Entscheidungsstichwort (Thema)
Druckkündigung nach außerdienstlicher Straftat
Leitsatz (amtlich)
Verweigern Beschäftigte die Arbeit, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsverlangen nicht nachkommt, ist eine Kündigung des Betroffenen nicht als sog. „echte” Druckkündigung sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber den Druck und die dadurch drohenden wirtschaftlichen Nachteile nicht zumindest dadurch abzuwehren versucht, dass er die Beschäftigten auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung hinweist und für weitere Zuwiderhandlungen arbeitsrechtliche Maßnahmen in Aussicht stellt.
Orientierungssatz
1. Das ernstliche Verlangen der Belegschaft, die unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, kann auch dann einen Grund zur Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bilden, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt. Eine solche „echte” Druckkündigung unterliegt jedoch strengen Anforderungen. Insbesondere muss sich der Arbeitgeber schützend vor den Betroffenen stellen und alles Zumutbare versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn trotz seiner Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden.
2. Dem Arbeitgeber stehen bei einer Drohung der Belegschaft mit Arbeitsniederlegungen andere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung als bei einer Drohung mit Eigen- oder Auftragskündigungen. Arbeitnehmer, die ihre Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsverlangen nicht nachkommt, verletzen ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Es ist dem Arbeitgeber stets zumutbar, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwer wiegenden, nach Abmahnung ggf. zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht.
3. Hat der Arbeitgeber bereits unwirksam gekündigt und soll der Arbeitnehmer nach erfolgreichem Kündigungsschutzprozess wieder beschäftigt werden, ist der Arbeitgeber außerdem gehalten, dem aufgrund der vorausgegangenen Kündigung möglichen subjektiven Eindruck der weiter eine Entlassung fordernden Mitarbeiter entgegenzuwirken, eine Druckausübung komme ihm „gerade recht”, um doch noch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Er muss deshalb auch dem Kündigungsverlangen als solchem entgegentreten. Der Arbeitgeber muss deutlich machen, dass es für eine Entlassung keinen Grund gibt und dass aus seiner Sicht eine Entlassung ohne das Vorliegen objektiv geeigneter Kündigungsgründe ausgeschlossen ist.
4. Diese Obliegenheiten des Arbeitgebers entfallen nicht etwa dann, wenn Anlass für die Druckausübung eine als moralisch besonders verwerflich empfundene Straftat des Arbeitnehmers ist, die jedoch keinerlei Bezug zu seiner dienstlichen Tätigkeit hat. Der Arbeitgeber ist auch in einem solchen Fall gehalten, dem möglichen Eindruck entgegen zu wirken, er habe für das – unberechtigte – Entlassungsverlangen Verständnis.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers und unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 17. Juni 2015 – 3 Sa 129/14 – im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven – Kammern Bremerhaven – vom 21. Oktober 2014 – 11 Ca 11185/13 – zurückgewiesen hat.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven – Kammern Bremerhaven – vom 21. Oktober 2014 – 11 Ca 11185/13 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Juli 2013 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Die Beklagte betreibt ein Containerterminal und beschäftigt etwa 1.000 Arbeitnehmer. Der Kläger war bei ihr seit November 2007 als Hafenfacharbeiter tätig.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien im September 2011 wegen des Verdachts einer vom Kläger außerdienstlich begangenen Straftat des Missbrauchs eines Kindes. Der Kläger wurde wegen dieser Straftat strafrechtlich verurteilt. Nachdem seine Kündigungsschutzklage in erster Instanz erfolgreich gewesen war, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im April 2012 erneut, da Mitarbeiter eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt hätten. Die Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigungen steht rechtskräftig fest.
Als der Kläger im Juni und Juli 2013 an zwei Tagen zum Arbeitsantritt wieder im Betrieb erschien, weigerten sich Mitarbeiter der Beklagten sowie Arbeitnehmer von auf dem Gelände tätigen Drittfirmen, die Tätigkeit aufzunehmen, solange sich der Kläger auf dem Terminalgelände aufhalte. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. Juli 2013 – nach Anhörung des Betriebsrats – ein weiteres Mal außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat gemeint, es sei weder ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung gegeben, noch sei die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Juli 2013 nicht aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Hafenarbeiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die außerordentliche, jedenfalls aber die ordentliche Kündigung sei rechtswirksam. Durch die Weigerung ihrer Belegschaft sowie der Mitarbeiter von Drittfirmen, ihre Arbeit aufzunehmen, solange sich der Kläger auf dem Terminalgelände aufhalte, habe sie erhebliche wirtschaftliche Schäden erlitten. Sie habe sich mehrfach schützend vor den Kläger gestellt. Sie sei aber nicht verpflichtet, den Mitarbeitern, die sich weigerten, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, Abmahnungen oder gar Kündigungen auszusprechen oder ihnen die Gehälter zu kürzen.
Die Vorinstanzen haben die außerordentliche Kündigung für unwirksam, die ordentliche hingegen für wirksam gehalten. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren hinsichtlich der ordentlichen Kündigung weiter, während die Beklagte mit ihrer Anschlussrevision die vollständige Klageabweisung begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet (I.), während sich die Anschlussrevision der Beklagten als unbegründet erweist (II.). Die Kündigungen der Beklagten vom 23. Juli 2013 haben das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (III.).
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage in Bezug auf die ordentliche Kündigung der Beklagten zu Unrecht abgewiesen. Dies kann der Senat selbst abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat keine Gründe dargetan, die geeignet wären, eine ordentliche Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial zu rechtfertigen. Die Bestimmung findet gem. § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
1. Das ernstliche Verlangen eines Dritten, der unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, kann auch dann einen Grund zur Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bilden, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt. Allerdings unterliegt eine solche „echte” Druckkündigung strengen Anforderungen. Insbesondere darf der Arbeitgeber einem Kündigungsverlangen seitens der Belegschaft oder eines Teils seiner Mitarbeiter nicht ohne Weiteres nachgeben. Er hat sich vielmehr schützend vor den Betroffenen zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen (BAG 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15 – Rn. 28; 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 – Rn. 39). Diese Pflicht verlangt vom Arbeitgeber ein aktives Handeln, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren (BAG 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15 – Rn. 38). Nur wenn trotz solcher Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden (BAG 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15 – aaO; 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 – aaO).
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen einer „echten” Druckkündigung nicht vor. Die Beklagte hat bereits nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in ausreichender Weise versucht, den auf sie ausgeübten Druck anders als durch die streitgegenständliche Kündigung abzuwehren. Diese war daher durch die Drucksituation nicht iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt”.
a) Die Beklagte hat sich nicht darauf berufen, es hätten Arbeitnehmer mit einer Eigenkündigung oder Kunden mit Auftragskündigungen gedroht. Die Drohung von großen Teilen ihrer Belegschaft habe vielmehr darin bestanden, bei einer Arbeitsaufnahme des Klägers (erneut) die Arbeit niederzulegen. Auch eine solche Druckausübung kann zwar, wenn durch sie schwere wirtschaftliche Schäden drohen, grundsätzlich geeignet sein, eine „echte” Druckkündigung zu rechtfertigen. Voraussetzung dafür ist aber auch in einer solchen Konstellation, dass der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare getan hat, um den Druck anderweitig als durch die Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers abzuwenden. Dafür stehen ihm bei einer Drohung mit Arbeitsniederlegungen andere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung als bei einer Drohung mit Eigen- oder Auftragskündigungen. Arbeitnehmer, die die Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsverlangen nicht nachkommt, verletzen ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Es ist dem Arbeitgeber stets zumutbar, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwer wiegenden, nach Abmahnung ggf. zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und dass ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht. Ein solcher Hinweis ist zur Abwendung des Drucks nicht ungeeignet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Arbeitnehmer schon dadurch veranlasst werden, ihre Weigerungshaltung zu überdenken. Jedenfalls kann ohne eine entsprechende Klarstellung des Arbeitgebers nicht davon ausgegangen werden, die Mitarbeiter seien zu weiteren Arbeitsniederlegungen selbst um den Preis finanzieller Einbußen und rechtlicher Nachteile für den Bestand ihrer eigenen Arbeitsverhältnisse bereit.
b) Besondere Anforderungen an das dem Arbeitgeber zumutbare Verhalten, die Belegschaft anders als durch die Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers von ihrer Drohung abzubringen, bestehen zudem dann, wenn der Arbeitgeber bereits unwirksam gekündigt hat und der Arbeitnehmer nach erfolgreichem Kündigungsschutzprozess wieder beschäftigt werden soll. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall gehalten, dem aufgrund der vorausgegangenen Kündigung möglichen subjektiven Eindruck der weiter eine Entlassung fordernden Mitarbeiter entgegenzuwirken, eine Druckausübung komme ihm „gerade recht”, um doch noch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Anderenfalls könnten sich die Mitarbeiter in ihrem Entlassungsverlangen und in ihrer Bereitschaft, diesem durch den Einsatz von Druck zum Erfolg zu verhelfen, noch bestärkt fühlen. Der Arbeitgeber muss deshalb auch dem Kündigungsverlangen als solchem entgegengetreten. Er muss deutlich machen, dass es für eine Entlassung keinen Grund gibt und dass aus seiner Sicht eine Entlassung ohne das Vorliegen objektiv geeigneter Kündigungsgründe ausgeschlossen ist (BAG 19. Juli 2016 – 2 AZR 637/15 – Rn. 41).
c) Diese Obliegenheiten entfallen nicht etwa dann, wenn Anlass für die Druckausübung eine als moralisch besonders verwerflich empfundene Straftat des Arbeitnehmers ist, die jedoch keinerlei Bezug zu seiner dienstlichen Tätigkeit hat. Der Arbeitgeber ist auch in einem solchen Fall gehalten, dem möglichen Eindruck entgegen zu wirken, er habe für das Entlassungsverlangen Verständnis. Nicht nur die Beklagte, sondern auch die betriebsangehörigen Arbeitnehmer haben die gerichtlichen Entscheidungen zu respektieren, wonach eine arbeitsrechtliche Sanktion der vom Kläger begangenen Straftat ausgeschlossen ist. Ein darauf gestütztes Entlassungsverlangen ist daher weder „legitim” noch gar „objektiv gerechtfertigt”.
d) Danach hat die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen nicht alles Zumutbare unternommen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen.
aa) Die Weigerung ihrer Arbeitnehmer, die Arbeit aufzunehmen, solange der Kläger das Gelände des Containerterminals nicht verlassen habe, war rechtswidrig. Nach dem Vortrag der Beklagten haben ihre Repräsentanten die Arbeitnehmer zwar wiederholt gebeten und aufgefordert, die Arbeit wieder aufzunehmen. Sie haben es aber unterlassen, sie auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegungen hinzuweisen und ihnen für weitere Zuwiderhandlungen arbeitsrechtliche Maßnahmen in Aussicht zu stellen. Die Beklagte hat insbesondere nicht in der gebotenen Weise dem möglichen Eindruck entgegengewirkt, sie lasse es selbst Mitarbeitern mit Vorbildfunktion „durchgehen”, sich offen vertragsbrüchig zu verhalten. Gegenüber den die Arbeit ebenfalls verweigernden und ihr gegenüber zu besonderer Loyalität verpflichteten Führungskräften hätte sie eindeutig klarstellen müssen, dass sie gerade auch deren Verhalten nicht billige und sich vorbehalte, darauf zumindest mit einer Entgeltkürzung arbeitsrechtlich zu reagieren. Die allein mit dem Hinweis auf die gerichtlichen Entscheidungen begründete Arbeitsaufforderung konnte sowohl die Führungskräfte als auch die übrige Belegschaft in ihrem Glauben bestätigen, es handele sich letztlich um eine „legitime” Druckausübung, der die Beklagte nicht ernsthaft entgegentreten würde. Die Beklagte hätte überdies klarstellen müssen, dass eine Kündigung mangels objektiv geeigneter Kündigungsgründe ausgeschlossen und sie nicht bereit war, der rechtswidrigen Druckausübung der die Arbeit verweigernden Belegschaft nachzugeben. Auch dem ist sie schon nach ihrem eigenen Vorbringen nicht nachgekommen.
bb) Da die Beklagte gegenüber den die Arbeit verweigernden Arbeitnehmern weder auf die Rechtswidrigkeit von deren Handeln hingewiesen noch ihnen konkrete arbeitsrechtliche Sanktionen angedroht hat und auch ihrem Kündigungsverlangen nicht ausdrücklich entgegen getreten ist, muss nicht entschieden werden, ob und unter welchen Voraussetzungen es einem Arbeitgeber zumutbar ist, die gegenüber den die Arbeit verweigernden Mitarbeitern in Aussicht gestellten Maßnahmen tatsächlich umzusetzen. Allerdings könnte dem nicht mit der Erwägung des Landesarbeitsgerichts begegnet werden, der Arbeitgeber dürfe solche Sanktionen unter Berücksichtigung vermeintlich berechtigter Interessen der Belegschaft für ungeeignet halten. Es gibt kein berechtigtes Interesse an einer rechtswidrigen Arbeitsniederlegung. Der Arbeitgeber hat – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts – auch kein Ermessen bei der Beurteilung, welche Versuche zur Druckabwendung ihm zumutbar sind. Dies bestimmt sich vielmehr, wenn auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, objektiv. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe „glaubhaft dargelegt”, die Weigerungshaltung „der Belegschaft” sei derart massiv und nachhaltig gewesen, dass der Ausspruch von Abmahnungen in der fraglichen Situation nicht als geeignetes Mittel erschienen sei, greift insofern zu kurz. Zwar mag es im Rahmen tatrichterlicher Würdigung liegen, ob der Ausspruch von Abmahnungen unmittelbar in der „aufgeheizten” Situation anlässlich der Arbeitsantritte des Klägers keinen Effekt gehabt hätte. Damit ist aber nicht gesagt, wie massiv und nachhaltig die Weigerungshaltung gewesen wäre, wenn die Beklagte den die Arbeit verweigernden Arbeitnehmern schon im Vorfeld des zweiten Arbeitsantritts des Klägers Abmahnungen wegen der vorhergegangenen Arbeitsverweigerung angedroht oder ausgesprochen und/oder Entgeltkürzungen angedroht und/oder vorgenommen hätte.
cc) Nicht konkret berufen hat sich die Beklagte darauf, inwiefern ihr wirtschaftliche Schäden gerade auch infolge der Arbeitsniederlegung von Mitarbeitern anderer auf dem Gelände tätiger Firmen entstanden sind bzw. künftig zu erwarten gewesen seien. Es kommt daher nicht darauf an, welche anderen zumutbaren Reaktionsmöglichkeiten als eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ihr diesbezüglich zur Verfügung gestanden hätten. In Betracht käme etwa, bei den für den Arbeitseinsatz verantwortlichen Repräsentanten der Drittfirmen eine Einwirkung auf ihre Arbeitnehmer anzumahnen.
II. Die Anschlussrevision der Beklagten, mit der diese die vollständige Abweisung der Kündigungsschutzklage begehrt, erweist sich aus den vorstehenden Erwägungen als unbegründet. Die Beklagte hat keine Gründe dargetan, die geeignet wären, auch nur eine ordentliche Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial zu rechtfertigen. Es fehlt daher erst recht an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung.
III. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits gerichtet. Dieser ist mit der Entscheidung des Senats rechtskräftig abgeschlossen.
IV. Die unterlegene Beklagte hat gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich ihrer erfolglos gebliebenen Rechtsmittel, zu tragen.
Unterschriften
Koch, Niemann, Rachor, K. Schierle, Gerschermann
Fundstellen
Haufe-Index 10494373 |
BAGE 2017, 267 |
BB 2017, 1086 |
DB 2017, 7 |
DB 2017, 915 |