Entscheidungsstichwort (Thema)
Umkleidezeiten als Arbeitszeit
Orientierungssatz
1. Zur Leistung der versprochenen Dienste, an welche die Vergütungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB anknüpft, zählt nicht nur die eigentliche Arbeitsleistung, sondern auch das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb.
2. Die Tarifvertragsparteien sind berechtigt, die Höhe des Arbeitsentgelts zu tarifieren und hierbei eine unterschiedliche Vergütung von Arbeitszeiten vorzusehen. Diese in der grundrechtlich geschützten Tarifautonomie wurzelnde Rechtsmacht umfasst die grundsätzliche Befugnis, bestimmte Teile der Arbeitszeit von der andererseits bestehenden Vergütungspflicht des Arbeitgebers auszunehmen.
3. Die tarifvertragliche Regelung in § 3 Ziff. 6 MTV, der zufolge Zeiten für Umkleiden und Waschen keine Arbeitszeit sind, nimmt nicht nur Umkleidezeiten, die vor und nach der Schicht anfallen, sondern jegliche Umkleidezeiten, also auch solche während einer Schicht, von der Vergütungspflicht des Arbeitgebers aus.
4. Das gesetzliche Verbot des § 3 Abs. 3 ArbSchG, dem zufolge der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem ArbSchG nicht den Beschäftigten auferlegen darf, steht der Wirksamkeit des § 3 Ziff. 6 MTV auch in den Fällen nicht entgegen, in denen der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers arbeitsschutzrechtlich vorgeschriebene Arbeitskleidung anlegt.
5. Steht fest, dass der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers Überstunden geleistet hat, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für einzelne Überstunden nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht den Umfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO zu schätzen, sofern die Schätzung nicht mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte willkürlich wäre.
Normenkette
ArbSchG § 3 Abs. 3; BGB § 611 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1, §§ 287, 551 Abs. 3; Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern vom 3. Juli 2008 (MTV) § 3 Ziff. 6, § 6 Ziff. 1, § 7 Ziff. 1.1, § 11 Ziff. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Anschlussrevision des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision der Beklagten das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 6. Juli 2015 – 8 Sa 53/14 – aufgehoben, soweit die Leistungsanträge des Klägers abgewiesen wurden.
2. Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten, Zeiten, die er für das An- und Ablegen persönlicher Schutzausrüstung (PSA) aufwendet, zu vergüten.
Die Beklagte, ein Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, führt in ihrem Werk in H, in dem sie ca. 640 Mitarbeiter beschäftigt, Arbeiten im Bereich des Warm- und Kaltwalzens von Aluminium durch. Sie setzt den Kläger, dessen regelmäßige tägliche Sollarbeitszeit um 07:00 Uhr beginnt und um 14:30 Uhr endet, in der Abteilung Instandhaltung ein. Gemäß der seitens der Beklagten erlassenen Anweisung „Arbeitskleidung, … PSA für … Instandhaltung … in Abhängigkeit von Gefährdung und Tätigkeit” ist der Kläger verpflichtet, PSA zu tragen, die neben Hose, Arbeitsjacke, Socken, Schuhen und Arbeitshandschuhen auch Schutzbrille, Helm und Gehörschutz umfasst. Um die PSA anzulegen, muss der Kläger nach Betreten des Betriebsgeländes zunächst zur Waschkaue gehen, die dort für ihn bereitliegende saubere PSA aus einem Wäschefach entnehmen, sich zu seinem Spind begeben, sich entkleiden und die PSA anlegen. Anschließend hat er seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, der ohne PSA nicht betreten werden darf.
Mitarbeitern, die – anders als der Kläger – ihre Arbeit regelmäßig in privater Kleidung verrichten dürfen, vergütet die Beklagte die zum An- und Ablegen der PSA erforderliche Zeit sowie die damit zusammenhängenden innerbetrieblichen Wegezeiten als Arbeitszeit, wenn sie einen Arbeitsbereich aufsuchen, für den das Tragen von PSA vorgeschrieben ist.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der am 1. Oktober 2008 in Kraft getretene Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hamburg und Umgebung, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern vom 3. Juli 2008 (MTV) Anwendung. Dieser enthält ua. folgende Regelungen:
„§ 3 |
Arbeitszeit |
… |
|
6. |
Pausen, Umkleiden und Waschen Zeiten für Umkleiden und Waschen sowie Pausen sind keine Arbeitszeit, soweit nicht innerbetriebliche abweichende Regelungen getroffen werden. |
… |
|
§ 6 |
Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit |
1. |
Mehrarbeit |
|
Mehrarbeit ist die angeordnete Überschreitung der individuellen regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, die bis zum Arbeitsbeginn des darauffolgenden Tages abgefordert wird. |
… |
|
§ 7 |
Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit |
1. |
Für Hamburg und Umgebung gilt: |
1.1 |
Höhe des Zuschlages |
|
Die Beschäftigten erhalten je Stunde für angeordnete |
|
a) Mehrarbeit |
25 % Zuschlag |
… |
|
§ 11 |
Arbeitsausfall, Arbeitsverhinderung, Arbeitsfreistellung |
1. |
Bezahlte Arbeitszeit |
|
Bezahlt wird nur die Zeit, die der Beschäftigte im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit dem Betrieb arbeitsbereit zur Verfügung steht, soweit in diesem Tarifvertrag nichts anderes bestimmt ist. |
…”
Die Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto auf der Grundlage der „Betriebsvereinbarung über Gleitende Arbeitszeit” vom 7. September 2006. Darin heißt es auszugsweise:
„2. |
Gleitzeitregelungen |
… |
|
2.2 |
Die Erfassung der täglichen Kommt- und Geht-Zeiten erfolgt mittels eines elektronischen Zeiterfassungssystems. … |
2.3 |
Bei Beginn und Beendigung der täglichen Arbeitszeit ist an einem Zeiterfassungsterminal eine Kommt- bzw. Geht-Buchung vorzunehmen. Dies hat grundsätzlich an dem dem Arbeitsplatz nächstgelegenen Terminal zu erfolgen. Die sich aus der Differenz zwischen Kommt- und Geht-Zeit ergebende Anwesenheitszeit wird minutengenau erfasst. |
… |
|
3. |
Abgrenzung zur Mehrarbeit |
|
Mehrarbeit (Überstunden) ist gegeben, soweit diese angeordnet und außerhalb der täglichen Kernarbeitszeit geleistet wird sowie die Dauer der täglichen Sollarbeitszeit überschritten ist.” |
Der Kläger arbeitete in den Monaten September bis November 2013 insgesamt in 39 Schichten.
Er hat die Auffassung vertreten, sofern § 3 Ziff. 6 MTV nicht nur das An- und Ablegen von Privatkleidung unterfalle, liege ein Verstoß gegen § 3 Abs. 3 ArbSchG vor. Schließlich sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung gehalten, Zeiten, die er für das An- und Ablegen von PSA aufwende, zu vergüten.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihm 19,5 Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto gemäß der Betriebsvereinbarung über Gleitende Arbeitszeit vom 7. September 2006/Freizeitausgleichskonto gutzuschreiben;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 117,10 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2013 zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm arbeitstäglich 30 Minuten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung als Arbeitszeit zu vergüten und seinem Zeitkonto gutzuschreiben und für 30 Minuten arbeitstäglich Mehrarbeitszuschläge gemäß § 6 MTV der Metallindustrie Hamburg zu zahlen;
hilfsweise zum Antrag zu 3.
festzustellen, dass er berechtigt ist, seine persönliche Schutzausrüstung nach dem Einstempeln zu Beginn der Schicht am Zeiterfassungsterminal anzulegen und vor dem Ausstempeln am Zeiterfassungsterminal abzulegen und dass die Beklagte verpflichtet ist, die mit Hilfe des Zeiterfassungsterminals erfassten Zeiten als Arbeitszeit gemäß MTV zu vergüten;
weiter hilfsweise
festzustellen, dass die unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlichen Zeiten für das An- und Ablegen von vorgeschriebener persönlicher Schutzausrüstung einschließlich der innerbetrieblichen Wegezeiten von der Waschkaue zum Arbeitsbereich vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die Tarifvertragsparteien hätten in § 3 Ziff. 6 MTV sämtliche Umkleidezeiten vergütungsfrei gestellt. Das An- und Ablegen von PSA sei keine Maßnahme des Arbeitsschutzes iSd. § 3 Abs. 3 ArbSchG, sondern diene lediglich der Umsetzung ihrer – vorgelagerten – arbeitsschutzrechtlichen Entscheidung, das Tragen von PSA anzuordnen. Schließlich sei sie im Hinblick auf die Zulagen, auf die der Kläger nach § 13 des Entgeltrahmenabkommens (ERA) iVm. der einschlägigen Betriebsvereinbarung Anspruch habe, berechtigt, Zeiten, die Arbeitnehmer während der Schicht für das An- und Ablegen von PSA aufwendeten, anders zu vergüten als Zeiten, die auf das Umkleiden vor Schichtbeginn oder nach Schichtende entfielen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht dem ersten Hilfsantrag stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision seine Klageanträge zu 1. und 2. weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Anschlussrevision des Klägers ist begründet und führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
A. Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Zwar ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, § 3 Ziff. 6 MTV verstoße gegen das gesetzliche Verbot des § 3 Abs. 3 ArbSchG, rechtsfehlerhaft. Die angefochtene Entscheidung erweist sich jedoch – soweit die Beklagte Revision eingelegt hat – aus anderen Gründen, nämlich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Gleichbehandlung, als richtig (§ 561 ZPO).
I. Die Revision der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Klägers zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen.
1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss deshalb den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts in einer Weise verdeutlichen, die Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennen lässt (vgl. BAG 9. August 2016 – 9 AZR 628/15 – Rn. 7).
2. An diesen Anforderungen gemessen ist die Revisionsbegründung der Beklagten nicht zu beanstanden.
Mit der tragenden Erwägung des Landesarbeitsgerichts, die tarifliche Regelung des § 3 Ziff. 6 MTV sei wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 ArbSchG unwirksam, hat sich die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung ausreichend auseinandergesetzt. Unschädlich ist deshalb, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, weshalb ihrer Auffassung zufolge sowohl die tarifliche Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG als auch die tatsächliche Handhabung der Vergütung von Umkleidezeiten durch die Beklagte mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang stehen. Beide Gesichtspunkte waren für die angefochtene Entscheidung nicht erheblich. Das Landesarbeitsgericht ist einerseits davon ausgegangen, die Tarifbestimmung des § 3 Ziff. 6 MTV verstoße nicht gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG. Es hat andererseits die Frage offengelassen, ob die betriebliche Praxis, der zufolge Arbeitnehmer, die während ihrer Schicht PSA an- und ablegen, die Umkleidezeiten ungeachtet der tariflichen Regelung vergütet erhalten, mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist.
II. In der Sache hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Ungeachtet der rechtsfehlerhaften Annahme des Landesarbeitsgerichts, § 3 Ziff. 6 MTV sei wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 ArbSchG unwirksam und stehe deshalb einem tariflichen Vergütungsanspruch nicht entgegen, erweist sich die angefochtene Entscheidung – soweit die Beklagte Revision eingelegt hat – im Ergebnis als richtig (§ 561 ZPO). Denn die Beklagte ist aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, die Zeiten, die der Kläger für das An- und Ablegen der PSA benötigt, einschließlich der Wegezeiten zu vergüten.
1. Der erste hilfsweise zum Klageantrag zu 3. gestellte Antrag ist als sog. Elementenfeststellungsklage zulässig.
a) Dieser Feststellungsantrag ist dahin gehend zu verstehen, dass der Kläger – unabhängig von der örtlichen Lage des Zeiterfassungssystems auf dem Betriebsgelände – berechtigt ist, vor Schichtbeginn zunächst einzustempeln und danach die PSA anzulegen sowie nach Schichtende zunächst die PSA abzulegen und danach auszustempeln. Unter Berücksichtigung seines Rechtsschutzbegehrens, die Umkleidezeiten vergütet zu bekommen, ist der von ihm gestellte Antrag daher so zu verstehen, dass sich der Passus „am Zeiterfassungsterminal” auf das Ein- und Ausstempeln und nicht auf das An- und Ablegen der PSA bezieht.
b) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die Klagepartei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken – Elementenfeststellungsklage – (BAG 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 13 f.). Ein Feststellungsinteresse ist in diesem Fall nur gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden (BAG 23. März 2016 – 5 AZR 758/13 – Rn. 16, BAGE 154, 337).
Im Hinblick auf den Hilfsantrag liegen diese Voraussetzungen vor. Die von dem Kläger begehrte Feststellung ist geeignet, weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über die vergütungsrechtliche Bewertung von Umkleidezeiten auszuschließen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der erste Hilfsantrag zum Klageantrag zu 3. begründet ist. Allerdings ist die Begründung des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft.
a) Zur Leistung der versprochenen Dienste, an welche die Vergütungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB anknüpft, zählt nicht nur die eigentliche Arbeitsleistung, sondern – wie im Streitfall – grundsätzlich auch das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb. In einem solchen Falle macht der Arbeitgeber mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (vgl. BAG 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 – Rn. 28, BAGE 143, 107).
b) Die rechtliche Bewertung der Umkleidezeiten als Teil der vom Kläger geschuldeten Arbeitsleistung rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, die Beklagte sei zur Vergütung dieser Zeiten verpflichtet. Die Bestimmungen des MTV schließen einen solchen Vergütungsanspruch aus.
aa) § 3 Ziff. 6 MTV bestimmt, dass „Zeiten für Umkleiden und Waschen” nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählen. Die Tarifregelung ist ein Unterfall des in § 11 Ziff. 1 MTV tarifierten Grundsatzes, dem zufolge der Arbeitgeber grundsätzlich nur die Zeit, in der der Beschäftigte dem Betrieb arbeitsbereit zur Verfügung steht, zu vergüten hat. Dabei nimmt § 3 Ziff. 6 MTV sämtliche Umkleidezeiten von der Vergütungspflicht aus und nicht – wie der Kläger meint – lediglich die Zeiten, die für das An- und Ablegen der Privatkleidung aufgewendet werden. Für eine derart einschränkende Auslegung des Begriffs „Umkleiden” enthält die Tarifnorm keinerlei Anhaltspunkte (zu den für Tarifverträge geltenden Auslegungsgrundsätzen vgl. BAG 22. April 2010 – 6 AZR 962/08 – Rn. 17 mwN, BAGE 134, 184).
bb) Die Tarifregelung des § 3 Ziff. 6 MTV ist wirksam (so bereits BAG25. September 2013 – 10 AZR 258/12 – Rn. 14).
(1) Die Tarifvertragsparteien sind berechtigt, die Höhe des Arbeitsentgelts zu tarifieren und hierbei eine unterschiedliche Vergütung von Arbeitszeiten vorzusehen (vgl. BAG 19. März 2014 – 5 AZR 954/12 – Rn. 30; 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 – Rn. 29, BAGE 143, 107). Diese in der grundrechtlich geschützten Tarifautonomie wurzelnde Rechtsmacht umfasst die grundsätzliche Befugnis, bestimmte Teile der Arbeitszeit – wie in § 3 Ziff. 6 MTV für die Umkleidezeiten geschehen – von der andererseits bestehenden Vergütungspflicht des Arbeitgebers auszunehmen (vgl. Franzen NZA 2016, 136, 138; Gaul/Hofelich NZA 2016, 149, 151).
(2) § 3 Ziff. 6 MTV ist entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 ArbSchG unwirksam.
(a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Maßnahmen des Arbeitsschutzes sind gemäß § 2 Abs. 1 ArbSchG Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Gemäß § 3 Abs. 3 ArbSchG darf der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem ArbSchG nicht den Beschäftigten auferlegen.
(b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 ArbSchG liegen im Streitfall nicht vor. Zugunsten des Klägers unterstellt, bei dem An- und Ablegen der PSA handele es sich um eine Maßnahme des Arbeitsschutzes, werden den Arbeitnehmern hierdurch keine Kosten auferlegt. Das arbeitsschutzrechtliche Verbot des § 3 Abs. 3 ArbSchG erfasst nicht zeitliche Dispositionen des Arbeitnehmers (Löwisch/Neumann SAE 1997, 77, 85 f.; vgl. auch Gaul/Hofelich NZA 2016, 149, 151; aA Wiebauer in Landmann/Rohmer GewO Stand August 2016 Bd. II § 3 ArbSchG Rn. 71; Kohte AuR 2016, 404, 406). Die in § 3 Ziff. 6 MTV genannten Umkleidezeiten führen nicht zu „Kosten”, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auferlegt. „Auferlegen” kann der Arbeitgeber nur Kosten, die zuvor entstanden sind. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung, dass Kosten für Arbeitsschutzmaßnahmen beim Arbeitgeber „verbleiben” (BT-Drs. 13/3540 S. 16) sollen. Ein „Verbleiben” der Kosten ist nur möglich, wenn diese vorher bei demjenigen, bei dem sie verbleiben, also beim Arbeitgeber, entstanden sind. Dies ist bei Zeiten, die der Arbeitnehmer zum Umkleiden aufwendet, nicht der Fall.
3. Die angefochtene Entscheidung erweist sich jedoch – soweit die Beklagte Revision eingelegt hat – aus anderen Gründen, nämlich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Gleichbehandlung, als richtig (§ 561 ZPO). Indem die Beklagte Arbeitnehmern, die sich während einer Schicht umkleiden, nicht aber Arbeitnehmern, die sich vor Antritt oder nach Beendigung der Schicht umkleiden, die Umkleidezeiten vergütet, verstößt sie gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dies hat zur Folge, dass der Kläger einen Anspruch auf Vergütung sowohl für die Zeiten hat, die er für das An- und Ablegen der PSA aufwendet, als auch für die hiermit im Zusammenhang stehenden Wegezeiten.
a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleichzubehandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird inhaltlich durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt. Bei freiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, dass Arbeitnehmer nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden (BAG 4. Mai 2010 – 9 AZR 155/09 – Rn. 23 mwN, BAGE 134, 223). Die vom Arbeitgeber selbst geschaffene Gruppenbildung muss gemessen am Zweck der Leistung sachlich gerechtfertigt sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Differenzierungsgründe unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Leistung auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und nicht gegen verfassungsrechtliche Wertentscheidungen oder gesetzliche Verbote verstoßen (vgl. BAG 21. Mai 2014 – 4 AZR 50/13 – Rn. 22 mwN, BAGE 148, 139).
b) Mit der unterschiedlichen vergütungsrechtlichen Behandlung von Umkleidezeiten hat die Beklagte eine vom Einzelfall losgelöste eigene Regelung geschaffen, die am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen ist.
aa) Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung seiner Arbeitnehmer knüpft nicht unmittelbar an die Leistung selbst an, sondern vielmehr an das von ihm zugrunde gelegte, selbstbestimmte generalisierende Prinzip. Es handelt sich dabei um eine privatautonome Verteilungsentscheidung, die ihren Ausdruck in einer vom Arbeitgeber freiwillig gesetzten Anspruchsgrundlage für die jeweilige Leistung findet. Der Leistung selbst geht jeweils die Schaffung eines eigenen Regelwerks durch eigenes gestaltendes Verhalten (vgl. BAG 21. November 2013 – 6 AZR 23/12 – Rn. 76) voraus, in der das generalisierende Prinzip festgelegt wird. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nur die Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Er steht nicht der Begünstigung einzelner Arbeitnehmer entgegen (vgl. BAG 13. Februar 2002 – 5 AZR 713/00 – zu II 1 der Gründe mwN). Erfolgt die Begünstigung unabhängig von abstrakten Merkmalen in Einzelfällen, können sich andere Arbeitnehmer zur Begründung gleichartiger Ansprüche hierauf nicht berufen (BAG 12. August 2014 – 3 AZR 764/12 – Rn. 23). Bei bloßem – auch vermeintlichem – Normvollzug fehlt es an einer eigenen Verteilungsentscheidung des Arbeitgebers. In diesem Fall stellt er subjektiv keine eigenen Anspruchsvoraussetzungen auf, sondern sieht sich – wenn auch irrtümlicherweise – verpflichtet, eine aus seiner Sicht wirksame Regelung vollziehen zu müssen (vgl. BAG 21. Mai 2014 – 4 AZR 120/13 – Rn. 20).
bb) Indem die Beklagte Umkleide- und Wegezeiten, die während der Schicht anfallen, vergütet, erbringt sie gegenüber ihren Arbeitnehmern eine über den Einzelfall hinausgehende freiwillige Leistung, zu der sie sich nicht als verpflichtet ansieht.
(1) Die Vergütung von Zeiten, die Arbeitnehmer während der Schicht zum An- und Ablegen von PSA aufwenden, ist eine Leistung, auf die kein tariflicher Anspruch besteht. Die Regelung des § 3 Ziff. 6 MTV nimmt ihrem einschränkungslosen Wortlaut zufolge nicht nur Umkleidezeiten, die vor und nach der Schicht anfallen, sondern jegliche Umkleidezeiten, also auch solche während einer Schicht, von der Vergütungspflicht aus.
(2) Ein Fall des irrtümlichen Normvollzugs liegt nicht vor. Die Beklagte geht selbst davon aus, Arbeitnehmern stehe unabhängig von dem Zeitpunkt des Umkleidens ein Anspruch auf Vergütung der Umkleidezeiten nicht zu.
(3) Ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die für den Senat bindend sind (§ 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO), zahlt die Beklagte nicht in Ansehung von Einzelfällen, sondern nach abstrakten Merkmalen an alle Arbeitnehmer Vergütung für Umkleidezeiten im Zeitraum zwischen Schichtbeginn und Schichtende.
c) Die von der Beklagten gebildeten Gruppen sind miteinander vergleichbar. Die Beklagte unterscheidet zwischen Arbeitnehmern, die sich während der Schicht umkleiden, und Arbeitnehmern, die die PSA außerhalb der Schicht an- und ablegen. Die Arbeitnehmer beider Gruppen befinden sich in einer vergleichbaren Situation, da sie aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen gleichermaßen verpflichtet sind, bestimmte Arbeitsplätze nur mit PSA zu betreten.
d) Die hierin liegende Ungleichbehandlung ist nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Es gelten die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Nimmt ein Arbeitgeber eine Gruppe von Arbeitnehmern von bestimmten Leistungen aus, obliegt es ihm, die Gründe für die Differenzierung offenzulegen und substanziiert darzutun (vgl. BAG 3. September 2014 – 5 AZR 6/13 – Rn. 31, BAGE 149, 69). Die Beklagte ist ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht nachgekommen.
aa) Soweit die Beklagte geltend macht, Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit dauerhaft in PSA erbringen, hätten anders als die von ihr begünstigen Arbeitnehmer regelmäßig Anspruch auf Zulagen nach § 13 ERA, übersieht sie, dass zwischen den in § 13 ERA geregelten Zulagentatbeständen und den Umkleidezeiten kein sachlicher Zusammenhang besteht. Die Zulagen nach § 13 ERA iVm. der im Betrieb der Beklagten geltenden Betriebsvereinbarung sollen die „Belastungen der Muskeln”, die „Belastungen der Sinne und Nerven” und die „Belastungen aus Umgebungseinflüssen” ausgleichen, nicht aber einen auf das An- und Ablegen von PSA zurückzuführenden zeitlichen Mehraufwand kompensieren.
bb) Soweit die Beklagte darauf hinweist, Arbeitnehmer, die sich während der Schicht umkleiden, müssten sonst – anders als Arbeitnehmer, die ihre PSA vor und nach der Schicht an- und ablegen – während der Schicht am Zeiterfassungsterminal aus- und einstempeln, lässt sie offen, aus welchen Gründen hiermit ein organisatorisches Problem oder eine erhebliche Belastung der betroffenen Arbeitnehmer einhergehen soll.
e) Aufgrund des Verstoßes der Beklagten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hat der Kläger Anspruch auf die ihm vorenthaltene Leistung (vgl. BAG 4. Mai 2010 – 9 AZR 155/09 – Rn. 23 mwN, BAGE 134, 223), im Streitfall auf die Vergütung der Zeiten, die er zum An- und Ablegen der PSA aufwendet, sowie der Wegezeiten, die mit dem Umkleiden im Zusammenhang stehen.
B. Die zulässige Anschlussrevision des Klägers ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Die Anschlussrevision ist zulässig.
1. Mit seiner Anschlussrevision verfolgt der Kläger seine ursprünglichen Leistungsanträge zu 1. und 2. weiter, die beide in einem unmittelbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Streitgegenstand der Revision, der Vergütung von Umkleidezeiten, stehen (vgl. hierzu BAG 20. Mai 2009 – 5 AZR 312/08 – Rn. 25).
2. Entgegen der Auffassung der Beklagten genügt die Begründung der Anschlussrevision den gesetzlichen Anforderungen.
a) Zur ordnungsgemäßen Begründung der Anschlussrevision müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 554 Abs. 3 Satz 2, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Verfahrensrügen müssen nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO die Bezeichnung der Tatsachen enthalten, die den Mangel ergeben, auf den sich die Revision stützen will. Hierzu hat sich der Revisionskläger mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils auseinanderzusetzen (vgl. BAG 9. August 2016 – 9 AZR 628/15 – Rn. 7). Darüber hinaus obliegt es dem Revisionskläger, die Kausalität zwischen dem behaupteten Verfahrensmangel und dem Ergebnis des Berufungsurteils aufzuzeigen (vgl. BAG 16. September 2004 – 2 AZR 447/03 – zu B V 1 b bb der Gründe mwN).
b) An diesem Maßstab gemessen hat der Kläger die Anschlussrevision ausreichend begründet. Unter Berufung auf § 287 ZPO hat der Kläger dargelegt, er habe in ausreichendem Umfang Anknüpfungstatsachen vorgetragen, die das Landesarbeitsgericht zum Anlass hätte nehmen müssen, den Umfang der zwischen den Parteien streitigen Umkleidezeiten zu schätzen.
II. Die Anschlussrevision ist begründet. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Leistungsanträge nicht zurückweisen. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat allerdings nicht abschließend entscheiden, in welchem Umfang Umkleide- und Wegezeiten, die der Kläger im Zeitraum vom 1. September bis zum 30. November 2013 für das An- und Ablegen der PSA aufgewandt hat, dem Arbeitszeitkonto des Klägers gutzuschreiben sind (Klageantrag zu 1.) und für welche dieser Zeiten Mehrarbeitszuschläge zu zahlen sind (Klageantrag zu 2.). Diese Zeiten wird das Landesarbeitsgericht gemäß § 287 ZPO zu schätzen haben. Die Sache war insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Mit dem Klageantrag zu 1. begehrt der Kläger die Gutschrift von Überstunden auf dem Arbeitszeitkonto, das die Beklagte für ihn führt.
a) Rechtsfehlerhaft ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, es sei nicht nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO gehalten, die Umkleide- und Wegezeiten auf der Grundlage des vom Kläger geleisteten Tatsachenvortrags zu schätzen.
aa) Verlangt der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Vergütung für Überstunden, obliegt es ihm, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat (vgl. BAG 16. Mai 2012 – 5 AZR 347/11 – Rn. 27, BAGE 141, 330) und dass die von ihm geleisteten Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren (vgl. BAG 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 – Rn. 15). Steht fest, dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers geleistet worden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für einzelne Überstunden nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht den Umfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO zu schätzen, sofern die Schätzung nicht mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte willkürlich wäre (vgl. BAG 25. März 2015 – 5 AZR 602/13 – Rn. 18, 20, BAGE 151, 180). Voraussetzung für eine Schätzung ist demnach lediglich, dass die klagende Partei dem Gericht eine tatsächliche Grundlage für die Schätzung geliefert und sich in einem den Umständen nach zumutbaren Maß um eine Substanziierung bemüht hat (vgl. BAG 16. September 2004 – 2 AZR 447/03 – zu B V 2 b aa der Gründe).
bb) Die Voraussetzungen für eine Schätzung des Umfangs der dem Arbeitszeitkonto gutzuschreibenden Umkleide- und Wegezeiten liegen im Streitfall vor. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger die PSA arbeitstäglich vor Beginn der Schicht angelegt und nach Schichtende wieder abgelegt sowie die damit verbundenen innerbetrieblichen Wege zurückgelegt hat. Im Streit steht nur die Frage, in welchem genauen zeitlichen Umfang dies geschah. Das diesbezügliche Vorbringen der Parteien deckt sich teilweise, im Übrigen weicht es – zumeist nur geringfügig – voneinander ab. Die vollständige Aufklärung aller maßgeblichen Umstände wäre mit Schwierigkeiten verbunden, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Der Kläger hat den arbeitstäglichen Ablauf unter Angabe der für die einzelnen Tätigkeiten benötigten Zeit schriftsätzlich dargelegt und mit einer Fotodokumentation erläutert. Hieraus ergeben sich ausreichende Anknüpfungstatsachen, um eine Schätzung vornehmen zu können.
b) Weder erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der Leistungsanträge aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO) noch ist die Sache insoweit zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die erforderliche Schätzung, in welchem Umfang im streitgegenständlichen Zeitraum Umkleide- und Wegezeiten angefallen sind, fällt nicht in die Zuständigkeit des Senats, sondern ist dem Landesarbeitsgericht als Tatsachengericht vorbehalten (vgl. BAG 16. Januar 2013 – 10 AZR 560/11 – Rn. 23).
2. Mit dem Klageantrag zu 2. verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Zuschlägen für Mehrarbeit iSv. § 6 Ziff. 1, § 7 Ziff. 1.1 Buchst. a MTV. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die vom Kläger behaupteten Überstunden nicht schätzen zu müssen, ist aus den unter B II 1 a genannten Gründen rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht wird diese Schätzung nachzuholen haben.
Unterschriften
Brühler, Krasshöfer, Suckow, Spiekermann, Merte
Fundstellen
Haufe-Index 10449133 |
BB 2017, 691 |
BB 2017, 762 |
DB 2017, 735 |
FA 2017, 150 |
NZA 2017, 459 |
ZTR 2017, 242 |
AP 2017 |
EzA-SD 2017, 12 |
EzA 2017 |
MDR 2017, 406 |
NZA-RR 2017, 6 |
AUR 2017, 175 |
NJW-Spezial 2017, 210 |
AP-Newsletter 2017, 88 |