Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer arbeitsvertraglichen Verweisung auf die AVR-DW-EKD
Orientierungssatz
- Von einer einzelvertraglichen Vereinbarung der Geltung der AVR-DW-EKD ist auch die dort in § 1a Abs. 2 normierte Verweisung auf gliedkirchlich-diakonische Arbeitsrechtsregelungen umfasst.
- Eine nach der zum 1. Juni 2001 eingeführten Regelung des § 1a Abs. 3 AVR-DW-EKD mögliche Ausnahmeentscheidung des gliedkirchlich-diakonischen Werkes, die (wieder) zur Anwendung der AVR-DW-EKD führt, konnte erst ab dem 1. Juni 2001 ergehen.
- An eine davon materiell-rechtlich abweichende mitarbeitervertretungsrechtliche Entscheidung des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland ist der Senat nicht gebunden.
Verfahrensgang
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, Kammern Mannheim, vom 16. November 2005 – 12 Sa 10/05 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Vergütungserhöhung.
Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und beschäftigt in ihren sozialen Einrichtungen mehrere hundert Arbeitnehmer. Sie ist sowohl dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (im Folgenden: DW-EKD) als auch dem Diakonischen Werk der Evangelischen Landeskirche in Baden e. V. (im Folgenden: DW-Baden) als Mitglied angeschlossen.
Die Klägerin ist auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20. März 1986 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Mitarbeiterin in der Technischen Leitzentrale. § 2 des Arbeitsvertrages lautet:
“Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes – Innere Mission und Hilfswerk – der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung. …”
Zu dieser Zeit hatte § 1a der AVR des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (im Folgenden: AVR-DW-EKD) folgenden Wortlaut:
“Diese Richtlinien gelten für alle Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind und die die Anwendung der Richtlinien mit ihren Mitarbeitern dienstvertraglich vereinbaren.”
Mit Wirkung ab 1. Dezember 1990 wurde der Vorschrift folgender Absatz 2 hinzugefügt:
“Ist für den Bereich eines oder mehrerer gliedkirchlichdiakonischer Werke eine Arbeitsrechtliche Kommission gebildet, gelten die AVR nach Maßgabe der gliedkirchlichdiakonischen Arbeitsrechtsregelung. …”
Auf diese Ergänzung der AVR-DW-EKD reagierte die Arbeitsrechtliche Kommission des DW-Baden mit der Arbeitsrechtsregelung Nr. 8/91 vom 24. Juni 1991 (im Folgenden: AR-AVR 8/91). Diese lautet auszugsweise:
Ҥ 1
Anwendung tariflicher Bestimmungen
(1) Mitgliedseinrichtungen des Diakonischen Werkes der Evangelischen Landeskirche in Baden e.V. i.S.d. § 4 Abs. 1 Buchst. b und c der Satzung können mit Arbeitern und Angestellten abweichend von § 1 AR-HAng einheitlich die Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der EKD (AVR) nach Maßgabe dieser Arbeitsrechtsregelung vereinbaren.
…
(3) Die Bestimmungen dieser Arbeitsrechtsregelung gehen den Regelungen der AVR als gliedkirchliches Recht gemäß § 1a Abs. 2 AVR vor. Die Anwendung der AVR unter Ausschluß dieser Arbeitsrechtsregelung durch die Mitgliedseinrichtungen nach § 1 ist unzulässig.
…
§ 3
Arbeitsrechtsregelungen zur AVR
(1) Die Arbeitsrechtliche Kommission Baden kann abweichende oder ergänzende Arbeitsrechtsregelungen zu den AVR mit Wirkung für die Einrichtungen nach § 1 beschließen. Solche Arbeitsrechtsregelungen werden als Anlage zu dieser Arbeitsrechtsregelung aufgenommen. Entsprechendes gilt für nicht übernommene Änderungen (§ 2 Abs. 3 Satz 3).
(2) Von der Möglichkeit des Absatz 1 Satz 1 kann nur Gebrauch gemacht werden, wenn regionale Besonderheiten eine von den AVR abweichende Regelung erforderlich machen und ein entsprechender Änderungsantrag auf Übernahme dieser Regelung in die AVR von der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD abgelehnt wurde.”
Mit Wirkung ab 1. Juni 2001 wurde § 1a AVR-DW-EKD um folgenden Absatz 3 ergänzt:
“Abs. 2 ist dann nicht anzuwenden, wenn eine Einrichtung nicht unter den Geltungsbereich des gliedkirchlich-diakonischen oder freikirchlichen Arbeitsrechtes fällt, weil
a) …
b) sie gemäß der Satzung des gliedkirchlichen Diakonischen Werkes von einer Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht hat oder eine Ausnahmeentscheidung vorliegt,
c) …”
Die Hauptgeschäftsstelle des DW-EKD informierte mit einem Rundschreiben vom 20. Juni 2001 an die Diakonischen Werke der Gliedkirchen der EKD und an alle Fachverbände des DW-EKD über die Änderung vom 1. Juni 2001. Zur Begründung der Ergänzung von § 1a AVR-DW-EKD um den Absatz 3 wies das DW-EKD darauf hin, dass es wiederholt zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen gekommen sei, seitdem die gliedkirchlichen Diakonischen Werke von den AVR-DW-EKD abweichende regional geltende AVR beschlossen hätten. So seien zwei Schlichtungsstellenentscheidungen zu dem Ergebnis gekommen, dass das gliedkirchliche Recht gelte, obwohl die jeweiligen Einrichtungen in der Vergangenheit die AVR-DW-EKD angewandt hätten. Das gliedkirchliche Recht solle aber nicht durch einzelvertragliche Inbezugnahme “automatisch” gelten. Dies werde durch den neuen Absatz 3 klargestellt, in dem die Ausnahmemöglichkeiten vom Geltungsbereich des gliedkirchlichen Rechts aufgezählt seien. Soweit Satzungen der gliedkirchlichen Diakonischen Werke eine Möglichkeit vorsähen, von dem “an sich” geltenden gliedkirchlichen Arbeitsrecht eine Ausnahmegenehmigung zu erlangen, sei der Antrag jeweils an das leitende Organ des Diakonischen Werkes zu stellen. Wenn ein solcher positiv beschiedener Antrag vorliege, könne die Einrichtung “sodann” auch die AVR-DW-EKD direkt anwenden.
Die Satzung des DW-Baden lautet auszugsweise wie folgt:
Ҥ 5
Rechte und Pflichten der Mitglieder
…
(5) Die Mitglieder sind verpflichtet:
a) das Dienst- und Vergütungsrecht der Evangelischen Landeskirche in Baden einschließlich der nach dem Arbeitsrechtsregelungsgesetz zustande gekommenen Arbeitsrechtsregelung anzuwenden;
…
(7) Der Vorstand des Diakonischen Werkes kann in begründeten Einzelfällen ein Mitglied von der Erfüllung bestimmter Verpflichtungen, insbesondere … nach Absatz 5 vorübergehend oder zeitlich unbegrenzt befreien.
…
§ 15
Form der Beschlussfassung
(1) Die Beschlüsse der Organe werden, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit einfacher Mehrheit der nach ordnungsgemäßer Einladung erschienenen Mitglieder gefaßt; …
(2) Über die Beschlüsse der Mitgliederversammlung, der Diakonischen Konferenz und des Vorstandes ist eine Niederschrift zu fertigen, die vom Vorsitzenden und einem Schriftführer unterzeichnet wird.”
Die AVR des DW-Baden sahen zum 1. Januar 2003 eine Erhöhung der Vergütung um 2,4 % vor. Die AVR des DW-EKD enthielten eine Vergütungserhöhung um denselben Prozentsatz, allerdings erst zum 1. Juli 2003. Die Beklagte gab die Erhöhung erst ab dem 1. Juli 2003 an ihre Mitarbeiter, darunter auch die Klägerin, weiter.
Am 12. Dezember 2003 fasste der Vorstand des DW-Baden einen im folgenden auszugsweise zitierten Beschluss:
“Den in der Anlage aufgelisteten Mitgliedern des Diakonischen Werkes Baden, die aufgrund ihrer zum Teil über 100-jährigen Geschichte den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) bzw. den Manteltarifvertrag für Arbeiter (MTArb) direkt oder die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der EKD (AVR) in der bundesweiten Fassung ohne förmliche Ausnahmegenehmigung anwenden, wird die bestehende Ausnahmegenehmigung gemäß § 5 Abs. 7 der Satzung des Diakonischen Werkes Baden bestätigt.”
In der dem Beschluss beigefügten Liste ist auch die Beklagte aufgeführt. Über den Beschluss wurde die Beklagte mit Schreiben vom 18. Dezember 2003 wie folgt informiert:
“ich nehme Bezug auf das Gespräch mit den Mitgliedern des Diakonischen Werkes Baden, die Träger von Krankenhäusern sind. In dem Gespräch wurde deutlich, dass die evang. Krankenhäuser und andere Einrichtungsträger in Baden über eine sehr lange Tradition verfügen und bereits viele Jahre vor dem Inkrafttreten des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes der Evang. Landeskirche in Baden diakonische Einrichtungen betrieben haben.
Bereits seit dieser Zeit wenden die J… die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der EKD (AVR) unmittelbar an.
Unter Berücksichtigung dieser geschichtlichen Entwicklung hat der Vorstand in seiner Sitzung am 12. 12. 2003 folgenden Beschluss gefasst:
Den J… wird die bereits faktisch bestehende Ausnahmegenehmigung nach § 5 Abs. 7 der Satzung des Diakonischen Werkes Baden bestätigt. Im Wege der Ausnahmegenehmigung wird das Mitglied ermächtigt, abweichend von § 5 Abs. 5 Buchst. a) der Satzung des Diakonischen Werkes Baden auf die Arbeitsverhältnisse seiner Mitarbeitenden die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der EKD (AVR) unmittelbar anzuwenden.”
Mit ihrer Klage hat die Klägerin nach vorheriger außergerichtlicher Geltendmachung die Zahlung der Vergütungsdifferenzen für das erste Halbjahr 2003 verlangt und sich auf die Geltung der AVR des DW-Baden für ihr Arbeitsverhältnis berufen. Sie hat behauptet, die Beklagte habe auf das Arbeitsverhältnis auch in der Vergangenheit die AVR-DW-Baden angewandt; eine Ausnahmegenehmigung für die Beklagte liege für den streitigen Zeitraum nicht vor.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 292,35 Euro brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2003 zu bezahlen.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass sie seit mehr als 30 Jahren die AVR-DW-EKD direkt angewandt habe und dass dies auch mit Zustimmung des DW-Baden erfolgt sei. Es bestehe eine “gelebte” Ausnahmegenehmigung, wonach an dem praktizierten Status festgehalten werden dürfe. Dies sei auch aus dem Wortlaut des Beschlusses des DW-Baden vom 18. Dezember 2003 ersichtlich. Die Erteilung eines schriftlichen Bescheides sei nicht erforderlich. Sie habe jedenfalls darauf vertrauen dürfen, dass die ihr vom Vorstand und dem Justitiar des DWBaden immer wieder mitgeteilte Auffassung, sie dürfe die AVR-DW-EKD anwenden, von der zuständigen Stelle ergangen sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet; die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass im ersten Halbjahr 2003 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 1a Abs. 2 AVRDW-EKD die AVR-DW-Baden anzuwenden seien. Die Ausnahmeentscheidung des DW-Baden, auf die sich die Beklagte beruft, sei erst am 18. Dezember 2003 ergangen. Eine systematische Auslegung widerspreche der Annahme, dass eine mündliche oder gar stillschweigende Entscheidung des DW-Baden hierfür ausreichend sei. Das DW der EKD besitze einen staatsähnlichen Verwaltungsapparat mit entsprechenden Organen der Legislative und der Jurisdiktion. Es widerspreche allen Gewohnheiten einer entsprechenden Verwaltung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, wolle man annehmen, dass derart weitreichende und für den Kirchenfiskus belastende Entscheidungen der vorliegenden Art stillschweigend erlassen, nicht im Einzelnen dokumentiert oder sogar durch eine tatsächlich gehandhabte Übung ergehen könnten, ungeachtet ob sie überhaupt vom Willen der zuständigen Organe getragen würden. Es liege kein Antrag der Beklagten vor. Sie habe aus der bloßen Mitteilung verschiedener Personen nicht schließen können, dass ein wirksamer Dispens erteilt worden sei. Die dann erteilte Ausnahmeentscheidung vom 18. Dezember 2003 entfalte auch keine Rückwirkung. Soweit sie sich mit der Vergangenheit befasse, sei sie als Neuvornahme im Sinne von § 141 Abs. 1 BGB auszulegen und wirke nur für die Zukunft.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und teilweise in der Begründung. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtete sich jedenfalls bis zum 12. Dezember 2003 nach den AVR-DW-Baden. Eine wirksame Ausnahmeentscheidung des Vorstandes des DW-Baden, die es der Beklagten erlaubt hätte, abweichend von § 1a Abs. 2 AVR-DWEKD die bundesweiten Regelungen anzuwenden, lag im streitigen Zeitraum von Januar bis Juni 2003 nicht vor. Die Zahlungsansprüche der Klägerin ergeben sich aus den AVR-DW-Baden und sind rechnerisch unstreitig.
1. Die für die Entscheidung maßgeblichen AVR sind wie Tarifverträge objektiv auszulegen. Bei ihnen handelt es sich um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, in denen allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der bei den Kirchen beschäftigten Arbeitnehmer durch paritätisch zusammengesetzte Arbeitsrechtliche Kommissionen festgelegt werden (BAG 17. Juni 2003 – 3 AZR 310/02 – BAGE 106, 318, 321 f.). Zwar können die AVR nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine normative Wirkung entfalten, sondern nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme, die hier vorliegt, auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden (Senat 24. September 1997 – 4 AZR 452/96 – AP AVR Caritasverband § 12 Nr. 10; 26. Januar 2005 – 4 AZR 509/03 –). Die Auslegung der AVR erfolgt aber nach den gleichen Grundsätzen, die für die Tarifauslegung gelten (BAG 23. September 2004 – 6 AZR 430/03 – AP AVR Caritasverband § 1a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 4 mwN). Danach ist vom Wortlaut der AVR auszugehen und dabei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit diese in den Vorschriften der AVR ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den systematischen Zusammenhang der AVR ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie praktische Anwendung der AVR und deren Entstehungsgeschichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Auslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (Senat 30. Mai 2001 – 4 AZR 269/00 – BAGE 98, 35, 38 f.; 7. Juli 2004 – 4 AZR 433/03 – BAGE 111, 204, 209).
2. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien galten seit dem 1. Dezember 1990 die AVR-DW-Baden. Das Landesarbeitsgericht ist weiterhin rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die nach § 1a Abs. 3 Buchst. b AVR-DW-EKD erforderliche Ausnahmeentscheidung des DW-Baden über die Anwendung anderslautender AVR-DW-EKD jedenfalls bis zum 30. Juni 2003 nicht vorlag und sich deshalb an der Geltung der AVR-DW-Baden für das Arbeitsverhältnis der Parteien im streitigen Zeitraum nichts geändert hat.
a) Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses, insbesondere die streitige Höhe der Vergütung, richtet sich nach den AVR-DW-EKD in der jeweiligen Fassung. Dies haben die Parteien in § 2 des Arbeitsvertrages vom 20. März 1986 vereinbart.
aa) Diese Verweisung führte zunächst dazu, dass die AVR-DW-EKD in der damaligen Fassung unmittelbare Anwendung auf das Arbeitsverhältnis fanden. Das ergibt sich aus § 1a Abs. 1 AVR-DW-EKD in der bis zum 30. November 1990 gültigen Fassung.
bb) Seit dem 1. Dezember 1990 verweisen die AVR-DW-EKD ihrerseits in dem neu eingefügten § 1a Abs. 2 auf die vorrangige materielle Geltung von gliedkirchlichrechtlichen Sondervorschriften, soweit der Arbeitgeber Mitglied eines gliedkirchlich diakonischen Werkes ist. Von der uneingeschränkten arbeitsvertraglichen Verweisung auf die AVR-DW-EKD wurde auch die Verweisungsbestimmung in § 1a Abs. 2 erfasst. Dadurch wurden evtl. abweichende regionale Regelungen unmittelbarer Inhalt des jeweiligen Arbeitsvertrages (Senat 14. Januar 2004 – 4 AZR 10/03 – ZTR 2004, 643, 644; Scheffer/Mayer AVR 4. Aufl. § 1a Erl. 2), der – wie derjenige der Parteien – auf die AVR-DW-EKD in ihrer jeweiligen Fassung verwies.
(1) Diese unmittelbare Inkorporierung der regionalen AVR in das Arbeitsverhältnis ohne die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der in Bezug genommenen Vorschrift. Aber auch der Sinn und Zweck der Regelung spricht für diese Auslegung. Damit trug die Arbeitsrechtliche Kommission des DWEKD dem in § 16a der Satzung des DW-EKD bestimmten Vorrang des gliedkirchlichen Rechts Rechnung und erstreckte ihn in dieser Kollisionsregel auf die regionalen Sonderregelungen der Arbeitsrechtlichen Kommissionen der gliedkirchlichen Diakonischen Werke (VerwG EKD Hannover 7. Dezember 2000 – 0124/E4-00 – EkA AVR Geltungsbereich (1)). Korrespondierend hierzu verpflichtet die Satzung des DW-Baden seine Mitglieder, also auch die Beklagte, dazu, die AVR in der regionalen Fassung anzuwenden, soweit sie von den AVR-DW-EKD abweichen (§ 5 Abs. 5 Buchst. a der Satzung des DW-Baden). Ferner wurde die 1990 bundesweit eingeführte Kollisionsregel durch die AR-AVR 8/91 gestützt, in der die Arbeitsrechtliche Kommission des DW-Baden die Anwendung der AVR-DW-EKD “nach Maßgabe dieser Arbeitsrechtsregelung”, also mit den ggf. erlassenen regionalen Sonderregelungen ermöglicht. Unter Berufung auf § 1a Abs. 2 AVR-DW-EKD wird hier die Anwendung der AVR-DW-EKD unter Ausschluss der AVR-DW-Baden durch die Mitgliedseinrichtungen ausdrücklich für “unzulässig” erklärt.
(2) Diese Delegation der Befugnis zur arbeitsvertraglichen Inhaltsbestimmung ist von der dynamischen Inbezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag erfasst. Sie lag nicht außerhalb jeder Vorhersehbarkeit für die Arbeitsvertragsparteien.
Bei der dynamischen Verweisung auf Tarifverträge ist die Annahme, eine Tarifänderung werde von einer dynamischen Bezugnahmeklausel nicht erfasst, allenfalls bei Tarifentwicklungen gerechtfertigt, die schlechterdings nicht voraussehbar waren (Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 3 Rn. 256) bzw. wenn ein Vertragsinhalt entstehen würde, mit dem die Arbeitsvertragsparteien billigerweise nicht rechneten oder nicht rechnen konnten (Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 3 Rn. 247). Diese Auslegungsgrundsätze gelten – wie dargelegt – auch für die dynamische Verweisung auf die AVR.
Hiernach bestehen gegen die Wirksamkeit einer solchen Delegation der Inhaltsbestimmung des Arbeitsvertrages jedenfalls im konkreten Fall keine Bedenken. Die AVR-DW-EKD und die AVR-DW-Baden sind im Wesentlichen inhaltsgleich. Soweit Sonderregelungen für Baden in Betracht kamen, mussten sie den ethischen Grundlagen des EKD entsprechen (§§ 1, 3 der Satzung des DW-EKD). Eine Abweichung von den AVR-DW-EKD durfte zudem nur erfolgen, wenn regionale Besonderheiten dies erforderlich machten und zudem ein entsprechender Antrag des DW-Baden auf Übernahme in die allgemeinen AVR von der Arbeitsrechtlichen Kommission des DW-EKD abgelehnt worden ist (§ 3 Abs. 2 AR-AVR 8/91). Ihre Legitimation haben solche abweichenden Regelungen dann aus der größeren Sachnähe erhalten, die auch auf die Einrichtung der Beklagten zugetroffen hat. Im Übrigen waren sowohl die Arbeitnehmer der Beklagten als auch diese selbst zumindest potentielle Mitglieder der Arbeitsrechtlichen Kommission des DW-Baden mit der Möglichkeit der Einflussnahme auf das Ob und das Wie einer abweichenden regionalen Regelung.
(3) Ausnahmeregelungen sahen die AVR-DW-EKD nicht vor. Solche waren daher allenfalls einzelvertraglich möglich, wurden von den Parteien des Rechtsstreits jedoch nicht vereinbart. Der Annahme einer “gelebten Ausnahmegenehmigung” bereits in diesem Zeitraum, wie sie von der Revision vorgetragen und von dem Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten in dem Beschluss vom 19. Mai 2005 (– II-0124/K40-04 – ZMV 2006, 89, 91) angenommen wurde, steht deshalb entgegen, dass der Inhalt des Arbeitsvertrages nicht dispositiv war und die zu dieser Zeit (noch) nicht gegebene Möglichkeit einer Abweichung durch Ausnahmeentscheidung, wie sie später durch § 1a Abs. 3 AVR-DWEKD eingeführt wurde, nicht durch eine informelle Verständigung zwischen dem Arbeitgeber und einem Dritten vorweggenommen werden konnte.
cc) Von dieser zwingenden Geltung regionalen Sonderrechts wurde von der Arbeitsrechtlichen Kommission des DW-EKD mit Wirkung ab 1. Juni 2001 eine Ausnahmemöglichkeit geschaffen. Wie die von der Hauptgeschäftsstelle des DW-EKD herausgegebenen “Erläuterungen” hierzu deutlich machen, sollte die Anwendung der regionalen AVR, die kirchliche Schlichtungsstellen, aber auch das Verwaltungsgericht der EKD, auch bei langjährigen “Anwendern” der AVR-DW-EKD als zwingend angenommen hatten, nicht mehr ausnahmslos gelten. Unter bestimmten, in der Regelung einzeln aufgeführten Voraussetzungen sollten die Mitgliedseinrichtungen trotz Zugehörigkeit zu einem gliedkirchlichen Diakonischen Werk die Möglichkeit erhalten, nicht die regionalen, sondern die bundesweiten AVR-DW-EKD anzuwenden.
Auf Grund der zeitdynamischen Verweisung auf die AVR-DW-EKD im Arbeitsvertrag der Parteien stand nunmehr auch der Beklagten die Möglichkeit offen, unter den dort in § 1a Abs. 3 geregelten Voraussetzungen die AVR-DW-EKD und nicht die badischen Sonderregelungen anzuwenden.
b) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte die in § 1a Abs. 3 AVR-DW-EKD genannten Voraussetzungen für eine Anwendung evtl. kollidierender AVR-DW-EKD nicht erfüllt hat. Insbesondere lag die nach § 1a Abs. 3 Buchst. b AVR-DW-EKD erforderliche Ausnahmeentscheidung des DW-Baden, auf die sich die Beklagte berufen hat, im streitigen Zeitraum von Januar bis Juni 2003 nicht vor.
aa) Eine solche Ausnahmeentscheidung hat der Vorstand des DW-Baden erst auf seiner Sitzung vom 12. Dezember 2003 getroffen. Sie ermöglicht der Beklagten die unmittelbare Anwendung der AVR-DW-EKD auch bei Bestehen abweichender Regelungen in den AVR-DW-Baden. Für den Zeitraum nach der Beschlussfassung ist dies unstreitig.
bb) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, kommt der Entscheidung des Vorstandes des DW-Baden vom 12. Dezember 2003 keine Rückwirkung auf den Zeitraum vor der Beschlussfassung zu. Die von der Beklagten behauptete bisherige Praxis der Anwendung der AVR-DW-EKD, die nach dem Wortlaut des Beschlusses “ohne förmliche Ausnahmegenehmigung” erfolgt war, war – soweit es sie überhaupt gegeben hat, was überwiegend streitig ist – nicht rechtmäßig. Aus dem Wortlaut der sodann erteilten “Ausnahmegenehmigung” ist möglicherweise der Wille des Vorstandes des DW-Baden erkennbar, die rechtswidrige Praxis der Vergangenheit nachträglich zu legitimieren. Dies ist jedoch nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht den in § 141 BGB enthaltenen Rechtsgedanken der nachträglichen Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts herangezogen. Insofern besteht Einigkeit darüber, dass zwar bei einem Vertrag die aus § 141 Abs. 2 BGB abzuleitenden Folgen dieselben wären, die der Vertrag bei einer ursprünglichen Wirksamkeit gezeitigt hätte. Diese Regel ist jedoch weder bei einer benachteiligenden Wirkung für Dritte noch grundsätzlich auf ein einseitiges Rechtsgeschäft wie die Erteilung einer “Ausnahmegenehmigung” anwendbar; insoweit bleibt es bei den nur für die Zukunft eintretenden Rechtsfolgen der Entscheidung (MünchKommBGB/Mayer-Maly/Busche 4. Aufl. § 141 Rn. 15 ff.; Staudinger/Roth BGB 2003 § 141 Rn. 25, 29, jeweils mwN; ebenso für den vorliegenden Streitfall Kirchengerichtshof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten 19. Mai 2005 – II-0124/K40-04 –, zu II 2c (2) der Gründe). Dementsprechend sieht § 1a Abs. 3 Buchst. b AVR-DW-EKD auch als Tatbestandsmerkmal für eine ausnahmsweise Anwendung der überregionalen AVR das “Vorliegen” einer Ausnahmeentscheidung vor. Nähme man die Möglichkeit einer rückwirkenden Ausnahmeentscheidung an, würde dagegen nachträglich der maßgebliche Inhalt des Arbeitsverhältnisses für die Vergangenheit – hier: für mehr als 13 Jahre – geändert werden können, indem der Arbeitgeber eine entsprechende Erklärung eines Dritten veranlasst.
cc) Entgegen der Revision lag keine sonstige vor dem 12. Dezember 2003 ergangene Ausnahmeentscheidung des DW-Baden gemäß § 1a Abs. 3 Buchst. b AVR-DWEKD vor.
(1) Eine satzungsgemäß ergangene Entscheidung des DW-Baden lag nicht vor. Dies wird von der Beklagten auch nicht behauptet. Eine solche hätte nach § 15 Abs. 1 der Satzung des DW-Baden mit einfacher Mehrheit der nach ordnungsgemäßer Einladung erschienenen Vorstandsmitglieder auf einer Sitzung des Vorstands gefasst werden müssen. Nach § 15 Abs. 2 der Satzung des DW-Baden ist über die Beschlüsse eine Niederschrift zu fertigen, die vom Vorsitzenden und einem Schriftführer unterzeichnet wird. Einen solchen Beschluss des Vorstandes des DW-Baden, der zugunsten der Beklagten vor dem 12. Dezember 2003 ergangen ist, gibt es nicht.
(2) Auch eine sonstige – möglicherweise nicht formgerecht getroffene – Ausnahmenentscheidung des DW-Baden gem. § 1a Abs. 3 Buchst. b AVR-DW-EKD liegt nicht vor. Der Vortrag der Beklagten hierzu ist nicht erheblich.
(a) Nach der Rechtslage war die Erteilung eines entsprechenden Dispenses gemäß § 1a Abs. 3 AVR-DW-EKD erst mit der Neuregelung ab 1. Juni 2001 möglich. Bereits der Begriff der “Entscheidung” setzt voraus, dass dem Entscheidenden (mindestens) zwei Alternativen zur Wahl stehen, da ansonsten eine Entscheidung nicht erforderlich und nicht möglich ist. Der zusammengesetzte Begriff der “Ausnahmeentscheidung” macht darüber hinaus deutlich, dass es eine Regel gibt, die im Normalfall gilt, und der Entscheidende über die Alternative befinden muss, ob abweichend von der Regel die Ausnahme gewählt wird. Das setzt wiederum voraus, dass die Ausnahme tatsächlich und rechtlich gewählt werden kann. Dies war erst ab dem 1. Juni 2001 möglich.
Die Neuregelung begrenzt aber nicht nur den Zeitraum, in dem die Ausnahmeentscheidung getroffen worden sein kann, sondern sie macht auch deutlich, dass – in welcher Form und durch wen auch immer – eine Abwägung zwischen Regel und Ausnahme stattfinden muss, damit überhaupt von einer Ausnahmeentscheidung gesprochen werden kann.
(b) Die Beklagte hätte also mindestens darlegen und ggf. beweisen müssen, dass ihr zwischen dem 1. Juni 2001 und dem 30. Juni 2003 eine diesen Kriterien genügende Ausnahmeentscheidung des DW-Baden vorgelegt worden wäre. Diesen Vortrag hat die Beklagte nicht erbracht. Sie hat stattdessen in sehr allgemeiner Form behauptet, “in vielen gemeinsamen und koordinierenden Gesprächen” beim DW-Baden sei “zum Ausdruck gekommen”, dass das DW-Baden die Anwendung der AVR-DW-EKD durch die Beklagte nicht kritisiere. Auch nach der Schaffung des regionalen kirchlichen Arbeitsrechts in Baden habe sie im Konsens mit dem DW-Baden an der Anwendung der AVR-DW-EKD festgehalten, wobei beide davon ausgegangen seien, dass es keiner schriftlichen Ausnahmegenehmigung bedürfe und die bewusste Akzeptierung des “bisherigen Rechtszustandes” genüge. In einer “Vielzahl von Gesprächen” hätten der Vorstand und der Justitiar des DW-Baden “immer wieder” zum Ausdruck gebracht, sie wende “in langer Tradition rechtmäßig und verbandskonform” die AVR-DW-EKD direkt an. Die erforderliche Ausnahmeentscheidung existiere “seit mehr als 30 Jahren”. Ferner wisse ihr Justitiar “aus eigenem Erleben über 25 Jahre hinweg”, dass das DWBaden immer wieder zum Ausdruck gebracht habe, die Anwendung der AVR-DW-EKD sei rechtens “und diesbezüglich bedürfe es auch keiner weiteren Rechtsakte, um an dieser bestehenden Rechtslage festzuhalten”. Konsequenterweise hat die Beklagte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch zu keinem Zeitpunkt einen Antrag auf eine Ausnahmeentscheidung gestellt. Soweit die Beklagte sich in der Revisionsbegründung darauf beruft, sie habe nach der Einführung des § 1a Abs. 3 AVR-DW-EKD “ausdrücklich und wiederholt um Bestätigung” der Rechtmäßigkeit der bisherigen Praxis gebeten, und ihr sei die Antwort erteilt worden, es bleibe alles beim Alten, sie könne auch weiterhin überregionales Arbeitsrecht anwenden, ist dies neuer Sachvortrag, der – ungeachtet der fehlenden Substantiiertheit – in der Revision grundsätzlich nicht berücksichtigt werden kann (vgl. dazu und zu den – hier nicht interessierenden – Ausnahmen Müller-Glöge in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 75 Rn. 21 ff.; GK-ArbGG/Mikosch Stand September 2006 § 73 Rn. 78 ff., jeweils mwN).
(3) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe davon ausgehen dürfen, dass es einen entsprechenden Beschluss des Vorstandes des DW-Baden gegeben habe.
(a) Die Beklagte durfte nicht davon ausgehen, dass das DW-Baden eine wirksame Ausnahmeentscheidung zu ihren Gunsten getroffen habe, ohne dass sie einen Antrag gestellt oder eine verkörperte Ausnahmeentscheidung erhalten hatte. Die Notwendigkeit auch nur minimaler Formalien musste sich der Beklagten angesichts der Komplexität der Organisation des Diakonischen Werkes und der (zumindest möglichen) Bedeutung einer solchen Entscheidung für zahlreiche Arbeitsverhältnisse unmittelbar stellen.
Die Beklagte ist Mitglied des DW-Baden und des DW-EKD. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, weist das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche einen staatsähnlichen Verwaltungsapparat mit entsprechenden Organen der Legislative und der Rechtsprechung auf. Die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts iSv. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 5 und 6 WRV beruht ua. darauf, dass die Kirche “einen konstituierten Gesetzgeber, ein nach bekannten Regeln sich fortbildendes Rechtssystem und eine funktionierende Aufsicht hat” (v. Campenhausen ZevKR 1980, 135, 169). Die von der Arbeitsrechtlichen Kommission des DW-EKD nach dem Arbeitsrechtsregelungsgesetz der Evangelischen Kirche aufgestellte Möglichkeit zur Befreiung von der Anwendung ansonsten zwingenden Rechts gem. § 1a Abs. 3 Buchst. b AVR-DW-EKD ist für die Beklagte nur als Mitglied des DW-Baden erforderlich, aber auch nur deshalb möglich. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht sie deshalb zum DW-Baden nicht in einem “Außenverhältnis”, sondern hat als Mitglied, das einer Ausnahmeentscheidung bedarf, grundsätzlich darauf zu achten, dass diese Ausnahmeentscheidung nach Maßgabe der einschlägigen Satzungsvorschriften zustande kommt. So geht auch das DW-EKD in den “Erläuterungen” zur Änderung des § 1a AVR-DW-EKD 2001 davon aus, dass die “Anträge … jeweils an das leitende Organ des Diakonischen Werkes zu stellen” sind. “Liegt ein solcher positiv beschiedener Antrag vor, kann die Einrichtung sodann auch die AVR DW EKD direkt anwenden.” Die Beklagte hat jedoch nicht einmal einen Antrag gestellt, und ihr ist keine Entscheidung eines Gremiums mitgeteilt worden. Die bloße Mitteilung, sie dürfe die überregionalen AVR anwenden, ist, auch wenn sie wiederholt abgegeben wird, eine – noch dazu fehlerhafte – Rechtsauffassung, aber nicht der Zugang einer Ausnahmeentscheidung.
Die Notwendigkeit einer Verkörperung oder sonstigen Dokumentation einer Ausnahmeentscheidung gemäß § 1a Abs. 3 Buchst. b AVR-DW-EKD hätte sich der Beklagten aber auch deshalb aufdrängen müssen, weil es sich dabei um eine konstitutive Änderung der Arbeitsverhältnisse handelt, die allein auf ihren Antrag und ohne Mitwirkung des anderen Vertragspartners zustande kommt. Denn hierdurch wird auch der Pflichtenkreis der Arbeitnehmer berührt. Diese müssen die Möglichkeit haben, jederzeit auf eine Bestimmung ihrer arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten und deren Rechtsgrundes zurückgreifen zu können, insbesondere wenn sie an der inhaltlichen Ausgestaltung im Einzelnen nicht persönlich mitwirken.
(b) Im Übrigen hat die Beklagte sich nicht über das Vorliegen einer Entscheidung geirrt. Sie war nicht “gutgläubig” im Hinblick darauf, dass sie seit dem 1. Juni 2001 bei Vorliegen eines entsprechenden Beschlusses die AVR-DW-EKD hätte anwenden können. Stattdessen hat sie offensichtlich verkannt, dass eine evtl. Anwendung abweichender AVR-DW-EKD überhaupt erst ab dem 1. Juni 2001 möglich war und auch das nur bei Vorliegen einer entsprechenden Ausnahmeentscheidung. Bis zum 31. Mai 2001 war die Erteilung eines entsprechenden Dispenses aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Sollte die Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich im Falle von Differenzen zwischen regionalen und bundesweiten AVR die Letzteren angewandt haben – was zumindest hinsichtlich der Arbeitszeit- und Zuschlagsregelungen sowie der Einführung einer Niedriglohngruppe unstreitig nicht der Fall war –, hätte sie gegen ihre Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag verstoßen. Gegen die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem zutreffenden Normensystem hätte ihr auch der Hinweis auf ihren “guten Glauben”, das zutreffende Recht anzuwenden, nichts genutzt, wenn es nicht das zutreffende Recht war. Erst mit dem 1. Juni 2001 war die Möglichkeit geschaffen worden, auch im Kollisionsfall die bundesweiten AVR anzuwenden. Diese Rechtsänderung ist von der Beklagten – immer noch im Irrtum über das anzuwendende Recht – offenbar nicht als für ihre Arbeitsverhältnisse relevant zur Kenntnis genommen worden. Sie ist stattdessen erkennbar davon ausgegangen, die AVR-DW-EKD auch nach der Einführung der Subsidiaritätsklausel in die AVR-DW-EKD im Dezember 1990 weiter anwenden zu können, wie ihre Behauptung zeigt, die Ausnahmeentscheidung existiere “seit mehr als 30 Jahren”. Diese unzutreffende Auffassung über den maßgeblichen Inhalt des Arbeitsvertrages seit Dezember 1990 kann die objektive Rechtslage nicht verändern und wird im Übrigen auch bei der Anwendung von § 141 BGB zusätzlich berücksichtigt. Denn das Festhalten an unerkannt nichtigen Geschäften ist keine Bestätigung und führt daher nicht zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts (Staudinger/Roth § 141 Rn. 21 mwN).
c) Diesen Erwägungen steht auch der Beschluss des Kirchengerichtshofs der Evangelischen Kirche in Deutschland, Senate für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten vom 19. Mai 2005 – II-0124/K40-04 – nicht entgegen.
aa) Bereits formell entfaltet die kirchengerichtliche Entscheidung ihre Rechtswirkung nur unter den Beteiligten, hier: der Beklagten und der bei ihr bestehenden Mitarbeitervertretung (MAV). Auch die Verfahrensgrundsätze sind unterschiedlich. Das kirchenrechtliche Verfahren in Mitarbeitervertretungssachen richtet sich nach § 63 Abs. 7 MVG.EKD nach den Grundsätzen des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens. Das Gericht erforscht demnach den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Der für die vorliegende Entscheidung maßgebliche Sachverhalt dagegen ist im Urteilsverfahren nach den Regeln des Beibringungsgrundsatzes festzustellen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 253, 138 f. ZPO ua.).
bb) Die staatlichen Gerichte sind auch nicht an die materiell-rechtliche Auffassung des Kirchengerichtshofs gebunden.
(1) Soweit die Revision sich darauf beruft, dass aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV die Bindung der staatlichen Gerichte an die mitarbeitervertretungsrechtlichen Entscheidungen der Kirchengerichte auch bei individualarbeitsrechtlichen Auswirkungen folge, ist dies fehlsam. Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung von arbeitsvertraglichen Konflikten folgt aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der kirchlichen Autonomie keine Subsidiarität der staatlichen Gerichte. Mit der Wahl der privatrechtlichen Arbeitsverträge ist auch die Kirche hinsichtlich von daraus erwachsenden Streitigkeiten der staatlichen Arbeitsgerichtsbarkeit unterworfen. Denn die Dienstverhältnisse der kirchlichen Arbeiter und Angestellten sind bürgerlich-rechtlicher Natur; die sie betreffenden Streitigkeiten bürgerlich-rechtliche iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG (BAG 11. März 1986 – 1 ABR 26/84 – BAGE 51, 238, 242; 10. Dezember 1992 – 2 AZR 271/92 – AP GG Art. 140 Nr. 41 = EzA BGB § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 38). Einen Hinweis auf diese Rechtslage enthält auch § 44 AVR-DW-EKD, in dem bei Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis die Möglichkeit der Anrufung einer kirchlichen Schlichtungsstelle vor der “Anrufung des Arbeitsgerichtes” ermöglicht, aber nicht erzwungen wird.
(2) Bei der zu entscheidenden Frage handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision nicht um eine solche des kirchlichen Rechts. Die staatliche Rechtsprechung ist nur an diejenigen Entscheidungen gebunden, die als Kirchenrecht dem Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften gem. Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV zuzuordnen sind. Dies kann auch innergemeinschaftliche Vorfragen der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage betreffen wie etwa die Gültigkeit einer Wahl von Vertretungsorganen (zB BGH 11. Februar 2000 – V ZR 271/99 – NJW 2000, 1555, 1556 f.; ebenso für die Beendigung des – nichtarbeitsrechtlichen – Offiziersdienstes in der Heilsarmee BGH 28. März 2003 – V ZR 261/02 – BGHZ 154, 306, 313 f.). Ansonsten haben die staatlichen Gerichte bei der Entscheidung individualrechtlicher Streitigkeiten ggf. kirchliches Recht anzuwenden und üben in diesem Zusammenhang eine entsprechende Inzidentkontrolle aus (Richardi Arbeitsrecht in der Kirche 4. Aufl. § 21 Rn. 2 mwN).
Im Streitfall geht es um die Auslegung einer Regelung der AVR-DW-EKD, mit der sich das BAG schon mehrfach befasst hat (ua. Senat 14. Januar 2004 – 4 AZR 10/03 – ZTR 2004, 643; BAG 17. Juni 2003 – 3 AZR 310/02 – BAGE 106, 318), im Rahmen einer einzelarbeitsvertraglichen Inbezugnahme sowie um die Frage, ob eine rechtsgeschäftliche Erklärung mit einem bestimmten Inhalt vorliegt oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage richtet sich allein nach staatlich-zivilrechtlichen Vorschriften und unterliegt keiner nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV religiös oder weltanschaulich geschützten Wertungs- oder Organisationsentscheidung der Kirche.
3. Die der Klägerin auf Grund der Vergütungserhöhungen im ersten Halbjahr 2003 danach zustehenden Differenzbeträge sind in der Höhe unstreitig.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Bott, Creutzfeldt, Pieper, Redeker
Fundstellen
Haufe-Index 1644770 |
EzA-SD 2007, 14 |
NZA-RR 2007, 224 |
ZMV 2007, 148 |
NJOZ 2007, 1277 |