Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsgewährung während der Kündigungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber erfüllt den gesetzlichen Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, wenn er während der Kündigungsfrist Urlaub gewährt und der Arbeitnehmer keine anderweitigen Urlaubswünsche äußert.
Widerspricht der Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung, so ist dies allein noch keine Äußerung eines Urlaubswunsches im Sinne des § 7 Abs 1 BUrlG.
Steht dem Arbeitnehmer mehr Urlaub als der gesetzliche Urlaub zu, können die Parteien hierfür vereinbaren, daß er ohne Berücksichtigung entgegenstehender Wünsche des Arbeitnehmers während der Dauer der Kündigungsfrist zu gewähren ist.
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 14a, 36, 37 und 39 der Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung für die (Erz-)Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster (rheinisch-westfälischer Teil) und Paderborn.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 11.06.1991; Aktenzeichen 11 Sa 525/91) |
ArbG Hamm (Entscheidung vom 07.03.1991; Aktenzeichen 4 Ca 1433/90) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubs- und Freistellungsansprüche des Klägers aus dem Jahr 1990.
Der Kläger ist seit 1981 bei dem Beklagten als Verwaltungsangestellter beschäftigt. In der arbeitsvertraglich vereinbarten kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) für die (Erz-)Bistümer Aachen, Essen, Köln, Münster (rheinisch-westfälischer Teil) und Paderborn ist u. a. bestimmt:
"§ 14 a
Arbeitszeitverkürzung durch freie Tage
(1) Der Mitarbeiter wird in jedem Kalender-
halbjahr an einem Arbeitstag (§ 37 Abs. 4
Satz 1 KAVO), der nicht auf einen Sonn-
oder Feiertag fällt, unter Zahlung der Ur-
laubsvergütung von der Arbeit freigestellt.
Der neu eingestellte Mitarbeiter erwirbt
den Anspruch auf Freistellung erstmals,
wenn das Arbeitsverhältnis 5 Monate unun-
terbrochen bestanden hat. Die Dauer der
Freistellung beträgt höchsten 1/5 der für
den Mitarbeiter geltenden durchschnittli-
chen wöchentlichen Arbeitszeit.
...
§ 36
Erholungsurlaub
(1) Der Mitarbeiter erhält in jedem Urlaubsjahr
Erholungsurlaub unter Zahlung der Urlaubs-
vergütung. Urlaubsjahr ist das Kalender-
jahr.
...
(8) Der Urlaub ist spätestens bis zum Ende des
Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub
bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht ange-
treten werden, ist er bis zum 30. April des
folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann
der Urlaub aus dienstlichen oder betriebli-
chen Gründen, wegen Arbeitsunfähigkeit oder
wegen der Schutzfristen nach dem Mutter-
schutzgesetz nicht bis zum 30. April ange-
treten werden, ist er bis zum 30. Juni an-
zutreten. War ein innerhalb des Urlaubsjah-
res für dieses Urlaubsjahr festgelegter Ur-
laub auf Veranlassung des Dienstgebers in
die Zeit nach dem 31. Dezember des Urlaubs-
jahres verlegt worden, und konnte er wegen
Arbeitsunfähigkeit nicht nach Satz 2 bis
zum 30. Juni angetreten werden, ist er bis
zum 30. September anzutreten. Läuft die
Wartezeit (Abs. 3) erst im Laufe des fol-
genden Urlaubsjahres ab, ist der Urlaub
spätestens bis zum Ende dieses Urlaubsjah-
res anzutreten.
Urlaub, der nicht innerhalb der genannten
Fristen angetreten ist, verfällt, soweit
gesetzlich nichts anderes geregelt ist.
...
§ 39
Urlaubsabgeltung
(1) Ist im Zeitpunkt der Kündigung des Ar-
beitsverhältnisses der Urlaubsanspruch noch
nicht erfüllt, ist der Urlaub, soweit dies
dienstlich oder betrieblich möglich ist,
während der Kündigungsfrist zu gewähren und
zu nehmen. Soweit der Urlaub nicht gewährt
werden kann oder die Kündigungsfrist nicht
ausreicht, ist der Urlaub abzugelten. Ent-
sprechendes gilt, wenn das Arbeitsverhält-
nis durch Auflösungsvertrag (§ 46) oder
wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfä-
higkeit (§ 48) endet, oder wenn das Ar-
beitsverhältnis nach § 48 Abs. 1 Unter-
abs. 1 Satz 5 zum Ruhen kommt.
..."
Der Kläger hatte für 1990 einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Da ein Resturlaubsanspruch von 13 Tagen aus dem Jahr 1989 in das Jahr 1990 übertragen war, hatte der Kläger 1990 einschließlich zweier Tage Arbeitsbefreiung wegen Arbeitszeitverkürzung einen Freistellungsanspruch von insgesamt 45 Tagen. In den Monaten Januar bis Mai 1990 erhielt der Kläger an 13,5 Tagen Urlaub.
Der Beklagte hatte dem Kläger am 16. Januar 1990 zum 30. Juni 1990 gekündigt. Das Arbeitsgericht wies die vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage ab. Daraufhin bestimmte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Mai und 1. Juni 1990 die Zeit vom 8. Juni bis 30. Juni 1990 (15 Arbeitstage) gegen den Widerspruch des Klägers als Urlaub. Nachdem das Landesarbeitsgericht die arbeitsgerichtliche Entscheidung abgeändert und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erkannt hatte, bot der Kläger seine Arbeitskraft an. Außerdem meldete er in einem Schreiben vom 25. September 1990 Urlaub an.
Am 15. November 1990 nahm der Kläger die Arbeit wieder auf und verlangte am 20. November 1990 ohne Erfolg den gesamten Jahresurlaub für 1990.
Mit der am 14. Dezember 1990 zugestellten Klage hat der Kläger zuletzt beantragt,
festzustellen, daß ihm aus 1990 noch ein restli-
cher Urlaubsanspruch von 32 Tagen zusteht,
hilfsweise,
den Beklagten zur Zahlung von 5.735,-- DM brutto
nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu verurtei-
len.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag in Höhe von 17 Tagen entsprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß dem Kläger 24 Tage Urlaub zustehen. Die Anschlußberufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte weiter sein zweitinstanzliches Ziel, die Klage abzuweisen, soweit dem Kläger mehr als fünf Tage Urlaub zugesprochen worden sind. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten aus dem Jahr 1990 nur noch einen Schadenersatzanspruch auf 14,5 Arbeitstage Urlaub und zwei weitere Tage Arbeitsbefreiung. Ein weitergehender Schadenersatzanspruch des Klägers besteht nicht, weil der Beklagte den Urlaubsanspruch des Klägers für 28,5 Arbeitstage ordnungsgemäß erfüllt hat.
Der Kläger erwarb zu Beginn des Jahres 1990 einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen, § 37 Abs. 1 KAVO. Zusammen mit dem ihm nach § 36 Abs. 1 KAVO übertragenen Urlaub von 13 Tagen hatte er zu Beginn des Jahres einen Anspruch von Urlaub in Höhe von 43 Arbeitstagen. Hinzu kam die Verpflichtung des Beklagten nach § 14 a KAVO auf Arbeitsbefreiung des Klägers an zwei weiteren Arbeitstagen.
1. Der Urlaubsanspruch ist in Höhe von 13,5 Tagen erfüllt worden, als der Kläger in den Monaten Januar bis Mai 1990 von der Arbeit freigestellt worden ist.
2. Dem Kläger sind außerdem in der Zeit vom 8. Juni bis 30. Juni 1990 ordnungsgemäß 15 Tage Urlaub gewährt worden. Sein Anspruch ist auch in dieser Höhe durch Erfüllung erloschen.
a) Nach § 39 Abs. 1 KAVO war der Beklagte berechtigt, Urlaub während der Kündigungsfrist zu gewähren. Nach dieser einzelvertraglichen Vereinbarung ist der Arbeitgeber, der Schuldner des Urlaubsanspruchs, nicht verpflichtet, für den Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses anderweitige Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Die Bestimmung ist hinsichtlich der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG jedenfalls dann rechtlich unbedenklich, wenn nur der einzelvertraglich zugesagte Urlaub betroffen und - wie im Streitfall - der gesetzliche Mindesturlaub von 15 Arbeitstagen unberührt bleibt.
b) Der Beklagte hat dem Kläger im Juni 1990 auch nach § 7 Abs. 1 BUrlG ordnungsgemäß Urlaub gewährt. Danach hat der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihre Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Kläger hat im Juni 1990 keine Urlaubswünsche i. S. dieser Vorschrift angemeldet, als er der Freistellung vom 8. Juni bis 30. Juni 1990 widersprach. Er ist nur der Rechtsauffassung der Beklagten entgegengetreten, sie könne den Urlaub einseitig während der Dauer der Kündigungsfrist gewähren. Das genügt den Anforderungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz BUrlG nicht. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob ein gekündigter Arbeitnehmer überhaupt Urlaubswünsche i. S. des § 7 Abs. 1 BUrlG für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist äußern kann oder nicht. Angesichts des fehlenden konkreten Urlaubswunsches des Klägers kommt es ferner nicht darauf an, ob sich der Beklagte für die Freistellung auf § 7 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BurlG berufen und dringende betriebliche Belange geltend machen konnte.
3. Der Anspruch des Klägers auf den restlichen Urlaub von 14,5 Tagen war nicht ganz oder teilweise nach § 275 BGB erloschen, als ihn der Kläger verlangte. Die entgegenstehende Auffassung des Beklagten übersieht die besondere Übertragungsbestimmung des § 36 Abs. 8 KAVO. Danach findet eine Übertragung auf die ersten vier Monate des neuen Jahres statt, wenn der Urlaub - gleich aus welchen Gründen - nicht bis zum Jahresende angetreten werden kann. Der restliche Urlaubsanspruch des Klägers aus 1990 war demnach bis zum 30. April 1991 erfüllbar. Deshalb ist es unerheblich, ob der Kläger vor der Klageerhebung seinen Urlaub ordnungsgemäß verlangt oder nicht. Die am 14. Dezember 1990 zugestellte Klage erfüllt die Voraussetzungen für ein ordnungsgemäßes Urlaubsverlangen. Nach ihrer Zustellung hätte der gesamte Resturlaub angetreten und im Urlaubsjahr und im Übertragungszeitraum vollständig erfüllt werden können.
4. Allerdings ist der Urlaubsanspruch des Klägers am 30. April 1991 untergegangen. Der Kläger hat aber seither einen Schadenersatzanspruch in dieser Höhe, weil sich der Beklagte spätestens ab 14. Dezember 1990 mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befunden hat (ständige Rechtsprechung des BAG vgl. zuletzt Urteil vom 22. Oktober 1991 - 9 AZR 373/90 - ZTR 92, 339).
5. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts belief sich der Resturlaubsanspruch des Klägers nicht auf 17, sondern nur auf 16,5 Tage. Eine Aufrundung nach § 5 Abs. 1 BUrlG findet nicht statt. Die Summe von 16,5 Tagen ist nicht als Teilurlaubsanspruch nach § 5 Abs. 1 BUrlG entstanden, sondern besteht als Rest, weil zuvor einmal ein halber Tag Urlaub gewährt worden ist. Entsprechend errechnet sich der Schadenersatzanspruch.
6. Der Anspruch des Klägers auf zwei Tage Freistellung nach § 14 a KAVO ist ebenfalls zwischenzeitlich erloschen. Aber auch insoweit ist ein Schadenersatzanspruch des Klägers nach denselben Grundsätzen wie zum Ersatzurlaubsanspruch entstanden.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Leinemann Dörner
zugleich für den ausge-
schiedenen Richter
Dr. Lipke
Schulze Dr. Kirchner
Fundstellen
DStR 1993, 408 (T) |
BuW 1993, 136 (K) |
AiB 1993, 249-250 (LT1) |
NZA 1993, 406 |
NZA 1993, 406-407 (LT1) |
ZTR 1993, 250-251 (LT1) |
AP § 7 BUrlG (LT1), Nr 13 |
AR-Blattei, ES 1640 Nr 354 (LT1) |
EzA § 7 BUrlG, Nr 87 (LT1) |
ZfPR 1993, 24 (L) |