Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsbefreiung bei Niederkunft der Lebensgefährtin
Leitsatz (amtlich)
Ein Angestellter einer Landesversicherungsanstalt in den neuen Bundesländern kann weder nach § 616 BGB iVm. § 52 Abs. 1 Buchst. a BAT-TgRV-O noch nach § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O bezahlte Freistellung aus Anlaß der Niederkunft seiner mit ihm nicht verheirateten Lebensgefährtin verlangen. Die Beschränkung des Anspruchs auf die Niederkunft der Ehefrau verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG.
Normenkette
BAT-TgRV-O § 52 Abs. 1, 3; BGB § 616; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 3 Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2, 5
Verfahrensgang
LAG Brandenburg (Urteil vom 31.03.1999; Aktenzeichen 6 Sa 794/9) |
ArbG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 07.10.1998; Aktenzeichen 6 Ca 1637/98) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 31. März 1999 – 6 Sa 794/98 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsfortzahlung für die Zeit, in der der Kläger aus Anlaß der Niederkunft seiner mit ihm nicht verheirateten Lebensgefährtin freigestellt war.
Der Kläger ist seit dem 13. Juli 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung in den neuen Bundesländern (TgRV-O) Anwendung. § 52 BAT-TgRV-O lautet, soweit hier von Interesse, wie folgt:
„§ 52 Arbeitsbefreiung
(1) Als Fälle nach § 616 BGB, in denen der Angestellte unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen im nachstehend genannten Ausmaß von der Arbeit freigestellt wird, gelten nur die folgenden Anlässe:
a) |
Niederkunft der Ehefrau |
1 Arbeitstag, |
b) |
Tod des Ehegatten, eines Kindes oder Elternteils |
2 Arbeitstage, |
c) |
Umzug aus dienstlichem oder betrieblichem Grund an einen anderen Ort |
1 Arbeitstag, |
d) |
25-, 40- und 50-jähriges Arbeitsjubiläum |
1 Arbeitstag, |
e) |
schwere Erkrankung |
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|
aa) |
eines Angehörigen, soweit er in demselben Haushalt lebt |
1 Arbeitstag im Kalenderjahr |
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bb) |
eines Kindes, das das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wenn im laufenden Kalenderjahr kein Anspruch nach § 45 SGB V besteht oder bestanden hat |
bis zu 4 Arbeitstage im Kalenderjahr |
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cc) |
einer Betreuungsperson, wenn der Angestellte deshalb die Betreuung seines Kindes, das das 8. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung dauernd pflegebedürftig ist, übernehmen muß |
bis zu 4 Arbeitstage im Kalenderjahr. |
…
(3) Der Arbeitgeber kann in sonstigen dringenden Fällen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung (§ 26) und der in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen bis zu drei Arbeitstagen gewähren.
In begründeten Fällen kann bei Verzicht auf die Bezüge kurzfristige Arbeitsbefreiung gewährt werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es gestatten.
…
Protokollnotizen:
…
2. Zu den „begründeten Fällen” im Sinne des Absatzes 3 Unterabsatz 2 können auch solche Anlässe gehören, für die nach Absatz 1 kein Anspruch auf Arbeitsbefreiung besteht (z.B. Umzug aus persönlichen Gründen).
…”
Der Kläger lebte bis zum 4. September 1998 mit seiner jetzigen Ehefrau in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Am 5. August 1998 wurde die gemeinsame Tochter Michelle geboren. Am 20. Mai 1998 hatte der Kläger bei der Beklagten Sonderurlaub für den voraussichtlichen Tag der Niederkunft beantragt. Nachdem die Beklagte diesen Antrag abgelehnt hatte und zunächst auch nicht bereit war, unbezahlte Freistellung zu gewähren, machte der Kläger die begehrte Freistellung im Wege der einstweiligen Verfügung geltend. In diesem Verfahren einigten sich die Parteien auf die Gewährung von Arbeitsbefreiung für einen Arbeitstag, ohne jedoch eine Vergütungsregelung zu treffen. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Vergütung für den Tag der Freistellung in unstreitiger Höhe von 128,87 DM.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach § 52 Abs. 1 Buchst. a BAT-TgRV-O stehe ihm für den Tag der Freistellung Vergütungsfortzahlung zu. Die tarifliche Differenzierung zwischen der Geburt eines ehelichen und eines nichtehelichen Kindes verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Nach Art. 6 GG und dem Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 seien eheliche und nichteheliche Kinder gleichzustellen. Jedenfalls stehe ihm die Vergütung nach § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O zu. Die Niederkunft der Lebensgefährtin sei ein „sonstiger dringender Fall” im Sinne dieser Bestimmung. Das dem Arbeitgeber nach der tariflichen Regelung grundsätzlich eingeräumte Ermessen sei in diesem Fall zugunsten des Anspruchs auf bezahlte Freistellung „auf null reduziert”, weil die Beklagte zu gewährleisten habe, daß das nichteheliche Kind gegenüber dem ehelichen Kind hinsichtlich der väterlichen Betreuung in keiner Weise benachteiligt werde.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 128,87 DM brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus errechnenden Nettobetrag seit dem 16. September 1998.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, nach der tariflichen Regelung bestehe bei der Niederkunft der Lebensgefährtin kein Anspruch auf bezahlte Freistellung. Diese Regelung trage dem größeren Pflichtenkreis der verheirateten Angestellten Rechnung. Sie verstoße deshalb nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Rechtsbeziehung zwischen dem nichtehelichen Kind und seinem Vater werde dadurch, daß für die Freistellung keine Vergütung gewährt werde, nicht wesentlich berührt. Auf § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O könne der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht stützen. Diese Bestimmung erfasse nur Fälle, die nicht bereits durch § 52 Abs. 1 BAT-TgRV-O abbedungen seien. Das dem Arbeitgeber durch die Vorschrift eingeräumte Ermessen sei auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und des Kindschaftsrechtsreformgesetzes nicht „auf null reduziert”. Bei der Ermessensentscheidung sei zu berücksichtigen gewesen, daß dem Kläger im Zeitpunkt der Niederkunft unstreitig noch fünfzehn Tage Erholungsurlaub zustanden, die er hätte in Anspruch nehmen können. Unabhängig davon sei das Umgangsrecht gegenüber dem nichtehelichen Kind grundsätzlich auch bei der Gewährung unbezahlter Freistellung gewährleistet.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils als unbegründet abgewiesen.
Nach § 616 BGB iVm. § 52 Abs. 1 Buchst. a BAT-TgRV-O steht dem Kläger Vergütungsfortzahlung für den Tag der Freistellung nicht zu, da er im Zeitpunkt der Niederkunft mit seiner jetzigen Ehefrau nicht verheiratet war. Die Beschränkung des Anspruchs auf verheiratete Angestellte verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 5 GG. Die Beklagte schuldet die geltend gemachte Vergütung auch nicht nach § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O. Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger für den Tag der Niederkunft seiner mit ihm nicht verheirateten damaligen Lebensgefährtin lediglich unbezahlte Freistellung zu gewähren, war nicht ermessensfehlerhaft.
I. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 616 BGB iVm. § 52 Abs. 1 Buchst. a BAT-TgRV-O.
1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts scheidet § 616 BGB als Anspruchsgrundlage nicht aus. Diese Bestimmung ist durch § 52 BAT-TgRV-O nicht insgesamt abbedungen. Die tarifliche Regelung, die mit der seit dem 1. Juli 1996 geltenden Vorschrift in § 52 BAT wortgleich ist, bestimmt nur, welche Verhinderungsfälle aus dem persönlichen Bereich des Angestellten als Gründe für bezahlte Freistellung nach § 616 BGB gelten. Anspruchsgrundlage für die Fortzahlung der Vergütung ist daher – anders als nach § 52 BAT in der bis zum 30. Juni 1996 geltenden Fassung, der § 616 BGB insgesamt verdrängte(BAG 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – BAGE 54, 210) – § 616 BGB. Allerdings besteht der Anspruch nur in den in § 52 Abs. 1 BAT-TgRV-O genannten Fällen und in dem dort vorgesehenen Umfang. Andere Fälle der Arbeitsverhinderung aus Gründen, die in der Person des Angestellten liegen, können einen Vergütungsanspruch nach § 616 BGB nicht begründen. Nur insoweit ist § 616 BGB durch § 52 Abs. 1 Buchst. a BAT-TgRV-O abbedungen(vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Januar 2001 § 52 Erl. 2.1). Die Einschränkung der anspruchsbegründenden Verhinderungsfälle auf die in § 52 Abs. 1 BAT-TgRV-O genannten Anlässe begegnet keinen rechtlichen Bedenken, denn § 616 BGB ist tarifdispositiv(st. Rspr. vgl. BAG 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – BAGE 54, 210, 212; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler BAT Stand Dezember 2000 § 52 Erl. 5; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO).
2. Nach § 616 Satz 1 BGB verliert der Angestellte den Anspruch auf Vergütung nicht, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert wird. Die Niederkunft der Ehefrau gilt nach § 52 Abs. 1 Buchst. a BAT-TgRV-O als Anlaß iSd. § 616 BGB, den Angestellten unter Fortzahlung der Vergütung für einen Arbeitstag von der Arbeit freizustellen. Auf diese Vorschrift kann der Kläger seinen Anspruch nicht stützen, weil er im Zeitpunkt der Niederkunft mit seiner jetzigen Ehefrau nicht verheiratet war. Die Niederkunft der nichtehelichen Lebenspartnerin wird von der tariflichen Regelung nicht erfaßt(BAG 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – BAGE 54, 210, 212, zu der bis zum 30. Juni 1996 geltenden Bestimmung in § 52 Abs. 2 Buchst. e BAT; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO Erl. 3.2; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler aaO Erl. 6). Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Tarifnorm, die den Anspruch ausdrücklich nur für die Niederkunft der Ehefrau bestimmt.
Auch die Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der tariflichen Vorschriften führt nicht zu einer für den Kläger günstigeren Auslegung. Zwar sieht § 52 Abs. 1 BAT-TgRV-O Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung ua. auch bei schwerer Erkrankung eines Angehörigen, soweit er in demselben Haushalt lebt, vor (Buchst. e Doppelbuchst. aa). Der Anspruch besteht somit auch bei der Erkrankung der im Haushalt des Angestellten lebenden Lebensgefährtin. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß auch die Freistellung nach Buchst. a auf die Niederkunft der Lebensgefährtin zu erstrecken wäre. Die Regelung in § 52 Abs. 1 Buchst. a, b und e BAT-TgRV-O unterscheidet hinsichtlich der jeweiligen Freistellungsanlässe nach Ehegatten, Kindern, Eltern, Angehörigen und Betreuungspersonen. Aus dieser Differenzierung nach bestimmten Personengruppen ergibt sich, daß der Freistellungsanspruch nach Buchst. a auf den dort ausdrücklich bestimmten Fall der Niederkunft der Ehefrau beschränkt ist. Dies wird durch die Entstehungsgeschichte der Tarifnorm bestätigt. Den Tarifvertragsparteien war bei der Neuregelung des § 52 BAT-TgRV-O in der ab dem 1. Juli 1996 geltenden Fassung die einschlägige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Februar 1987(– 8 AZR 430/84 – aaO) zu § 52 BAT aF, die einen Anspruch auf bezahlte Freistellung bei der Niederkunft der nichtehelichen Lebensgefährtin verneinte, bekannt. Daß sie als Anlaß für die Freistellung dennoch weiterhin ausdrücklich nur die Niederkunft der Ehefrau genannt haben, kann nur bedeuten, daß sie einen solchen Anspruch bei der Niederkunft der mit dem Angestellten nicht verheirateten Lebensgefährtin gerade nicht gewähren wollten.
3. Die Beschränkung des Anspruchs auf verheiratete Angestellte verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 6 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 5 GG.
a) Der Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln(vgl. etwa BAG 15. Januar 1955 – 1 AZR 305/54 – BAGE 1, 258, 260 ff.; 20. April 1977 – 4 AZR 732/75 – BAGE 29, 122; 13. November 1985 – 4 AZR 234/84 – BAGE 50, 137, 141 ff.; 30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68). Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden läßt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung die Regelung als willkürlich anzusehen ist(vgl. BVerfG 19. Juli 1972 – 2 BvL 7/71 – BVerfGE 33, 367, 384; 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39, 58). Der Gleichheitsgrundsatz wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund ergibt(BVerfG 17. Dezember 1953 – 1 BvR 147/52 – BVerfGE 3, 58, 135; 12. April 1972 – 2 BvR 704/70 – BVerfGE 33, 44, 51; 26. März 1980 – 1 BvR 121, 122/76 – BVerfGE 54, 11, 25 f.; 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – aaO; 8. April 1987 – 2 BvR 909/82 ua. – BVerfGE 75, 108, 157; BAG 1. Juni 1983 – 4 AZR 566/80 – AP BGB § 611 Deputat Nr. 5; 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – aaO; 30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68).
b) Für die Beschränkung des Freistellungsanspruchs auf die Niederkunft der Ehefrau besteht ein sachlicher Grund. Die Tarifregelung trägt dem Umstand Rechnung, daß den verheirateten Angestellten im Gegensatz zum unverheirateten Angestellten die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft trifft (§ 1353 Abs. 1 BGB). Diese umfaßt die Pflicht zum gegenseitigen Beistand und zur Betreuung der hochschwangeren Ehefrau(vgl. Palandt/Brudermüller BGB 60. Aufl. § 1353 Rn. 9 mwN). Der verheiratete Angestellte befindet sich daher im Gegensatz zum unverheirateten Angestellten in einer Pflichtenkollision. Die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft kollidiert mit den Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Der Auflösung oder Milderung dieser Pflichtenkollision dient § 52 Abs. 1 Buchst. a BAT-TgRV-O. Dieser Unterschied berechtigte die Tarifvertragsparteien, den unverheirateten Angestellten nicht in die Regelung einzubeziehen. Darin liegt keine Verletzung des Gleichheitssatzes(BAG 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – BAGE 54, 210, 214; BVerwG 19. Juni 1997 – 2 C 28/96 – BVerwGE 105, 94 zu § 12 Abs. 2 der bis April 1997 geltenden Sonderurlaubsverordnung iVm. § 52 Abs. 2 Buchst. e BAT aF).
Das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S 2942) hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Dadurch wurde die Rechtsstellung des nichtehelichen Kindes und seiner Eltern, insbesondere durch Einführung eines gemeinsamen Sorgerechts auch für nicht miteinander verheiratete Eltern (§§ 1626, 1626 a BGB) und die Neuregelung des Umgangsrechts (§ 1684 BGB), verstärkt. Eine mit § 1353 Abs. 1 BGB vergleichbare Verpflichtung der nichtehelichen Lebenspartner untereinander wurde dadurch aber nicht geschaffen. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist nach wie vor durch ihre fehlende umfassende Rechtsverbindlichkeit und die Möglichkeit der jederzeitigen Beendigung der Partnerschaft gekennzeichnet. Die Vorschriften des Eherechts sind auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht anwendbar (Palandt/Brudermüller aaO vor § 1297 Rn. 11 und 18). Damit gelten im Verhältnis der nicht miteinander verheirateten Lebenspartner zueinander auch nicht die Pflichten aus § 1353 Abs. 1 BGB. Dies rechtfertigt die Ungleichbehandlung des unverheirateten Angestellten gegenüber dem verheirateten Angestellten in § 52 Abs. 1 Buchst. a BAT-TgRV-O. Denn die Freistellung erfolgt nach dem Tarifwortlaut nicht wegen der Geburt des Kindes, sondern wegen der Niederkunft der Ehefrau. Die Regelung knüpft daher, worauf das Landesarbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat, nicht primär an das Verhältnis des Angestellten zu seinem Kind, sondern an sein Verhältnis zur Kindesmutter an. Dieses ist bei verheirateten Angestellten durch die in § 1353 BGB normierten Pflichten, insbesondere die Beistandspflicht, geprägt. Diese trifft den mit der Kindesmutter nicht verheirateten Angestellten nicht.
c) Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 5 GG.
aa) Zwar bildet der Kläger auch als nichtehelicher Vater mit seinem Kind eine Gemeinschaft, die den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG genießt(BVerfG 8. Juni 1977 – 1 BvR 265/75 – BVerfGE 45, 104, 123). Auch kann ihm, da er mit Kind und Mutter zusammenlebt, das Recht aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht abgesprochen werden(BVerfG 24. März 1981 – 1 BvR 1516/78 ua. – BVerfGE 56, 363, 384; BAG 25. Februar 1987 – 8 AZR 480/84 – BAGE 54, 210, 215). Diese Rechte führen jedoch nicht zu einer Verpflichtung des Staates, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen(BVerfG 1. April 1998 – 2 BvR 1478/97 – NJW 1998, 2043). Die Tarifvertragsparteien trifft keine weitergehende Verpflichtung. Deshalb zwingt diese Rechtslage die Tarifvertragsparteien nicht dazu, auch dem nichtehelichen Vater einen Anspruch auf bezahlte Freistellung aus Anlaß der Niederkunft der Kindesmutter zu gewähren. Eine solche Verpflichtung folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 5 GG, wonach den nichtehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und ihre seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen sind wie den ehelichen Kindern. Zwar ist die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien auch durch die besonderen Wertentscheidungen des Art. 6 GG beschränkt. Gegen diesen Grundsatz verstößt die tarifliche Regelung jedoch nicht. Zwar sind sowohl der eheliche als auch der nichteheliche Vater mit ihren Kindern verwandt. Beide genießen die Rechte aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 GG. Dennoch waren die Tarifvertragsparteien nicht gehindert, den Anspruch auf bezahlte Freistellung nur dem Angestellten zuzuwenden, der auf Grund der Ehe und damit eines weiteren familienrechtlichen Verhältnisses von der Kindesmutter auf Beistand in Anspruch genommen werden kann(BAG 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – BAGE 54, 210, 215).
bb) Der Kläger wird durch die tarifliche Regelung nicht in seinem Sorge- und Umgangsrecht (§§ 1626, 1684 BGB) gegenüber seinem Kind beeinträchtigt. Weder die Ausübung des Sorgerechts noch das Umgangsrecht bedingen die bezahlte Freistellung des Angestellten aus Anlaß der Niederkunft der Kindesmutter. Beide Rechte werden üblicherweise außerhalb der Arbeitszeit ausgeübt. Sie erfordern grundsätzlich auch nicht die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt des Kindes. Zwar entspricht es dem von ärztlicher Seite unterstützten Wunsch vieler Eltern, daß der werdende Vater bei der Geburt seines Kindes zugegen ist. Dies ist jedoch nicht davon abhängig, daß ihm bezahlte Freistellung gewährt wird. Der Angestellte kann diesen Wunsch auch durch Inanspruchnahme von Erholungsurlaub oder durch unbezahlte Freistellung verwirklichen(vgl. BVerfG 1. April 1998 – 2 BvR 1478/97 – aaO; 8. Januar 1998 – 1 BvR 1872/94 – EzBAT § 52 Nr. 27). Darauf ist er auch bei anderen für ihn bedeutsamen persönlichen Anlässen, zB der eigenen Eheschließung, angewiesen. Damit ist den Rechten des Klägers aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, §§ 1626, 1684 BGB und dem Recht seines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 5 GG hinreichend Rechnung getragen(aA Struck, Anm. zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – BB 1987, 1608). Im übrigen dient der Freistellungsanspruch nach § 52 Abs. 1 Buchst. a BAT-TgRV-O nicht in erster Linie dem Zweck, dem Angestellten die Teilnahme an der Geburt seines Kindes zu ermöglichen. Die Freistellung erfolgt nach dem Tarifwortlaut nicht wegen der Geburt des Kindes, sondern aus Anlaß der Niederkunft der Ehefrau. Sie dient dazu, dem Angestellten die Erfüllung in einem solchen Fall denkbarer Beistandspflichten aus § 1353 Abs. 1 BGB zu erleichtern. Deshalb muß der tarifliche Freistellungsanspruch auch nicht am Tag der Geburt des Kindes verwirklicht werden(BAG 12. Dezember 1973 – 4 AZR 75/73 – AP BGB § 616 Nr. 44 = EzA BGB § 616 Nr. 8).
II. Der Vergütungsanspruch ergibt sich nicht aus § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O. Nach dieser Bestimmung kann der Arbeitgeber in sonstigen dringenden Fällen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung bis zu drei Arbeitstagen gewähren. Ob die Niederkunft der Lebensgefährtin ein „sonstiger dringender Fall” iSd. § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O sein kann oder ob von dieser Bestimmung nur Fälle erfaßt werden, die nicht bereits durch § 52 Abs. 1 BAT-TgRV-O geregelt sind(vgl. dazu Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler aaO Erl. 13; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO Erl. 7.2), kann dahinstehen. Denn die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger aus Anlaß der Niederkunft seiner Lebensgefährtin lediglich unbezahlte Freistellung zu gewähren, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O besteht nicht in jedem „sonstigen dringenden Fall” Anspruch auf bezahlte Freistellung. Vielmehr „kann” der Arbeitgeber den Angestellten unter Fortzahlung der Vergütung freistellen. Ob der Arbeitgeber dabei die Grundsätze billigen Ermessens (§ 315 Abs. 3 BGB) zu beachten hat oder ob er in seiner Entscheidung frei ist, kann für den vorliegenden Fall offenbleiben. Die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger keine bezahlte Freistellung zu gewähren, entspricht billigem Ermessen.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das dem Arbeitgeber durch § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O eingeräumte Ermessen bei Niederkunft der Lebensgefährtin des Angestellten nicht „auf null reduziert”. Ansonsten bestünde in diesem Fall stets ein Anspruch auf bezahlte Freistellung. Dieses Ergebnis widerspräche jedoch dem Willen der Tarifvertragsparteien, die einen Anspruch auf bezahlte Freistellung ausdrücklich nur bei der Niederkunft der Ehefrau vorgesehen haben.
3. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bei der Ermessensausübung nach § 52 Abs. 3 Unterabs. 1 BAT-TgRV-O sei abzuwägen, ob der Verhinderungsgrund es geboten erscheinen lasse, den Angestellten nicht auf unbezahlte Freistellung oder die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub zu verweisen. Dem ist jedenfalls für Fälle der vorliegenden Art, in denen der Grund für die Arbeitsverhinderung in der persönlichen Sphäre des Angestellten liegt, zuzustimmen. Denn persönliche Angelegenheiten sind grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit und nicht auf Kosten des Arbeitgebers zu erledigen(vgl. BVerwG 19. Juni 1997 – 2 C 28/96 – aaO).
Das Landesarbeitsgericht hat es als nicht ermessensfehlerhaft angesehen, den Kläger auf die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub bzw. unbezahlte Freistellung zu verweisen. Damit werde dem Vater-Kind-Verhältnis, auf das der Kläger seinen Anspruch stütze, hinreichend Rechnung getragen. Dadurch werde er in die Lage versetzt, sein Umgangsrecht wahrzunehmen und seiner Umgangspflicht gegenüber dem Kind nachzukommen. Die Einkommenseinbuße in Höhe eines Tagesverdienstes von 128,87 DM stelle keine derart schwerwiegende Beeinträchtigung dar, daß sie den Umgang mit dem Kind ernsthaft beeinträchtigen könne. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß der Kläger, dem im Zeitpunkt der Niederkunft seiner nichtehelichen Lebensgefährtin unstreitig noch 15 Tage Erholungsurlaub zustanden, die Einkommenseinbuße durch Inanspruchnahme eines Urlaubstages hätte vermeiden können.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, R. Kamm, Kapitza
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 18.01.2001 durch Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2001, 1640 |
BB 2001, 313 |
DB 2001, 1672 |
NWB 2001, 291 |
FamRZ 2001, 1366 |
ARST 2001, 70 |
FA 2001, 253 |
FA 2001, 88 |
NZA 2002, 47 |
ZTR 2001, 421 |
AP, 0 |
EzA |
NJ 2002, 109 |
PersR 2001, 393 |
PersV 2002, 555 |
ZMV 2001, 83 |
ZfPR 2001, 118 |
AuS 2001, 60 |