Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung – Entfernung – Widerruf – Feststellungsinteresse
Leitsatz (amtlich)
Auch nach der Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, einen Anspruch auf Widerruf der in der Abmahnung abgegebenen Erklärungen gerichtlich geltend zu machen.
Normenkette
BGB §§ 242, 611, 1004; ZPO §§ 91a, 256
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 15. August 1997 – 13 Sa 1365/96 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Widerruf einer Abmahnung, die infolge Zeitablaufs aus der Personalakte entfernt worden ist.
Die Beklagte ist ein international tätiges Luftfahrtunternehmen, in deren Frankfurter Betrieb die Klägerin beschäftigt ist. Die Klägerin gehört dem für diesen Betrieb gewählten Betriebsrat an; sie ist außerdem Mitglied des Gesamtbetriebsrats. Zur Abmeldung für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben wird in dem Betrieb der Beklagten das Formular „Mitteilung über Freistellung vom Dienst für Betriebsratstätigkeiten” verwendet.
Am 26. September 1994 war die Klägerin nicht an ihrem Arbeitsplatz erschienen. Daraufhin erteilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 27. September 1994 eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fernbleibens.
Nachdem die Klägerin die Beklagte auf Widerruf und Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte vor dem Arbeitsgericht in Anspruch genommen hatte, entfernte die Beklagte wegen Zeitablaufs die Abmahnung aus der Personalakte. Daraufhin erklärten beide Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe sich am 23. September 1994 ordnungsgemäß für die Erledigung erforderlicher Betriebsratstätigkeiten am 26. September 1994 abgemeldet. Der Vorwurf einer Arbeitszeitversäumnis bestehe zu Unrecht. Das wirke sich auch nach Entfernung der Abmahnung auf ihr berufliches Fortkommen aus. Es sei ungeklärt geblieben, ob der gegen sie gerichtete Vorwurf zutreffe. Das sei für sie als Mitglied des Betriebsrats und Gesamtbetriebsrats klärungsbedürftig. Das gelte auch für die übrigen Betriebsratsmitglieder.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 27. September 1994 zu widerrufen, und sie zu verurteilen, die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit zu tragen als der Rechtsstreit für erledigt erklärt wurde,
hilfsweise festzustellen, daß die Abmahnung vom 27. September 1994 unberechtigt war und unwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, die Klage sei unzulässig. Nach Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte fehle es an einer fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des erledigten Teils auferlegt. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Klageziel. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
I. Die Klage auf Widerruf der Abmahnung vom 27. September 1994 ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag der Klägerin auf Widerruf dieser Abmahnung ist hinreichend bestimmt. Sie verlangt von der Beklagten eine schriftliche Erklärung, in der die Arbeitgeberin ihre Behauptung widerruft, die Klägerin habe sich für den 26. September 1994 nicht für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben abgemeldet und sei deshalb unentschuldigt ihrer Arbeit ferngeblieben. Diese Erklärung soll gegenüber der Klägerin abgegeben werden.
2. Dieser Leistungsklage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage aus der Nichterfüllung des materiell-rechtlichen Anspruchs (BAG Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 632/93 – BAGE 77, 378 = AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung, m.w.N.; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 46 Rz 42; Hauck, ArbGG, § 46 Rz 22). Dafür genügt regelmäßig die Behauptung des Klägers, daß der von ihm begehrte Anspruch besteht. Ob ein solcher Anspruch gegeben ist, ist eine Frage seiner materiell-rechtlichen Begründetheit. Zwar kann ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände das Verlangen des Klägers, in die materiell-rechtliche Prüfung seines Anspruchs einzutreten, nicht schutzwürdig sein, wie das etwa der Fall ist bei einem Widerrufsbegehren gegenüber Sachvorbringen, das der Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung in einem laufenden gerichtlichen Verfahren dient (vgl. BGH Urteil vom 9. April 1987 – I ZR 44/85 – NJW 1987, 3138, m.w.N.). Solche Umstände hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
3. Die Widerrufsklage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt es an einer fortdauernden Beeinträchtigung von Rechten der Klägerin, die durch den verlangten Widerruf beseitigt werden könnten.
a) Ein Widerrufsanspruch dient dem Schutz des Betroffenen vor einer anhaltenden Beeinträchtigung seiner Rechte. Er setzt neben dem Vorliegen entsprechender Rechtsverletzungen voraus, daß diese Rechtsbeeinträchtigungen andauern und durch den begehrten Widerruf auch beseitigt werden können.
b) Vorliegend kann dahinstehen, ob die Klägerin durch die Behauptung der Beklagten in ihrem beruflichen Fortkommen oder ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist und ihr deswegen ein schuldrechtlicher (§ 611 BGB i.V.m. § 242 BGB) oder ein quasinegatorischer Anspruch aus § 1004 BGB analog zusteht. Denn in beiden Fällen fehlt es an einer fortdauernden Rechtsbeeinträchtigung. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts liegt eine anhaltende Beeinträchtigung im beruflichen Fortkommen nicht vor, nachdem die Beklagte die Erklärung abgegeben hat, die Abmahnung vom 27. September 1994 nicht zur Begründung späterer arbeitsrechtlicher Maßnahmen heranzuziehen. Auch im Zusammenhang mit der Betriebsratstätigkeit ist eine fortdauernde Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens oder von Persönlichkeitsrechten nicht erkennbar. Zwischen den Parteien besteht kein genereller Streit über arbeitsvertragliche Abmeldepflichten für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben, sondern nur darüber, ob sich die Klägerin in einem Einzelfall tatsächlich abgemeldet hat. Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf beruft, auch die übrigen Betriebsratsmitglieder seien durch die Abmahnung verunsichert und in ihren betriebsverfassungsrechtlichen Rechten betroffen, beruft sie sich auf Rechtsbeeinträchtigungen Dritter. Darauf kann sie ihr Widerrufsbegehren nicht stützen.
Die Klägerin hat erstmals im Revisionsverfahren geltend gemacht, sie sei durch das betriebsinterne Bekanntwerden der gegen sie erhobenen Vorwürfe in ihrem Ansehen innerhalb der Belegschaft beeinträchtigt. Dabei handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der im Revisionsverfahren grundsätzlich unbeachtlich ist. Darüber hinaus ist das Vorbringen auch unschlüssig. Es läßt weder erkennen, daß die Arbeitgeberin ein betriebsinternes Bekanntwerden des Vorwurfs zu verantworten hätte, noch wird deutlich, wie der im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander begehrte Widerruf einem möglichen Ansehensverlust bei Dritten entgegenwirken könnte.
II. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist unzulässig. Ihr fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann eine Klage auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Diese besondere Sachurteilsvoraussetzung einer Feststellungsklage liegt nicht vor. Ob der Antrag überhaupt auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet war, kann offenbleiben. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß die Klägerin eine Unsicherheit hinsichtlich ihres künftigen arbeitsvertraglichen Verhaltens bei der Abmeldung für Betriebsratstätigkeiten nicht vorgetragen hat. Zwischen den Parteien bestehen keine Unklarheiten darüber, ob und wie sich die Klägerin für die Erledigung von Betriebsratsaufgaben abzumelden hat. Der Antrag der Klägerin hat vielmehr zum Ziel, ein Rechtsgutachten über einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Vorgang erstellen zu lassen. Das ist nicht Aufgabe des Gerichts.
III. Unzulässig ist die Revision, soweit sie sich gegen den auf § 91 a ZPO beruhenden Teil der Kostenentscheidung wendet.
Bei einer Teilerledigung des Rechtsstreits endet der Instanzenzug hinsichtlich der Kosten, die sich auf den erledigten Teil beziehen, nach dem Grundgedanken des § 78 Abs. 2 ArbGG beim Landesarbeitsgericht. Das gilt auch, soweit das Berufungsurteil eine einheitliche Kostenentscheidung enthält und gegen das Urteil die Revision uneingeschränkt zugelassen wird. Eine uneingeschränkte Revisionszulassung auch hinsichtlich der Kostenentscheidung für den erledigten Teil des Rechtsstreits ist für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ohne Bedeutung (vgl. BGH Urteil vom 22. Mai 1989 – VIII ZR 192/88 – BGHZ 107, 315).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Wilke, Straub
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.04.1999 durch Siegel, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436089 |
BB 1999, 1768 |
BB 1999, 2195 |
DB 1999, 1810 |
NJW 1999, 3576 |
EBE/BAG 1999, 123 |
FA 1999, 303 |
FA 1999, 362 |
NZA 1999, 1037 |
SAE 2000, 81 |
ZAP 1999, 864 |
ZTR 1999, 525 |
AP, 0 |
AuA 1999, 525 |
PersR 1999, 369 |
RDV 1999, 264 |
GV/RP 2000, 427 |
FuBW 2000, 271 |
FuHe 2000, 413 |