Mehr Gehalt wegen unsanierter Toiletten?
Der Rechtstreit um die stark renovierungsbedürftigen Toiletten und Duschen in einem Unternehmen in Baden-Württemberg hat es durch die Instanzen bis vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) geschafft. Das oberste Gericht in Erfurt hatte in dem Fall darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung einer höheren Vergütung hat, weil dieser die Sanitäranlagen im Betrieb nicht rechtzeitig in Stand setzen ließ.
Hintergrund war eine tarifvertraglich festgelegte Lohnerhöhung, die vorgesehen war für den Fall, dass der Arbeitgeber die Sanierung der sanitären Einrichtungen nicht bis Ende Juni 2019 durchführt. Für das BAG stand die Gehaltsanpassung damit unter einer aufschiebenden Bedingung, ohne dass es sich um eine Vertragsstrafe handelte.
Der Fall: Tarifvertrag sieht Lohnerhöhung bei ungenügender Toilettensanierung vor
Der Arbeitnehmer forderte im konkreten Fall vom Arbeitgeber eine Gehaltserhöhung um 0,5 Prozent. Er berief sich dabei auf den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Haustarifvertrag. Diesen hatte der Arbeitgeber 2018 mit der IG Metall abgeschlossen. Für die Mitarbeitenden war darin eine Entgelterhöhungen in zwei Schritten für April 2018 und Mai 2019 vorgesehen.
Zusätzlich wurde im Tarifvertrag festgelegt, dass die sanitären Einrichtungen des Betriebs innerhalb einer konkreten Frist saniert werden sollten. Falls die Sanierung nicht oder nicht fristgerecht vorgenommen würde, sollte eine weitere Erhöhung der Entgelte ab 1. Juli 2019 um 0,5 Prozent erfolgen. Tatsächlich wurden die Toiletten im Betrieb durch den Arbeitgeber nicht vollständig zum vereinbarten Termin Ende Juni 2019 fertig.
Bedingung oder Vertragsstrafe?
Der Arbeitnehmer war überzeugt, dass damit die vereinbarte Bedingung eingetreten sei und machte die Zahlung eines um 0,5 Prozent höheren Lohns geltend. Der Arbeitgeber weigerte sich und argumentierte damit, dass es sich bei der im Tarifvertrag vereinbarten Entgelterhöhung für den Fall einer verspäteten Sanierung um eine Vertragsstrafe handele. Diese Regelung sei aber unwirksam, denn die Pflicht zur Sanierung der sanitären Anlagen sei eine Betriebsnorm. Der Betriebsrat müsse also geltend machen, dass die Sanierung erfüllt wird, einzelne Arbeitnehmende könnten dagegen keinen Anspruch auf Sanierung geltend machen. Ebenfalls könnten sie keine Vertragsstrafe zu ihren Gunsten bei Nichterfüllung der Verpflichtung verlangen. Jedenfalls sei eine solche herabzusetzen, da die Terminüberschreitung der Sanierung nur geringfügig gewesen und nicht vom Arbeitgeber zu vertreten sei.
BAG: Tarifliche Regelung sieht keine Vertragsstrafe vor
Das Bundesarbeitsgericht folgte der Argumentation des Arbeitgebers nicht. Aus Sicht des Gerichts war die Bedingung für die Entgelterhöhung im Sinne von § 158 BGB eingetreten, da die Sanierungsmaßnahmen zum vereinbarten Termin nicht vollständig durchgeführt waren. Während die Vorinstanz dem Arbeitnehmer nur eine Lohnerhöhung von 0,1 Prozent zugebilligt hatte, sah das BAG hierfür keine Veranlassung. In seiner Begründung führte es aus, dass es sich bei der tarifvertraglichen Regelung nicht um eine Vertragsstrafe im Sinne der §§ 339 ff. BGB handele.
Keine Herabsetzung der Gehaltserhöhung
Die Entgelterhöhung für Mitarbeitenden diene anderen Zwecken als eine Vertragsstrafe, da sie die Ausgestaltung der Hauptleistungspflichten der tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse betreffe. Insofern - da die gesetzlichen Regelungen zur Vertragsstrafe nicht anwendbar seien - komme eine Verringerung der Gehaltserhöhung gemäß § 343 BGB nicht in Betracht. Ebenso schlossen die Richter eine solche auf Grundlage von § 242 BGB aus Treu und Glauben aus. Im Ergebnis verpflichtete das BAG den Arbeitgeber zur Zahlung des höheren Entgeltes auf Grundlage der tariflichen Abrede.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. Februar 2023, Az: 4 AZR 68/22; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Oktober 2021, Az: 10 Sa 76/20
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