Entscheidungsstichwort (Thema)
Zutrittsrecht einer Gewerkschaft zur Dienststelle
Leitsatz (redaktionell)
Dem Beauftragten einer in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft ist der Zutritt zur Dienststelle zu gewähren, wenn dieser Beauftragte auf Ersuchen des Personalrats an einer Besichtigung des Arbeitsplatzes eines Angestellten durch den Personalrat zur Überprüfung der Eingruppierung teilnehmen soll.
Normenkette
BetrVG § 2; ArbGG § 2a; BetrVG § 80 Abs. 1; ArbGG § 48a Abs. 2; PersVG NW § 3 Abs. 4, § 64 Nr. 2, § 2 Abs. 1, § 64 Nr. 5, § 79 Abs. 1; PersVG NW 1974 § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 4, § 64 Nrn. 2, 5, § 79 Abs. 1; PersVG NW § 72 Abs. 1 Nr. 4; PersVG NW 1974 § 72 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 17.11.1987; Aktenzeichen 11 Sa 704/87) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 19.05.1987; Aktenzeichen 1 Ca 2391/86) |
Tatbestand
Mit der Klage begehrt die klagende Gewerkschaft vom beklagten Land Zutritt zum Arbeitsplatz der Angestellten K., die im Bereich der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn beschäftigt und bei der Klägerin organisiert ist. Ziel der Arbeitsplatzbesichtigung ist die Überprüfung, ob die von der Angestellten wahrgenommenen Aufgaben tarifgerecht vergütet werden.
Mit Schreiben vom 9. November 1984 setzte der Personalrat der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität Bonn den Kanzler der Universität davon in Kenntnis, daß er gemäß § 64 Nr. 1, 2 und 5 Landespersonalvertretungsgesetz NW (LPVG) den Arbeitsplatz der gewerkschaftlich organisierten Angestellten K. gemäß § 3 Abs. 4 LPVG zusammen mit dem DAG-Vertreter S. aufsuchen werde. Eine Zustimmung dazu lehnte der Kanzler mit Schreiben vom 12. November 1984 ab. Darauf wandte sich die Klägerin am 13. November 1984 an den Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, der mit Schreiben vom 20. Dezember 1984 nur gestattete, daß Herr S. in seiner Eigenschaft als Rechtsvertreter der Angestellten K. deren Arbeitsplatz überprüft.
Als sich die Klägerin dann unter Berufung auf "das gewerkschaftliche Zutrittsrecht gemäß § 3 Abs. 4 LPVG NRW" mit Schreiben vom 10. Mai 1985 erneut an den Kanzler wandte, um am Arbeitsplatz der Angestellten K. im Beisein eines Personalratsmitgliedes Feststellungen hinsichtlich ihrer tarifgerechten Eingruppierung zu treffen, wies der Kanzler mit Schreiben vom 15. Mai 1985 darauf hin, daß § 3 Abs. 4 LPVG NW der Klägerin kein Zutrittsrecht zur Dienststelle einräume.
Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. September 1985 vor dem Verwaltungsgericht Köln "Klage" erhoben mit dem Antrag,
das beklagte Land zu verurteilen, einem Ver-
treter der Klägerin Zutritt zum Arbeitsplatz
der Angestellten K. zu gewähren, um diesen zu
besichtigen.
Das Verfahren ist zunächst bei der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen geführt worden. Diese hat den Rechtsstreit an eine allgemeine Kammer des Verwaltungsgerichts Köln verwiesen. Das Verwaltungsgericht Köln hat durch Urteil vom 17. Juli 1986 den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Klägerin an das Arbeitsgericht verwiesen.
In dem vor dem Arbeitsgericht fortgeführten Rechtsstreit hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die unterschiedliche Bewertung des Tätigkeitsbereichs der Angestellten K. durch deren Dienstvorgesetzten einerseits und durch den Kanzler der Universität andererseits habe der zuständigen Personalvertretung Anlaß gegeben, sich ein eigenes Bild über deren tarifgerechte Eingruppierung zu verschaffen. Die hierbei aus Gründen der Sachkunde vom Personalrat für erforderlich gehaltene Hinzuziehung des Gewerkschaftsbeauftragten führe für diesen jedenfalls zu einem abgeleiteten Rechtsanspruch auf Zutritt zur Dienststelle. Dieses finde gemäß § 3 Abs. 4 LPVG nur in den unumgänglichen Notwendigkeiten des Dienstablaufs, zwingenden Sicherheitsvorschriften oder dem Schutz von Dienstgeheimnissen seine Grenzen.
Die Klägerin hat weiter die Ansicht vertreten, ihr stehe ein eigenes originäres Zutrittsrecht auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG zu. Danach hätten die Koalitionen das Recht, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern. Eine Arbeitsplatzbesichtigung zum Zwecke der Überprüfung der richtigen Eingruppierung stelle eine konkrete Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen eines Mitglieds dar.
Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, aufgrund
Hinzuziehung durch den Personalrat einem
Vertreter der DAG im Beisein eines Personal-
ratsmitglieds zur Besichtigung des Arbeits-
platzes der Angestellten K. den Zutritt zu
deren Arbeitsplatz innerhalb der Räumlichkei-
ten der Universität Bonn zu gewähren.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Meinung vertreten, ein eigenes Zugangsrecht stehe der Klägerin weder aus Art. 9 Abs. 3 GG noch aufgrund des Landespersonalvertretungsgesetzes NRW zu. Die Klägerin könne aber auch aus abgeleitetem Recht keinen Anspruch auf Überprüfung des Arbeitsplatzes der Angestellten K. geltend machen, da auch der Personalrat selbst kein derartiges Recht habe. Seine Überwachungsaufgaben nach § 64 LPVG NW könnten nicht zu einer Erweiterung von Befugnissen führen, die in den §§ 72, 73 LPVG NW speziell und andersartig ausgestaltet worden seien. Im Zusammenhang mit Höhergruppierungen sei durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte anerkannt, daß der Personalrat nicht verlangen könne, bereits an der einer Eingruppierung vorausgehenden Arbeitsplatzüberprüfung durch die Dienststelle beteiligt zu werden, er müsse vielmehr deren Entschließung abwarten.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Klägerin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt dieses seinen Abweisungsantrag weiter, während die Klägerin um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, daß ein Vertreter der Klägerin auf Ersuchen des Personalrats den Arbeitsplatz der Angestellten K. besichtigen und zu diesem Zweck die Dienststelle betreten kann.
I. Zur Entscheidung über das Klagebegehren sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig.
1. Das Verwaltungsgericht hat durch rechtskräftiges Urteil die Zulässigkeit des zunächst zu ihm beschrittenen Rechtsweges verneint und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen. An die Entscheidung, daß die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zuständig sind, sind die Gerichte für Arbeitssachen nach § 48 a Abs. 2 ArbGG gebunden. Da für das Klagebegehren offensichtlich die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit nicht zuständig sind, bleibt aufgrund der bindenden Verneinung der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges nur die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.
Die Bindung an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht deswegen entfallen, weil die Klägerin vor dem Arbeitsgericht ihren Antrag um die Worte "aufgrund Hinzuziehung durch den Personalrat" erweitert hat. Darin liegt keine Klageänderung, so daß dahingestellt bleiben kann, ob mit einer Klageänderung nach Verweisung die Bindungswirkung der Verweisungsentscheidung entfällt (vgl. BGH Beschluß vom 14. Juni 1962 - III ARZ 117/62 - NJW 1962, 1819).
Eine Klageänderung liegt nur vor, wenn sich der Streitgegenstand des Verfahrens ändert. Dieser wird nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt durch den Klagegrund und den daraus hergeleiteten, im Antrag umschriebenen prozessualen Anspruch. Dabei ist Klagegrund derjenige Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger seinen Klageanspruch herleitet.
Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin schon in ihrer an das Verwaltungsgericht gerichteten "Klage" vorgetragen, daß der Personalrat den Arbeitsplatz der Angestellten K. zum Zwecke der Überprüfung ihrer Eingruppierung besichtigen und dazu einen Beauftragten der Klägerin hinzuziehen wolle. Aus diesem Sachverhalt hat die Klägerin ein Recht gegen das beklagte Land hergeleitet, daß ihrem Beauftragten der Zutritt zur Dienststelle zu gewähren sei. Darauf, mit welchen rechtlichen Erwägungen die Klägerin dieses Recht begründet hat, kommt es nicht an. Auch wenn die Klägerin die Ansicht vertreten hat, ihr Zutrittsrecht ergebe sich schon aus Art. 9 Abs. 3 GG, ändert das nichts daran, daß Streitgegenstand des anhängig gemachten Verfahrens von Anfang an die Frage war, ob einem Beauftragten der Klägerin auf Ersuchen des Personalrats Zutritt zur Dienststelle zu gewähren ist, um hier den Arbeitsplatz der Angestellten K. überprüfen zu können. Welche Rechtsvorschrift geeignet ist, dieses Klagebegehren zu begründen, entscheidet allein das Gericht. Der Kläger kann die Prüfung seines Klagebegehrens nicht auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage beschränken.
2. Über das Begehren der Klägerin haben die Vorinstanzen zutreffend im Urteilsverfahren entschieden.
Das Beschlußverfahren vor den Arbeitsgerichten findet nur in den in § 2 a Abs. 1 ArbGG genannten Angelegenheiten statt. Zu diesen Angelegenheiten gehört das Begehren der Klägerin nicht. Eine entsprechende Anwendung von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, wonach in Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz das Beschlußverfahren stattfindet, auf Angelegenheiten aus dem Personalvertretungsrecht, käme allenfalls dann in Betracht, wenn über die Angelegenheit aus dem Personalvertretungsrecht auch die Fachkammern für Personalvertretungssachen der Verwaltungsgerichte im Beschlußverfahren entscheiden würden. Das ist hinsichtlich des Klagebegehrens nach § 79 Abs. 1 LPVG NW nicht der Fall. Die Frage, ob einem Beauftragten der Klägerin - wenn auch auf Ersuchen des Personalrats - ein eigenes Zutrittsrecht zur Dienststelle zusteht, ist keine Frage der Zuständigkeit und Geschäftsführung der Personalvertretung im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 3 LPVG NW.
II. Die Klage ist auch begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Personalrat selbst habe das Recht, den Arbeitsplatz der Angestellten K. zu besichtigen und er sei befugt, hierzu einen Vertreter der Klägerin zur Unterstützung hinzuzuziehen. Die Befugnis des Personalrats folge aus § 64 Nr. 2 und 5 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 LPVG NW. Sei wie im vorliegenden Fall die zutreffende Anwendung tarifvertraglicher Regelungen zu überprüfen, so sei der Personalrat nach § 64 Nr. 2 LPVG NW berechtigt, sich im Rahmen des Möglichen und des der Dienststelle Zumutbaren selbst Informationen zu beschaffen; dazu gehöre auch das Aufsuchen des Arbeitsplatzes einzelner Arbeitnehmer. Überdies sei der Personalrat nach § 64 Nr. 5 LPVG NW nicht nur berechtigt, sondern darüber hinaus auch verpflichtet, zunächst in eigener Zuständigkeit die Berechtigung von Beschwerden zu überprüfen, bevor er sich an den Leiter der Dienststelle wende. Dem stehe weder die gesetzliche Regelung des § 72 Abs. 1 Nr. 4 LPVG NW über die Mitbestimmung des Personalrats bei Ein- und Umgruppierungen entgegen noch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach eine Arbeitsplatzüberprüfung durch die Dienststelle keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme sei, mit der Folge, daß der Personalrat keinen Anspruch darauf habe, zu einer derartigen Arbeitsplatzüberprüfung hinzugezogen zu werden. Der Personalrat könne beim Aufsuchen des Arbeitsplatzes der Angestellten K. auch die Klägerin wegen deren größerer Sachkunde hinzuziehen; die Unterstützungsfunktion der Gewerkschaften ergebe sich aus § 2 Abs. 1 und 3 LPVG NW.
2. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung zu folgen.
a) Nach § 3 Abs. 4 LPVG NW ist den Beauftragten der in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften nach Unterrichtung des Leiters der Dienststelle Zugang zu der Dienststelle zu gewähren "zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse". Auf ausdrücklich zugewiesene Befugnisse kann das Zutrittsrecht der Klägerin nicht gestützt werden. Das Landesarbeitsgericht hat daher zu Recht nur geprüft, ob sich das Zutrittsrecht aus der Generalklausel des § 2 Abs. 1 LPVG NW "Unterstützung der Zusammenarbeit von Dienststelle und Personalrat" ergeben kann. Dabei hat das Berufungsgericht im Unterstützungsrecht nach § 2 Abs. 1 LPVG NW zu Recht eine Aufgabe und Befugnis im Sinne des § 3 Abs. 4 LPVG NW gesehen. Dieser zuerst vom Landesarbeitsgericht Hamm zum Verhältnis der entsprechenden Bestimmungen im Betriebsverfassungsgesetz (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Abs. 1) entwickelten Auffassung (LAG Hamm Beschluß vom 9. März 1972 - 8 Ta BV 2/72 - AP Nr. 1 zu § 2 BetrVG 1972) ist die nahezu einhellige Meinung im Schrifttum gefolgt (vgl. die umfassenden Nachweise bei Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 2 Rz 95 ff. und Klosterkemper, Das Zugangsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb, 1980, S. 42 ff.; ferner Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 2 Rz 48; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 2 Rz 98; für das BPersVG: Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand September 1988, § 2 Rz 19; zum LPVG NW: Havers, LPVG NW, 6. Aufl., § 3 Erl. 15; Krieg/Orth/Welkoborsky, LPVG NW, 4. Aufl., § 3 Anm. 4). Insbesondere Richardi (Anm. zu AP Nr. 1 und Nr. 2 zu § 2 BetrVG 1972) hat näher dargelegt, daß die Vorschrift des § 2 Abs. 2 BetrVG eine wesentliche Zielrichtung des neuen Rechts ausdrücken soll. Sein erheblicher Inhalt besteht gerade darin, daß die Generalklausel in § 2 Abs. 1 BetrVG eine rechtliche Grundlage für das in § 2 Abs. 2 BetrVG garantierte Zugangsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb gibt. Für das Verhältnis des in den Personalvertretungsgesetzen inhaltsgleich geregelten Zugangsrechts der Gewerkschaften zur Dienststelle zu der ebenfalls inhaltsgleich geregelten Generalklausel über die Unterstützung der Zusammenarbeit von Dienststelle und Personalvertretung kann nichts anderes gelten.
Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß ein Zugangsrecht zur Unterstützung der Betriebs- bzw. Personalratsarbeit davon abhängt, ob und inwieweit der Betriebsrat bzw. Personalrat sich gewerkschaftlicher Unterstützung bedienen will. Wird aber eine im Betrieb bzw. in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft vom Betriebs- oder Personalrat um Unterstützung gebeten, steht ihr ein Zugangsrecht als sogenanntes "akzessorisches Zugangsrecht" zu (LAG Hamm, aa0, mit zustimmender Anm. von Richardi; Schwerdtner, JZ 1974, 455, 458; Klosterkemper, aa0, S. 43 f.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 2 Rz 52, mit weiteren Nachweisen).
b) Der Betriebsrat bzw. Personalrat kann sich allerdings nur in solchen Angelegenheiten der gewerkschaftlichen Unterstützung bedienen, die sich im Rahmen seiner ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben halten (LAG Hamm, aa0; Klosterkemper, aa0, S. 43, mit weiteren Nachweisen).
Die Angelegenheit, in der sich der Personalrat im vorliegenden Fall der gewerkschaftlichen Unterstützung bedienen will, hält sich im Rahmen seiner ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben.
aa) Nach § 64 Nr. 2 LPVG NW hat der Personalrat u.a. die allgemeine Aufgabe, darüber zu wachen, daß die zugunsten der Beschäftigten geltenden Tarifverträge durchgeführt werden. Es gehört somit auch zum Aufgabenbereich des Personalrats, darüber zu wachen, daß die Anlage 1 a zum BAT zutreffend angewandt wird, d.h. ob eine Eingruppierung zutreffend erfolgt ist. Ihm müssen deshalb alle die Befugnisse eingeräumt werden, die erforderlich sind, um dieser Aufgabe sachgerecht nachzukommen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß, wenn - wie im vorliegenden Fall - die tatsächliche Feststellungen bedingende Anwendung tarifvertraglicher Bestimmungen zu überprüfen ist, die Personalvertretung berechtigt sein muß, sich im Rahmen des Möglichen und des der Dienststelle Zumutbaren selbst Informationen zu beschaffen. Dazu kann auch das Aufsuchen des Arbeitsplatzes einzelner Arbeitnehmer gehören einschließlich der Überprüfung, welches die von ihnen zu erledigenden Aufgaben sind. Das Landesarbeitsgericht hat in diesem Zusammenhang auch zu Recht ausgeführt, daß § 65 Abs. 1 LPVG NW, wonach der Personalrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten ist, dem nicht entgegensteht. Die Regelung beschränkt nicht die Möglichkeit, auf andere Weise Informationen einzuholen, insbesondere sich an Ort und Stelle selbst durch eigene Anschauung eine Vorstellung darüber zu verschaffen, ob den tarifvertraglichen Regelungen hinreichend Rechnung getragen worden ist oder nicht. Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend darauf hingewiesen, daß der Personalrat auch nach § 64 Nr. 5 LPVG NW berechtigt ist, zunächst in eigener Zuständigkeit die Berechtigung von Beschwerden von Beschäftigten zu überprüfen, bevor er sich an den Leiter der Dienststelle wendet. Eine solche Prüfung setzt aber eigene Feststellungen zum Sachverhalt voraus.
bb) Das Berufungsgericht folgt damit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den den §§ 64 Nr. 2 und 65 Abs. 1 LPVG NW entsprechenden, inhaltsgleichen Bestimmungen der §§ 80 Abs. 1 Nr. 1 und 80 Abs. 2 BetrVG. § 80 Abs. 2 BetrVG gewährt dem Betriebsrat ein umfassendes, d.h. erschöpfendes Informationsrecht gegenüber dem Arbeitgeber, damit er gegenüber den Arbeitnehmern die ihm obliegende soziale Schutzfunktion erfüllen kann (BAGE 24, 349 = AP Nr. 1 zu § 80 BetrVG 1972; BAGE 25, 292 = AP Nr. 3 zu § 80 BetrVG 1972; vgl. zur entsprechenden Bestimmung des § 68 Abs. 2 BPersVG ähnlich BVerwG Beschluß vom 27. Februar 1985 - 6 P 9.84 - DVBl. 1985, 748). Die Vorschrift des § 80 Abs. 2 BetrVG enthält keine abschließende Regelung dahin, daß sich der Betriebsrat allein über den Arbeitgeber die notwendigen Informationen beschaffen kann. Es kann auch ein Zugangsrecht zum Arbeitsplatz in Betracht kommen. Der Zweck des Zugangs zum Arbeitsplatz und seinem Umfeld muß allerdings auf die Erfüllung der zugrunde liegenden Aufgaben bezogen sein (für das Überprüfungsrecht der Jugendvertretung nach § 70 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, der inhaltlich wiederum dem § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG entspricht: Beschluß des Sechsten Senats vom 21. Januar 1982, BAGE 37, 348, 351 = AP Nr. 1 zu § 70 BetrVG 1972, zu III der Gründe; ähnlich für den Betriebsrat: Schlochauer, Festschrift für G. Müller, S. 459, 463 ff.; für den Personalrat: Wahsner, RiA 1986, 73, 75 ff.; vgl. weiter Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 80 Rz 29 a; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aa0, § 80 Rz 5 und § 70 Rz 9; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 68 Rz 14; Krieg/Orth/Welkoborsky, LPVG NW, 4. Aufl., § 64 Anm. 2).
cc) Der Personalrat bedarf auch keiner Zustimmung des Leiters der Dienststelle, bevor er im Rahmen seiner Aufgaben einzelne Arbeitsplätze betritt und Beschäftigte am Arbeitsplatz aufsucht (a.A. OVG Saarland, PersV 1977, 146; VGH Kassel, NJW 1985, 2779). Es besteht kein Anlaß, wegen eines möglichen oder denkbaren Rechtsmißbrauchs prinzipiell anerkannte Rechte der Personalräte an Voraussetzungen zu binden, die geeignet sind, deren Ausübung wesentlich zu erschweren (Wahsner, RiA 1986, 73, 78 f.).
dd) Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß der Befugnis des Personalrats, im Rahmen seiner Überwachungsaufgaben nach § 64 Nr. 2 LPVG NW auch einzelne Arbeitsplätze in Augenschein zu nehmen, weder die besondere gesetzliche Regelung des § 72 Abs. 1 Nr. 4 LPVG NW noch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegensteht, wonach eine Arbeitsplatzüberprüfung durch die Dienststelle keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme ist, mit der Folge, daß der Personalrat keinen Anspruch darauf hat, zu einer derartigen Arbeitsplatzüberprüfung hinzugezogen zu werden (BVerwG Beschluß vom 6. Februar 1979 - 6 P 20.78 - DVBl. 1979, 469). Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, daß die Aufgaben des Personalrats nach § 64 Nr. 2 und 5 LPVG NW einerseits und § 72 Abs. 1 Nr. 4 LPVG NW andererseits unterschiedliche Regelungsbereiche betreffen, die sich innerhalb ihres jeweiligen Anwendungsgebietes nicht gegenseitig ausschließen. Die "allgemeinen Aufgaben" des Personalrats (§ 64 LPVG NW) stehen selbständig neben den Aufgaben des Personalrats, die dieser im Rahmen der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte wahrzunehmen hat (Lorenzen/Haas/Schmitt, aa0, § 68 Rz 2, mit weiteren Nachweisen). Wenn auch aus dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei einer Eingruppierung nicht das Recht folgen mag, schon an einer von der Dienststelle veranlaßten Arbeitsplatzüberprüfung beteiligt zu werden, so besagt das doch nicht, daß nicht der Personalrat aus eigenem Recht überprüfen kann, ob ein Angestellter zutreffend eingruppiert ist, und zu diesem Zweck auch selbst den Arbeitsplatz überprüfen darf.
Zu Unrecht beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 50, 176 und 186), daß der Personalrat kein Recht habe, gerichtlich feststellen zu lassen, in welche Gehaltsgruppe ein Arbeitnehmer eingestuft werden solle, und auf die Rechtsprechung des Senats, daß aus der Aufgabe des Betriebsrats, über die Durchführung der in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG genannten Vorschriften zu wachen, kein Anspruch folge, vom Arbeitgeber die zutreffende Durchführung dieser Vorschriften verlangen zu können (Beschluß vom 10. Juni 1986, BAGE 52, 150 = AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972). Darum geht es im vorliegenden Fall der umstrittenen Arbeitsplatzbesichtigung zum Zwecke der Überprüfung der zutreffenden Eingruppierung nicht. Eine Arbeitsplatzbesichtigung durch den Personalrat ist deswegen nicht überflüssig. Der Senat hat in der zuletzt genannten Entscheidung (zu B IV 2 der Gründe) gerade darauf hingewiesen, daß der Betriebsrat zwar darauf beschränkt sei, eine Nichtbeachtung oder fehlerhafte Durchführung von Tarifverträgen beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen, das Betriebsverfassungsgesetz aber davon ausgehe, daß der Arbeitgeber einer berechtigten Beanstandung in aller Regel auch Rechnung tragen werde. Für den Leiter einer Dienststelle kann nichts anderes gelten.
3. Damit erweist sich die Revision des beklagten Landes als unbegründet. Diese war mit der Kostenfolge aus § 97 ZP0 zurückzuweisen.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Breier Dr. Wohlgemuth
Fundstellen
Haufe-Index 437422 |
DB 1989, 1528 (LT1) |
DOK 1990, 193 (K) |
Gewerkschafter 1989, Nr 7, 38-38 (T) |
RdA 1989, 196 |
USK, 8903 (LT1) |
ZTR 1989, 285-286 (LT1) |
AP § 2 LPVG NW (LT1), Nr 1 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung VA Entsch 2 (LT1) |
AR-Blattei, ES 530.5.1 Nr 2 (LT1) |
EzA § 2 BetrVG 1972, Nr 12 (LT1) |
EzBAT §§ 22, 23 BAT A, Arbeitsplatzbesichtigung Nr 1 (LT1) |
PersR 1989, 138-140 (LT1) |
PersV 1990, 174-176 (LT1) |
VR 1989, 350-351 (KT) |
ZfPR 1989, 146 (L) |