Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahme auf Tarifvertrag. Gleichstellungsabrede. Dynamische Anwendung des Tarifvertrags
Leitsatz (redaktionell)
Eine dynamische Bezugnahme auf das einschlägige Tarifwerk in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag ist typischerweise oder regelmäßig eine Gleichstellungsabrede, die mit dem Verbandsaustritt des Arbeitgebers ihre dynamische Wirkung verliert. Sie ist jedoch dann als “feste” Bezugnahme in dem Sinne auszulegen, dass die dynamische Anwendbarkeit der Tarifverträge auch nach Beendigung der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers erfolgen soll, wenn das in der Vereinbarung seinen Ausdruck gefunden habe oder sonstige Umstände dafür sprächen. Dies ist anzunehmen, wenn nach der Vertragsklausel “bis zum Wirksamwerden eines Haustarifvertrags” auf das Tarifwerk Bezug genommen wird.
Normenkette
UKG § 11 Abs. 5; TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag, § 3 Abs. 1; ZPO § 256
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 23.08.2005; Aktenzeichen 7 Sa 823/04) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 05.10.2004; Aktenzeichen 20 Ca 8348/03) |
Tenor
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 23. August 2005 – 7 Sa 823/04 – aufgehoben.
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 5. Oktober 2004 – 20 Ca 8348/03 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf tarifliche Leistungen nach dem BAT-O hat, die durch Tarifänderungen nach dem 31. Dezember 2002 begründet worden sind.
Die Klägerin ist jedenfalls seit dem 1. Juli 2002 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis an dem Universitätsklinikum Leipzig als Krankenschwester beschäftigt. Dessen Träger war bis zum 30. Juni 1999 der kraft Verbandsmitgliedschaft an den BAT-O gebundene Freistaat Sachsen. Mit Wirkung vom 1. Juli 1999 wurde “das Universitätsklinikum Leipzig an der Universität Leipzig mit Sitz in Leipzig” – die Beklagte – durch das Gesetz über die Hochschulmedizin im Freistaat Sachsen (Sächsisches Hochschulmedizingesetz – SHMG) vom 6. Mai 1999 (SächsGVBl. S. 207) als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaates Sachsen errichtet. Die Beklagte, die nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes war und ist, trat in die Rechte und Pflichten des bisherigen Universitätsklinikums ein. Art. 1 des SHMG enthält das Gesetz über das Universitätsklinikum Leipzig an der Universität Leipzig und das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden an der Technischen Universität Dresden (Universitätsklinika-Gesetz – UKG). § 11 Abs. 5 UKG lautet:
“Für die Beschäftigten des bisherigen Universitätsklinikums gilt das geltende Tarifrecht des öffentlichen Dienstes der neuen Bundesländer in der jeweils geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2002 weiter. Danach gilt das zu diesem Zeitpunkt gültige Tarifrecht des öffentlichen Dienstes der neuen Bundesländer bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages einzelvertraglich weiter. Das Universitätsklinikum kann zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Tarifverträge abschließen. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch das bisherige Universitätsklinikum oder das neue Universitätsklinikum wegen der Umwandlung des Universitätsklinikums in eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist unwirksam. ”
Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt seit dem 1. Juli 2002 der schriftliche Formulararbeitsvertrag vom 4. Juni 2002 zugrunde, der – soweit für die Entscheidung von Interesse – lautet:
“Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Satz 1 und 2 gelten bis zum Wirksamwerden eines Haustarifvertrages für das Universitätsklinikum, der das bis dahin geltende Tarifrecht außer Kraft setzen wird, ohne dass es eines Änderungsvertrages bedarf.
… ”
Die Beklagte, deren Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di – jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Verkündung des Berufungsurteils – nicht zum Abschluss eines Haustarifvertrages geführt haben, wendet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien auch ab 1. Januar 2003 weiter den BAT-O in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung an. Die Klägerin fordert von der Beklagten die sich aus den Tarifänderungen des BAT-O für die Zeit ab 1. Januar 2003 ergebenden Leistungen. Nach erfolgloser Geltendmachung dieser Ansprüche erstrebt sie mit ihrer Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von insgesamt 866,19 Euro brutto – Einmalzahlung 2003 und Vergütungsdifferenzen Januar bis Oktober 2003 – sowie in der Sache die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, auf das Arbeitsverhältnis ab 1. Januar 2003 den BAT-O in seiner jeweils geltenden Fassung und die für die Beklagte jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge anzuwenden.
Die Klägerin hat vorgetragen, auf Grund ihres Arbeitsvertrages, der eine konstitutive dynamische Verweisung auf den BAT-O enthalte, sei die Beklagte verpflichtet, das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O in der jeweils geltenden Fassung abzuwickeln. Auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handele es sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien nicht um eine Gleichstellungsabrede, weil die Beklagte seit ihrer Gründung nicht tarifgebunden sei. Nichts anderes folge aus § 11 Abs. 5 Satz 1 UKG, denn die Tarifgebundenheit richte sich allein nach § 3 Abs. 1 TVG. Die Bezugnahmeklausel bringe nach ihrem eindeutigen Wortlaut zum Ausdruck, dass die Parteien einvernehmlich und ohne weitere Bedingungen oder Voraussetzungen die dynamische Geltung der in Bezug genommenen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis gewollt hätten.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Einmalzahlung gem. § 2 Vergütungs-TV Nr. 7 zum BAT-O vom 31. Januar 2003 in Höhe von 134,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 DÜG hieraus seit dem 16. März 2003 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin noch ausstehenden Lohn für die Monate Januar 2003 bis Oktober 2003 in Höhe von 732,04 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 DÜG hieraus seit dem 16. Januar 2003 aus 119,81 Euro brutto, seit dem 16. Februar 2003 aus 67,57 Euro brutto, seit dem 16. März 2003 aus 67,90 Euro brutto, seit dem 16. April 2003 aus 66,95 Euro brutto, seit dem 16. Mai 2003 aus 68,39 Euro brutto, seit dem 16. Juni 2003 aus 68,80 Euro brutto, seit dem 16. Juli 2003 aus 69,44 Euro brutto, seit dem 16. August 2003 aus 67,57 Euro brutto, seit dem 16. September 2003 aus 67,03 Euro brutto und seit dem 16. Oktober 2003 aus 68,65 Euro brutto zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ab dem 1. Januar 2003 weiterhin der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifvertragliche Vorschriften – (BAT-O) in seiner jeweils geltenden Fassung und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung Anwendung finden. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der BAT-O sei seit dem 1. Januar 2003 nicht mehr dynamisch anzuwenden. Die Regelungen des BAT-O seien auf die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer des Universitätsklinikums Leipzig für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis zum 31. Dezember 2002 lediglich auf Grund von § 11 Abs. 5 UKG dynamisch anzuwenden gewesen. Durch diese Norm sei sie sozusagen zeitlich tariflich gebunden gewesen, wenn auch nicht im klassischen Sinne. Nach dem 31. Dezember 2002 gelte das zu diesem Zeitpunkt gültige Tarifrecht des BAT-O bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages einzelvertraglich weiter. Auch aus dem Arbeitsvertrag lasse sich nichts anderes herleiten. § 2 des Arbeitsvertrages sei als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen, also dahin, dass alle Arbeitnehmer rechtlich so gestellt werden sollten, als bestünde eine Tarifgebundenheit beider Arbeitsvertragsparteien. Der Wegfall der gesetzlichen Verpflichtung zur dynamischen Anwendung des BAT-O am 31. Dezember 2002 habe zur Folge, dass dieser – wie bei einem Verbandsaustritt des Arbeitgebers – nur noch statisch anzuwenden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, das der Klage sowohl wegen der mit ihr erstrebten Verurteilung der Beklagten zur Zahlung als auch hinsichtlich der Feststellung ihrer Verpflichtung zur weiteren dynamischen Anwendung des BAT-O und der für die Beklagte jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge nach dem 31. Dezember 2002 mit Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben hat.
I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) besteht deshalb, weil mit ihr geklärt werden kann, ob sich das Arbeitsverhältnis, wie die Klägerin geltend macht, ab 1. Januar 2003 weiter nach dem BAT-O für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) in seiner jeweils geltenden Fassung und den für die Beklagte jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträgen richtet. Dies ist für zahlreiche Rechtsansprüche, die sich aus Änderungen der Tarifverträge nach dem 31. Dezember 2002 ergeben können, bedeutsam (vgl. Senat 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – BAGE 103, 9 mwN).
II. Die zulässige Klage ist auch begründet. Der Klägerin stehen gegenüber der Beklagten die Zahlungsansprüche zu, die sich aus den nach dem 31. Dezember 2002 in Kraft getretenen Änderungen des BAT-O ergeben. Sie hat auch Anspruch auf dessen weitere dynamische Anwendung sowie derjenigen der für die Beklagte jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge.
1. Kraft der Bezugnahmeklausel in § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung – nachfolgend nur: BAT-O – sowie den für die Beklagte jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträgen. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass es sich bei einer Bezugnahmeklausel dieses Inhalts um eine dynamische Verweisung auf die in Bezug genommenen Tarifverträge handelt. Die Beklagte bezeichnet diese Bezugnahmeklausel selbst als “klassische sogenannte kleine dynamische Verweisung”. Der Streit der Parteien geht allein darum, ob es sich bei der vorzitierten Vertragsklausel um eine Gleichstellungsabrede handelt, die nach der Beendigung der durch § 11 Abs. 5 UKG begründeten Verpflichtung der Beklagten am 31. Dezember 2002, den BAT-O dynamisch anzuwenden, lediglich dessen weitere Anwendung mit der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung begründet.
2. Dies ist auch bei Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur sog. Gleichstellungsabrede nicht der Fall, wie das Arbeitsgericht mit Recht erkannt hat. Nach dieser Rechtsprechung des Senats ist eine dynamische Bezugnahme auf das einschlägige Tarifwerk in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag “typischerweise” oder “regelmäßig” eine Gleichstellungsabrede, die mit dem Verbandsaustritt des Arbeitgebers ihre dynamische Wirkung verliert (zB 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – BAGE 99, 120; 27. November 2002 – 4 AZR 540/01 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 29; 19. März 2003 – 4 AZR 331/02 – BAGE 105, 284; vgl. aber die angekündigte Rechtsprechungsänderung des Senats 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Der Senat hat jedoch stets hervorgehoben, diese Auslegung verbiete sich bei Vorliegen von Umständen, die eine abweichende Auslegung der Bezugnahmeklausel geböten. Auch eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag sei dann als “feste” Bezugnahme in dem Sinne auszulegen, dass die dynamische Anwendbarkeit der Tarifverträge auch nach Beendigung der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers erfolgen soll, wenn das in der Vereinbarung seinen Ausdruck gefunden habe oder sonstige Umstände dafür sprächen (zB Senat 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – aaO und 27. November 2002 – 4 AZR 661/01 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 28).
3. Dies ist hier der Fall. Denn für die Beklagte gelten die Bestimmungen des § 11 Abs. 5 Satz 1 und 2 UKG, die eine nach Zeitabschnitten differenzierende Regelung über die Anwendung des BAT-O – dynamisch bis 31. Dezember 2002, in der Folgezeit statisch – enthalten. Wenn die Beklagte von dieser ihr bekannten, speziell für sie – und ein weiteres Universitätsklinikum – getroffenen gesetzlichen Regelung arbeitsvertraglich abweicht, indem sie klar und deutlich ca. sechs Monate vor dem gesetzlich bestimmten Beginn der statischen Weitergeltung des BAT-O dessen zeitlich unbegrenzte dynamische Anwendung vereinbart, ist für eine Auslegung dieser Vereinbarung im Sinne eines Inhalts, der der – abbedungenen – gesetzlichen Regelung entspricht, kein Raum.
a) Bei der Bezugnahmeklausel in dem Formulararbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um eine typische Vertragsklausel, deren Auslegung durch das Berufungsgericht der uneingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht zugänglich ist (st. Rspr. des BAG zB Senat 19. März 2003 – 4 AZR 331/02 – BAGE 105, 284; BAG 19. Oktober 2004 – 9 AZR 647/03 – BAGE 112, 214, 222 und 23. November 2004 – 9 AZR 595/03 – BAGE 112, 376, 380 mwN).
b) Diesem Prüfungsmaßstab hält die Vertragsauslegung des Berufungsgerichts nicht stand.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat – kurz zusammengefasst – angenommen, bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien handele es sich um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des Senats. Die Ausgangslage bei Arbeitsvertragsschluss sei vergleichbar mit dem Fall eines tarifgebundenen Arbeitgebers, der mit nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern die Anwendung des Tarifvertrages zum Zwecke ihrer Gleichstellung, aber nicht zu ihrer Besserstellung vereinbaren wolle. Denn gem. § 11 Abs. 5 UKG habe für die Beschäftigten des bisherigen Universitätsklinikums das geltende Tarifrecht des öffentlichen Dienstes der neuen Bundesländer in der jeweils geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2002 weiter gegolten. Bei der Auslegung einer Bezugnahmeklausel im Sinne einer Gleichstellungsabrede sei entscheidend auf die typischerweise vorliegende Zweckbestimmung der Bezugnahme und auf die üblicherweise gegebenen Interessen und Vorverständnisse abzustellen. Wenn ein Arbeitgeber bei dieser Ausgangslage die Bezugnahmeklausel mit dem Ziel vereinbare, die übernommenen Arbeitnehmer mit den Neueingestellten – gemeint wohl: die neueingestellten Arbeitnehmer mit den übernommenen – im gesetzlich vorgegebenen Zeitraum bei der Anwendung von Tarifverträgen gleich zu behandeln, könne nicht angenommen werden, dass die Bindung an den Tarifvertrag über das hinausgehen solle, was auf Grund der gesetzlichen Regelungen ansonsten für die Übernommenen gelte. Die Klägerin habe bei Kenntnis des § 11 Abs. 5 UKG auch feststellen können, dass die Beklagte nur noch bis zum 31. Dezember 2002 dynamisch an die jeweiligen Tarifverträge gebunden sei. Damit habe die Klägerin keine Ansprüche gegen die Beklagte aus den für die Zeit nach dem 31. Dezember 2002 geltenden Tarifänderungen.
bb) Dem folgt der Senat nicht. Nach dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel und den Gesamtumständen des Falles bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien vielmehr über den 31. Dezember 2002 hinaus nach dem BAT-O – und den für die Beklagte jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträgen – in der jeweils geltenden Fassung.
(1) Es kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass sie bei Abschluss des Arbeitsvertrages der Parteien am 4. Juni 2002 kraft der Regelung des § 11 Abs. 5 Satz 1 UKG, der die Weitergeltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes der neuen Bundesländer in der jeweils geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2002 für die Beschäftigten des bisherigen Universitätsklinikums vorsah, “sozusagen zeitlich tarifgebunden” war, “wenn auch nicht im klassischen Sinne” (vgl. § 3 Abs. 1 TVG), wie die Beklagte geltend macht. Zu diesem Zeitpunkt stand aber das Ende der gesetzlichen Verpflichtung der Beklagten nach § 11 Abs. 5 Satz 1 UKG zur dynamischen Anwendung des BAT-O, also “sozusagen” das Ende ihrer Tarifgebundenheit am 31. Dezember 2002, bereits fest. Für die Zeit “danach” sieht das Gesetz in § 11 Abs. 5 Satz 2 UKG stattdessen die einzelvertragliche Weitergeltung des “zu diesem Zeitpunkt gültigen Tarifrechts des öffentlichen Dienstes der neuen Bundesländer bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages” vor. Diese Änderung der durch § 11 Abs. 5 UKG begründeten Rechtslage war der Beklagten bereits seit Inkrafttreten des UKG im Jahre 1999 bekannt. Erst recht musste sie diese Rechtslage bei dem Abschluss eines Arbeitsvertrages rund sechs Monate vor dem Eintritt der Änderung der Tarifrechtslage, wie sie das UKG zum Inhalt hat, im Blick haben. Die Beklagte hätte daher die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien entweder der gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 5 UKG entsprechend gestalten, also diese abschreiben, oder insoweit schlicht darauf Bezug nehmen können. Dies ist nicht geschehen. Die zeitliche Begrenzung der dynamischen Anwendung des BAT-O auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2002 sieht die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien nicht vor. Sie orientiert sich auch nicht an der in § 11 Abs. 5 UKG vom Landesgesetzgeber vorgezeichneten Entwicklung des Tarifrechts, die die Möglichkeit der Ablösung des nach dem 31. Dezember 2002 einzelvertraglich statisch weitergeltenden BAT-O durch Haustarifverträge der Beklagten einschließt. Vielmehr haben die Parteien in § 2 Satz 3 des Arbeitsvertrages ausdrücklich bestimmt, dass “Satz 1 und 2” – also die dynamische Anwendung des BAT-O und der für die Beklagte jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge – “bis zum Wirksamwerden eines Haustarifvertrages für das Universitätsklinikum” “gelten”. Damit haben sie ausdrücklich ausgeschlossen, dass der BAT-O zeitweise statisch – in der Fassung vom 31. Dezember 2002 – auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Vielmehr endet nach der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien die dynamische Anwendbarkeit des BAT-O auf das Arbeitsverhältnis erst mit dem “Wirksamwerden eines Haustarifvertrages”, zu dessen Abschluss es bislang – jedenfalls bis zur Verkündung des angefochtenen Urteils – nicht gekommen ist. § 11 Abs. 5 Satz 2 UKG regelt keine Höchstarbeitsbedingungen. Die einzelvertragliche Abweichung hiervon zugunsten der Klägerin ist deshalb unbedenklich zulässig. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Frage.
(2) Angesichts der Eindeutigkeit der Vertragsauslegung ist für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum. Deren Bedeutung für die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede (vgl. dazu Senat 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 32, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) bedarf daher hier keiner Erörterung.
4. Über die Höhe der Zahlungsansprüche besteht zwischen den Parteien kein Streit.
5. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286, 288 BGB.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bepler, Creutzfeldt, Bott, Pieper, Redeker
Fundstellen