichkeiten der Betriebsverfassungsorgane hinweist, vermag der Senat darin für die Auslegung nichts herzuleiten (vgl. dazu auch Urteil des erkennenden Senats vom 15. Januar 1980 - 6 AZR 726/79 - aaO). Selbst wenn man mit Grunsky (aaO) meint, wenn "offenkundige Schlupflöcher" aufgetan werden, sei das bei der Auslegung des Gesetzes relevant, führt das zu keiner anderweitigen Interpretation des Gesetzes. Denn von Offenkundigkeit, bezogen auf die Vielzahl der Fälle, kann nicht gesprochen werden. Auch im Streitfall sind für das Vorliegen eines Rechtsmißbrauchs weder Tatsachen vorgetragen noch festgestellt. Es ist selbstverständlich und bedarf keiner besonderen Erläuterung, daß ggf. der Einwand des Rechtsmißbrauchs im Einzelfall dem Übernahmeverlangen entgegengehalten werden kann. Denn jede Ausübung des Rechts steht unter dem Vorbehalt des Rechtsmißbrauchs aus Treu und Glauben (§ 242 BGB).
IV. Nach den in der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin am 6. März 1984 ihre Abschlußprüfung erfolgreich abgeschlossen. Sie hat im Zeitraum eines Jahres davor als Ersatzmitglied der Jugendvertreterin Frau F, nämlich am 2. November 1983, an einer Personalratssitzung teilgenommen. Innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses, am 9. Januar 1984, hat die Klägerin die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis geltend gemacht. Damit hat die Klägerin alle Voraussetzungen des § 9 Abs. 3 i.V.m. § 9 Abs. 2 BPersVG erfüllt, so daß zwischen ihr und der Beklagten im Anschluß an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit als begründet gilt.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Dr. Röhsler Schneider Dörner
Linde Möller-Lücking
Fundstellen
Haufe-Index 440747 |
EzB BPersVG § 9, Nr 5 |
EzB BetrVG § 78a, Nr 42 |
ARST 1987, 22-24 (LT1) |
RzK, II 4b 2 (LT1) |
AP § 9 BPersVG (LT1), Nr 2 |
EzA § 78a BetrVG 1972, Nr 16 (LT1) |