Entscheidungsstichwort (Thema)

Diakonisches Werk. Gehaltserhöhung. Ausnahmeentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Ausnahmeentscheidung nach § 1 a Abs. 3 Buchst. b AVR kann nicht mündlich oder stillschweigend erfolgen. Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche besitzt einen staatsähnlichen Verwaltungsapparat mit entsprechenden Organen der Legislative und der Jurisdiktion. Es widerspräche allen Gewohnheiten einer geordneten Verwaltung einer öffentlich rechtlichen Körperschaft, würde es im Hinblick auf die Vergütung weitreichende und für den Kirchenfiskus in der Summe stark belastende Entscheidungen stillschweigend erlassen, sie nicht im einzelnen dokumentieren oder sogar eine tatsächlich gehandhabte Übung, ungeachtet, ob sie überhaupt vom Willen der zuständigen Organe getragen ist, einer formellen Verwaltungsentscheidung gleichstellen.

 

Normenkette

AVR § 1a

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 03.12.2004; Aktenzeichen 8 Ca 462/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.09.2006; Aktenzeichen 4 AZR 1/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom03.12.2004 – Az.: 8 Ca 462/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes; sie beschäftigt in ihren sozialen Einrichtungen mehrere hundert Arbeitnehmer.

Sie ist dem D. W. der Evangelischen Kirche in Deutschland (im Folgenden: DW-EKD) angeschlossen; zugleich ist sie Mitglied des Diakonischen Werkes der Evangelischen Landeskirche in Baden e. V. (im Folgenden: DW-Baden), allerdings ohne in dessen Vorstand vertreten zu sein.

Die Klagpartei steht seit dem 01.04.1986 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Einzelvertraglich sind die „Arbeitsvertragsrichtlinien des D. W. der Evangelischen Kirche Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung” zugrunde gelegt.

§ 1 a der AVR in der Fassung des Jahres 1984 bestand aus einem Absatz und hatte folgenden Wortlaut:

„Diese Richtlinien gelten für alle Einrichtungen, die dem D. W. der Evangelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind und die die Anwendung der Richtlinien mit ihren Mitarbeitern dienstvertraglich vereinbaren”.

Zu einem späteren Zeitpunkt wurde folgender Absatz 2 hinzugefügt:

„Ist für den Bereich eines oder mehrerer gliedkirchlich-d. W. eine arbeitsrechtliche Kommission gebildet, gelten die AVR nach Maßgabe der gliedkirchlich-d. Arbeitsrechtsregelung. Entsprechendes gilt für die Freikirchen, die dem D.W. der EKD angeschlossen sind”.

Die Arbeitsrechtliche Kommision des DW-EKD veröffentlichte am 20.06.2001 mit Wirkung zum 01.06.2001 die Ergänzung von § 1 a AVR um folgenden Absatz 3:

„Abs. 2 ist dann nicht anzuwenden, wenn eine Einrichtung nicht unter den Geltungsbereich des gliedkirchlich-d. oder freikirchlichen Arbeitsrechtes fällt, weil

  1. sie dem D. W. der EKD direkt angeschlossen ist,
  2. sie gemäß der Satzung des gliedkirchlichen D. W. von einer Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht hat oder eine Ausnahmeentscheidung vorliegt,
  3. sie nicht dem Arbeitsrechtsregelungsgesetz der Gliedkirche oder einer entsprechenden Ordnung des gliedkirchlichen D. W. unterfällt”.

Diese Veröffentlichung enthielt außerdem nachstehende

”Erläuterungen der Hauptgeschäftsstelle des DW-EKD

1. § 1a AVR – Geltungsbereich

Seitdem die Arbeitsrechlichen Kommissionen der gliedkirchlich-d. Bereiche häufiger in ihren Beschlüssen von den Beschlüssen der Arbeitsrechtlichen Kommission des D. W. der EKD abweichen, ist es wiederholt zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen gekommen, welche Fassung der AVR in den einzelnen Einrichtungen gilt. In zwei Schlichtungsstellen-Entscheidungen … wurde die Geltung des gliedkirchlichen Rechtes bestimmt, obwohl beide Einrichtungen unstreitig in der Vergangenheit die AVR-DW-EKD direkt angewendet hatten. … Die arbeitsrechtliche Kommission hat daher beschlossen, die bisherige Rechtslage durch eine Ergänzung des § 1 a AVR klarzustellen.

Die jetzige Fassung bleibt in dem bisherigen Verweisungssystem, stellt aber klar, dass es sich bei Abs. 2 nicht um eine Globalverweisung auf das gliedkirchliche Recht handelt. Dadurch wird auch sichergestellt, dass das gliedkirchliche Recht nicht durch einzelvertragliche Inbezugnahme „automatisch” gilt. Diese Klarstellung erfolgt durch einen neuen Abs. 3, in dem die Ausnahmemöglichkeiten vom Geltungsbereich des gliedkirchlichen Rechts aufzählt werden. Es handelt sich dabei um folgende Fallgestaltungen:

Im Buchst. a) ist festgelegt, dass die AVR-DW-EKD direkt gilt, wenn es sich um einen Fachverband des Diakonischen Werkes der EKD handelt, der nicht dem gliedkirchlichen Recht zuzuordnen ist, wenngleich seine Geschäftsstelle im Bereich eines gliedkirchlichen D. W. liegt.

In Buchs. b) wird der häufigste Fall vom gliedkirchlichen Recht abzuweichen, beschrieben. In den Satzungen einiger gliedkirchlicher D. W. ist eine Wahlmöglichkeit festgeschrieben, welches kirchlich-diakonische Arbeitsrecht die Einrichtung anwenden kann. In diesem Fällen haben Einrichtungen sich entweder ...

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