Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschmelzung. Gesamtrechtsnachfolge als Haustarifvertragspartei. Auslegung der Geltungsbereichsbestimmung. Haustarifvertrag. Gesamtrechtsnachfolge
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Unternehmen, bei dem ein Haustarifvertrag gilt, nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf ein anderes Unternehmen verschmolzen, gilt der Haustarifvertrag beim aufnehmenden – bisher tariflosen – Rechtsträger weiter. Dieser ist damit tarifgebunden iSv. § 3 Abs. 1 TVG, so dass der Haustarifvertrag grundsätzlich auch für die Arbeitsverhältnisse der bei ihm beschäftigten Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft gilt.
Orientierungssatz
1. Die Stellung eines Unternehmens als Partei eines Haustarifvertrags geht bei seiner Verschmelzung auf ein anderes Unternehmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG über. Die Gesamtrechtsnachfolge bewirkt die kollektivrechtliche Weitergeltung des übergegangenen Haustarifvertrags beim aufnehmenden Rechtsträger.
2. Der Geltungsbereich des übergegangenen Haustarifvertrags bestimmt sich auch nach der Verschmelzung nach dessen Regelungen. War der Tarifvertrag beim verschmolzenen Rechtsträger ohne Einschränkung für alle – tarifgebundenen – Arbeitsverhältnisse des Unternehmens vereinbart worden, gilt er nunmehr auch für alle – tarifgebundenen – Arbeitsverhältnisse des aufnehmenden Unternehmens. Der Annahme einer sich ohne sonstige Anhaltspunkte „aus der Natur der Sache” ergebenden grundsätzlichen Beschränkung eines solchen Haustarifvertrags auf die Arbeitsverhältnisse des übertragenden Rechtsträgers steht das Wesen der Gesamtrechtsnachfolge entgegen.
Normenkette
TVG § 9; ZPO § 256 Abs. 1; UmwG § 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1; AEUV Art. 267 Abs. 3; RL 2001/23/EG Art. 3; GRC Art. 51; Haustarifvertrag vom 21. Dezember 2011 zwischen der SWK GmbH und der IG Metall (HTV) § 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Freiburg – vom 29. September 2014 – 9 Sa 19/14 – insoweit aufgehoben als das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten Ziff. 1 der arbeitsgerichtlichen Entscheidung abgeändert und die Klage insoweit vollständig abgewiesen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 19. Februar 2014 – 3 Ca 343/13 – mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Tenors der arbeitsgerichtlichen Entscheidung klarstellend wie folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass der Geltungsbereich in § 1 des zwischen der Klägerin und der Firma SWK GmbH am 21. Dezember 2011 geschlossenen Haustarifvertrags auch diejenigen vor dem 1. Januar 2014 mit der Beklagten begründeten Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer erfasst, die bereits am 31. Dezember 2013 Mitglied der Klägerin waren und es noch immer sind.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen Klägerin und Beklagte jeweils zur Hälfte.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Reichweite des Geltungsbereichs eines Haustarifvertrags nach einer Verschmelzung.
Die klagende Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) schloss am 21. Dezember 2011 mit der Firma S W K GmbH (SWK GmbH) einen Haustarifvertrag (HTV), der auszugsweise wie folgt lautet:
Ӥ 1 |
Dieser Haustarifvertrag gilt für alle in der Firma S W K GmbH beschäftigten Arbeiter/innen, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied der IG Metall sind. |
§ 2 |
Anerkennung von Tarifverträgen |
1. |
Die Tarifverträge für die Arbeiter/innen, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie des Tarifgebietes |
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Südbaden |
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abgeschlossen zwischen der Industriegewerkschaft Metall, Vorstand oder Bezirksleitung für BadenWürttemberg einerseits und dem |
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Gesamtverband metallindustrieller Arbeitgeberverbände e. V. (Gesamtmetall) |
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oder dem |
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Verband der Metall- und Elektroindustrie Südwest e. V. – Südwestmetall Freiburg |
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andererseits sind Bestandteil dieses Tarifvertrages und gelten in ihrer jeweiligen Fassung für die unter dem jeweiligen Geltungsbereich gem. § 1 aufgeführten Beschäftigten. |
… |
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§ 3 |
Regelmäßige Arbeitszeit |
1. |
Die tarifliche wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt ab 1. Januar 2012 38 Stunden pro Woche. |
… |
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§ 7 |
Lohn und Gehalt |
1. |
Die jeweils in der Fläche vereinbarten Lohnerhöhungen werden automatisch übernommen. Dazu legt die IG Metall der SWK per Einwurf-Einschreiben die genauen Inhalte des Abschlusses in der Fläche vor. Dieser Abschluss wird übernommen, sofern nicht SWK innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der vollständigen Information über die Inhalte des Abschlusses gegenüber der IG Metall, Verwaltungsstelle Freiburg, mittels Einwurf-Einschreiben ausdrücklich widerspricht. |
2. |
Sollte SWK der Übernahme der in der Fläche vereinbarten Lohnerhöhungen widersprechen, sind unverzüglich Verhandlungen mit der IG Metall zur Frage der Lohn- und Gehaltserhöhungen aufzunehmen. Für diesen Fall entfällt die Friedenspflicht. |
§ 8 |
Gleichbehandlungsgrundsatz |
1. |
Die Arbeitgeberin gewährt den Mitarbeitern, die aus dem Geltungsbereich dieses Tarifvertrages vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit leisten, dem Grunde nach die gleichen Arbeitsbedingungen wie den Mitarbeitern der A S D GmbH (ASDE) ≫(Anm.: die Beklagte)≫. |
… |
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§ 9 |
Schlussbestimmungen |
1. |
Der vorliegende Haustarifvertrag wird mit Wirkung ab 01.01.2012 bis 31.12.2013 abgeschlossen. Er wirkt bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages nach. … |
3. |
Die Parteien streben mittelfristig eine Lösung an, wonach einheitliche Arbeitsbedingungen bei SWK und ASDE hergestellt werden sollen. Unabhängig davon, ob ein Mitarbeiter bei SWK oder ASDE beschäftigt wird. Damit ist keine automatische Übernahme von Tarifergebnissen der SWK auf die ASDE verbunden. Diese ist aber auch nicht ausgeschlossen. |
…” |
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Die Beklagte führte am Standort S mit der SWK GmbH einen gemeinsamen Betrieb. Die Beklagte ist weder Mitglied in einem Arbeitgeberverband noch hat sie selbst einen Haustarifvertrag abgeschlossen.
Mit Verschmelzungsvertrag vom 29. Juni 2012 übertrug die SWK GmbH als übertragende Gesellschaft ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung gemäß §§ 2 ff., 46 ff. UmwG auf die Beklagte als übernehmende Gesellschaft. Die entsprechende Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 26. Juli 2012.
Mit Schreiben vom 21. Mai 2013 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass für das Tarifgebiet Baden-Württemberg ein neuer Entgelttarifvertrag (EntgeltTV) vereinbart worden sei. Der Inhalt des EntgeltTV wurde der Beklagten als Anlage zu diesem Schreiben übermittelt. Mit undatiertem Schreiben äußerte die Beklagte daraufhin, sie betrachte das Schreiben der Klägerin als „gegenstandslos”, da „eine originäre Tarifbindung nicht mehr” bestehe. Sie zahlte gleichwohl an alle bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer im Folgenden den sich aus den neuen Lohntabellen des EntgeltTV ergebenden Monatslohn.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der HTV sei nicht nur auf diejenigen ihrer Mitglieder anzuwenden, die vormals in einem Arbeitsverhältnis zur SWK GmbH standen, sondern nunmehr auch auf alle ihre bei der Beklagten beschäftigten Mitglieder. Die Beklagte sei in die Stellung als Partei des unternehmensweit geltenden HTV als Gesamtrechtsnachfolgerin der SWK GmbH eingerückt. Der Geltungsbereich des HTV beziehe sich nunmehr auf das Unternehmen der Beklagten als Ganzes. Da die Beklagte zudem gegen die Mitteilung der Lohnerhöhung keinen ausdrücklichen Widerspruch iSv. § 7 Nr. 1 HTV erhoben habe, seien die durch den EntgeltTV vereinbarten Lohnerhöhungen automatisch übernommen worden. Die Beklagte habe die Lohnsteigerungen nach dem EntgeltTV falsch berechnet, da sie die höheren Tabellenwerte nicht an die erhöhte Arbeitszeit angeglichen habe.
Die Klägerin hat zuletzt – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt
- festzustellen, dass die Geltungsbereichsbestimmung des Haustarifvertrags zwischen der IG Metall und der Firma SWK GmbH vom 21. Dezember 2011 auch die vor dem 1. Januar 2014 mit der Beklagten begründeten Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer erfasst, die bereits am 31. Dezember 2013 bei der IG Metall Mitglied waren und es noch immer sind;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen für die Metall- und Elektroindustrie BadenWürttemberg vom 16. Mai 2013 für die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer/innen, Angestellten und Auszubildenden anzuwenden, die bereits zum 31. Dezember 2013 Mitglied der IG Metall waren und noch immer Mitglied der IG Metall sind und deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 2014 begonnen hat.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, sie sei nach der Verschmelzung zwar im Verhältnis zu den vormals bei der SWK GmbH beschäftigten IG Metall-Mitgliedern an den HTV gebunden, nicht jedoch hinsichtlich der originär bei ihr beschäftigten bzw. nachfolgend neu eingestellten IG Metall-Mitglieder. Eine solche „Infizierung” ihres gesamten Unternehmens mit dem Haustarifvertrag der übertragenden Gesellschaft ergebe sich nicht aus der Gesamtrechtsnachfolge. Es sei nicht gerechtfertigt, den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags auf einen unbeteiligten Dritten auszuweiten. Hierdurch werde ihre negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG sowie ihre sich aus der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG iVm. Art. 16 der Grundrechtecharta ergebenden Rechte verletzt. Zudem habe sie einer automatischen Übernahme des Tarifabschlusses des EntgeltTV rechtzeitig iSv. § 7 Nr. 1 HTV widersprochen. Letztlich seien die Lohnerhöhungen aus dem EntgeltTV bereits vollständig an alle Arbeitnehmer weitergegeben worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin in der Sache die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Aufgrund der Verschmelzung der SWK GmbH auf die Beklagte ist diese in die Stellung der SWK GmbH als Partei des HTV mit der Folge eingetreten, dass die sich aus dem HTV ergebenden Rechte und Pflichten für sie selbst gelten. Dies umfasst die von der Klägerin im Antrag zu 1. genannten Arbeitsverhältnisse. Soweit die Klägerin weiter die Geltung des EntgeltTV für bestimmte Arbeitsverhältnisse der Beklagten feststellen lassen will (Antrag zu 2.), ist die Klage jedoch unzulässig.
A. Die Revision ist zulässig. Die dort gegenüber den zuletzt beim Landesarbeitsgericht gestellten Anträgen vorgenommene Änderung der Anträge ist entgegen der Auffassung der Beklagten keine – in der Revision grundsätzlich unzulässige (sh. BAG 25. Januar 2012 – 4 AZR 147/10 – Rn. 14, BAGE 140, 291) – Klageänderung, sondern eine bereits mit Revisionseinlegung vorgenommene Beschränkung des mit der Klage geltend gemachten Begehrens. Im Vergleich zu den Berufungsanträgen erstreckte sich die beantragte Feststellung im Hauptantrag der Revisionsbegründung nicht mehr auf alle bei der Beklagten beschäftigten IG Metall-Mitglieder, sondern nur noch auf diejenigen, die bereits vor dem 1. Januar 2014 ihre Mitgliedschaft begründet hatten.
B. Die Revision ist teilweise begründet. Der zuletzt gestellte Antrag zu 1. ist als Verbandsklage iSv. § 9 TVG zulässig und begründet. Der nach § 9 Nr. 1 Satz 2 HTV iVm. § 4 Abs. 5 TVG seit dem 1. Januar 2014 nachwirkende HTV umfasst nach seinem Geltungsbereich jedenfalls alle vor dem 1. Januar 2014 begründeten Arbeitsverhältnisse der Beklagten mit Mitgliedern der Klägerin, deren Mitgliedschaft bereits am 31. Dezember 2013 bestand und noch fortbesteht. Er ist in seiner Geltung nicht auf vormals bei der SWK GmbH beschäftigte Arbeitnehmer beschränkt. Den Antrag zu 2. hat das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu Recht als unzulässig erachtet.
I. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
1. Bei dem Antrag zu 1. handelt es sich um eine zulässige sog. Verbandsklage iSv. § 9 TVG.
a) Nach § 9 TVG sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrags ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend. Damit setzt § 9 TVG die Möglichkeit voraus, dass Tarifvertragsparteien einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses führen können (vgl. dazu ausf. BAG 4. Juli 2007 – 4 AZR 491/06 – Rn. 18, BAGE 123, 213). Diese besondere und insofern von der Zulässigkeitsvoraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO abweichende Möglichkeit begründet keine eigenständige Klageart neben den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Klagen. Sie spezifiziert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem zwischen den Tarifvertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarifvertrags geführten Prozess (BAG 18. April 2012 – 4 AZR 371/10 – Rn. 27, BAGE 141, 188). Auch bei der sog. Verbandsklage nach § 9 TVG muss danach ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO gegeben sein. Im Regelfall ist dieses bei dem Rechtsstreit zwischen Tarifvertragsparteien allein wegen der Erstreckung der Bindungswirkung zu bejahen (BAG 4. Juli 2007 – 4 AZR 491/06 – Rn. 18 mwN, aaO). § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrags mit einer möglichst einheitlichen rechtlichen Beurteilung von Tarifbestimmungen zu untersetzen und damit der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit zu dienen und zugleich Individualstreitigkeiten zu vermeiden. Danach ist ein Feststellungsinteresse dann gegeben, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die die Klärung der Rechtsfrage zum gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlich machen, etwa die gegenwärtige oder zukünftige fehlerhafte Anwendung von Tarifnormen durch einen Tarifvertragspartner (BAG 23. März 2011 – 4 AZR 366/09 – Rn. 17, BAGE 137, 231).
b) Im Hinblick auf die vorgenannten Voraussetzungen stellt der Antrag zu 1. nach der gebotenen Auslegung eine zulässige Verbandsklage iSv. § 9 TVG dar.
aa) Zu den mit einer sog. Verbandsklage zu klärenden Auslegungsfragen gehört auch die allgemeine Auslegung einer tariflichen Regelung über den Geltungsbereich eines zwischen den Parteien vereinbarten Tarifvertrags oder Tarifwerks und damit die Geltung des Tarifvertrags für eine zweifelsfrei bestimmbare und von anderen Arbeitnehmern abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern (BAG 10. Juni 2009 – 4 AZR 77/08 – Rn. 19). Hierauf zielt der Antrag zu 1. in der zuletzt gestellten Form ab. Mit ihm begehrt die Klägerin in der Sache die Einbeziehung einer bestimmten, nach abstrakten Kriterien hinreichend genau bezeichneten Gruppe von bei der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnissen in den Geltungsbereich des § 1 HTV.
bb) Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich auf eine „gespaltene Bindung” an den HTV beruft, indem sie die Tarifgebundenheit bzgl. der früher bei der SWK GmbH beschäftigten Arbeitnehmer nicht in Frage stellt, aber die Geltung für die schon vor der Verschmelzung bei ihr begründeten Arbeitsverhältnisse bestreitet. Damit stellt sie ihre Stellung als Tarifvertragspartei nicht in Abrede, sondern wehrt sich in der Sache lediglich gegen die Erstreckung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags auf eine bestimmte Arbeitnehmergruppe.
cc) Der Zulässigkeit der Verbandsklage iSv. § 9 TVG steht schließlich nicht das Ende der Geltungsdauer des HTV zum 31. Dezember 2013 entgegen. Auch bei einer nur nachwirkenden Geltung des Tarifvertrags (vgl. § 9 Nr. 1 Satz 2 HTV) wäre die Beklagte verpflichtet, die ihm unterfallenden Arbeitsverhältnisse nach seiner Maßgabe durchzuführen, bis eine andere Abmachung die Nachwirkung abgelöst hat, § 4 Abs. 5 TVG (vgl. BAG 4. Juli 2007 – 4 AZR 491/06 – Rn. 22, BAGE 123, 213). Der mit der Verbandsklage zu klärende Inhalt der Tarifnormen beruht bei der – von den Tarifvertragsparteien nicht ausgeschlossenen – Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG ebenso wie bei der zwingenden Wirkung der Tarifnormen nach § 4 Abs. 1 TVG auf der Regelungsfreiheit der Tarifvertragspartner. Sie gestaltet auch nach dem Ende des Tarifvertrags den Inhalt der tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse nach Maßgabe der tarifvertraglichen Regelungen. Dabei ermöglicht die Nachwirkung zwar eine Änderung durch eine „andere Abmachung” iSv. § 4 Abs. 5 TVG. Eine solche ist aber auch zwingend erforderlich, wenn die von den Tarifvertragspartnern seinerzeit vereinbarten Arbeitsbedingungen geändert werden sollen. Die durch § 9 TVG geschaffene Privilegierung der Tarifvertragspartner beruht damit in beiden Fällen auf ihrer Normsetzungsbefugnis und erstreckt sich deshalb auf den Bestand und die Auslegung dieser von ihnen selbst gesetzten Normen (BAG 6. Juni 2007 – 4 AZR 411/06 – Rn. 68 mwN, BAGE 123, 46). Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht eine Verbandsklage auch dann als zulässig angesehen, wenn es um den Zeitraum der – nicht ausgeschlossenen – Nachwirkung des Tarifvertrags ging (vgl. zB BAG 4. Juli 2007 – 4 AZR 491/06 – aaO; ebenso HWK/Henssler 7. Aufl. § 9 TVG Rn. 9; Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 9 Rn. 27; NK-GA/Forst § 9 TVG Rn. 13; ErfK/Franzen 16. Aufl. § 9 TVG Rn. 6; DäublerTVG/Reinecke/Rachor 4. Aufl. § 9 Rn. 24; Rieble NZA 1992, 250, 252; aA Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 9 Rn. 25).
2. Der Antrag zu 2. ist unzulässig. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Klägerin hiermit ausschließlich die Anwendung des EntgeltTV sichern will, ohne die tatsächlich zwischen den Parteien allein streitigen Modalitäten dieser Anwendung einer gerichtlichen Klärung zuzuführen.
a) Der Antrag zu 2. ist nicht als Verbandsklage iSv. § 9 TVG zulässig.
aa) Die beantragte Feststellung betrifft nicht das „Bestehen oder Nichtbestehen” eines Tarifvertrags iSv. § 9 TVG.
(1) Insoweit setzt die Zulässigkeit einer Verbandsklage iSv. § 9 TVG den Streit über die Gültigkeit eines Tarifvertrags oder einer Tarifnorm voraus (Löwisch/Rieble aaO § 9 Rn. 6; HWK/Henssler aaO § 9 TVG Rn. 13; DäublerTVG/Reinecke/Rachor aaO § 9 Rn. 22). Dieser muss zwischen den Parteien des Rechtsstreits vereinbart sein.
(2) Der im Antrag zu 2. genannte EntgeltTV ist nicht zwischen den Parteien vereinbart worden. Auch steht seine Gültigkeit zwischen ihnen nicht im Streit. Die Parteien streiten vielmehr darum, ob die in dem – insoweit unterstellt – gültigen HTV, genauer in § 7 Nr. 1 Satz 3 HTV, aufgestellten Voraussetzungen für seine Anwendung erfüllt sind.
bb) Die beantragte Feststellung betrifft auch nicht die von § 9 TVG gleichfalls erfasste „Auslegung” eines Tarifvertrags.
(1) Zwar kann auch ein Streit der Tarifvertragsparteien über die Auslegung einer Tarifnorm – hier § 7 Nr. 1 Satz 3 HTV – grundsätzlich Gegenstand einer Verbandsklage sein. Die zu entscheidende Rechtsfrage darf sich jedoch nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen, sondern muss allein die Auslegung eines abstrakten Tarifbegriffs zum Gegenstand haben. Deshalb ist im Antrag der fragliche Tarifvertrag und die betreffende Tarifnorm zu benennen, ferner der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene abstrakte Auslegungsschritt zu formulieren, so dass damit der abstrakte Tarifbegriff mit einem – notwendig weniger abstrakten – ausgelegten Tarifbegriff verbunden wird. Dabei darf das Gericht keine Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. ausf. BAG 18. April 2012 – 4 AZR 371/10 – Rn. 30 ff. mwN, BAGE 141, 188).
(2) Dem wird der Antrag zu 2. nicht gerecht. Die begehrte Feststellung zielt nicht auf die im Wege der Auslegung gewonnene Konkretisierung eines Tarifbegriffs ab. In der Sache zielt sie auf die Feststellung des Ergebnisses einer Rechtsanwendung, nämlich die Frage, ob die im HTV tariflich im Einzelnen bestimmten Voraussetzungen für die Geltung des EntgeltTV durch ein tatsächliches Verhalten der Tarifvertragsparteien erfüllt sind, namentlich ob das datumlose Schreiben der Beklagten einen ausdrücklichen Widerspruch iSv. § 7 Nr. 1 HTV enthält. Damit geht es nicht um eine abstrakte Auslegungsfrage aus dem Tarifvertrag.
b) Der Antrag zu 2. ist auch nicht als allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
aa) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festzustellen. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks kann grundsätzlich Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Ein Feststellungsinteresse ist nach der Rechtsprechung des Senats aber nur gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (st. Rspr., etwa BAG 27. August 2014 – 4 AZR 518/12 – Rn. 13, 15 mwN). Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Das setzt bei einem auf die Feststellung der Rechtsgrundlage für die Vergütung gerichteten Antrag jedenfalls voraus, dass über weitere Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso unstreitig durchgeführt werden kann wie die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten. Anderenfalls müssen auch die weiteren Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsantrags gemacht werden (BAG 27. August 2014 – 4 AZR 518/12 – aaO).
bb) Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Die Parteien streiten – neben der sich aus der Entscheidung über den Antrag zu 1. ergebenden grundsätzlichen Geltung des HTV, also auch dessen § 7 – nicht nur über das „Ob” einer automatischen Übernahme der Lohnerhöhungen des EntgeltTV nach § 7 Nr. 1 HTV für die Vergangenheit und die Wirksamkeit eines Widerspruchs der Beklagten nach § 7 Nr. 2 HTV, sondern gerade auch über die nachfolgende Frage, wie genau eine solche Übernahme rechnerisch bei unterschiedlichen Arbeitszeiten im anerkennenden und anerkannten Tarifvertrag zu erfolgen hätte. Somit drohen im Hinblick auf die zutreffende Vergütung der im Antrag zu 2. genannten Arbeitsverhältnisse weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien.
II. Der zulässige Antrag zu 1. ist begründet. Die Beklagte ist durch die Rechtsfolge der Verschmelzung nicht nur Tarifvertragspartei des HTV geworden, sondern auch in alle dort geregelten Rechte und Pflichten eingetreten. Die unternehmensbezogene Geltungsbereichsbestimmung des HTV erfasst jedenfalls alle mit der Beklagten vor dem 1. Januar 2014 begründeten Arbeitsverhältnisse von Mitgliedern der Klägerin, deren Mitgliedschaft bereits am 31. Dezember 2013 bestand und noch fortbesteht, und ist nicht nur auf die vormals bei der SWK GmbH beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt.
1. Neben der Klägerin ist auch die Beklagte Tarifvertragspartei des HTV (§ 3 Abs. 1 TVG) geworden. Dies folgt aus der Verschmelzung der SWK GmbH auf die Beklagte.
a) Die Beklagte ist mit Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister am 26. Juli 2012 als aufnehmendes Unternehmen im Wege der Universalsukzession in die Stellung als Tarifvertragspartei des HTV eingetreten. Insoweit hat der Senat bereits entschieden, dass nicht nur bei der Verschmelzung im Wege der Neugründung gemäß § 2 Nr. 2 UmwG, sondern auch bei der Verschmelzung durch Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG wegen der vom Gesetz in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ein Firmentarifvertrag uneingeschränkt auf den neu gegründeten bzw. den aufnehmenden Rechtsträger übergeht (vgl. zur Verschmelzung im Wege der Neugründung BAG 24. Juni 1998 – 4 AZR 208/97 – zu 2 a der Gründe, BAGE 89, 193; zur Verschmelzung durch Aufnahme 4. Juli 2007 – 4 AZR 491/06 – Rn. 41 ff., BAGE 123, 213). Der aufnehmende Rechtsträger tritt in bestehende Verträge ein und wird damit Partei des für den übertragenden Rechtsträger geltenden Firmentarifvertrags (BAG 4. Juli 2007 – 4 AZR 491/06 – Rn. 39, 41, aaO; 10. Juni 2009 – 4 ABR 21/08 – Rn. 27; allg. Ansicht vgl. zB MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 613a Rn. 223; ErfK/Franzen aaO § 2 TVG Rn. 26; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni aaO § 613a BGB Rn. 262; HWK/Henssler aaO § 3 TVG Rn. 47; Grau in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 15 Rn. 198; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 4. Aufl. Teil E Rn. 101; Schaub/Ahrendt/Koch ArbR-HdB 16. Aufl. § 116 Rn. 14). Der Firmentarifvertrag wirkt danach kollektivrechtlich fort, mit der Folge, dass § 613a Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung kommt (BAG 24. Juni 1998 – 4 AZR 208/97 – zu 2 a, b der Gründe, aaO; Ahrendt RdA 2012, 129, 136 f.).
b) Gegen diese Rechtsprechung wendet sich die Beklagte, die selbst die Geltung des HTV für die vormals bei der SWK GmbH beschäftigten IG MetallMitglieder annimmt, nicht. Sie bestreitet weder, Tarifvertragspartei des HTV zu sein, noch die aus dem HTV erwachsenden Pflichten, soweit sie gegenüber den – ehemaligen – Arbeitnehmern der SWK GmbH bestehen.
2. Die Verschmelzung der SWK GmbH auf die Beklagte führt zu der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Universalsukzession, dh. sie hat den Übergang des gesamten Vermögens einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger zur Folge.
a) Der aufnehmende Rechtsträger tritt unmittelbar in die Rechtsposition des verschmolzenen Rechtsträgers „genau in der Art und Weise” ein, wie sie im Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung bestand (KK-UmwG/Simon § 2 Rn. 39). So gehen bspw. sowohl vom verschmolzenen Rechtsträger erteilte Vollmachten an Dritte als auch diesem von Dritten erteilte Vollmachten auf den aufnehmenden Rechtsträger über (Schmitt/Hörtnagl/Stratz UmwG UmwStG 6. Aufl. § 20 UmwG Rn. 36). Ferner werden aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen eingeräumte Rechte und Pflichten, zB Auflagen, Genehmigungen, von der Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich erfasst (Grunewald in Lutter UmwG 5. Aufl. § 20 Rn. 13). Auch bei der Universalsukzession im Erbfall, deren Grundsätze entsprechend auf die umwandlungsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge anzuwenden sind (KK-UmwG/Simon § 2 Rn. 38; Teichmann in Lutter aaO § 131 Rn. 64 f.), bildet ein Nachlass kein Sondervermögen in der Hand des Erben, sondern verschmilzt mit dem Eigenvermögen des Erben zu einer rechtlichen Einheit (MüKoBGB/Leipold 6. Aufl. § 1922 Rn. 126). Dabei gehen nicht nur bereits begründete Rechte und Pflichten auf den Erben über, sondern grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Beziehungen, auch die „unfertigen”, noch werdenden und schwebenden Rechtsbeziehungen des Erblassers, also auch bedingte oder künftige Rechte, Bindungen und Lasten (grdl. BGH 9. Juni 1960 – VII ZR 229/58 – zu I 2 b der Gründe, BGHZ 32, 367; 30. Juni 1976 – VIII ZR 52/75 – zu I 4 a der Gründe; 14. Juli 1997 – II ZR 122/96 – zu 3 b der Gründe; für den Fall einer Vereinigung zweier Sparkassen 21. Mai 1980 – VIII ZR 107/79 – zu III 1 der Gründe, BGHZ 77, 167; so auch Teichmann in Lutter aaO Rn. 64 ff.). Für die Bestimmung der Reichweite einer übergegangenen Vertragsposition ist dabei die Auslegung der originären Vereinbarung von Bedeutung, so dass bspw. eine auf den Erben des Bürgen übergegangene Bürgschaftsverpflichtung auch neu entstehende Ansprüche gegen den Hauptschuldner erfasst, wenn sie in den Bereich der vom Erblasser übernommenen Verpflichtung fallen (BGH 30. Juni 1976 – VIII ZR 52/75 – zu I 4 der Gründe). Dementsprechend dient die „Nutzung des Instituts der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge für die Verschmelzung” dazu, eine umfassende Rechtsnachfolge in gleicher Weise sicherzustellen (Teichmann in Lutter aaO Rn. 65). Die Person des bisherigen Vertragspartners wird „vollumfänglich” ersetzt, indem der Gesamtrechtsnachfolger mit allen Rechten und Pflichten in die Position des bisherigen Vertragspartners einrückt (Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Bange Fortgeltung von Kollektivverträgen bei Unternehmensumstrukturierung durch Umwandlung S. 147 f.; Teschner Firmentarifvertrag und Unternehmensumstrukturierung S. 186 ff.; Winzer Beeinflussung der Tarifgeltung durch den Arbeitgeber S. 201 f., vgl. auch Staudinger/Annuß BGB (2016) § 613a Rn. 201), so als hätte das aufnehmende Unternehmen sie selbst vereinbart. Ausgenommen sind lediglich Ansprüche oder Verbindlichkeiten, deren Erlöschen ausdrücklich bestimmt ist oder die ihrer Natur nach nicht auf einen Gesamtrechtsnachfolger übergehen können (BAG 4. Oktober 2005 – 9 AZR 598/04 – zu 5 b aa der Gründe mwN, BAGE 116, 104; Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 20 UmwG Rn. 30). Beschränkungen bestehen dabei im Grundsatz nur insofern, als sie dem „ursprünglichen Vertrag” im Wege der Auslegung selbst zu entnehmen sind, wobei die nachfolgende Verschmelzung außer Betracht bleibt.
b) Bezogen auf die Rechtsfolgenanordnung in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist der Firmentarifvertrag wie jeder andere Vertrag zu beurteilen (Boecken SAE 2000, 162, 163). Auch für ihn bewirkt die Gesamtrechtsnachfolge seine umfassende kollektivrechtliche (dynamische) Fortwirkung und damit ein Eintreten des aufnehmenden Unternehmens in alle sich aus einem Firmentarifvertrag des verschmolzenen Unternehmens ergebenden Rechte und Pflichten (Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 17 f.; DäublerTVG/Lorenz aaO § 3 Rn. 179). Hierzu gehören neben betrieblichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen auch Normen über gemeinsame Einrichtungen sowie schuldrechtliche Verpflichtungen, wie etwa die Friedenspflicht (Rieble aaO; Kempen/Zachert/Kempen TVG 5. Aufl. § 3 Rn. 156; Gaul/Otto BB 2014, 500 für die jedenfalls insoweit identische Gesamtrechtsnachfolge bei einer Aufspaltung mit entspr. Zuweisung im Spaltungs- und Übernahmevertrag). Soweit diese auf das verschmolzene Unternehmen lauten, tritt das aufnehmende Unternehmen an seine Stelle. Um die übergegangenen Rechte und Pflichten näher zu bestimmen, ist bei einem Firmentarifvertrag gedanklich die Bezeichnung des verschmolzenen Unternehmens jeweils durch diejenige des aufnehmenden Unternehmens zu substituieren.
3. Die Geltung des HTV erstreckt sich über die ursprünglich bei der SWK GmbH beschäftigten Mitglieder der Klägerin hinaus jedenfalls auf die bei der Beklagten schon vor dem 1. Januar 2014 beschäftigten Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2013 Mitglied der Klägerin waren und es noch sind. Zum einen hat die Verschmelzung nicht nur im Wortlaut der Geltungsbereichsbestimmung in § 1 HTV zu einer Anpassung geführt, nach der die Beklagte sowohl in Bezug auf die Stellung als Tarifvertragspartei als auch im Übrigen so an den HTV gebunden ist, als hätte sie ihn selbst abgeschlossen. Zum anderen enthalten die Regelungen des HTV keine Beschränkung der Tarifgeltung lediglich auf die ursprünglich bei der SWK GmbH beschäftigten Mitglieder der Klägerin. Der HTV gilt nach der Verschmelzung nach seiner Geltungsbereichsbestimmung in § 1 „für alle in der [Beklagten] beschäftigten Arbeiter/innen, Angestellten und Auszubildenden, die Mitglied der IG Metall sind”. Eine einschränkende Auslegung von § 1 HTV, wonach nur ein bestimmter Teil der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer der Beklagten von seinem Geltungsbereich erfasst wird, kommt nicht in Betracht.
a) Der Wortlaut der tarifvertraglichen Geltungsbereichsregelung ist eindeutig unternehmens- und nicht betriebsbezogen.
aa) Grundsätzlich werden Haustarifverträge, soweit nichts anderes bestimmt ist, in der Regel für alle Arbeitsverhältnisse des tarifschließenden Unternehmens vereinbart (JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 5 Rn. 51; Hromadka/Maschmann Arbeitsrecht Bd. 2 7. Aufl. § 13 Rn. 217). Soweit der Geltungsbereich sich ausdrücklich und ohne Einschränkung auf die Arbeitnehmer des tarifvertragschließenden Arbeitgebers erstreckt, erfasst er jeweils nicht nur die aktuellen – tarifgebundenen – Arbeitsverhältnisse, sondern – neben danach begründeten Arbeitsverhältnissen – auch die Arbeitnehmer später hinzukommender Betriebe des Arbeitgebers (Gaul/Otto BB 2014, 500, 504; Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 22 f.). Dies gilt selbst bei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unvorhersehbaren Entwicklungen. Dementsprechend ist ein unternehmensweit geltender Firmentarifvertrag, der seinerseits den BAT in Bezug nimmt, auch auf solche Betriebe anzuwenden, die nach 1990 auf dem Gebiet der neuen Bundesländer zu dem Unternehmen hinzukamen, obwohl – wie das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgehalten hat – „beim Abschluss des [Tarifvertrags] im Jahr 1982 weder die Herstellung der Einheit Deutschlands noch die Existenz unterschiedlicher Tarifgebiete im öffentlichen Dienst absehbar waren” (BAG 9. Dezember 1999 – 6 AZR 299/98 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 63; so auch Wiedemann/Wank aaO § 4 Rn. 123; ebenso für eine vergleichbare Konstellation BAG 28. April 1992 – 1 ABR 68/91 – zu B II 2 der Gründe).
bb) Nach dem klaren Wortlaut des HTV sollten alle Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse, die mit der SWK GmbH bestanden, in den Geltungsbereich des HTV einbezogen werden. Eine Beschränkung der Tarifgeltung auf Arbeitnehmer eines bestimmten Betriebs der SWK GmbH ist gerade nicht vereinbart worden. Es kann deshalb dahinstehen, ob und ggf. welche weiteren Betriebe die SWK GmbH zum Zeitpunkt der Verschmelzung betrieben hat.
b) Die Tarifsystematik sowie der Sinn und Zweck des HTV bieten keine Anhaltspunkte für einen vom Wortlaut abweichenden Willen der Tarifvertragsparteien, nach Zeit oder Ort bestimmte Arbeitsverhältnisse mit der SWK GmbH nicht mit dem HTV zu erfassen.
aa) Soweit in einzelnen Tarifbestimmungen Bezug auf die Arbeitsbedingungen der Beklagten genommen wird, zB bei der Zusicherung derselben Gewinnbeteiligung oder übertariflicher Lohnerhöhungen in § 8 HTV, lässt sich hieraus nichts für eine Einschränkung des Geltungsbereichs entnehmen. Arbeitnehmern der SWK GmbH, die nicht in einem von dieser zusammen mit der Beklagten geführten gemeinsamen Betrieb, sondern in einem ausschließlich von der SWK GmbH allein geführten Betrieb beschäftigt waren, hätte ein hierauf gestützter Anspruch nicht mit dem Argument verweigert werden können, sie unterfielen nicht dem Geltungsbereich des HTV.
bb) Auch aus der Auswahl der im HTV in Bezug genommenen Tarifverträge der Metallindustrie des Tarifgebiets Südbaden lassen sich keine Einschränkungen herleiten. In der Bezugnahme auf Tarifverträge in einem AnerkennungsHaustarifvertrag sind die Tarifvertragsparteien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jedenfalls insoweit frei, als deren Geltungsbereich mit dem Geltungsbereich des verweisenden Tarifvertrags in einem engen sachlichen Zusammenhang steht, die Tarifvertragsparteien die Verweisungsbestimmungen jederzeit aufheben, modifizieren oder ersetzen können und nicht durch die Ausgestaltung der Kündigungsregelungen eine zeitlich zu lange Bindung eingehen (BAG 29. August 2007 – 4 AZR 561/06 – Rn. 28; 9. Juli 1980 – 4 AZR 564/78 – BAGE 34, 42, 50 f.; 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79 – BAGE 40, 327, 335). Abgesehen davon, dass durch zahlreiche eigenständige und abweichende Regelungen, zB über die regelmäßige Arbeitszeit, zuschlagsfreie Mehrarbeit, die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit (§ 3 HTV), über eine Beschäftigungssicherung durch ein Verbot von betriebsbedingten Kündigungen (§ 4 HTV) usw., von einem Anerkennungstarifvertrag nur eingeschränkt ausgegangen werden kann, sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt, da es sich um die Tarifbedingungen der einschlägigen Branche im Tarifgebiet handelt, in der das Unternehmen seinen Sitz hatte. Soweit hier auch Arbeitnehmer in Betrieben einbezogen worden sind oder sein sollten, die außerhalb des Tarifgebiets liegen, ist dies nicht sachwidrig. Es kann ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers sein, in allen Betrieben seines Unternehmens dieselben Arbeitsbedingungen tariflich zu vereinbaren (vgl. zB die Konstellation bei BAG 21. Oktober 2009 – 4 AZR 396/08 – bundesweite arbeitsvertragliche Verweisung auf die Metalltarifverträge des Bezirks des Unternehmenssitzes).
c) Eine Beschränkung des Geltungsbereichs lässt sich auch nicht aus einer – räumlich – eingeschränkten Tarifzuständigkeit der tarifschließenden Gewerkschaft folgern. Die Bezirke der IG Metall sind nicht tariffähig, sondern handeln beim Abschluss von Tarifverträgen für die IG Metall als Gesamtorganisation (BAG 7. November 2000 – 1 AZR 175/00 – zu 1 b ee der Gründe, BAGE 96, 208), so dass es auf die Tarifzuständigkeit der IG Metall als Gesamtorganisation ankommt (BAG 14. Dezember 1999 – 1 ABR 74/98 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 93, 83). Diese aber unterliegt in räumlicher Hinsicht bundesweit keinen Einschränkungen.
d) Die nach dieser Auslegung gewonnene Bestimmung des Geltungsbereichs des HTV erfährt auch nicht wegen der Besonderheiten der erfolgten Verschmelzung eine Anpassung.
aa) Die oben unter 2 a dargelegten, allgemeinen Grundsätze gelten auch für die Regelung des Geltungsbereichs in § 1 HTV. Lässt sich der Geltungsbereichsbestimmung im Wege der Auslegung eine zeitliche, örtliche oder betriebliche Beschränkung entnehmen, gilt diese auch für den aufnehmenden Rechtsträger. Ist der Geltungsbereich in Bezug auf den tarifvertragschließenden Arbeitgeber uneingeschränkt unternehmensbezogen auszulegen, gilt dies auch für das aufnehmende Unternehmen. Entgegen der Auffassung der Revision kann deshalb auch nicht von einer „Ausweitung” oder „Ausdehnung” oder gar „Infizierung” gesprochen werden (vgl. zB Widmann/Mayer-Wälzholz Umwandlungsrecht Vorbem. zu §§ 321 ff. UmwG Rn. 29; Boecken SAE 2000 162, 165; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 102). Es geht nämlich nicht um eine Änderung des tarifvertraglichen Regelungsinhalts, sondern um die richtige Erfassung dieses – unverändert gebliebenen – Inhalts des HTV (ähnlich Bange aaO S. 148). Insoweit handelt es sich um ein Problem der Regelanwendung mittels Auslegung und nicht der Regeländerung.
Die Erstreckung einer unternehmensbezogenen Geltungsbereichsbestimmung auf die zuvor bei dem aufnehmenden Rechtsträger begründeten Arbeitsverhältnisse ist als Rechtsfolge einer Universalsukzession ebenso hinzunehmen wie die Einbeziehung der von einem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse betroffenen Arbeitnehmer in einen bei einem übernehmenden Rechtsträger schon bestehenden Tarifvertrag (wie hier Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1, S. 22 f.; Bange aaO S. 147 f.; Teschner aaO S. 186 ff.; Winzer aaO S. 201 f.; vgl. auch Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn. 201; Gaul/Otto BB 2014, 500, 504 für die insoweit gleichgelagerte Konstellation bei der partiellen Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG; im Erg. auch Trappehl/Lambrich DB 1999, 291, wenngleich krit. zu den Folgen).
bb) Soweit das Landesarbeitsgericht die Geltung des HTV für die Beklagte ablehnt, folgt der Senat dem nicht.
(1) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt eine Beschränkung nicht aus der namentlichen Nennung der SWK GmbH in § 1 HTV. Hiermit wird nur in der allgemein üblichen Form der Rechtsträger namentlich benannt, auf dessen Unternehmen sich der Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezieht. Eine darüber hinausgehende Regelung enthält die Formulierung nicht. Für den Geltungsbereich nach Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge ergibt sich hieraus keinerlei Beschränkung.
(2) Die weitere Begründung des Landesarbeitsgerichts, aus dem gemeinsamen Betrieb der Beklagten und der SWK GmbH in S folge als geübte Praxis ein Nebeneinander von Arbeitsverhältnissen, für die der HTV galt bzw. nicht galt, und weiter, dass sich daran durch die Verschmelzung nichts ändern sollte, trägt nicht. Die von der Grundregel abweichende Auslegung kann damit nicht begründet werden. Bei einer Verschmelzung von Unternehmen tritt grundsätzlich eine Universalsukzession ein, ohne dass es eines ausdrücklich darauf gerichteten Willens der Parteien des Verschmelzungsvertrags bedarf. So können im Verschmelzungsvertrag die Rechtsfolgen der Universalsukzession grundsätzlich nicht, auch nicht hinsichtlich einzelner Gegenstände oder Verpflichtungen gegenüber Dritten ausgeschlossen werden (Semler/Stengel-Kübler UmwG 3. Aufl. § 20 Rn. 8; Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 8; Böttcher/Habighorst/Schulte UmwR § 20 UmwG Rn. 5). Auch aus der Erklärung der Tarifvertragsparteien in § 9 HTV, mittelfristig einheitliche Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer der SWK GmbH und der Beklagten anzustreben, lässt sich nicht schließen, sie wollten die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen im gemeinsamen Betrieb perpetuieren. Im Gegenteil lassen § 9 Nr. 3 HTV und § 8 Nr. 1 HTV das Interesse der Tarifvertragsparteien an einer Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen deutlich erkennen. Eine entsprechende Regelung hätte aber die rechtliche Möglichkeit der – ursprünglichen – Tarifvertragsparteien vorausgesetzt, für alle Mitarbeiter des gemeinsamen Betriebs einheitliche Arbeitsbedingungen zu schaffen. Vor der Verschmelzung hätten einheitliche Arbeitsbedingungen jedoch nur unter Einbeziehung der Beklagten hergestellt werden können. Dies ist nicht geschehen.
cc) Schließlich kommt eine mit der Verschmelzung zusammenhängende einschränkende Auslegung der Geltungsbereichsbestimmung auch nicht aus allgemeinen Erwägungen in Betracht.
(1) In der Literatur wird mit unterschiedlicher, teils widersprüchlicher Begründung bei einer Verschmelzung eine Beschränkung der Geltung eines Firmentarifvertrags auf die bisher tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse vertreten.
Dem liegt durchgehend die Auffassung zugrunde, der Geltungsbereich, den die Tarifvertragsparteien für den Firmentarifvertrag des später verschmolzenen Unternehmens vereinbart haben, könne sich generell nicht auf die Arbeitsverhältnisse eines – auch nur möglicherweise – den Arbeitgeber später aufnehmenden Unternehmens beziehen.
(a) Unabhängig von der ursprünglichen Geltungsbereichsbestimmung, an die der aufnehmende Rechtsträger gebunden ist, wird eine Erstreckung des Geltungsbereichs des Firmentarifvertrags (generell) verneint (etwa Boecken SAE 2000, 162, 165; Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz S. 191; Picot/ Schnitker Arbeitsrecht bei Unternehmenskauf und Restrukturierung Teil I Rn. 310: „immanenter Vorbehalt”). Die kollektivrechtliche Fortgeltung eines Firmentarifvertrags könne auf der Grundlage einer Gesamtrechtsnachfolge den personellen Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht ausweiten (Boecken aaO; vgl. auch Jacobs aaO). Für die aufnehmende Einheit weise der neu hinzutretende Firmentarifvertrag keine Regelungskompetenz auf, es fehle die Legitimationsgrundlage für eine Erstreckung (Schubert Die Behandlung kollektivvertraglicher Normenkollisionen nach Verschmelzung und Spaltung von Unternehmen S. 264). Im Übrigen stelle eine Erstreckung auf das gesamte aufnehmende Unternehmen im Fall einer Umwandlung eine unzulässige Abrede zu Lasten Dritter dar und sei deshalb nicht möglich (Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 202).
(b) Ferner wird eingewandt, auch bei einer unternehmensbezogenen Ausgestaltung sei eine Auslegungsregel heranzuziehen, nach der sich ein Firmentarifvertrag regelmäßig nicht auch auf im Verschmelzungszeitpunkt beim aufnehmenden Unternehmen bestehende Betriebe und auf dessen schon beschäftigte Arbeitnehmer erstrecken könne (Wiedemann/Oetker § 3 Rn. 194; Däubler RdA 1995, 136, 140; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 102; Sieg/Maschmann Unternehmensumstrukturierung aus arbeitsrechtlicher Sicht 2. Aufl. Rn. 273; Jacobs NZA Beilage 2009, 45, 46; Boecken SAE 2000, 162, 165; Baeck/Winzer NZG 2013, 655, 657 [”im Zweifel”]; Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 201; JKOS/Oetker aaO § 6 Rn. 145; Schubert aaO S. 264; Trittin in Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung und Betriebsübergang 4. Aufl. § 5 Rn. 108; Müller-Bonanni/Mehrens ZIP 2012, 1217, 1218). Regelmäßig hätten die Parteien eines Firmentarifvertrags bei Vertragsschluss nicht an einen Umwandlungsfall gedacht und wollten lediglich eine für die spezifischen Bedürfnisse des Rechtsträgers adäquate Regelung treffen (Trittin aaO; ähnlich Baeck/Winzer aaO; Noltin Anm. EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 20, S. 38). Diese Auslegungsregel gelte unabhängig davon, ob der übernehmende Rechtsträger anderweitig tarifgebunden sei oder nicht (JKOS/Oetker aaO). Nur so könne eine „Infizierung” des aufnehmenden Rechtsträgers ausgeschlossen werden (Hohenstatt aaO; Baeck/Winzer aaO).
(c) Schließlich wird eine Differenzierung bei den Rechtsfolgen je nach den beim aufnehmenden Rechtsträger vorgefundenen Verhältnissen befürwortet. Es sei danach zu unterscheiden, ob der Firmentarifvertrag beim verschmolzenen oder beim aufnehmenden Rechtsträger vereinbart worden war. Danach soll zwar der Firmentarifvertrag des verschmolzenen Unternehmens nur mit dem tatsächlichen Bestand an tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen auf den aufnehmenden Rechtsträger übergehen. Soweit jedoch der aufnehmende Rechtsträger, nicht dagegen das verschmolzene Unternehmen, an einen Firmentarifvertag gebunden ist, soll sich dessen Geltungsbereich auch auf die übergegangenen Arbeitsverhältnisse erstrecken, wenn dessen Bestimmung grundsätzlich auch hinzukommende Betriebe erfasst (Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 205; Baeck/Winzer aaO; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 106). Diese „Auslegungsregel” solle aber nicht gelten, wenn die Tarifvertragsparteien selbst ausdrückliche Regelungen getroffen hätten, nach denen der Firmentarifvertrag in jeder denkbaren Konstellation für alle Betriebe des Arbeitgebers gelten solle (etwa Hohenstatt aaO Teil E Rn. 102; Baeck/Winzer aaO; vgl. auch die Konstellation bei BAG 29. August 2001 – 4 AZR 332/00 – BAGE 99, 10 mit der ausdrücklichen firmentarifvertraglichen Erstreckung des Geltungsbereichs auf „etwaige Gesamtrechts- und/oder Teilrechtsnachfolger der vertragschließenden Parteien”).
(2) Diese Überlegungen teilt der Senat nicht.
(a) Zwar erkennen die vorstehenden Ansichten im Falle einer Verschmelzung die kollektivrechtliche Fortgeltung eines Firmentarifvertrags beim aufnehmenden Rechtsträger an. In der Sache sollen jedoch die Rechtsfolgen der Universalsukzession für den aufnehmenden Rechtsträger beschränkt werden, indem insbesondere tarifliche Geltungsbereichsbestimmungen im Wege einer „teleologischen Auslegung” reduziert werden.
(b) Diese Absicht der Rechtsfolgenvermeidung rechtfertigt es jedoch nicht, den Auslegungsmaßstab für die Bestimmung des Geltungsbereichs zu verändern und eine dogmatisch nicht weiter begründete (Ausnahme-)Auslegungsregel zu etablieren.
(aa) Im Ausgangspunkt zutreffend weisen alle Auffassungen darauf hin, der Eintritt des aufnehmenden Unternehmens in die Tarifvertragsparteistellung eines verschmolzenen Unternehmens stelle kein Problem dar, wenn die Verschmelzung im Wege der Neugründung erfolgt (so die Konstellation bei BAG 24. Juni 1998 – 4 AZR 208/97 – BAGE 89, 193) oder wenn der aufnehmende Rechtsträger – noch – keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt (zB Baeck/Winzer aaO; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 101). In diesem Fall soll der Firmentarifvertrag für das aufnehmende Unternehmen ohne weiteres in vollem Umfang gelten. Damit wird die „Erstreckung” des Geltungsbereichs auf das aufnehmende oder neue Unternehmen im Grundsatz anerkannt, auch wenn dies in der Sache zwingend bedeutet, dass die später einzustellenden Arbeitnehmer im aufnehmenden Unternehmen damit ebenfalls dem Tarifvertrag unterfallen, wenn sie Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind.
(bb) Eine Auslegung des Geltungsbereichs, die nach den konkreten Verhältnissen, die beim aufnehmenden oder neu entstandenen Unternehmen bestehen, unterscheidet, lässt sich jedoch nicht rechtfertigen. Die bei einer Universalsukzession gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge unterscheidet nicht nach den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen und Anknüpfungspunkten beim aufnehmenden Unternehmen. Der Bestand von Arbeitsverhältnissen oder die Gebundenheit an einen eigenen Tarifvertrag beim aufnehmenden Unternehmen kann nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen bei einer Universalsukzession führen.
(cc) Hinzu kommt, dass die Auffassung, die eine „Erstreckung” des Geltungsbereichs auf alle nach der Verschmelzung bestehenden Arbeitsverhältnisse beim aufnehmenden Unternehmen bejaht, wenn dieses – anders als das verschmolzene Unternehmen – selbst an einen Firmentarifvertrag gebunden war, dies jedoch für die umgekehrte Konstellation, wie im Streitfall, ablehnt, inkonsequent ist. Zwar mögen einem aufnehmenden Rechtsträger keine großen Anpassungsprobleme entstehen, wenn er als Partei eines Firmentarifvertrags ein tarifloses Unternehmen auf sich verschmilzt und der Firmentarifvertrag dann auch die übergegangenen Arbeitsverhältnisse erfasst. Die gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge bei der Verschmelzung erlaubt jedoch eine Berücksichtigung derartiger bloß faktischer Verhältnisse beim aufnehmenden Rechtsträger mit der Folge einer gerade entgegengesetzten Auslegung der ursprünglichen Geltungsbereichsbestimmung nicht. In der Sache geht es um dieselbe Auslegungsfrage (so zutr. Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn. 201), die nicht anhand von externen und nachträglich herangezogenen Kriterien unterschiedlich beantwortet werden kann.
(3) Eine Berücksichtigung der tarifrechtlichen Folgen bereits bei der Bestimmung des Umfangs einer umwandlungsrechtlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ist nach Auffassung des Senats nicht angezeigt (ebenso Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Winzer aaO S. 201; Teschner aaO S. 172 ff.; vgl. auch Staudinger/Annuß aaO § 613a Rn. 201).
(a) Die Universalsukzession ist die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge der Verschmelzung. Ganz getrennt davon ist die Frage zu beurteilen, welche tarifrechtlichen Folgen sich aus dieser umwandlungsrechtlich geschaffenen Situation ergeben (so schon BAG 4. Juli 2007 – 4 AZR 491/06 – Rn. 42, BAGE 123, 213; ebenso Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 20 UmwG Rn. 107; Ahrendt RdA 2012, 129, 137; Schorb ArbR 2011, 161, 163).
(b) Die bloßen Interessen eines der Beteiligten, hier: des übernehmenden Rechtsträgers, können eine einschränkende Festlegung dessen, was von der gesetzlich angeordneten Gesamtrechtsnachfolge bei der Universalsukzession an Rechtspositionen umfasst wird, nicht begründen. Eine „unerwünschte Ausdehnung” der Wirkung eines Haustarifvertrags ist kein hinreichender Grund für eine entsprechende Einschränkung (so aber Hergenröder AR-Blattei SD 500.2 Rn. 91, ähnlich im Duktus Baeck/Winzer aaO: „… nicht sachgerecht erscheint …”). Die Beseitigung oder Relativierung einer gesetzlich angeordneten Rechtsfolge bedarf einer hinreichenden rechtlichen Grundlage. An einer solchen fehlt es im Entscheidungsfall. Allein die Interessen des aufnehmenden Rechtsträgers reichen zur Begründung nicht aus. Es sind in Anlehnung an die Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage keine Gesichtspunkte erkennbar, die für den übernehmenden Rechtsträger beim Festhalten am Firmentarifvertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnissen führen würden. Unabhängig davon, dass bei dieser Betrachtung die Interessen der anderen Tarifvertragspartei gänzlich unberücksichtigt bleiben, kann hiervon insbesondere angesichts der privatautonomen Entscheidung des aufnehmenden Unternehmens für die Verschmelzung und damit für die hiermit verbundenen Rechtsfolgen schon generell nur in ganz seltenen Ausnahmefällen ausgegangen werden. Dass ein Unternehmen eine rechtswirksame Verschmelzung vereinbart und durchführt und sich in der Folge darauf beruft, eine zwingende Folge der hierdurch herbeigeführten Universalsukzession möge nicht eintreten, dürfte unter rechtlichen Aspekten – regelmäßig – ohne Belang sein.
Gesetzlich vorgesehene Beschränkungen der Gesamtrechtsnachfolge in anderen Regelungen dienen in erster Linie dem Gläubigerschutz, ohne jedoch unmittelbar in den Übergang des Rechtsverhältnisses mit dem früheren und jetzt verschmolzenen Rechtsträger einzugreifen; sie räumen allenfalls nachträgliche Rechtspositionen ein, wie etwa das Verlangen einer Sicherheitsleistung (§ 22 UmwG), ggf. auch ein gesondertes Kündigungsrecht (dazu Rieble ZIP 1997, 301, 305; Semler/Stengel-Kübler aaO § 20 Rn. 12). Soweit eine Schutzbedürftigkeit des aufnehmenden Unternehmens anerkannt wird, wird dieser in § 21 UmwG Rechnung getragen. Die Regelung greift die dort real anzutreffenden Folgeprobleme einer Universalsukzession auf und sieht für bestimmte „unvereinbare” Verpflichtungen oder bei einer „schwere[n] Unbilligkeit” eine Neubestimmung der Verpflichtungen des aufnehmenden Unternehmens vor. Dies gilt allerdings nur für bestimmte gegenseitige Verträge und dann nur in einem sehr eingeschränkten, dort näher bestimmten Abwicklungsstadium. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall weder hinsichtlich des Anwendungsbereichs noch hinsichtlich der dort vorausgesetzten Unvereinbarkeit oder schweren Unbilligkeit vor.
Außerhalb dieser Anpassungsmöglichkeiten besteht für den aufnehmenden Rechtsträger als Partner des privatautonom vereinbarten Verschmelzungsvertrags keine anerkannte Schutzbedürftigkeit, da er selbst entscheidend zu dem Eintritt der Rechtsfolge beigetragen hat (Schmitt/Hörtnagl/Stratz aaO § 21 UmwG Rn. 2; Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 56; MüKoBGB/Roth/Schubert 6. Aufl. § 242 Rn. 468 f.) und im Übrigen vorher ausreichend Möglichkeiten zur interessenangepassten Vertragsgestaltung bestanden haben (vgl. dazu zB Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 103; Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 198; Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Braun ArbRB 2008, 83).
(c) Soweit weiter eingewandt wird, es liege ein bereits – ex ante – eingeschränkter Inhalt der Willenserklärungen der Tarifvertragsparteien, die an eine Umwandlung nicht gedacht hätten, vor, ist dies schon aus systematischen Gründen unerheblich. Der Eintritt in die von dem verschmolzenen Unternehmen – uU lange Zeit vorher – vereinbarten Schuldverhältnisse im Wege der Gesamtrechtsnachfolge kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass deren Vertragspartner bei der Vereinbarung auch die Möglichkeit einer Umwandlung in Betracht gezogen haben oder haben müssten. Eine solche Anforderung ist weder aus dem Umwandlungsrecht ieS noch aus einschränkenden Überlegungen zur Universalsukzession im Allgemeinen bekannt. Dabei kann dahinstehen, ob die von diesem Teil der Literatur angestrebte Rechtsfolge überhaupt zum Gegenstand einer wirksamen Vereinbarung gemacht werden kann, da die Rechtsfolgen der Universalsukzession nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auch für die Vertragspartner nicht abdingbar sind (Grunewald in Lutter aaO § 20 Rn. 8 mwN).
(d) Unzutreffend ist auch die Annahme, dass die (ausdrückliche) Vereinbarung einer Erstreckung auf das gesamte aufnehmende Unternehmen für den Fall einer Umwandlung einen (Tarif-)Vertrag zu Lasten Dritter darstelle bzw. den Tarifvertragsparteien der übertragenden Einheit für die aufnehmende Einheit die Regelungskompetenz fehle. Dies ist schon deshalb nicht überzeugend, weil der aufnehmende Rechtsträger ausschließlich aufgrund seiner privatautonomen Entscheidung zum Abschluss des Verschmelzungsvertrags an den Haustarifvertrag des übertragenden Rechtsträgers gebunden wird. Dabei handelt es sich nach dem Wesen der Gesamtrechtsnachfolge ab diesem Moment nicht mehr um eine von einem personenverschiedenen Dritten eingegangene, sondern um eine eigene Bindung des Rechtsnachfolgers. Auch ein Legitimationsproblem liegt aus diesem Grunde nicht vor.
dd) Soweit sich die Beklagte schließlich auf eine Verletzung ihrer sog. negativen Koalitionsfreiheit beruft, ist bereits der Schutzbereich des Grundrechts nicht tangiert. Die Koalitionsfreiheit ist bei der Gebundenheit an einen Haustarifvertrag von vornherein nicht betroffen, weil ein solcher keine Koalitionsmitgliedschaft bewirkt (BAG 4. Juli 2007 – 4 AZR 491/06 – Rn. 47, BAGE 123, 213; zust. Boecken SAE 2000, 162, 163; Ahrendt RdA 2012, 129, 136; Hergenröder AR-Blattei SD 500.2 Rn. 86). Auch dies ist lediglich die Konsequenz des durch die beteiligten Rechtsträger privatautonom geschlossenen Verschmelzungsvertrags (so zutreffend Grau in Henssler/Moll/Bepler aaO Teil 15 Rn. 198; Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt aaO Teil E Rn. 103).
4. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt auch aus Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) iVm. der Richtlinie 2001/23/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (RL 2001/23/EG) kein anderes Ergebnis. Deren Anwendungsbereich ist nicht eröffnet.
a) Voraussetzung für die Anwendung der GRC ist nach Art. 51 Abs. 1 GRC die Durchführung des Rechts der Union. Dies ist nach der Rechtsprechung des EuGH dann der Fall, wenn mit der nationalen Regelung eine Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, wenn mit ihr unter das Unionsrecht fallende Ziele verfolgt werden, wenn es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann (EuGH 6. März 2014 – C-206/13 – [Siragusa] Rn. 25; 8. November 2012 – C-40/11 – [Iida] Rn. 79). Dies ist bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht regelmäßig der Fall (vgl. EuGH 15. Januar 2014 – C-176/12 -[AMS] Rn. 43; ErfK/Wißmann aaO Vorbemerkung zum AEUV Rn. 5a mwN).
Dagegen sind die Grundrechte der Union im Verhältnis zu einer nationalen Regelung nicht anwendbar, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften keine Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schaffen (EuGH 10. Juli 2014 – C-198/13 – [Hernández] Rn. 35; 13. Juni 1996 – C-144/95 – [Maurin] Rn. 12, Slg. 1996, I-2909). Dem Anwendungsbereich der Charta unterliegt das Unionsrecht ausschließlich in den Grenzen der der Union übertragenen Zuständigkeiten (EuGH 8. November 2012 – C-40/11 – [Iida] Rn. 78).
b) Bei der Rechtsanwendung im Streitfall handelt es sich nicht um die Durchführung von Unionsrecht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich dies nicht aus der RL 2001/23/EG. Der Streit der Parteien fällt nicht in deren Anwendungsbereich.
aa) Die RL 2001/23/EG hat den Zweck, bei einem Wechsel des Inhabers eines Unternehmens oder Betriebs die hiervon betroffenen Arbeitnehmer zu schützen; insbesondere soll die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleistet werden (dazu ausf. BAG 17. Juni 2015 – 4 AZR 61/14 (A) – Rn. 33, BAGE 152, 12). Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit dabei auch die Interessen des aufnehmenden Unternehmens einzubeziehen und ggf. gegen die Interessen der übergehenden Arbeitnehmer abzuwägen sind (vgl. dazu einerseits EuGH 18. Juli 2013 – C-426/11 – [Alemo-Herron] Rn. 25; andererseits BAG 17. Juni 2015 – 4 AZR 61/14 (A) – Rn. 33 ff., aaO), trifft die RL 2001/23/EG ausschließlich Regelungen für die vom Veräußerer auf den Erwerber übergegangenen Arbeitsverhältnisse. Im Rahmen der Prüfung der konkreten Rechtsfolgen für diese – ursprünglich beim Veräußerer vorhandenen – Arbeitsverhältnisse könnte damit auch Art. 16 GRC als Schranke des von der Richtlinie bezweckten Arbeitnehmerschutzes von Bedeutung sein.
bb) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Über die Bedingungen der auf die Beklagte infolge der Verschmelzung übergegangenen Arbeitsverhältnisse streiten die Parteien nicht. Zwischen ihnen geht es vielmehr um die Arbeitsbedingungen der schon vor dem Übergang bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer. Die RL 2001/23/EG ist für die Frage der Erstreckung eines Haustarifvertrags auf die beim aufnehmenden Rechtsträger vorhandenen Arbeitnehmer ohne Bedeutung. Die Beklagte kann sich nicht auf einen „Schutz” berufen, der zu ihren Gunsten durch die Richtlinie begründet und umzusetzen wäre. Der Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG ist hinsichtlich der vorliegend allein zur Entscheidung anstehenden Frage somit nicht eröffnet.
c) Dies kann der Senat selbst entscheiden, ohne den Gerichtshof der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zu ersuchen.
aa) Ein nationales letztinstanzliches Gericht muss der Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nachkommen, wenn sich in einem Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, die entscheidungserheblich ist und nicht bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union war (acte éclairé) und wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (acte clair; vgl. BVerfG 29. Mai 2012 – 1 BvR 3201/11 – Rn. 22). Dabei muss das Gericht sich hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen, etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (BVerfG 15. Januar 2015 – 1 BvR 499/12 – Rn. 9). Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines „acte clair” bzw. eines „acte éclairé” kommt dem letztinstanzlichen Hauptsachegericht ein Beurteilungsrahmen zu (BVerfG 15. Januar 2015 – 1 BvR 499/12 – Rn. 8).
bb) Danach besteht keine Vorlagepflicht. Es liegen keine vernünftigen Zweifel hinsichtlich der richtigen Anwendung von Art. 51 GRC bzw. der RL 2001/23/EG vor. Aus der RL 2001/23/EG sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH (vgl. die ausf. Nachw. in BAG 17. Juni 2015 – 4 AZR 61/14 (A) – Rn. 33 und 61, BAGE 152, 12) ergibt sich eindeutig, dass die Richtlinie die Beziehungen des Erwerbers zu seinen schon vor dem Übergang vorhandenen Arbeitnehmern nicht regelt. Für ein gegenteiliges Verständnis finden sich weder im Richtlinientext noch in der hierzu ergangenen Rechtsprechung irgendwelche Anhaltspunkte. Solche sind von der Beklagten auch nicht ausgeführt. Der gesamte Regelungskomplex ist erkennbar einzig darauf angelegt, den Übergang von Arbeitsverhältnissen zusammen mit dem Übergang einer ihre Identität wahrenden wirtschaftlichen Einheit anzuordnen und auszugestalten. Zu den beim Erwerber bereits vorhandenen Arbeitsverhältnissen schweigt die Richtlinie. Damit steht zweifelsfrei fest, dass hier keine unionsrechtliche Vorschrift eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den fraglichen Sachverhalt schafft und deshalb auch keine „Durchführung des Rechts der Union” iSv. Art. 51 Abs. 1 GRC vorliegt. Selbst wenn man das im Hinblick auf die Reichweite von Art. 51 Abs. 1 GRC am weitesten gehende Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Åkerberg Fransson (EuGH 26. Februar 2013 – C-617/10 –; vgl. dazu krit. BVerfG 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 – Rn. 91, BVerfGE 133, 277) zugrunde legt, folgt hieraus allenfalls, dass der Gerichtshof eine nationale Vorschrift, die nicht einmal zur Umsetzung einer europäischen Richtlinie oder im Hinblick auf andere sekundär- oder primärrechtliche Verpflichtungen erlassen worden ist, als „Durchführung des Rechts der Union” iSv. Art.? 51 Abs. 1 GRC begreift, solange die Vorschrift der Wahrung von Interessen dient, die durch Unionsrecht geschützt sind (vgl. Bergmann Handlexikon der Europäischen Union 5. Aufl. Akerberg Fransson-Urteil). Die RL 2001/23/EG verfolgt jedoch gerade nicht den Zweck, die Rechtsbeziehungen in den Arbeitsverhältnissen zwischen dem Erwerber und seinen bereits vor einer Verschmelzung bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern zu regeln.
C. Die Kosten des Rechtsstreits tragen Klägerin und Beklagte entsprechend ihrem Obsiegen und Unterliegen je zur Hälfte, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Eylert, Rinck, Creutzfeldt, Rupprecht, Schuldt
Fundstellen
Haufe-Index 10083803 |
BAGE 2017, 280 |
BB 2017, 890 |
DB 2017, 1331 |