Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 113 Abs 1 InsO und Erfordernis der Zustimmung des Betriebsrats zu betriebsbedingten Kündigungen
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats:
"§ 113 Abs 1 InsO und "Beschäftigungssicherung" durch "Ergänzungstarifvertrag", nach der der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen befristet nur mit Zustimmung des Betriebsrates möglich ist."
2. Auslegung der §§ 19, 20 des Manteltarifvertrages für die Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg vom 28.03.1992.
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. November 1998 -
15 Sa 87/98 - aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des
Arbeitsgerichts Stuttgart vom 18. Juni 1998 - 6 Ca 2374/98 -
abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob der Beklagte als Konkursverwalter über das Vermögen der A GmbH berechtigt war, auf der Grundlage von § 113 InsO das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende (hier 31. Mai 1998) zu kündigen, obwohl der "Ergänzungstarifvertrag zur Beschäftigungssicherung" vom 11. Juni 1997 vorsieht, daß der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen durch die spätere Gemeinschuldnerin bis einschließlich des 30. Juni 1998 nur mit Zustimmung des Betriebsrates möglich ist.
Der am 17. Dezember 1946 geborene Kläger trat am 5. April 1965 als Polsterer in die Dienste der Gemeinschuldnerin. Der monatliche Bruttolohn des Klägers belief sich zuletzt auf 5.039,00 DM. Er ist Gewerkschaftsmitglied. Am 11. Juni 1997 vereinbarten die Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin, die Gewerkschaft Holz und Kunststoff Bezirksleitung Baden-Württemberg, der Verband der Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg "und in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat der A GmbH ... in Ausführung des § 20 MTV der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie vom 28. März 1992" den "Ergänzungstarifvertrag zur Beschäftigungssicherung".
Dieser Ergänzungstarifvertrag bestimmt ua.:
"§ 1 Geltungsbereich
Räumlich: Für die Firma A GmbH, F.
Persönlich: Für alle Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer und
Auszubildende
Tarifgebundenheit: Tarifgebunden sind gem. § 3 Tarifvertragsgesetz
die Mitglieder der Gewerkschaft Holz und Kunststoff und die Firma
A GmbH als tarifgebundenes Mitglied des Verbandes der
Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg.
§ 2 Betriebliche Sonderzahlung
In Abänderung des Tarifvertrages über die Betriebliche
Sonderzahlung (13. Monatseinkommen) der Holzindustrie und
Kunststoffverarbeitung Baden-Württemberg vom 1. April 1997 wird
die Betriebliche Sonderzahlung für das Jahr 1997 auf 40 % eines
nach dem Durchschnitt der abgerechneten Lohn- bzw.
Gehaltszeiträume, die voll in das laufende Kalenderjahr fallen,
berechneten Monatseinkommens festgesetzt.
Alle übrigen Bestimmungen des vorgenannten Tarifvertrages bleiben
unverändertbzw. werden entsprechend angewendet.
§ 3 Beschäftigungssicherung
Der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen durch die A GmbH
bis einschl. des 30. Juni 1998 ist nur mit Zustimmung des
Betriebsrates möglich.
§ 4 Arbeitszeit
1. Die wöchentliche Arbeitszeit bei der Firma A GmbH wird vom
1. Juli bis 1. Dezember 1997 gemäß § 5 des
Manteltarifvertrages für die Holzindustrie und
Kunststoffverarbeitung in Baden-Württemberg vom 28. März 1992
mit 35 Stunden/Woche festgelegt.
2. Zusätzlich wird allen Mitarbeitern der Firma A GmbH im
Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.1997 und im Rahmen der zu Ziff. 1
genannten Wochenarbeitszeit eine bezahlte
Freizeit/Freischichten in Höhe von insgesamt 60,5 Stunden
gewährt.
3. Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit gemäß Ziff. 1
wie die Lage und Verteilung der Freizeit/Freischichten werden
durch Betriebsvereinbarung festgelegt. Dabei sind die Lage und
die Verteilung der Freizeit/Freischichten gemäß Ziff. 2 so
festzulegen, daß sie bis zum 31.12.1997 erledigt sind.
§ 5 Laufzeit
Die Bestimmungen dieses Ergänzungstarifvertrages gelten befristet
bis zum 31. Dezember 1997; sie entfalten, ausgenommen die
Bestimmung zur Beschäftigungssicherung und dem dort angegebenen
Zeitrahmen, keine Nachwirkung."
Der Ergänzungstarifvertrag wurde auch vom Betriebsrat unterzeichnet.
Am 20. Februar 1998 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der A GmbH eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. In einer Besprechung vom 17. Februar 1998 wurde dem Betriebsrat die Betriebsstillegung zum 31. Mai 1998 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 20. Februar 1998 wandte sich der Beklagte an den Betriebsrat und bezeichnete dieses Schreiben formell als Anhörungsschreiben. Der Betriebsrat bestätigte mit Schreiben vom 25. Februar 1998, daß er zur betriebsbedingten Kündigung aller Mitarbeiter angehört worden sei. Nach der in der Berufungsverhandlung durch den Kläger abgegebenen Erklärung hat der Betriebsrat im Anschluß an das Schreiben vom 25. Februar 1998 ein weiteres Schreiben an den Beklagten mit dem sinngemäßen Inhalt abgesandt, der Betriebsrat stimme den Kündigungen nicht zu.
Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 25. Februar 1998, das dem Kläger am 26. Februar 1998 zuging, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Hinweis auf § 113 Abs. 1 InsO zum 31. Mai 1998. Die Kündigung erfolge aus betriebsbedingten Gründen, da der Betrieb der A GmbH iK zum 31. Mai 1998 stillgelegt werde. Eine Beschäftigungsmöglichkeit über diesen Zeitraum hinaus bestehe nicht. Am 8. Mai 1998 wurden ein Interessenausgleich und ein Sozialplan abgeschlossen. Nach Ziff. 8 des Interessenausgleichs bleiben die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Beendigung der Arbeitsverhältnisse unberührt. Unter der Ziff. 2 Abs. 2 ist angeführt:
"Die Parteien sind sich darüber einig, daß sich diese
Kündigungsfrist für alle bereits gekündigten Arbeitnehmer um einen
Monat auf den 30.06.1998 verlängert."
Mit seiner beim Arbeitsgericht am 18. März 1998 eingegangenen Klage hat der Kläger ua. geltend gemacht, der Betriebsrat habe die nach dem Ergänzungstarifvertrag für betriebsbedingte Kündigungen erforderliche Zustimmung zur Kündigung des Klägers nicht erteilt.
Der Kläger hat beantragt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch
die Kündigung vom 25. Februar 1998 nicht beendet worden ist.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Kündigung unter Hinweis auf § 113 InsO verteidigt. Diese Bestimmung lasse eine Kündigung mit der festgelegten Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende auch dann zu, wenn dem Arbeitnehmer ansonsten nur mit Zustimmung des Betriebsrats gekündigt werden könne. Das tarifvertragliche Zustimmungserfordernis wirke wirtschaftlich wie eine länger bemessene Kündigungsfrist. Wende man den Ergänzungstarifvertrag voll auf den Beklagten in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter an, so sei der Ausspruch einer Kündigung vor dem 1. Juli 1998 nicht möglich gewesen, da der Betriebsrat keine Zustimmung erteilt habe. Eine Kündigung hätte erst am 1. Juli 1998 zum 31. Oktober 1998 erfolgen können. Dies entspreche im Hinblick auf die Konkurseröffnung am 20. Februar 1998 einer Kündigungsfrist von acht Monaten. Dies könne in Ansehung der Höchstfristregelung des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht richtig sein.
Das Arbeitsgericht hat der ursprünglich weitergehenden Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten hinsichtlich des noch anhängigen Kündigungsfeststellungsantrags zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Beklagte durfte das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsschluß nach § 113 Abs. 1 InsO kündigen mit der Folge, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung des Beklagten vom 25. Februar 1998 mit Ablauf des 31. Mai 1998 an sich geendet hätte, tatsächlich aber wegen Ziff. 2 Abs. 2 des Interessenausgleichs am 30. Juni 1998 sein Ende gefunden hat.
I. Die besondere Klagefrist des § 113 Abs. 2 InsO hat der Kläger gewahrt. Das Kündigungsschreiben vom 25. Februar 1998 ist dem Kläger am 26. Februar 1998 zugegangen. Die Klage ist am 18. März 1998 beim Arbeitsgericht eingegangen und dem Beklagten am 1. April 1998, also "demnächst" iSd. § 270 Abs. 3 ZPO zugestellt worden. Der Kläger hat sich bereits in der Klageschrift auf die entgegen dem Ergänzungstarifvertrag fehlende Zustimmung des Betriebsrats zu der ihm gegenüber ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung berufen.
II. Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis gem. § 113 Abs. 1 InsO wirksam zum 31. Mai 1998 gekündigt, wobei die Kündigung gem. Ziff. 2 Abs. 2 des Interessenausgleichs zum 30. Juni 1998 wirkt. § 3 des Ergänzungstarifvertrages ist dahin einschränkend auszulegen, daß jedenfalls dann, wenn im Falle der Insolvenz wegen Betriebsstillegung allen Arbeitnehmern betriebsbedingt gekündigt werden muß, die Zustimmung des Betriebsrats zu diesen betriebsbedingten Kündigungen nicht erforderlich ist.
1. Entgegen der Revision ist der Beklagte in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter an die für die Gemeinschuldnerin geltenden Tarifverträge grundsätzlich gebunden. Das gilt auch für den Ergänzungstarifvertrag. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend gesehen. Es hat auf die Entscheidung des Senats vom 28. Januar 1987 (- 4 AZR 150/86 - AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 14) abgestellt. In dieser Entscheidung hat der Senat ausgeführt, daß die Tarifgebundenheit auch über die Konkurseröffnung hinaus weiter besteht. Dabei ist es unerheblich, ob der Konkursverwalter die Arbeitnehmer weiterbeschäftigt oder den Betrieb der Gemeinschuldnerin einstellt. Das gilt grundsätzlich auch für den hier in Rede stehenden Tarifvertrag.
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch richtig erkannt, daß § 113 Abs. 1 InsO § 3 des Ergänzungstarifvertrages nicht verdrängt. Es handelt sich dabei nicht um einen - zeitweisen - tarifvertraglichen Ausschluß ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen.
Die Revision verkennt, daß § 3 Ergänzungstarifvertrag nicht eine Beschränkung der individualrechtlichen Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitgebers und damit des Konkursverwalters darstellt. Eine Veränderung des materiellen Kündigungsrechts liegt nicht vor. Es handelt sich vielmehr um eine verfahrensmäßige Absicherung des individuellen Kündigungsschutzes auf der kollektiven Ebene. Es werden die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Verhältnis zur bloßen Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG und zum Widerspruchsrecht nach § 102 Abs. 3 BetrVG durch eine zusätzliche verfahrensmäßige Hürde verstärkt (vgl. ErfK/Hanau/Kania § 102 BetrVG Rn. 13). § 113 Abs. 1 Satz 1 InsO verdrängt lediglich längere einzelarbeitsvertragliche Kündigungsfristen (vgl. Zweiter Senat 3. Dezember 1998 - 2 AZR 425/98 - AP InsO § 113 Nr. 1) und längere tarifvertragliche Kündigungsfristen (Senat 16. Juni 1999 - 4 AZR 191/98 - NZA 1999, 1331 = FA 1999, 409 insoweit nur Leitsätze veröffentlicht auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) und einzelarbeitsvertraglich vereinbarte Unkündbarkeit und tarifvertraglich vereinbarte Unkündbarkeit sei es in der Form des Ausschlusses oder der Beschränkung der ordentlichen Kündigung (Senat 19. Januar 2000 - 4 AZR 70/99 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Man kann insoweit von einer "unendlich langen Kündigungsfrist" sprechen. Diese ist durch § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO auf höchstens drei Monate begrenzt worden. Hinsichtlich der Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 16. Juni 1999 (- 4 AZR 191/98 - aaO). Für tarifvertragliche Kündigungsbeschränkungen oder Kündigungsausschlüsse gilt insoweit nichts anderes. Um eine tarifvertragliche Verlängerung der Kündigungsfrist handelt es sich bei § 3 des Ergänzungstarifvertrages nicht. Diese Bestimmung ist keine Unkündbarkeitsklausel. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, werde, wie in § 3 des Ergänzungstarifvertrages, der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig gemacht, werde davon nicht die Länge der Kündigungsfrist berührt, sondern allein der Zeitpunkt des Ausspruchs einer Kündigung determiniert. Ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats könne eine Kündigung rechtswirksam nicht erklärt werden. So ähnele diese kollektivrechtliche Regelung sonderkündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen wie § 103 BetrVG, §§ 15, 21 SchwbG, § 9 Abs. 3 MuSchG, § 18 Abs. 1 BErzGG. Auch bei diesen hänge der Ausspruch einer rechtswirksamen Kündigung davon ab, ob die Zustimmung erteilt oder ersetzt worden sei oder andere Wirksamkeitsvoraussetzungen beachtet worden seien. Auch beim Eingreifen sonderkündigungsschutzrechtlicher Regelungen werde der mögliche Beendigungszeitpunkt hinausgeschoben, da erst die Zustimmung eingeholt und ggf. in einem gerichtlichen Verfahren erstritten werden müsse. Auch im Konkurs/in der Insolvenz sind der allgemeine und der besondere Kündigungsschutz vom Konkursverwalter/Insolvenzverwalter zu beachten. Das gilt auch für gesetzliche Anhörungserfordernisse wie das der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG. Das entspricht der herrschenden Meinung (vgl. nur HK-Irschlinger § 113 InsO Rn. 5; Smid/R. Müller InsO § 113 Rn. 66; ErfK/Müller-Glöge § 113 InsO Rn. 24). Für Zustimmungserfordernisse gilt nichts anderes. Sie spielen nicht nur im Bereich des besonderen Kündigungsschutzes eine Rolle (so vgl. zB § 103 BetrVG, §§ 15 ff. SchwbG), sondern können auf einer Betriebsvereinbarung iSd. § 102 Abs. 6 BetrVG oder eben, wie hier, auf Tarifvertrag beruhen. Dem steht nicht entgegen, daß sich § 3 des Ergänzungstarifvertrages nach Auffassung des beklagten Konkursverwalters im Ergebnis dahin auswirke, daß er frühestens am 1. Juli 1998 die Kündigung zum 31. Oktober 1998 habe anbringen können. Es handele sich um einen kollektivrechtlich vereinbarten Ausschluß der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, der von § 113 InsO erfaßt werde. Daß § 3 des Ergänzungstarifvertrages wie eine zeitlich befristete Kündigungssperre wirken kann, ist lediglich ein Reflex dieser Bestimmung. Mit ihr sind betriebsbedingte Kündigungen nicht von vornherein ausgeschlossen worden. Sie wurden lediglich von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig gemacht.
3. Ob § 3 des Ergänzungstarifvertrages andererseits deshalb unwirksam sein kann, weil dort keine Lösungsmöglichkeit für den Fall der Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebsrat geregelt ist oder ob insoweit § 102 Abs. 6 BetrVG oder § 17 des Manteltarifvertrages ergänzend heranzuziehen sind, kann dahinstehen. Denn § 3 des Ergänzungstarifvertrages ist dahin einschränkend auszulegen, das jedenfalls dann, wenn im Falle der Insolvenz allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wegen Betriebsstillegung gekündigt werden muß, die Zustimmung des Betriebsrats zu diesen betriebsbedingten Kündigungen nicht erforderlich ist. Darauf hat der Beklagte im Ergebnis zutreffend hingewiesen.
a) Dabei kann es auch dahinstehen, ob es sich bei dem Ergänzungstarifvertrag um einen Firmentarifvertrag, einen firmenspezifischen Verbandstarifvertrag oder zumindest auch um eine Betriebsvereinbarung handelt. Denn aus dem normativen Charakter der Betriebsvereinbarung folgt, daß ihre Auslegung den Regeln über die Auslegung von Tarifverträgen folgt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vgl. zB 8. November 1988 - 1 AZR 721/87 - BAGE 60, 94; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. § 77 Rn. 15 mwN).
b) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. zB Senat 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - BAGE 73, 364).
c) Der Wortlaut des § 3 des Ergänzungstarifvertrages läßt zwar ein Verständnis zu, daß diese Bestimmung uneingeschränkt auch im Konkurs/Insolvenzfall gelten soll. Die Bestimmung als solche enthält keinerlei Einschränkung. Dieser Betrachtungsweise steht aber entgegen, daß der Ergänzungstarifvertrag in Ausführung der Bestimmung des einschlägigen Manteltarifvertrages, die mit "Beschäftigungsförderung" überschrieben ist, "zur Beschäftigungssicherung" abgeschlossen worden ist und § 3 die Überschrift "Beschäftigungssicherung" aufweist. Der Ergänzungstarifvertrag ist sonach mit dem Ziel abgeschlossen worden, die Beschäftigung zu sichern: Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben. Die Belegschaft trägt durch Entgegenkommen hinsichtlich Arbeitszeit und Höhe der Sonderzahlung dazu bei. Der Faktor Arbeit wird jedenfalls vorübergehend verbilligt. Im Gegenzug wird die betriebsbedingte Kündigung zeitweise von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig gemacht. Der Arbeitgeber, ggf. auch der Konkursverwalter sollen bei trotz der Arbeitszeitregelung und der Regelung über die betriebliche Sonderzahlung notwendig angesehenen betriebsbedingten Kündigungen an die Zustimmung des Betriebsrates dazu gebunden sein. Das macht aber nur dann Sinn, solange der Ergänzungstarifvertrag dieser seiner Zielsetzung - Beschäftigungssicherung - überhaupt noch gerecht werden kann. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Betrieb in der Insolvenz stillgelegt und allen Arbeitnehmern deshalb gekündigt werden muß. Dann kann eine Beschäftigung nicht mehr gesichert werden. Deswegen ist § 3 des Ergänzungstarifvertrages dahingehend einschränkend auszulegen, daß die Zustimmung des Betriebsrats nicht erforderlich ist, wenn der Konkursverwalter/Insolvenzverwalter im Rahmen der Änderung des Betriebszwecks wegen der Schließung des Betriebes allen Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigt. Das Ziel des Ergänzungstarifvertrages, nämlich die Sicherung und der Erhalt wenigstens eines Teils der bei Abschluß des Ergänzungstarifvertrages vorhandenen Arbeitsplätze, kann bei völliger Betriebsstillegung nicht mehr erreicht werden. Das hat die Revision im Ergebnis zutreffend dahin formuliert, daß der Ergänzungstarifvertrag für das "lebende Unternehmen" abgeschlossen worden sei. Dem Sinn und Zweck dieses Ergänzungstarifvertrages kann bei vollständiger Betriebsstillegung nicht mehr entsprochen werden. Der Beschäftigungssicherungspakt endet, wenn der Betrieb stillgelegt wird und allen Arbeitnehmern gekündigt werden muß. § 3 des Ergänzungstarifvertrages gilt daher nicht für Stillegungskündigungen durch den Konkursverwalter/Insolvenzverwalter. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, gerade im Konkurs/Insolvenzfall könne eine Regelung wie die des § 3 des Ergänzungstarifvertrages sinnvoll sein, weil es auch um die Frage gehe, ob und wie der Betrieb vom Konkursverwalter/Insolvenzverwalter fortgesetzt werden könne. Denn bei in Aussicht genommener Betriebsstillegung durch den Konkursverwalter/Insolvenzverwalter hat der Betriebsrat im Rahmen des Interessenausgleichs (§ 112 BetrVG) die Möglichkeit, etwa vorhandene Konzepte zur Fortführung des Betriebes wirksam vorzubringen. Der Konkursverwalter hat zu versuchen, mit dem Betriebsrat zu einem Interessenausgleich zu kommen, ggf. muß er die Einigungsstelle anrufen. Die Einschaltung des Betriebsrates ist bei einer in Aussicht genommenen konkursbedingten Stillegung oder Einschränkung des Betriebes sonach gesetzlich vorgesehen. Daran ändert auch § 122 InsO nichts. Diese Bestimmung ermöglicht es dem Konkursverwalter/Insolvenzverwalter lediglich, das Verfahren zur Herbeiführung eines Interessenausgleichs abzukürzen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 269 Abs. 3 ZPO.
Schliemann
Wolter Friedrich E. Wehner
Weßelkock
Fundstellen