Zur fristlosen Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

Eine krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB nicht generell ungeeignet. Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer auf Krankheit gestützten außerordentlichen Kündigung sind jedoch nur im Ausnahmefall erfüllt.

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hatte unlängst über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Ersatzmitglied des Betriebsrates besonders häufige, über Jahre andauernde Kurzerkrankungen aufwies. Streitgegenstand war die daraufhin von der beklagten Arbeitgeberin ausgesprochene außerordentliche Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen, welche diese mit sozialer Auslauffrist (s. u.)  erklärt hatte. Der Betriebsrat hatte der Kündigung widersprochen.

Ersatzmitglied hatte nachwirkenden Kündigungsschutz

Der Kläger hatte noch kurz vor Zugang der Kündigung als Ersatzmitglied an einer Betriebsratssitzung teilgenommen und genoss daher Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG.

Arbeitgeber argumentierte mit unzumutbar hohen Entgeltfortzahlungskosten

Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, die ihm durch die Entgeltfortzahlung entstandenen Kosten seien unzumutbar hoch. Die Gesundheitsprognose des Klägers sei auf Grund der vielen Kurzerkrankungen schlecht. Zudem könne der Kläger nicht in der Nachtschicht eingesetzt werden.

LAG: Häufige Kurzerkrankungen nur ausnahmsweise wichtiger Grund für Kündigung

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern sah einen wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG i. V. m. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Es stellte in seiner Entscheidung fest, häufige Kurzerkrankungen könnten nur ausnahmsweise einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 BGB darstellen. Allein die Tatsache, dass ein Beschäftigter aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Nachtschicht eingesetzt werden könne, rechtfertige keine außerordentliche Kündigung. Es sei zudem nicht ausreichend , wenn ein Beschäftigter über mehrere Jahre nur etwa 2/3 der Arbeitszeit einsatzfähig sei und ca. 1/3 Fehlzeiten habe, um den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind. Im Übrigen seien erhebliche Betriebsablaufstörungen nicht zu erkennen. Dem Arbeitgeber sei daher zuzumuten, die geltende Kündigungsfrist einzuhalten. Das Arbeitsgericht hatte der Klage zuvor ebenfalls stattgegeben.

Kein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung

Stehe ein Arbeitnehmer zu 2/3 des Jahresarbeitszeit arbeitsfähig zur Verfügung, liege, so das LAG, nach der Rechtsprechung des BAG insbesondere kein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne eines sog. „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses vor.

(LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 18.08.2021, 3 Sa 6/21).

Weitere Beiträge zum Thema:

Unwirksame Kündigung eines Kuriers nach Aushang eines Betriebsratswahlaushangs

Wann kann einem Betriebsratsmitglied gekündigt werden?

Benachteiligung in beruflicher Entwicklung wegen Betriebsratstätigkeit ist unzulässig

Hintergrund: Außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist 

Eine außerordentliche Kündigung bedarf insbesondere einer sozialen Auslauffrist, wenn der Arbeitnehmer aufgrund tariflicher oder sonstiger Vorschriften ordentlich nicht kündbar ist. Zwar ist der Arbeitgeber auch dann berechtigt, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, dem Mitarbeiter gemäß § 626 BGB außerordentlich zu kündigen. Er muss ihm aber eine Kündigungsfrist gewähren, damit sich der Arbeitnehmer auf die Folgen der Kündigung einstellen kann. Diese soziale Auslauffrist entspricht meist der gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfrist, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre.

Sonderkündigungsschutz des Betriebsrats

Gemäß § 15 KSchG, § 103 BetrVG genießen die Mitglieder der Organe der Betriebsverfassung, damit sie ihre Aufgaben frei und unabhängig ausüben können, ohne ständig ihre Entlassung befürchten zu müssen, einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser gilt zwingend, ebenso wie der Schutz vor Versetzung, die zum Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führte.

Nicht erfasst wird jedoch die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch wirksame Befristung. Diese enden nämlich automatisch mit dem Ablauf der Frist, ohne dass es dazu einer Kündigungserklärung bedarf. Auszubildende, die Mitglied des Betriebsrats sind, können nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vom Arbeitgeber die unbefristete Weiterbeschäftigung in einem anschließenden Arbeitsverhältnis verlangen. Der Arbeitgeber kann sich von dieser Verpflichtung nur dann befreien lassen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer ihm unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden kann.

Durch § 15 Abs. 3a KSchG wird der Kündigungsschutz auf Arbeitnehmer ausgedehnt, die zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung einladen oder die die Bestellung eines Wahlvorstandes beantragen, und zwar regelmäßig bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses, ansonsten 3 Monate.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium


Schlagworte zum Thema:  Betriebsrat, Fristlose Kündigung