Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Berufung. Druckkündigung
Orientierungssatz
1. Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung auf mehrere, voneinander unabhängige, das Urteil selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Andernfalls ist die Berufung insgesamt unzulässig.
2. Eine „echte Druckkündigung” liegt vor, wenn ein Dritter unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangt, obwohl in dessen Verhalten oder Person keine Umstände vorliegen, die objektiv als Kündigungsgrund geeignet wären. Eine solche Kündigung ist an strenge Voraussetzungen gebunden. Sie kommt nur in Betracht, wenn sich der Arbeitgeber zunächst schützend vor den Betroffenen gestellt und – erfolglos – alles Zumutbare unternommen hat, um den Dritten von seinem Verlangen abzubringen.
3. Die Obliegenheit des Arbeitgebers, sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen, verlangt von ihm ein aktives Handeln, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Dieser Vorgabe genügt er nicht allein dadurch, dass er Gespräche zwischen dem Arbeitnehmer und dem Druck ausübenden Dritten vermittelt.
4. Das Unterlassen eines Angebots auf Durchführung einer Mediation hat jedenfalls dann keinen Einfluss auf die Wirksamkeit einer Druckkündigung, wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm im Kündigungszeitpunkt bekannter Umstände annehmen durfte, eine der Konfliktparteien werde sich der freiwilligen Teilnahme an einem Mediationsverfahren ohnehin verschließen.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1-2, § 4 S. 1, § 7 Hs. 1, § 13 Abs. 1 S. 2; MediationsG § 1 Abs. 2; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Oktober 2015 – 17 Sa 696/15 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen.
Die Beklagte ist Trägerin eines Berufskollegs für Sozialpädagogik. Bei diesem beschäftigt sie regelmäßig zwölf bis dreizehn Lehrkräfte. Die Klägerin ist seit dem 1. August 2012 bei ihr als Lehrkraft für die Fächer Deutsch, Geschichte und Pädagogik angestellt. Ihr war zudem kommissarisch die Leitung der Schule übertragen. Die Beklagte konnte nach Nr. 7 des Dienstvertrags das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich (nur) bei Vorliegen von Entlassungsgründen gemäß § 34 Abs. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) beenden.
Die Beklagte kündigte im Juni 2013 das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos. Nachdem das Arbeitsgericht in einem Vorprozess auf die Unwirksamkeit der Kündigung erkannt hatte, wandten sich die Geschäftsführerin und zehn Mitarbeiter der Beklagten – darunter mehrere Lehrkräfte – mit Schreiben vom 18. November 2013 an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Darin heißt es, die Klägerin sei „aus Gründen des Betriebsfriedens untragbar” und ihre Wiedereingliederung in das Schulsystem könnten die Unterzeichner „nicht akzeptieren”. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde im Januar 2014 rechtskräftig.
Die Klägerin war seit dem 1. Februar 2014 wieder am Berufskolleg beschäftigt. Seither erhielt sie von der Beklagten elf Abmahnungen. Zuletzt war sie als Lehrkraft ohne Leitungsfunktion tätig.
Im September 2014 riefen Schüler des Berufskollegs zu einem „Streik” auf und verweigerten für mehrere Tage die Teilnahme am Unterricht. Mit Schreiben vom 12. September 2014 lastete der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat der Klägerin an, sie habe ehrenrührigen Aussagen „gegen die Schule und das Kollegium” nicht widersprochen. Sie habe es zudem versäumt, im Rahmen des Streiks mäßigend auf die Schüler einzuwirken.
Mit Schreiben vom 14. September 2014 erklärten sieben Lehrkräfte, die Sekretärin und der Hausmeister des Berufskollegs gegenüber der Beklagten, sie lehnten eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin ab. Deren Verhalten gefährde die Schule in ihrer Existenz. Zugleich teilten sie mit, sie würden ihre Arbeitsverhältnisse durch Eigenkündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt” beenden, falls die Beklagte nicht spätestens am 30. September 2014 gegenüber der Klägerin eine – „längst überfällige” – außerordentliche Kündigung erklären werde.
Die Beklagte übermittelte das Schreiben der Klägerin zur Stellungnahme. Diese äußerte sich binnen der ihr gesetzten Frist nicht. Gleichzeitig kündigte die Beklagte gegenüber den Unterzeichnern des Schreibens Vermittlungsbemühungen an und erbat sich hierfür Zeit bis zum 30. Oktober 2014.
Auf Einladung der Beklagten fand am 22. Oktober 2014 ein Gespräch zwischen ihrer Geschäftsführerin, der Klägerin und mehreren Lehrkräften statt. In einer weiteren – in Abwesenheit der Klägerin geführten – Unterredung vom 7. November 2014 erklärten diejenigen Lehrkräfte, die bereits das Schreiben vom 14. September 2014 unterzeichnet hatten, sie blieben bei ihrer Kündigungsabsicht, wenn nicht gegenüber der Klägerin eine „fristlose Kündigung unter Einhaltung der ansonsten geltenden ordentlichen Kündigungsfrist” erklärt werde.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 10. November 2014 außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit „sozialer” Auslauffrist zum 31. Dezember 2014 und „äußerst vorsorglich” ordentlich zum 31. Dezember 2014.
Dagegen hat die Klägerin rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben.
Sie hat geltend gemacht, die Voraussetzungen einer Druckkündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe die Konfliktsituation selbst herbeigeführt, zumindest forciert. Diese habe nicht alles Zumutbare getan, um dem von Seiten der Belegschaft ausgeübten Druck entgegenzuwirken. Andere Kündigungsgründe seien nicht gegeben.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. November 2014 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Verhalten der Klägerin habe zu erheblichen Spannungen innerhalb des Kollegiums geführt, die letztlich in dem Kündigungsverlangen gipfelten. Sämtliche Vermittlungsbemühungen ihrer Geschäftsführerin seien gescheitert. Die Drohungen ihrer Mitarbeiter mit Eigenkündigungen habe sie ernst nehmen müssen. Im Falle ihrer Verwirklichung hätte sie den Schulbetrieb nicht aufrechterhalten können und erhebliche wirtschaftliche Schäden erlitten.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I. Die Revision ist schon deshalb unbegründet, weil die Berufung der Beklagten nicht ausreichend begründet und damit unzulässig war.
1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat (BAG 19. November 2015– 2 AZR 217/15 – Rn. 20).
2. Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben.
a) Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden (BAG 15. August 2002 – 2 AZR 473/01 – zu 2 der Gründe). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es aber nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 17. Februar 2016 – 2 AZR 613/14 – Rn. 13).
b) Hat das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung hinsichtlich eines Streitgegenstands auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen. Es ist deshalb für jede der rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen darzulegen, warum sie nach Auffassung des Berufungsführers die Entscheidung nicht rechtfertigt. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig, da der Angriff gegen eine der Begründungen nicht ausreicht, um die Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen (BAG 19. Oktober 2010 – 6 AZR 118/10 – Rn. 8).
3. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Beklagten nicht. Sie greift zwar die erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich der Würdigung an, die Voraussetzungen einer echten Druckkündigung lägen nicht vor. Dabei setzt sie sich aber nicht mit sämtlichen tragenden Erwägungen des Gerichts auseinander.
a) Das Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sich nicht ausreichend schützend vor die Klägerin gestellt und nicht alles Zumutbare unternommen, um ihre Mitarbeiter von dem Kündigungsverlangen abzubringen. Dafür hat es zwei Begründungen gegeben. Es hat gemeint, das Vorbringen der Beklagten lasse nicht erkennen, dass sie überhaupt zumutbare Maßnahmen zur Abwendung des Drucks ergriffen habe. Sie habe sich auf das Vermitteln von Gesprächen beschränkt, was unzureichend sei. Ihre Aufgabe sei vielmehr gewesen, den Druck ausübenden Arbeitnehmern die sozialen Konsequenzen einer Kündigung für die Klägerin aufzeigen und ihre Absicht zu verdeutlichen, das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis bei Wiederholung abgemahnter Pflichtverletzungen und einem sich daraus ergebenden – objektiv geeigneten – Kündigungsgrund unmittelbar zu beenden. Solche Initiativen seien nicht erkennbar (Erstbegründung). „Im Übrigen” seien angesichts früherer negativer Aussagen der Geschäftsführerin über die Klägerin an die Bemühungen der Beklagten zur Abwendung der Drucksituation gesteigerte Anforderungen zu stellen. Sie habe sich von „Solidaritätsbekundungen” gegenüber Teilen der Lehrerschaft distanzieren und gleichzeitig ihre Fürsorgepflicht gegenüber der Klägerin in den Vordergrund stellen müssen. Das sei nicht geschehen (Zweitbegründung). Beide Erwägungen stehen kumulativ nebeneinander und tragen das arbeitsgerichtliche Urteil jeweils selbständig.
b) Soweit sich die Berufungsbegründung (ab Seite 15) inhaltlich mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandersetzt, geht sie zunächst auf Bedenken ein, die das Arbeitsgericht gegenüber der Ernsthaftigkeit der Ankündigungen der Druck ausübenden Mitarbeiter geäußert hat, ihre Arbeitsverhältnisse durch Eigenkündigung zu beenden. Diesen Zweifeln ist das Arbeitsgericht aber nicht weiter nachgegangen. Es hat sie ausdrücklich für nicht entscheidungserheblich erachtet. Im Folgenden beanstandet die Berufungsbegründung das Übergehen von Sachvortrag und eine Falschbewertung der initiierten Gespräche. Sie führt aus, die Beklagte habe „in Person der Geschäftsführerin” mehrfach verdeutlicht, eine Kündigung sei gegenüber der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt aufgrund fehlender sozialer Rechtfertigung nicht möglich gewesen. Im Übrigen seien den Druck ausübenden Mitarbeitern die der Klägerin erteilten Abmahnungen, wie aus dem Schreiben vom 14. September 2014 ersichtlich, durchaus bekannt gewesen. Gleichwohl hätten diese an ihrem Verlangen festgehalten. Dieses Vorbringen bezieht sich nur auf die vom Arbeitsgericht gegebene Erstbegründung. Es lässt nicht erkennen, dass die Beklagte die Zweitbegründung des Arbeitsgerichts, auf die mit keinem Wort eingegangen wird, überhaupt zur Kenntnis genommen hat, geschweige denn, mit welchen Argumenten sie die Erwägung, sie habe sich von früheren „Solidaritätsbekundungen” distanzieren müssen, hat bekämpfen wollen. Ihr lediglich in pauschaler Form gehaltener Hinweis, sie habe mehr unternommen als die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur echten Druckkündigung verlange, reicht für sich genommen nicht aus.
II. Die Revision ist auch bei materiell-rechtlicher Prüfung des Berufungsurteils unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 10. November 2014 nicht aufgelöst worden ist. An einer darauf gestützten Sachentscheidung war der Senat nicht gehindert. Aus ihr ergeben sich für die Parteien gegenüber einer ausschließlich auf die Unzulässigkeit der Berufung gestützten Revisionszurückweisung keine nachteiligen Folgen (BAG 4. Juni 2003 – 10 AZR 586/02 – zu I 3 der Gründe).
1. Die Kündigungen gelten nicht gemäß § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 13. November 2014 fristwahrend Klage erhoben (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG iVm. § 4 Satz 1 KSchG). In der Klageschrift hat sie deutlich gemacht, dass sie sich mit dem verkürzt formulierten Antrag, der sich auf „die Kündigung vom 10. November 2014” bezieht, gegen sämtliche unter diesem Datum erklärten schriftlichen Kündigungen wenden will.
2. Die Beklagte hat keine Gründe dargetan, die geeignet wären, auch nur eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial zu rechtfertigen. Danach fehlt es erst recht an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, der eine außerordentliche Kündigung – sei es als fristlose, sei es als solche mit (notwendiger) Auslauffrist – begründen könnte. Da die „äußerst hilfsweise” erklärte ordentliche Kündigung in den Anwendungsbereich des allgemeinen Kündigungsschutzes (§ 1 Abs. 1, § 23 KSchG) fällt, ist sie jedenfalls gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG unwirksam. Auf die Regelung in Nr. 7 des Dienstvertrags und die vom Landesarbeitsgericht behandelte Frage, ob ein Entlassungsgrund im Sinne der dort in Bezug genommenen Bestimmungen vorliegt, der es der Beklagten ermöglicht hätte, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen, kommt es nicht an.
a) Das Landesarbeitsgericht hat – der Begründung des Arbeitsgerichts folgend – angenommen, die Beklagte habe keine Gründe im Verhalten oder in der Person der Klägerin schlüssig dargetan, die objektiv – dh. losgelöst von dem Verlangen ihrer Mitarbeiter – geeignet seien, eine Kündigung auch nur als ordentliche zu rechtfertigen. Dagegen erhebt die Revision keine Rügen. Ein Rechtsfehler ist nicht zu erkennen. Die Ausführungen der Beklagten sind, soweit sie sich auf Pflichtverletzungen der Klägerin und deren mangelnde Eignung berufen hat, insgesamt substanzlos. Damit steht zugleich fest, dass die angegriffenen Kündigungen nicht unter dem Gesichtspunkt einer sog. unechten Druckkündigung wirksam sind, bei der es sich um eine Kündigung handelt, die nicht primär wegen des von einem Dritten erzeugten Drucks, sondern wegen eines – behaupteten – objektiven Kündigungsgrundes erklärt wird und bei der das Kündigungsverlangen allenfalls im Rahmen der Interessenabwägung Berücksichtigung finden kann (BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 – Rn. 38). Ob sich die Beklagte auf einen entsprechenden Kündigungssachverhalt berufen könnte, obwohl sie den Betriebsrat – soweit ersichtlich – nicht zu einer Absicht angehört hat, das Arbeitsverhältnis aufgrund von objektiven Gründen im Verhalten und/oder der Person der Klägerin zu kündigen, bedarf keiner Erörterung.
b) Die Voraussetzungen einer echten Druckkündigung liegen nicht vor.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das ernstliche Verlangen eines Dritten, der unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, auch dann einen Grund zur Kündigung bilden, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt (BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 – Rn. 38). Allerdings unterliegt eine solche „echte” Druckkündigung – unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung als betriebsbedingte (so zuletzt BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 – Rn. 44; Bergwitz/Vollstädt DB 2015, 2635) oder personenbedingte Kündigung (zB Kerwer in Boecken/Düwell/Diller/Hanau Gesamtes Arbeitsrecht § 1 KSchG Rn. 589; APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 521; Krause in vHH/L KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 346; ErfK/Oetker 16. Aufl. § 1 KSchG Rn. 184) – strengen Anforderungen. Insbesondere darf der Arbeitgeber einem Kündigungsverlangen seitens der Belegschaft oder eines Teils der Mitarbeiter nicht ohne Weiteres nachgeben. Er hat sich vielmehr schützend vor den Betroffenen zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn trotz solcher Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden. Zu berücksichtigen ist auch das eigene Verhalten des Arbeitgebers. Insbesondere kann er sich nicht auf eine Drucksituation berufen, die er selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat – etwa wenn er für die ablehnende Haltung der Belegschaft gegenüber dem Arbeitnehmer selbst den Anlass gegeben hat (BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 – Rn. 39). Umgekehrt kann auch das Verhalten des Arbeitnehmers von Bedeutung sein. Auch er muss aufgrund der ihn treffenden Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) nach Möglichkeit Nachteile für den Arbeitgeber vermeiden und vermeiden helfen (BAG 26. Januar 1962 – 2 AZR 244/61 – zu II 4 a der Gründe, BAGE 12, 220). Die gegenüber der Druckkündigung vorgebrachten, grundsätzlichen Bedenken (zuletzt SPV/Preis 11. Aufl. Rn. 970; Hamacher NZA 2014, 134; Mareck AA 2014, 85) überzeugen nicht. Auch außerhalb eines unberechtigten Kündigungsverlangens kann ein von dritter Seite ausgeübter unberechtigter Druck den Arbeitgeber zu wirtschaftlichem Handeln zwingen, um den Fortbestand des Betriebs zu sichern (BAG 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 – Rn. 45 f.).
bb) Einer weitergehenden Auseinandersetzung mit der gegenüber der Druckkündigung vorgebrachten Kritik bedarf es nicht. Die streitgegenständlichen Kündigungen werden den besonderen Anforderungen an eine echte Druckkündigung nicht gerecht. Die Beklagte hat bereits nach ihrem eigenen Vorbringen nicht alles Zumutbare unternommen, um ihre Mitarbeiter von dem Kündigungsverlangen abzubringen. Das hat das Landesarbeitsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend erkannt.
(1) Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beklagte sei dem auf sie ausgeübten Druck nicht ausreichend entgegengetreten. Die Unterzeichner des Schreibens vom 14. September 2014 hätten gegenüber der Klägerin massive Vorwürfe erhoben. Nach dem ergebnislosen Verlauf der anschließend geführten Gespräche habe die Beklagte den Konfliktparteien die Durchführung einer Mediation zumindest anbieten müssen. Darin liegende Vermittlungsbemühungen seien nicht von vornherein aussichtslos gewesen. Bei der Geschäftsführerin der Beklagten habe es sich – anders als bei einem Mediator – nicht um eine „neutrale Person” gehandelt. Diese habe ein erhebliches Eigeninteresse gehabt, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin endgültig zu beenden. Es sei nicht auszuschließen, dass das Gespräch vom 22. Oktober 2014 nur deshalb keine Annäherung gebracht habe, weil sich die Klägerin dort einer Übermacht von Kritikern ausgesetzt gefühlt habe und in dieser Lage die Vorhaltungen nur habe zurückweisen können.
(2) Der Streitfall verlangt keine umfassende Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen vor Ausspruch einer Druckkündigung ein Angebot des Arbeitgebers zur Mediation ausnahmsweise geboten sein kann. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts verletzt § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Sie lässt außer Acht, dass sich der Arbeitgeber mit einem Angebot zur Mediation nicht ausnahmslos schützend vor den von einem unberechtigten Kündigungsverlangen betroffenen Arbeitnehmer stellt. Das Angebot kann – wenn überhaupt – erst in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Abwendung des Drucks ausgeschöpft hat, woran es vorliegend fehlt. Unabhängig davon durfte das Landesarbeitsgericht das Angebot nicht für zumutbar erachten ohne zugleich die Frage zu beantworten, ob sich die Klägerin und die Druck ausübenden Arbeitnehmer auf das Angebot mutmaßlich eingelassen hätten. Einer Auseinandersetzung mit den weiteren vom Landesarbeitsgericht angesprochenen Fragen zur Zumutbarkeit einer Kostenübernahme durch den Arbeitgeber und zur Verteilung der prozessualen Darlegungslast bei einem unterbliebenen Mediationsangebot bedarf es nicht.
(a) Ob und unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeiten einer Mediation für die materielle Rechtfertigung einer Druckkündigung Bedeutung gewinnen können, hat das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden.
(b) Im Schrifttum (KDZ/Däubler 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 171; HenkelAuA 2016, 274; Husemann jM 2016, 240; Settekorn ArbRAktuell 2015, 66, 67) und vereinzelt von Instanzgerichten (LAG Schleswig-Holstein 20. März 2012 – 2 Sa 331/11 – Rn. 30) wird – teils ohne nähere Begründung – die Auffassung vertreten, jedenfalls das Angebot zur Durchführung einer Mediation sei zu den Bemühungen zu rechnen, die der Arbeitgeber im Einzelfall ergreifen müsse, um einem unberechtigten Kündigungsverlangen Dritter entgegenzutreten.
(c) Dafür spricht im Ausgangspunkt der Ausnahmecharakter der echten Druckkündigung. Gerechtfertigt ist diese nur, wenn sie sich als „letzter Ausweg” zur Abwendung eines dem Arbeitgeber andernfalls drohenden massiven Schadens darstellt. Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der das gesamte Kündigungsrecht beherrscht (BAG 20. November 2014 – 2 AZR 664/13 – Rn. 15). Die Anforderung an den Arbeitgeber, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen, beruht auf dessen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen der jeweils anderen Vertragspartei (§ 241 Abs. 2 BGB). Die auf dieser Grundlage gebotenen Maßnahmen lassen sich – schon wegen der Vielzahl denkbarer Ursachen, auf denen das Kündigungsverlangen eines Dritten beruhen kann – nicht für alle Sachverhalte abschließend beschreiben. Es ist jedenfalls nicht generell auszuschließen, dass zu diesen Initiativen im Einzelfall auch das Angebot einer Mediation rechnen kann.
(aa) Nach § 1 MediationsG ist die Mediation ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem die Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben. Nach § 1 Abs. 2 MediationsG ist der Mediator eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt. Insbesondere bei Streitigkeiten von Arbeitnehmern untereinander, die der Arbeitgeber allein durch Ausübung seines Weisungsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) nicht zu lösen vermag, kann anerkanntermaßen in der Mediation eine Möglichkeit liegen, selbstbestimmt zufriedenstellende, bisher nicht erkannte Lösungen zur Beilegung des Konflikts zu entwickeln (Henkel/Göhler AuA 2014, 703, 704; Hunold AuA 2015, 216, 217; Ponschab/Dendorfer BB Beilage 2001 Nr. 2, S. 1, 4; Nink Mediation im Arbeitsrecht S. 143; beispielhaft für eine Mediation im Fall einer innerbetrieblichen Drucksituation: Pilartz Mediation im Arbeitsrecht Rn. 395 ff.).
(bb) Allerdings ist ein an die Konfliktparteien gerichtetes Angebot auf Durchführung einer Mediation, das jedenfalls nicht ohne Weiteres den Grundsatz der Freiwilligkeit verletzt (bspw. Husemann jM 2016, 240), dem Arbeitgeber vor einer Druckkündigung nur dann zumutbar, wenn keine objektiven, im Konflikt selbst begründeten Hindernisse vorliegen, die einem solchen Verfahren entgegenstehen. So wird eine Durchführung regelmäßig ausscheiden, wenn die Ursachen für das Kündigungsverlangen in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften der Konfliktparteien und damit in Umständen liegen, die diese nicht steuern können. Entsprechendes gilt, wenn ihnen die für das Verfahren unverzichtbare Offenheit fehlt, bisher nicht erkannte Lösungen zu finden (dazu Nink Mediation im Arbeitsrecht S. 75). Im Hinblick hierauf kann das Unterlassen des Angebots zur Mediation jedenfalls dann nicht zur Unwirksamkeit einer Druckkündigung führen, wenn der Arbeitgeber aufgrund der ihm im Kündigungszeitpunkt bekannten Umstände annehmen durfte, eine der Konfliktparteien würde sich der freiwilligen Teilnahme an einem Mediationsverfahren ohnehin verschließen. Eine darauf bezogene Würdigung lässt das angefochtene Urteil nicht erkennen.
(3) Der Senat kann über die Wirksamkeit der Kündigungen vom 10. November 2014 aufgrund des im Berufungsurteil festgestellten Streitverhältnisses in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Vorbringen und außerhalb des in Rede stehenden Angebots nicht alles Zumutbare versucht, um die Druck ausübenden Arbeitnehmer von ihrem Kündigungsverlangen abzubringen. Darauf ist sie bereits durch die erstinstanzliche Entscheidung hingewiesen worden. Ihre ergänzenden Ausführungen in der Berufungsinstanz lassen keine abweichende Bewertung zu. Weitergehender Sachvortrag steht ersichtlich nicht zu erwarten.
(a) Die Pflicht, sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen, verlangt vom Arbeitgeber ein aktives Handeln, das darauf gerichtet ist, den Druck abzuwehren. Dafür reicht es nicht aus, dass er überhaupt Gespräche mit den die Drohung aussprechenden Arbeitnehmern führt und gegebenenfalls gemeinsame Beratungen zwischen diesen und dem betroffenen Arbeitnehmer moderiert. Er muss vielmehr argumentativ deutlich machen, dass aus seiner Sicht ein objektiver Anlass für eine Kündigung nicht besteht. Ob er mit diesem Standpunkt letztlich durchdringen kann, ist unbeachtlich (BAG 19. Juni 1986 – 2 AZR 563/85 – zu B II 2 b bb der Gründe). Liegen die Ursachen für das Kündigungsverlangen in Konflikten, die sich auf die Zusammenarbeit im Betrieb beziehen, kann der Arbeitgeber überdies gehalten sein, durch Ausübung seines Weisungsrechts auf die involvierten Arbeitnehmer einzuwirken. Das widerspricht, anders als die Beklagte im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint hat, nicht seiner Schutzpflicht gegenüber dem von dem Kündigungsverlangen betroffenen Arbeitnehmer, sondern kann durch diese – je nach den Umständen – sogar geboten sein. Eine mögliche Ausübung des Direktionsrechts zur Auflösung von Streitigkeiten der Arbeitnehmer untereinander liegt im Übrigen typischerweise im originären wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers und kann grundsätzlich nicht als Parteinahme für die eine oder andere Konfliktpartei verstanden werden.
(b) Das eigene Vorbringen der Beklagten wird diesen Anforderungen nicht gerecht. In ihrer E-Mail vom 26. September 2014 hat sie zwar erklärt, sie wolle versuchen, „eine Verständigung herbeizuführen”. Im Hinblick auf die anschließenden Gespräche vom 22. Oktober 2014 und 7. November 2014 hat sie vorgetragen, sie habe versucht, „vermittelnd” auf die Unterzeichner einzuwirken und diesen gegenüber erklärt, sie wolle nichts unversucht lassen, eine konsensuale Lösung zu finden. Tatsächlich erschöpften sich ihre Bemühungen aber darin, der Klägerin Gelegenheit zu geben, zu den ihr gegenüber erhobenen Vorwürfen Stellung zu beziehen. Das reicht nicht aus.
(aa) Den tatsächlichen Ausführungen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass ihre Geschäftsführerin in den Beratungen konkrete Wege zur Verständigung aufgezeigt hätte. Soweit darauf abgestellt wird, die Klägerin habe nichts zur „Deeskalation” beigetragen, verkennt die Beklagte, dass es nicht Aufgabe des betroffenen Arbeitnehmers ist, dem auf den Arbeitgeber ausgeübten Druck entgegenzutreten. Im Übrigen fehlt es an der Darlegung, worin konkret der vermisste Beitrag der Klägerin hätte liegen sollen. Soweit die Beklagte die Beanstandungen hinsichtlich des Verhaltens der Klägerin, beispielsweise im Rahmen des „Schülerstreiks” oder der Kommunikation der Arbeitnehmer untereinander, als berechtigt ansah, hätte sie dies gegenüber den Druck ausübenden Mitarbeitern verdeutlichen müssen. Zugleich hätte sie in Aussicht stellen müssen, in den Grenzen ihres Weisungsrechts das Verhalten der Klägerin zu steuern und bei Verstößen gegen entsprechende Vorgaben die rechtlich zulässigen Konsequenzen zu ziehen.
(bb) Unabhängig davon lassen die Darlegungen der Beklagten nicht erkennen, auf welche Weise sie dem Kündigungsverlangen als solchem entgegengetreten wäre. Dafür hätte sie konkret ausführen müssen, dass sie für eine Entlassung der Klägerin vorläufig keinen Grund sehe und dass eine Kündigung ohne das Vorliegen objektiv geeigneter Kündigungsgründe auch nicht von ihr gewünscht sei. Eine solche Klarstellung oblag ihr unabhängig davon, ob den Druck ausübenden Arbeitnehmern im Zeitpunkt ihres Kündigungsverlangens dessen fehlende objektive Rechtfertigung bewusst war. Diese konnten aufgrund der Äußerungen ihrer Geschäftsführerin im Schreiben vom 18. November 2013 und den zwischenzeitlich erfolgten Abmahnungen den Eindruck gewinnen, das Verlangen komme ihrem Arbeitgeber „gerade recht”. Dem musste die Beklagte argumentativ entgegentreten und ihre Absicht verdeutlichen, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin einstweilen fortzuführen. Soweit die Beklagte behauptet hat, ihre Geschäftsführerin habe sich nach dem Gespräch vom 7. November 2014 „tief betroffen gezeigt”, vermag dies den insoweit gebotenen konkreten Tatsachenvortrag nicht zu ersetzen. Im Übrigen ist schon nicht klar, ob sich das behauptete Empfinden auf das Kündigungsverlangen als solches, auf ein vermeintliches Fehlverhalten der Klägerin oder die konfrontative Auseinandersetzung dazu im Rahmen des Gesprächs vom 22. Oktober 2014 bezog.
cc) Auf das weitergehende Vorbringen der Beklagten zu den Voraussetzungen einer Druckkündigung kommt es danach nicht an.
III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Koch, Rachor, Berger, Söller, A. Claes
Fundstellen
Haufe-Index 9952507 |
BB 2016, 3060 |
DB 2017, 134 |