Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmerbegriff

 

Orientierungssatz

1. Sog. Programmlehrkräfte an ausländischen Schulen, die zu dem ausländischen Staat in einem Arbeitsverhältnis stehen und auf Grund eines Zuwendungsbescheides des Bundesverwaltungsamtes – Zentralstelle für das Auslandsschulwesen – eine monatliche Zuwendung zusätzlich zu dem von dem ausländischen Staat gezahlten Arbeitsentgelt erhalten, sind nicht Arbeitnehmer der Bundesrepublik Deutschland.

2. Beim Einsatz von Programmlehrkräften fördert die Bundesrepublik Deutschland den Einsatz deutscher Lehrer im Ausland ohne hierdurch gegenüber der Lehrkraft ein arbeitsvertragliches Weisungsrecht auszuüben.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 17.11.1999; Aktenzeichen 3 Sa 624/99)

ArbG Köln (Urteil vom 13.01.1999; Aktenzeichen 20 Ca 7793/98)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 17. November 1999 – 3 Sa 624/99 – aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13. Januar 1999 – 20 Ca 7793/98 – wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit 1. September 1991 jeweils für ein Jahr befristet als Programmlehrkraft an einem Fremdsprachengymnasium in Schumen/Bulgarien beschäftigt. Die Beschäftigung erfolgte auf der Grundlage deutsch-bulgarischer Kulturabkommen. Der Kläger schloß mit dem bulgarischen Staat, vertreten durch das Ministerium für Bildung und Wissenschaft und den Direktor der Schule Schumen, am 18. Februar 1992, 1. September 1993, 1. September 1994, 1. September 1995, 1. September 1996 und 6. Oktober 1997 jeweils auf ein Jahr befristete Arbeitsverträge. Der letzte Vertrag lief am 31. August 1998 aus. Auf Grund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen erhielt der Kläger von der Republik Bulgarien die landesübliche Vergütung, die zuletzt etwa 840,00 DM pro Jahr betrug. Außerdem wurde ihm eine angemessene Wohnung zur Verfügung gestellt.

Auf der Grundlage einer zwischen dem Kläger und der Beklagten am 23. August 1991 geschlossenen Zuwendungsvereinbarung erhielt der Kläger zusätzlich zu der Vergütung durch den bulgarischen Staat eine monatliche Zuwendung in Höhe von zunächst 3.790,00 DM. Die Zuwendung betrug zuletzt 5.250,00 DM. In dem Zuwendungsbescheid vom 25. Oktober 1993 war als Voraussetzung für die Zahlung der Zuwendung ua. bestimmt, daß der Kläger im Einvernehmen mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen beim Bundesverwaltungsamt einen Vertrag mit dem Träger der Bildungseinrichtung im Ausland über die organisatorische Anbindung an eine öffentliche oder private Bildungseinrichtung des Gastlandes zu schließen habe. Der Kläger hatte 25 Unterrichtsstunden wöchentlich zu leisten. Abweichungen hiervon sollten im Einzelfall mit dem zuständigen deutschen Fachberater abgestimmt werden. Sollte die Wochenstundenzahl unter 25 Unterrichtsstunden liegen, konnte die Differenz vom zuständigen deutschen Fachberater oder der Zentralstelle in Absprache mit der Leitung der Bildungseinrichtung durch Übertragung zusätzlicher Aufgaben, die auch außerhalb der vertraglichen Verpflichtungen liegen konnten, ausgeglichen werden. In dem Bescheid war weiterhin bestimmt, daß der Kläger über die wöchentliche Unterrichtsstundenverpflichtung hinaus Vertretungen bis zu 3 Unterrichtsstunden wöchentlich, nicht jedoch über 40 Unterrichtsstunden hinaus wahrzunehmen hatte. Der Unterricht sollte in deutscher Sprache erfolgen. Der Kläger war auf Grund des Zuwendungsbescheides ferner verpflichtet, über seine Tätigkeit an der Bildungseinrichtung und über persönliche Erfahrungen einmal im Jahr, spätestens sechs Monate vor Ende des Schul- bzw. akademischen Jahres das Wesentliche in schriftlicher Form zu berichten.

Vor Abschluß der jeweiligen Arbeitsverträge war die Zustimmung der Beklagten erforderlich. Der unterzeichnete Arbeitsvertrag war sodann der Beklagten in einer Übersetzung ins Deutsche vorzulegen. Die Beklagte wies den Kläger in der Vergangenheit wiederholt darauf hin, daß die Unterrichtsverpflichtung mindestens 25 Wochenstunden betragen müsse. In einem Schreiben an die zuständige Fachberaterin in Sofia vom 19. Februar 1997 verlangte die Beklagte, die Verteilung der Pflichtstundenzahl auf fünf Tage in der Woche. Die „Ecktage” Montag und Freitag sollten nicht unterrichtsfrei sein. Die Fachberaterin wurde gebeten, die Schulleiter rechtzeitig auf die gewünschte Stundenverteilung anzusprechen. In einem Schreiben der Fachberatung für Deutsch vom 4. November 1994 an die Leiterin der Schule, an welcher der Kläger tätig war, bat die Fachberaterin darum, die deutschen Lehrer in verschiedenen Klassenstufen einzusetzen. Weiter wurde darauf hingewiesen, daß die deutschen Lehrer an den Schulen nicht unterrichten können, wenn die Schule einen solchen Einsatz nicht ermögliche.

Die Beklagte hat Vorgaben für die Bestellung von Unterrichtsmaterialien gegeben. So mußten zu bestimmten Zeitpunkten Bestellzettel ausgefüllt werden. Diese Regelungen über die Buchbestellung betrafen neben den deutschen auch die bulgarischen Lehrkräfte.

Für die Schüler des Fremdsprachengymnasiums bestand die Möglichkeit, ein Sprachdiplom zu erlangen. Dieses Diplom war von der Kultusministerkonferenz in Deutschland anerkannt. Die Sprachprüfung wurde zentral in einem Prüfungszentrum abgenommen. Von dort wurden einzelne Vorgaben bezüglich der Terminplanung, Aufsichtsführung, Protokollierungspflicht und Einteilung der Prüfungsausschüsse gemacht. Für die Zulassung von Schülern der Fremdsprachengymnasien zur Prüfung für das deutsche Sprachdiplom setzte die Beklagte Bedingungen fest, die Inhalt und Umfang des Deutschunterrichts betrafen.

Am 14. Januar 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Verlängerung seines Einsatzes als Bundesprogrammlehrer um ein weiteres Jahr sei nicht möglich. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 18. September 1998 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage.

Der Kläger macht geltend, zwischen ihm und der Beklagten sei ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Die Beklagte habe ihm den größten Teil seiner Vergütung bezahlt und Steuern sowie Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Auf Grund der zahlreichen Vorgaben der Beklagten sei er weisungsabhängig gewesen. Die Befristung der einzelnen Arbeitsverträge sei unwirksam.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis zu unveränderten Bedingungen über den 31. August 1998 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, auf ein mögliches Arbeitsverhältnis der Parteien sei deutsches Recht nicht anwendbar. Im übrigen sei der Kläger nicht ihr Arbeitnehmer gewesen. Das Arbeitsverhältnis habe vielmehr zwischen dem Kläger und dem bulgarischen Staat bestanden. Zwischen ihr und dem Kläger sei lediglich ein Zuwendungsverhältnis nach § 23 BHO begründet worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, daß zwischen den Parteien über den 31. August 1998 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zwischen den Parteien hat kein Arbeitsverhältnis bestanden.

I. Das Zustandekommen und die Wirksamkeit des vom Kläger behaupteten Vertragsverhältnisses zur Beklagten bestimmt sich gemäß Art. 31 Abs. 1, Art. 30 Abs. 2 EGBGB nach deutschem Recht. Die Gesamtheit der Umstände ergibt, daß das vom Kläger behauptete Arbeitsverhältnis nicht nach bulgarischem Recht, sondern nach deutschem Recht zu beurteilen ist (dazu BAG 24. August 1989 – 2 AZR 3/89 – AP Internat. Privatrecht Arbeitsrecht Nr. 30). Beklagte ist die Bundesrepublik Deutschland, der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Sämtliche Schreiben der Parteien sind in deutscher Sprache verfaßt. Die Beklagte hat darauf bestanden, die Arbeitsverträge des Klägers mit dem bulgarischen Staat in deutscher Übersetzung vorgelegt zu bekommen. Die Zuwendungen wurden dem Kläger in DM ausbezahlt. Nach dem Zuwendungsbescheid vom 25. Oktober 1993 hatte sich der Kläger zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung iSd. Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland zu bekennen. Alle diese Gesichtspunkte zeigen eine sehr enge Verbindung zum deutschen Recht. Das Zustandekommen des in Streit stehenden Vertragsverhältnisses der Parteien beurteilt sich damit nach deutschem Recht und nicht nach dem Recht des Arbeitsorts, dh. nach bulgarischem Recht.

II. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend von der Rechtsprechung des Senats zum Arbeitnehmerbegriff ausgegangen. Danach ist Arbeitnehmer, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist(Senat 16. Februar 2000 – 5 AZB 71/99 – BAGE 93, 310).

2. Der Kläger ist nicht weisungsgebunden in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen. Er ist nicht in persönlicher Abhängigkeit für die Beklagte tätig gewesen. Ein Arbeitsverhältnis hat zwischen dem Kläger und der bulgarischen Schule, nicht jedoch zur Beklagten bestanden.

a) Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger kein arbeitsvertragliches Weisungsrecht ausgeübt. Sie hat lediglich mittelbar auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu der bulgarischen Schule Einfluß genommen. Die Einflußnahme ist erfolgt, indem die Beklagte Rahmenbedingungen für die finanzielle Unterstützung des Arbeitsverhältnisses geschaffen hat. Die Beklagte fördert den Deutschunterricht an bulgarischen Schulen mit dem Ziel, den Schülern den Erwerb eines von der Kultusministerkonferenz in Deutschland anerkannten Sprachdiploms zu ermöglichen. Mit diesem Diplom ist bulgarischen Staatsbürgern der Zugang zu deutschen Hochschulen oder anderen Bildungseinrichtungen eröffnet, sofern die sonstigen fachlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die gewählte Vertragsgestaltung beachtet die Souveränität der Republik Bulgarien. Die deutschen Lehrer treten in ein Arbeitsverhältnis mit dem bulgarischen Staat, das bulgarischem Recht unterliegt. Damit ist der bulgarischen Seite die rechtliche Möglichkeit eröffnet, nach Maßgabe bulgarischen Arbeitsrechts auf das Arbeitsverhältnis einzuwirken und dieses ggf. auch zu beenden.

Die besondere Fördersituation führt zwar mittelbar zu einer Einengung der Dispositionsmöglichkeiten des Schulleiters an der bulgarischen Schule. Denn die bulgarische Seite hat die von der Beklagten vorgegebenen Rahmenbedingungen zu beachten, wenn sie die finanzielle Unterstützung der angestellten deutschen Lehrkräfte erhalten möchte. An dieser Unterstützung besteht ein Interesse Bulgariens, weil ansonsten deutsche Lehrer an bulgarischen Schulen zu den dort bestehenden, aus deutscher Sicht äußerst niedrigen Bezügen nicht tätig sein würden. Hieraus läßt sich jedoch nicht ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten herleiten, weil das arbeitsvertragliche Weisungsrecht gegenüber dem Kläger nicht von der Beklagten, sondern vom Leiter der bulgarischen Schule ausgeübt wurde.

b) Soweit die Beklagte geeignete Schulen für deutsche Lehrkräfte aussucht und den zeitlichen Umfang der Unterrichtsverpflichtungen der deutschen Lehrer vorgibt, übt sie entgegen der Auffassung des Klägers kein arbeitsvertragliches Weisungsrecht aus. Die Beklagte bestimmt vielmehr allgemein die Rahmenbedingungen, unter denen sie bereit ist, Arbeitsverhältnisse an bulgarischen Schulen zu unterstützen. Die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, also beispielsweise die Festlegung des Stundenplans, wird nicht von der Beklagten, sondern von dem jeweiligen Schulleiter vorgenommen. Der Kläger übersieht in diesem Zusammenhang, daß die Beschäftigung der Programmlehrer nicht nur von der Zustimmung der Beklagten abhängt, sondern auch von einem entsprechenden Willen der bulgarischen Seite, die den Arbeitsvertrag schließt. Die Beklagte vermittelt insoweit nur Lehrkräfte.

c) Die persönliche Abhängigkeit des Klägers von der Beklagten folgt auch nicht aus dem im einzelnen vorgegebenen Ablauf der Diplomprüfungen sowie aus Lehrmittelvorgaben. Der Kläger verkennt, daß die Diplomprüfungen nur einen geringen Teil seiner Arbeit ausmachen und aus dem Befolgen der Prüfungsvorgaben nicht auf eine insgesamt weisungsabhängige Tätigkeit geschlossen werden kann. Weiterhin übersieht der Kläger, daß die Lehrmittelvorgaben und Prüfungsordnungen nur dann wirksam werden, wenn auch die zuständigen bulgarischen Stellen einverstanden sind. Das Tätigwerden als Lehrkraft hängt nicht nur von den Vorstellungen der Beklagten ab, sondern steht immer unter dem Vorbehalt des Einverständnisses der zuständigen staatlichen Stellen Bulgariens.

d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann schließlich aus dem Recht der Beklagten, den Kläger zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen zu verpflichten, sowie aus der Verpflichtung des Klägers aus dem Zuwendungsbescheid, einmal im Jahr einen kurzen Bericht über seine Tätigkeit zu schreiben, nicht auf ein Abhängigkeitsverhältnis geschlossen werden. In der Gesamtschau sind diese Rechte der Beklagten, unmittelbar vom Kläger etwas verlangen zu können, lediglich Ausfluß des besonders öffentlich-rechtlichen Zuwendungsverhältnisses.

III. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Müller-Glöge, Kreft, Linck, Glaubitz, Reinders

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 24.10.2001 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 679347

NZA 2002, 527

SGb 2003, 280

NJOZ 2002, 1074

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge