Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes
Gekündigter Arbeitnehmer klagt auf Weiterbeschäftigung und unterlässt anderweitige Bewerbungen
Die Arbeitgeberin kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis am 23. November 2017 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers wurde erstinstanzlich abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers stellte das Landesarbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung(en) der beklagten Arbeitgeberin nicht aufgelöst worden ist und gab dem Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers statt.
Der Kläger führte im Dezember 2017 bei der Agentur für Arbeit ein persönliches Gespräch, nachdem er zuvor den Zugang der Kündigung(en) mitgeteilt hatte. Aufgrund der außerordentlichen Kündigung verhängte die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit. Danach bezog der Kläger bis zum 25. Januar 2019 Arbeitslosengeld I. Während dieser Zeit unterbreitete die Agentur für Arbeit dem Kläger keine Stellenangebote, weil er dies nicht wünschte und mitgeteilt hatte, er könne sich bewerben, wenn man ihn dazu zwinge. Er werde einem potenziellen Arbeitgeber aber bei Bewerbungen - noch vor einem Vorstellungsgespräch - mitteilen, dass ein Gerichtsverfahren mit dem letzten Arbeitgeber laufe und er unbedingt dort weiterarbeiten wolle. Eigenständige Bemühungen um eine anderweitige Beschäftigung unternahm er in diesem Zeitraum nicht. Die Beklagte hat ihm keine Stellenangebote übermittelt, auf die er sich hätte bewerben und zumutbaren Verdienst erzielen können.
Der Kläger forderte anschließend von der beklagten Arbeitgeberin die Vergütung des ihm nicht ausbezahlten Lohns während der Anhängigkeit der im Ergebnis erfolgreichen Kündigungsschutzklage, aufgrund von Annahmeverzug.
Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes nicht auszuschließen
Das BAG stellte nun fest, dass der Kläger zwar seinen sozialrechtlichen Handlungspflichten nachgekommen sei, indem er sich arbeitssuchend gemeldet habe. Allerdings könne der Vorwurf des „böswilligen Unterlassen anderweitigen Verdienstes“ nicht ausgeschlossen werden. Insoweit habe die Berufungsinstanz, bei der von ihr vorgenommenen Beurteilung der Böswilligkeit, nicht alle wesentlichen Umstände in der Gesamtabwägung berücksichtigt und sie nicht widerspruchsfrei gewürdigt.
Ein Arbeitnehmer unterlässt böswillig i.S.d. § 11 Nr. 2 KSchG anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert.
Bloß formal ordnungsgemäße Arbeitssuchendmeldung nicht ausreichend
Zwar hat im Verfahren grundsätzlich der Arbeitgeber konkrete, zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten nachzuweisen; jedoch trägt der Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt der Bedingungsvereitelung im Weiteren die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Bewerbung auf eine solche Stelle erfolglos gewesen wäre. Im konkreten Fall habe der Arbeitnehmer durch sein Verhalten gegenüber der Agentur für Arbeit verhindert, dass ihm die Beschäftigungsmöglichkeiten tatsächlich angeboten wurden und er Angaben zum Ablauf und den Details einer Bewerbung auf diese Stellen machen kann.
Verhalten der Agentur für Arbeit entlastet den Kläger nicht
Die Mitteilung des Klägers gegenüber der Agentur für Arbeit, er werde einem potenziellen Arbeitgeber bei Bewerbungen mitteilen, dass ein Gerichtsverfahren mit dem letzten Arbeitgeber laufe und er unbedingt dort weiterarbeiten wolle, ist bei der Gesamtabwägung der jeweiligen Interessen zu Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Durch dieses Verhalten habe er es darauf angelegt, dass ihm seitens der Agentur für Arbeit zumutbare Arbeit überhaupt nicht erst angeboten werden konnte. Dass die Agentur für Arbeit damit ihrem Vermittlungsauftrag nicht nachgekommen ist, entlastet den Kläger nicht. Dessen eigenes Verhalten ist zu berücksichtigen.
Da das Landesarbeitsgericht in der Berufungsinstanz diesen Aspekt nicht berücksichtigt hat, hält dessen zur Beurteilung der Böswilligkeit vorgenommene Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen der Überprüfung durch das BAG nicht stand. Das Landesarbeitsgericht muss nun durch eine andere Kammer erneut über die Sache entscheiden (BAG, Urteil v. 7.2.2024, 5 AZR 177/23).
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