Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung einer Tantieme- bzw. Bonuszahlung bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds
Orientierungssatz
Bestimmt ein Sozialplan, dass die Höhe eines Vorruhestandsgelds auf der Grundlage des „Brutto-Arbeitsentgelts des letzten Monats vor Beginn des Vorruhestands” berechnet werden soll, so ergibt die Auslegung, dass auf das Jahr bezogene Tantieme- oder Bonuszahlungen nicht zu berücksichtigen sind.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1, § 112 Abs. 1 S. 3; ZPO § 258
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Oktober 2015 – 11 Sa 558/15 – teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. Februar 2015 – 34 Ca 11945/14 – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berücksichtigung von Tantieme- bzw. Bonuszahlungen bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds der Klägerin.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Versicherungswirtschaft. Die am 1. September 1955 geborene Klägerin war seit dem 1. Januar 2009 bei der Beklagten unter einzelvertraglicher Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten seit dem 1. Januar 1996 als „S” in der Bereichsdirektion O in B beschäftigt. In Ziff. 5 des undatierten Arbeitsvertrags der Parteien heißt es auszugsweise:
”5 |
Arbeitsentgelt, Sonderzahlungen, Mehrarbeitsvergütung |
…
Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer eine leistungsabhängige Jahrestantieme, die bei Erreichen aller Ziele (Unternehmensergebnisse, individuelle Ziele und persönliche Leistung) derzeit 9.839,89 EUR p.a. beträgt. Die Einzelheiten ergeben sich aus der Gesamtbetriebsvereinbarung über die übertarifliche Vergütung der V Lebensversicherung AG und V Sachversicherung AG in ihrer jeweils gültigen Fassung und aus den für jedes Geschäftsjahr gesondert zu treffenden Zielfestlegungen.
…”
Nach Ziff. IV „BONUS”) der Gesamtbetriebsvereinbarung über die übertarifliche Vergütung vom 4. Februar 2013 erhalten Arbeitnehmer der Beklagten für jedes Kalenderjahr einen Bonus, der von der Erreichung von Unternehmens- und individuellen Zielen abhängt. Dabei beträgt der Zielbonus „2,3 Bruttomonatsgehälter”. Hierauf erfolgt in zwölf gleichen Monatsraten eine Vorauszahlung in Höhe des garantierten Bonus „1,3 Bruttomonatsgehälter”).
Die Beklagte vereinbarte im Hinblick auf eine bundesweite Umstrukturierung ihres Maklervertriebs mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan vom 14. Januar 2014 (Sozialplan STREAM), der unter Ziff. V Abs. 1 den Sozialplan G 2012 vom 19. Juli 2012 (Sozialplan 2012) nebst Protokollnotiz vom 19. Juli 2012 für anwendbar erklärt. Dessen Teil B Ziff. VII Abs. 1 räumt Arbeitnehmern im Innendienst einen Anspruch auf Vorruhestand unter den Voraussetzungen und zu den Bedingungen gemäß der Anlage A (Vorruhestand) ein. Ziff. 3.1 Buchst. a Abs. 1 der Anlage A enthält Regelungen zur Höhe des zu zahlenden Vorruhestandsgelds und nimmt im Übrigen ua. Bezug auf § 4 des Tarifvertrags „Vorruhestandsabkommen für die Versicherungswirtschaft” vom 25. September 1991 (VorRA), der bereits Ende des Jahres 1997 außer Kraft getreten war. § 4 VorRA lautet auszugsweise:
„§ 4 Höhe des Vorruhestandsgeldes
(1) Das Vorruhestandsgeld beträgt 75 %, für Arbeitnehmer mit mindestens 20-jähriger Unternehmenszugehörigkeit 80 % des Brutto-Arbeitsentgelts des letzten Monats vor Beginn des Vorruhestandes. Zuschläge für Mehrarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit und Nachtarbeit sowie tarifliche und betriebliche Sonderzahlungen bleiben unberücksichtigt. Variable Entgeltbestandteile werden mit dem monatlichen Durchschnitt der letzten 6 abgerechneten Monate vor Beginn des Vorruhestandes berücksichtigt.
(2) Überschreitet das nach Abs. 1 maßgebende Arbeitsentgelt das 1,2-fache der bei Beginn des Vorruhestandes geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung, wird der übersteigende Betrag bei der Berechnung des Vorruhestandsgeldes nur
zur Hälfte berücksichtigt.
(3) Das Vorruhestandsgeld wird jeweils entsprechend der linearen Tarifgehaltssteigerung erhöht. …
…”
Das Bruttomonatsentgelt der Klägerin setzte sich zuletzt wie folgt zusammen:
Gehalt Tarif |
4.572,00 Euro |
UET – nicht tariffähig |
540,62 Euro |
Garantiebonus ÜT-MA |
553,87 Euro |
VL AG-Anteil |
40,00 Euro |
Summe |
5.706,49 Euro |
Im April 2014 zahlte die Beklagte an die Klägerin als „Tant. Abr. Vorjahr” einen Betrag iHv. 3.162,49 Euro brutto.
Die Parteien schlossen im Februar 2014 einen Vorruhestandsvertrag, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2014 und einen Vorruhestand vom 1. Juli 2014 bis zum 31. August 2018 vorsieht. § 2 dieses Vertrags regelt ua.:
Ӥ 2 |
Höhe des Vorruhestandsentgelts |
(1) |
Die Arbeitnehmerin erfüllt bei Beginn des Vorruhestands die Voraussetzung der mindestens 15jährigen Betriebszugehörigkeit. Sie erhält daher ein monatliches Vorruhestandsentgelt von 75 % des i.S.v. § 4 VorRA berechneten Bruttoarbeitsentgelts des letzten Monats vor Beginn des Vorruhestands. |
(2) |
Vergütungen für Mehrarbeit und Zeitguthaben bleiben bei der Berechnung des Bruttoarbeitsentgelts unberücksichtigt. Das Vorruhestandsentgelt berechnet sich wie folgt: |
|
Monatliches Bruttogehalt |
5.112,62 EUR |
|
Vermögenswirksame Leistungen |
40,00 EUR |
|
insgesamt brutto |
5.152,62 EUR |
|
Daraus 75 % brutto |
3.864,47 EUR |
Mit Wirkung ab Oktober 2014 erhöhte sich das Tarifentgelt in der privaten Versicherungswirtschaft um 2,2 %. Die Beklagte zahlte in deren Folge ab Oktober 2014 an die Klägerin ein monatliches Vorruhestandsgeld iHv. 3.949,49 Euro brutto.
In der Protokollnotiz zum Sozialplan 2012 vom 21. Mai 2015 erklärten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat:
„Aus gegebenen Anlass sehen sich die Parteien veranlasst, folgende Klarstellung zu Teil B Ziffer VII Abs. 1 des Sozialplans G 2012 vom 19.07.2012 in Verbindung mit § 4 des tariflichen Vorruhestandsabkommens für die Versicherungswirtschaft vom 25. September 1991 (nachstehend ‚VorRA' genannt) zu protokollieren, um zu dokumentieren, was mit der Klausel immer schon zum Ausdruck gebracht werden sollte und auch weiterhin gelten soll:
Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass weder der Bonus gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung über die übertarifliche Vergütung der G vom 04.02.2013, noch der Jahresbonus gemäß Betriebsvereinbarung über die übertarifliche Vergütung des Innendienstes der Zentrale der V AG vom 26.03.2013, noch die Tantieme gemäß der Gesamtbetriebsvereinbarung über die übertarifliche Vergütung der V AG vom 24.05.2011 einen variablen Entgeltbestandteil im Sinne des § 4 (1) Vo[r]RA darstellt und demzufolge bei der Berechnung des Vorruhestandsgeldes unberücksichtigt bleibt.”
Die Klägerin hat – soweit noch für die Revision von Belang – für die Monate Juli bis September 2014 ein um 613,05 Euro brutto und für die Monate Oktober 2014 bis Juli 2015 ein um 626,54 Euro brutto erhöhtes Vorruhestandsgeld geltend gemacht. Für die Zeit ab dem 1. August 2015 hat sie die Zahlung eines monatlichen Vorruhestandsgelds iHv. 4.477,52 Euro brutto verlangt.
Die Klägerin meint, sie habe bereits nach der in Bezug genommenen Regelung des § 4 Abs. 1 VorRA Anspruch auf die Berücksichtigung der Tantieme bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds. Jedenfalls habe die Beklagte ihr die Berücksichtigung der Tantiemen bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds zugesagt. Hierzu behauptet sie, dass sie mit dem Abteilungsleiter Personal der Beklagten am Standort H, Herrn V, in den dem schriftlichen Arbeitsvertrag vorausgehenden Verhandlungen Anfang Dezember 2008 vereinbart habe, dass die in ihrem vorhergehenden Arbeitsverhältnis mit der A GmbH bestehenden Ansprüche besitzstandswahrend auf das mit der Beklagten zu begründende Arbeitsverhältnis übertragen würden. Auf der Grundlage der Verhandlungen sei die Zahlung der leistungsabhängigen Tantieme in Ziff. 5 des schriftlichen Arbeitsvertrags aufgenommen worden. Die Nachfrage der Klägerin im Rahmen dieser Verhandlungen, ob ihre Ansprüche auf variable Vergütung bei der Berechnung eines etwaigen künftigen Vorruhestandsgelds berücksichtigt würden, habe Herr V bejaht, weil es sich dabei um einen variablen Entgeltbestandteil iSv. § 4 VorRA handele.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Interesse – zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie ein monatliches Vorruhestandsgeld iHv. 4.477,25 Euro brutto ab dem 1. August 2015 jeweils zum Monatsende bis zum 31. August 2018 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 613,05 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. August 2014 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 613,05 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September 2014 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 613,05 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2014 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. November 2014 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2014 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2015 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2015 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2015 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. April 2015 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2015 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2015 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2015 zu zahlen und
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 626,54 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. August 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und dazu die Rechtsauffassung vertreten, sowohl die Vorschusszahlungen auf den Tantieme- bzw. Bonusanspruch als auch die Abschlusszahlung seien als „betriebliche Sonderzahlungen” iSv. § 4 Abs. 1 VorRA nicht bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus der Auslegung des Sozialplans 2012 sowie aus der Protokollnotiz zum Sozialplan 2012 vom 21. Mai 2015.
Die Klägerin hat in erster Instanz die Zahlung eines monatlichen Vorruhestandsgelds iHv. 4.675,17 Euro brutto und auf dieser Grundlage die Zahlung eines Differenzbetrags für die Monate Juli bis November 2014 verlangt. Das Arbeitsgericht hat eine Zahlungspflicht der Beklagten von monatlich 4.477,52 Euro brutto angenommen und der Klage teilweise stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz im Wege der Anschlussberufung und nach Teil-Klagerücknahme die Zahlung von 4.477,52 Euro brutto ab dem 1. August 2015, für die Monate Juli bis September 2014 die Zahlung eines monatlichen Bruttobetrags von 613,05 Euro sowie für den Zeitraum von Oktober 2014 bis Juli 2015 von 626,54 Euro brutto monatlich geltend gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten teilweise zurückgewiesen, der Anschlussberufung der Klägerin stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin ab dem 1. August 2015 ein monatliches Vorruhestandsgeld iHv. 4.576,03 Euro zu zahlen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte insgesamt Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Tantieme bzw. der Bonus bei der Berechnung ihres Vorruhestandsgelds berücksichtigt wird.
I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 1. Er ist auf die Zahlung wiederkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO gerichtet. Bei wiederkehrenden Leistungen, die – wie Ansprüche auf Vorruhestandsgeld – von keiner Gegenleistung abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird (vgl. BAG 14. Juli 2015 – 3 AZR 594/13 – Rn. 12).
II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf ein um monatlich 613,05 Euro brutto für die Monate Juli bis September 2014 bzw. um monatlich 626,54 Euro brutto ab Oktober 2014 höheres Vorruhestandsgeld gemäß § 2 Abs. 1 des Vorruhestandsvertrags und Ziff. V Abs. 1 des Sozialplans STREAM iVm. dem Sozialplan 2012 und § 4 VorRA zu. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Tantieme- bzw. Bonuszahlung ist bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds nicht zugrunde zu legen. Die Tantieme bzw. der Bonus zählt nicht zu den variablen Entgeltbestandteilen iSv. § 4 Abs. 1 Satz 3 VorRA. Dies ergibt die Auslegung des Sozialplans STREAM, zu dessen integralen Bestandteilen die normsetzenden Parteien die Regelungen des Sozialplans 2012 und des § 4 VorRA bestimmt haben.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen eigener Art wegen ihrer normativen Wirkungen (§ 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen. Für mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Sozialpläne gilt nichts anderes. Ausgehend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Darüber hinaus sind Sinn und Zweck der Regelung von besonderer Bedeutung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 17. November 2015 – 1 AZR 881/13 – Rn. 13 mwN).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen fließt die jährliche Tantieme bzw. der Jahresbonus der Klägerin nicht in die Berechnung des Vorruhestandsgelds ein.
a) Dafür spricht bereits der Wortlaut des Sozialplans, von dem bei der Auslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 17. Juni 2015 – 10 AZR 518/14 – Rn. 14; 24. Februar 2010 – 10 AZR 1035/08 – Rn. 15).
aa) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 VorRA dient als Grundlage für die Berechnung des Vorruhestandsgelds das „Brutto-Arbeitsentgelt des letzten Monats vor Beginn des Vorruhestandes”, dh. das letzte Bruttomonatsentgelt. Die Bestimmung enthält keine Definition dieses Begriffs. § 4 Abs. 1 Satz 2 VorRA regelt lediglich, dass Zuschläge für Mehrarbeit, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie tarifliche und betriebliche Sonderzahlungen ebenso unberücksichtigt bleiben wie Vergütungen für Mehrarbeit und Zeitguthaben (Ziff. 3.1 Buchst. a Abs. 1 der Anlage A zu Teil B Ziff. VII Abs. 1 Sozialplan 2012). Demgegenüber sollen nach § 4 Abs. 1 Satz 3 VorRA variable Entgeltbestandteile mit dem monatlichen Durchschnitt der letzten sechs abgerechneten Monate vor Beginn des Vorruhestands berücksichtigt werden. Ausdrückliche Festlegungen, welche weiteren Vergütungsbestandteile zum monatlichen „Brutto-Arbeitsentgelt” zählen oder wie dieser Begriff von den „variablen Entgeltbestandteilen” abzugrenzen ist, bestehen nicht.
bb) Aus der Verknüpfung der Begriffe „Brutto” und „des letzten Monats” ergibt sich, dass mit Bruttomonatsentgelt nicht alle Einnahmen des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis gemeint sind. Der Begriff Bruttomonatsentgelt bezieht sich auf die Zahlungsweise und den Abrechnungszeitraum (vgl. BAG 13. November 2012 – 3 AZR 557/10 – Rn. 23). Für die Berechnung des Vorruhestandsgelds ist das im letzten Monat vor Beginn des Vorruhestands bezogene „Brutto-Arbeitsentgelt”, dh. im Regelfall das im letzten Beschäftigungsmonat bezogene Entgelt maßgeblich. Daraus ergibt sich, dass auf das Jahr bezogene Vergütungsbestandteile für die Berechnung des Vorruhestandsgelds unbeachtlich sein sollen (vgl. BAG 13. November 2012 – 3 AZR 557/10 – Rn. 23). Dementsprechend nimmt § 4 Abs. 1 Satz 2 VorRA tarifliche und betriebliche Sonderzahlungen, die im letzten Monat vor Beginn des Vorruhestands gezahlt werden, bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds ausdrücklich aus.
cc) Die Einbeziehung der jährlichen Tantieme bzw. des Jahresbonus in die Berechnung folgt auch nicht daraus, dass gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 VorRA variable Entgeltbestandteile mit dem monatlichen Durchschnitt der letzten sechs abgerechneten Monate vor Beginn des Vorruhestands berücksichtigt werden. Auf das Jahr bezogene Vergütungsbestandteile stellen keine variablen Entgeltbestandteile in diesem Sinne dar. Dies zeigt die Festlegung des sechsmonatigen Referenzzeitraums. Wäre ein jahresbezogener Vergütungsbestandteil eine Leistung iSv. § 4 Abs. 1 Satz 3 VorRA, würde er nach dem Wortlaut der Bestimmung mit einem Sechstel überproportional in die Berechnung des Vorruhestandsgelds einfließen, wenn er im sechsmonatigen Referenzzeitraum zur Auszahlung gelangte, und im Übrigen keinerlei Berücksichtigung finden. Anhaltspunkte für einen hierauf gerichteten Regelungswillen der normsetzenden Parteien sind nicht erkennbar. Hätten auf das Jahr bezogene (variable) Entgeltbestandteile erfasst werden sollen, so hätte es zur Vermeidung von Zufallsergebnissen einer Durchschnittsberechnung über den Jahreszeitraum bedurft (vgl. BAG 13. November 2012 – 3 AZR 557/10 – Rn. 23).
dd) Dass jahresbezogene Tantieme- und Bonuszahlungen nach dem Regelungswillen der normsetzenden Parteien bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds außer Betracht zu bleiben haben, folgt schließlich auch aus der Protokollnotiz vom 21. Mai 2015. Diese weist keinen eigenständigen Regelungsgehalt auf, gibt aber Aufschluss über das Normverständnis der den Sozialplan schließenden Parteien.
(1) Protokollnotizen normsetzender Parteien haben unterschiedliche Bedeutung. Protokollnotizen von Tarifvertragsparteien können eigenständige tarifliche Regelungen darstellen, können aber auch lediglich den Charakter einer authentischen Interpretation des Tarifvertrags oder eines bloßen Hinweises auf Motive der Vertragschließenden haben. Welcher rechtliche Status ihnen zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Für Protokollnotizen der Betriebsparteien gilt nichts anderes (BAG 2. Oktober 2007 – 1 AZR 815/06 – Rn. 15).
(2) Die Parteien des Sozialplans STREAM haben die darin in Bezug genommen Regelungen des Sozialplans 2012 iVm. § 4 VorRA als solche durch die Protokollnotiz nicht verändert, sondern nur übereinstimmend erklärt, welchen Inhalt sie ihrer Meinung nach haben. Dies zeigt die Formulierung des Einleitungssatzes der Protokollnotiz. Danach soll die „folgende Klarstellung” das dokumentieren, „was mit der Klausel immer schon zum Ausdruck gebracht werden sollte und auch weiterhin gelten soll”. Daraus wird deutlich, dass damit gerade keine selbstständige Bestimmung und bindende Vorgabe zur Berechnung des Vorruhestandsgelds geschaffen werden sollte. Die Frage eines unzulässigen Eingriffs in rechtlich geschützte Positionen der Klägerin durch eine rückwirkende (Neu-)Regelung stellt sich danach nicht (vgl. zur Rückwirkung von Rechtsnormen BAG 27. März 2014 – 6 AZR 204/12 – Rn. 42 ff. mwN, BAGE 147, 373).
(3) In der Protokollnotiz haben die normsetzenden Parteien eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass nach ihrem Normverständnis Tantieme- und Bonuszahlungen bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds von vornherein unberücksichtigt bleiben sollten.
b) Die Nichtberücksichtigung auf das Jahr bezogener Vergütungsbestandteile steht auch dem Sinn und Zweck des Vorruhestandsgelds nicht entgegen. Der Bezug von Vorruhestandsgeld dient typischerweise dazu, Versorgungslücken zu überbrücken, die dadurch entstehen, dass der Anspruchsberechtigte seine Erwerbstätigkeit bei seinem Arbeitgeber vorzeitig beendet. Der Arbeitnehmer soll regelmäßig wirtschaftlich so lange abgesichert sein, bis er das Alter erreicht, in dem Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden (BAG 23. September 2014 – 9 AZR 827/12 – Rn. 32). Durch die Ausklammerung jahresbezogener Leistungen haben die den Sozialplan schließenden Parteien im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative bestimmt, dass es sich hierbei um die Einkommenssituation der Arbeitnehmer nicht prägende Leistungen handelt, welche in die Berechnung des Vorruhestandsgelds nicht einfließen (vgl. zum Spielraum von Sozialplanparteien, nur bestimmte Entgeltbestandteile in die Berechnung einer Abfindung einzubeziehen, selbst wenn dabei im Einzelfall Entgeltvariable außer Betracht bleiben, die auf dem zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung der Arbeitnehmer beruhen BAG 2. Oktober 2007 – 1 AZR 815/06 – Rn. 17).
3. Danach bleibt die jahresbezogene Tantieme bzw. der Jahresbonus bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds außer Ansatz.
a) Tantiemen und Boni sind keine monatlich zu zahlenden Entgeltbestandteile. Sie werden vielmehr auf das Jahr bezogen ermittelt und bleiben deshalb bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds außer Betracht. Dabei kann dahinstehen, ob in Ziff. 5 des Arbeitsvertrags die bei der früheren Arbeitgeberin vereinbarte leistungsabhängige Jahrestantieme festgeschrieben oder die Klägerin in das Vergütungssystem der Beklagten überführt worden ist. Auch die leistungsabhängige Jahrestantieme bei der vormaligen Arbeitgeberin der Klägerin bleibt unberücksichtigt. Denn auch dieser Entgeltbestandteil war nicht auf den Monat, sondern auf das Jahr bezogen zu zahlen.
b) Auch die auf die Tantieme bzw. den Bonus als garantierte Leistung gewährten monatlichen Zahlungen sind nicht Teil des Bruttomonatsentgelts. Es handelt sich hierbei um Teilleistungen auf den Zielbetrag, der jahresbezogen gewährt wird. Damit sind auch die monatlichen Raten Teil einer jahresbezogenen Leistung (vgl. BAG 13. November 2012 – 3 AZR 557/10 – Rn. 27).
4. Die Beklagte ist auch nicht aufgrund einer einzelvertraglichen Zusage verpflichtet, die Tantieme bzw. den Bonus bei der Berechnung des Vorruhestandsgelds zu berücksichtigen. Die Klägerin hat die Voraussetzungen für eine solche vertragliche Vereinbarung nicht hinreichend dargelegt. Sie hat behauptet, der Abteilungsleiter Personal der Beklagten, Herr V, habe Anfang Dezember 2008 im Rahmen der Vertragsverhandlungen die Nachfrage der Klägerin, ob ihr Anspruch auf variable Vergütung bei der Berechnung eines etwaigen künftigen Vorruhestandsgelds Berücksichtigung fände, mit der Begründung bejaht, dass es sich bei der Tantieme um einen variablen Entgeltbestandteil iSv. § 4 VorRA handele. Der behaupteten Erklärung des Herrn V kann nicht entnommen werden, dass er für die Beklagte eine über den Regelungsgehalt des § 4 VorRA hinausgehende rechtliche Verpflichtung begründen wollte. Die auf Nachfrage der Klägerin geäußerte Einschätzung stellt eine rein deklaratorische Wissenserklärung ohne Rechtsbindungswillen und nicht eine Willenserklärung dar (vgl. BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 35, BAGE 152, 164; 14. Februar 2012 – 3 AZR 685/09 – Rn. 59). Die Begründung einer rechtlichen Verpflichtung durch die bloße Erteilung einer Auskunft bedarf deutlicher Anhaltspunkte, die die Klägerin nicht vorgetragen hat.
III. Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Brühler, Krasshöfer, Zimmermann, Faltyn, Matth. Dipper
Fundstellen
Haufe-Index 10148970 |
NJW 2017, 10 |
FA 2017, 92 |
NZA 2017, 264 |
ZTR 2017, 249 |
EzA-SD 2017, 14 |
NZA-RR 2017, 6 |