Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz wegen Verletzung einer Mitteilungspflicht
Leitsatz (redaktionell)
Muß der Arbeitnehmer vor Antritt der Arbeit erkennen, daß der Arbeitgeber im Vertrauen auf die vertraglich zugesagte Arbeitsaufnahme erhebliche Aufwendungen macht, so muß er den Arbeitgeber unverzüglich unterrichten, wenn er die Arbeit nicht antreten kann oder will. Eine Verletzung dieser Pflicht kann den Arbeitnehmer zum Schadenersatz verpflichten (im Anschluß an BAG Urteil vom 23. März 1984 7 AZR 37/81 = SAE 1984, 217 mit Anm Brox).
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 03.11.1981; Aktenzeichen 9 Sa 488/81) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 31.07.1980; Aktenzeichen 2 Ca 546/80) |
Tatbestand
Die Klägerin betreibt eine Spedition; der Beklagte ist Speditionskaufmann in einer anderen Speditionsfirma. Durch Anstellungsvertrag vom 5./13. Juli 1979 vereinbarten die Parteien, daß der Kläger am 2. Januar 1980 als Leiter der Speditionsabteilung in die Dienste der Klägerin treten sollte. Die ersten sechs Monate sollten als Probezeit mit einer beiderseitigen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende gelten. Nachdem die Klägerin im Dezember 1979 aufgrund dieses Vertragsabschlusses Fahrzeuge zu einem Gesamtpreis von 301.876,-- DM angeschafft hatte, bat der Beklagte in zwei Telefongesprächen von Ende Dezember 1979 und kurz vor dem 15. Januar 1980 die Beklagte um Verschiebung seines Eintrittstermins, weil er noch verschiedene Geschäfte mit Kunden seiner bisherigen Arbeitgeberin abzuwickeln habe. Der Eintrittstermin wurde daraufhin einvernehmlich zunächst auf den 15. Januar 1980 und dann auf den 1. Februar 1980 verschoben. Zur Arbeitsaufnahme des Beklagten bei der Klägerin kam es nicht. Die Klägerin veräußerte daraufhin die Fahrzeuge zu einem Gesamtpreis von 276.375.-- DM.
Mit der am 10. März 1980 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage fordert die Klägerin vom Beklagten als Schadenersatz Zahlung des Differenzbetrages zwischen An- und Verkaufspreis der Fahrzeuge in Höhe von 25.501,-- DM nebst 4 % Zinsen seit 13. März 1980.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe bei den Einstellungsgesprächen geäußert, er werde die Mehrzahl der Kunden seines Arbeitgebers zur Klägerin mitbringen. Hierfür sei die Anschaffung bestimmter Fahrzeuge erforderlich. Die Klägerin habe diese Anschaffung zugesagt und dann auch im Vertrauen darauf durchgeführt, der Beklagte sei bereit und fähig, den Arbeitsvertrag zu erfüllen. Obwohl kein Zweifel daran bestehen könne, daß dem Beklagten bereits vor Anschaffung der Fahrzeuge bekannt gewesen sei, daß zumindestens noch nicht sicher gewesen sei, ob er die Arbeit bei der Klägerin aufnehmen wolle oder könne, habe er die Klägerin hierauf nicht hingewiesen. Nach dem endgültig vereinbarten Eintrittstermin 1. Februar 1980 habe sie vom Beklagten trotz verschiedener Anschreiben und Telefongespräche nichts mehr gehört. Sie habe sich daraufhin zum Verkauf der Fahrzeuge entschließen müssen.
Das Arbeitsgericht hat durch Versäumnisurteil vom 26. Juni 1980 der Klage stattgegeben. Im Einspruchstermin vom 31. Juli 1980 hat der Beklagte erklärt, er habe durchaus beabsichtigt, bei der Klägerin anzufangen, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Es sei ihm nicht möglich gewesen, bereits zum Jahresende bei seinem bisherigen Arbeitgeber aufzuhören, da noch Kundenaufträge abzuwickeln gewesen seien. Überdies sei Ende Januar 1980 mit dem Geschäftsführer der Klägerin Einverständnis über einen späteren Arbeitsbeginn erzielt worden.
Durch Urteil vom 31. Juli 1980 hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Ersturteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet, denn das Berufungsurteil erweist sich im Ergebnis als richtig.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, die Klage sei selbst dann unbegründet, wenn man zugunsten der Klägerin unterstelle, die vom Beklagten behauptete Vereinbarung über ein weiteres Hinausschieben der Arbeitsaufnahme über den 1. Februar 1980 hinaus sei nicht zustandegekommen. Dann liege der Vertragsbruch des Beklagten in der Nichtaufnahme seiner Tätigkeit und sei dadurch gekennzeichnet, daß die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei. Die hierdurch begründete Schadenersatzpflicht des Beklagten sei deshalb durch den mit der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist vereinbarten Schutzzweck begrenzt. Der vertragsbrüchige Arbeitnehmer müsse dem Arbeitgeber nicht alle Schäden ersetzen, die mit dem vorzeitigen Ausscheiden verbunden seien, aber auch bei vertragsgemäßer Einhaltung der Kündigungsfrist entstanden wären. Zu ersetzen sei nur der sogenannte "Verfrühungsschaden". Ein solcher liege nicht vor, denn die Verluste der Klägerin durch Anschaffung und Weiterveräußerung der Fahrzeuge wären auch entstanden, wenn der Beklagte seine Tätigkeit am 1. Februar 1980 zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt hätte. Denn auch die Überführung des Kundenstamms vom bisherigen Arbeitgeber zur Klägerin hätte vorausgesetzt, daß die Parteien länger als einen oder zwei Monate zusammengearbeitet hätten. Die Klägerin habe versäumt, den Beklagten durch eine entsprechende Gestaltung des Arbeitsvertrages für längere Zeit an sich zu binden.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, der - unterstellte - Vertragsbruch des Beklagten durch Nichtantritt der Arbeit am 1. Februar 1980 könne eine Ersatzpflicht des Beklagten hinsichtlich des geltend gemachten Schadens nicht begründen, werden von der Revision nicht im Ergebnis, sondern nur beiläufig angegriffen. Sie sind im übrigen rechtsfehlerfrei. Sie stimmen mit den vom Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 26. März 1981 - 3 AZR 485/78 - (BAG 35, 179 = AP Nr. 7 zu § 276 BGB Vertragsbruch) entwickelten Rechtsgrundsätzen überein, denen sich der erkennende Senat im Urteil vom 23. März 1984 - 7 AZR 37/81 - (SAE 1984, 217 m. Anm. Brox) angeschlossen hat.
Nach dieser Rechtsprechung, an der der Senat festhält, ist der vertragsbrüchige Arbeitnehmer nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist vermeidbar gewesen wäre. Gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der Schaden der Klägerin wäre auch dann eingetreten, wenn der Kläger die vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten hätte, hat die Revision nichts vorgebracht.
III. Die Angriffe der Revision richten sich (andeutungsweise in der rechtzeitig noch am 15. März 1982 eingegangenen Revisionsbegründungsschrift gleichen Datums; ausführlich in der erst am 17. März 1982 und damit verspätet eingegangenen weiteren Revisionsbegründungsschrift vom 15. März 1982) dagegen, daß das Landesarbeitsgericht ein anderes Verhalten des Beklagten (als den Nichtantritt der Arbeit) nicht als schadenstiftendes Ereignis gewürdigt habe, nämlich das Unterlassen einer rechtzeitigen (d.h. vor Anschaffung der Fahrzeuge erfolgten) Benachrichtigung der Klägerin von seiner - nach den Behauptungen der Klägerin - fehlenden Bereitschaft oder Fähigkeit, in die Dienste der Klägerin zu treten. Hierdurch habe der Beklagte seine Vertragspflichten verletzt; im Schutzbereich dieser Unterrichtungspflicht liege der entstandene Schaden.
Diese Angriffe sind im Ansatz berechtigt, aber im Ergebnis nicht durchgreifend (§ 563 ZPO). Denn das Landesarbeitsgericht hat hier in der Tat den schlüssigen Sachvortrag der Klägerin nicht gewürdigt. Indessen beruht das Berufungsurteil auf diesem Rechtsfehler nicht, denn die Klägerin ist für ihre klagebegründende Behauptung beweisfällig geblieben, der Beklagte habe vor Anschaffung der Fahrzeuge durch die Klägerin Zweifel an seiner Bereitschaft oder Fähigkeit gehabt, in die Dienste der Klägerin zu treten.
1. Muß der Arbeitnehmer vor dem vertraglich zugesagten Arbeitsantritt erkennen, daß der Arbeitgeber im Vertrauen auf diesen Arbeitsantritt erhebliche Aufwendungen macht, so gehört es zu den durch den Vertragsabschluß begründeten Nebenpflichten, daß der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich unterrichtet, wenn begründete Zweifel daran aufkommen, ob er die Arbeit antreten kann oder will. Unterläßt der Arbeitnehmer diese Unterrichtung schuldhaft, so ist er dem Arbeitgeber für den Schaden ersatzpflichtig, der nicht eingetreten wäre, wenn er dieser Unterrichtungspflicht nachgekommen wäre. Im Unterschied zu der den angeführten Entscheidungen vom 26. März 1981 und 23. März 1984 zugrundeliegenden Fallgestaltung handelt es sich hierbei nicht um Schäden, die auf dem Nichtantritt der Arbeit beruhen, sondern um Schäden, die durch die fehlende Unterrichtung entstanden sind.
2. Die Klägerin hat jedoch für ihre Behauptung, dem Beklagten sei vor Anschaffung der Fahrzeuge bereits bekannt gewesen, daß noch nicht sicher gewesen sei, ob er die Arbeit bei der Klägerin aufnehmen könne oder wolle, keinen Beweis - etwa durch Einvernahme des Beklagten als Partei - angetreten.
Ein solcher Beweisantritt war erforderlich, denn ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der Beklagte im Termin vom 31. Juli 1980 die Behauptung der Klägerin bestritten und vorgetragen, er habe durchaus beabsichtigt, bei der Klägerin anzufangen, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt, weil er noch einige Kundenaufträge bei seiner bisherigen Arbeitgeberin habe abwickeln müssen.
3. Zu Unrecht meint die Revision, der Beklagte sei mit diesem Bestreiten ausgeschlossen gewesen, weil es nicht bereits in der Einspruchsschrift enthalten war. Es mag sein, daß das Arbeitsgericht das Bestreiten des Beklagten gemäß § 340 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Satz 3 ZPO hätte zurückweisen müssen, falls die Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 ZPO vorlagen. Indessen ist eine solche Zurückweisung nicht erfolgt. Das Arbeitsgericht hat lediglich die Behauptung des Beklagten als verspätet zurückgewiesen, er habe sich Ende Januar 1980 mit der Klägerin über eine spätere Arbeitsaufnahme (als dem unstreitigen 1. Februar 1980) geeinigt. Auch aus der Begründung dieser Zurückweisung ergibt sich, daß sie sich auf das hier in Rede stehende Bestreiten des Beklagten nicht bezieht, denn der Beklagte war im Gegensatz zum Geschäftsführer der Klägerin im Termin anwesend und hätte, wenn die Klägerin einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hätte, sofort vernommen werden können.
4. Denkbar ist zwar, daß die Klägerin den Beweisantritt aufgrund ihrer bisherigen Annahme unterlassen hat, der Beklagte sei mit dem Bestreiten ausgeschlossen, und daß deshalb das Landesarbeitsgericht auf die Erforderlichkeit eines Beweisantritts hätte hinweisen müssen (§ 139 Abs. 1 ZPO). Eine Aufklärungsrüge hat die Klägerin jedoch nicht erhoben. Die erste Revisionsbegründungsschrift enthält hierzu nichts; die zweite Revisionsbegründungsschrift ist erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen, so daß darin etwa erhobene Verfahrensrügen unbeachtet bleiben müssen.
Dr. Seidensticker Dr. Becker Dr. Steckhan
Neuroth Stappert
Fundstellen
Haufe-Index 441067 |
BB 1985, 932-933 (LT1) |
DB 1984, 2701-2701 (LT1) |
NJW 1985, 509 |
NJW 1985, 509-510 (LT1) |
NZA 1985, 25-25 (LT1) |
ZIP 1984, 1388 |
ZIP 1984, 1388-1390 (LT1) |
AP § 276 BGB Vertragsbruch (LT1), Nr 10 |
EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung, Nr 38 (LT1) |