Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Berufung. Restitutionsgründe. Zulässigkeit der Berufung. Berücksichtigung von Restitutionsgründen im laufenden Berufungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO ist nur statthaft, wenn das Gericht die Urkunde in dem früheren Verfahren bei der Urteilsfindung hätte berücksichtigen müssen, wenn sie ihm vorgelegt worden wäre. Ist die Berufung wegen nicht ordnungsgemäßer Begründung unzulässig, kann eine nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist errichtete Urkunde im laufenden Berufungsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden.
Orientierungssatz
1. Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen.
2. § 67 ArbGG geht als Spezialvorschrift des arbeitsgerichtlichen Verfahrens der allgemeinen zivilprozessualen Regelung des § 531 Abs. 2 ZPO vor.
3. Nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG können zwar neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel noch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgebracht werden. Die Anwendung des § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG setzt jedoch voraus, dass die eingelegte Berufung zulässig ist.
4. Zu den die Restitution begründenden Urkunden im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO gehören nicht nur Urkunden mit formeller Beweiskraft iSd. §§ 415 ff. ZPO, sondern ebenso Urkunden, die für die zu beweisende Tatsache lediglich einen frei zu würdigenden Beweiswert haben, wie zB Strafurteile.
5. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO sind die Zivilgerichte an die Feststellungen strafgerichtlicher Urteile nicht gebunden.
Normenkette
ZPO § 520 Abs. 3, § 522 Abs. 1, § 580 Nr. 7 Buchst. b; ArbGG § 67
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. April 2005 – 10 Sa 581/04 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der Kläger war beim Beklagten seit dem 1. April 2003 als Autoverkäufer beschäftigt. Mit Schreiben vom 10. November 2003, dem Kläger am 18. November 2003 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos wegen Diebstahls von 1.600,00 Euro.
Mit seiner am 19. November 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht und behauptet, er habe das Geld nicht weggenommen.
Der Kläger hat in der Revision beantragt
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 10. November 2003, zugegangen am 18. November 2003, aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 11. März 2004, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2004, hat das Arbeitsgericht die Klage in dem in der Revision noch in Streit befindlichen Umfang abgewiesen, weil der Kläger widerrechtlich 1.600,00 Euro aus der Kasse des Beklagten genommen habe.
In dem wegen des Diebstahls eingeleiteten Strafverfahren hat das Amtsgericht den Kläger am 17. Mai 2004 zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der Kläger hat gegen das Urteil des Arbeitsgerichts am 16. Juli 2004 Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründungsschrift vom 18. August 2004 hat der Kläger unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Sachvortrag geltend gemacht, entgegen den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts habe er den Diebstahl nicht begangen. Zum Beweis hierfür hat er die Beiziehung der Strafakten der Staatsanwaltschaft beantragt. Zugleich hat der Kläger beantragt, den Rechtsstreit bis zum Abschluss des gegen ihn geführten Strafverfahrens auszusetzen. Diesen Aussetzungsantrag hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 6. September 2004 zurückgewiesen.
Auf die vom Kläger in dem Strafverfahren eingelegte Berufung hat das Landgericht mit Urteil vom 3. Februar 2005 das Urteil des Amtsgerichts 17. Mai 2004 aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen, weil ihm die Tat nicht nachgewiesen werden könne.
In Ergänzung seiner Berufungsbegründungsschrift vom 18. August 2004 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Februar 2005 vorgetragen, auf Grund der vom Landgericht getroffenen Feststellungen stehe fest, dass er die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen habe. Bezüglich dieses Tatsachenvortrags nebst Beweisangeboten sei ihm wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen, denn der Kläger hat die Berufung nicht ordnungsgemäß begründet (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
1. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (Senat 10. Februar 2005 – 6 AZR 183/04 – EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40, zu 2a der Gründe; BAG 16. Juni 2004 – 5 AZR 529/03 – AP ZPO 2002 § 551 Nr. 2 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3, zu II 2b der Gründe).
2. Der Kläger hat sich in der Berufungsbegründung vom 18. August 2004 nicht hinreichend mit den Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils auseinandergesetzt.
a) Das Arbeitsgericht hat zur Begründung der Abweisung der Kündigungsschutzklage ausgeführt, auf Grund der festgestellten Tatsachen stehe fest, dass der Kläger am 2. November 2003 einen Geldbetrag von 1.600,00 Euro aus der Kasse des Beklagten entwendet habe. Daher liege ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor, der die ausgesprochene fristlose Kündigung rechtfertige. Das Arbeitsgericht hat im Einzelnen begründet, auf Grund welcher Indizien es zu der Überzeugung gelangt ist, der Kläger habe die ihm vorgeworfene Straftat begangen. So hat es ausgeführt, der Kläger habe sich am 2. November 2003 in den Räumlichkeiten des Beklagten aufgehalten, was er bis zur Konfrontation mit einer entsprechenden Zeugenaussage verschwiegen habe. Das Protokoll der Registrierkasse dokumentiere eine Öffnung an diesem Tag. Der Kläger habe durch verzögerte Einzahlungen von Bareinnahmen in der Zeit vor der Tat einen hohen Kassenbestand im Tatzeitpunkt herbeigeführt. Schließlich sei er mit dem Öffnungsmechanismus der Kasse vertraut gewesen.
b) Dieser eingehenden Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts setzt der Kläger in der Berufungsbegründung lediglich das pauschale Bestreiten der Wegnahme des Geldes entgegen. Er nimmt nur auf das erstinstanzliche Vorbringen nebst Beweisangeboten Bezug und behauptet ohne nähere Begründung, entgegen den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts habe er den Diebstahl nicht begangen. Die Berufungsbegründung enthält keine argumentative Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts. So hätte sich der Kläger mit den einzelnen Indizien und den vom Arbeitsgericht entwickelten Schlussfolgerungen befassen und aufzeigen können, dass diese nicht folgerichtig oder zwingend seien.
c) In dem Antrag des Klägers, zum Beweis der Tatsache, den Diebstahl nicht begangen zu haben, die Strafakten der Staatsanwaltschaft beizuziehen, liegt keine ordnungsgemäße Bezeichnung eines neuen Angriffsmittels iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO iVm. § 67 ArbGG. Der Kläger hat schon keine konkreten Anhaltspunkte bezeichnet, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung in dem angefochtenen Urteil begründen und deshalb erneute Feststellungen gebieten. Hierzu war er jedoch gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO verpflichtet, weil auch im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren die vom Gericht erster Instanz verfahrensfehlerfrei festgestellten Tatsachen für das Berufungsgericht bindend sind (ErfK/Koch 7. Aufl. § 66 ArbGG Rn. 29). Der Kläger hat weiterhin die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 und 3 ArbGG für die Zulassung dieses Angriffs- und Verteidigungsmittels nicht dargelegt. Schließlich hat er nicht konkret ausgeführt, inwieweit sich aus den Akten der Staatsanwaltschaft “neue” Angriffs- und Verteidigungsmittel ergeben.
3. Der nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangene Schriftsatz des Klägers vom 8. Februar 2005 ist nicht geeignet, die Zulässigkeit der Berufung herbeizuführen.
a) Eine Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 8. Februar 2005 nach § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG kommt nicht in Betracht. Unter den dort genannten Voraussetzungen können zwar neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel noch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgebracht werden. Auch geht § 67 ArbGG als Spezialvorschrift des arbeitsgerichtlichen Verfahrens der allgemeinen zivilprozessualen Regelung des § 531 Abs. 2 ZPO vor (BAG 15. Februar 2005 – 9 AZN 892/04 – BAGE 113, 315, 319 f.). Doch setzt die Anwendung des § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG voraus, dass die eingelegte Berufung zulässig ist. In Satz 2 des § 67 Abs. 4 ArbGG werden lediglich Ausnahmen von der Grundregel des § 67 Abs. 4 Satz 1 ArbGG bestimmt, wonach der Berufungskläger neues Vorbringen in der Berufungsbegründung vorzutragen hat (vgl. HWK/Kalb 2. Aufl. § 67 ArbGG Rn. 15 f.; ErfK/Koch 7. Aufl. § 67 ArbGG Rn. 7; GKArbGG/Vossen Stand März 2007 § 67 Rn. 68).
b) Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (§§ 233, 236 ZPO). Der Kläger hat keine der in § 233 ZPO genannten Fristen versäumt. Die Frist zur Begründung der Berufung ist nur dann versäumt, wenn die rechtzeitige und wirksame Einreichung der Berufungsbegründung als solche unterblieben ist, nicht aber, wenn die Berufung nicht ordnungsgemäß begründet ist (BGH 13. Februar 1997 – III ZR 285/95 – NJW 1997, 1309). Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient nicht dazu, eine unzulängliche Berufungsbegründung oder inhaltliche Unvollständigkeiten einer an sich fristgerecht eingereichten Rechtsmittelbegründung zu ergänzen (Zöller/Gummer/Heßler ZPO 26. Aufl. § 520 Rn. 42a; BSG 16. Februar 2001 – B 2 U 52/01 B – SozSich 2003, 362).
4. Die Berufung ist auch nicht auf Grund des im laufenden Berufungsverfahren geltend gemachten Restitutionsgrundes des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO als zulässig zu behandeln.
a) Die Restitutionsklage findet nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO statt, wenn eine Partei eine Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
aa) Zu den die Restitution begründenden Urkunden im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO gehören nicht nur Urkunden mit formeller Beweiskraft iSd. §§ 415 ff. ZPO, sondern ebenso Urkunden, die für die zu beweisende Tatsache lediglich einen frei zu würdigenden Beweiswert haben, wie zB Strafurteile (BAG 22. Januar 1998 – 2 AZR 455/97 – AP ArbGG 1979 § 79 Nr. 3 = EzA ZPO § 580 Nr. 3; BGH 8. Februar 1984 – IVa ZR 203/81 – VersR 1984, 453).
bb) Die Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO ist nur statthaft bei Urkunden, die das Gericht in dem früheren Verfahren bei der Urteilsfindung hätte berücksichtigen müssen, wenn sie ihm vorgelegt worden wären (BAG 17. Februar 1994 – 8 AZR 13/92 –; BGH 29. April 1959 – IV ZR 311/58 – BGHZ 30, 60). Schließt der Errichtungszeitpunkt der Urkunde eine objektiv mögliche Verwertung der Urkunde im früheren Verfahren aus, scheidet sie grundsätzlich auch als Restitutionsgrund aus (vgl. BAG 15. August 1984 – 7 AZR 558/82 – AP SchwbG § 12 Nr. 13 = EzA ZPO § 580 Nr. 2).
cc) Wird ein erstinstanzliches Urteil mit der Berufung angegriffenen, ist maßgeblich, ob das Berufungsgericht die Urkunde bei seiner Entscheidung über das Rechtsmittel noch berücksichtigen konnte. Die Urkunde muss daher grundsätzlich spätestens zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz errichtet sein (vgl. BAG 22. Januar 1998 – 2 AZR 455/97 – AP ArbGG 1979 § 79 Nr. 3 = EzA ZPO § 580 Nr. 3; BGH 29. April 1959 – IV ZR 311/58 – BGHZ 30, 60). Das setzt allerdings voraus, dass das Landesarbeitsgericht überhaupt über die Begründetheit der Berufung entscheiden kann. Ist dem Landesarbeitsgericht die Sachprüfung verwehrt, weil das Rechtsmittel unzulässig ist, kommt die Berücksichtigung einer Urkunde nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO bei der Entscheidungsfindung nicht in Betracht. Eine Urkunde, die erst zu einem Zeitpunkt errichtet wird, zu dem die Berufung bereits wegen einer nicht ordnungsgemäßen Berufungsbegründung unzulässig ist, bildet keinen Restitutionsgrund iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO.
b) Das Landesarbeitsgericht konnte das Strafurteil des Landgerichts bei seiner Entscheidung über die Begründetheit der Berufung des Klägers nicht mehr berücksichtigen. Das Urteil des Landgerichts ist zwar am 3. Februar 2005 und damit noch vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 13. April 2005 ergangen. Zu diesem Zeitpunkt konnte das Landesarbeitsgericht jedoch keine Sachentscheidung mehr über die Berufung des Klägers treffen, weil der Kläger kein den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entsprechendes Rechtsmittel eingelegt hatte. Das Landesarbeitsgericht konnte die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur als unzulässig verwerfen. Die Urkunde war daher nicht geeignet iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO, eine günstigere Entscheidung für den Kläger herbeizuführen.
5. Dem steht nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof und auch das Bundesarbeitsgericht ausnahmsweise Urkunden, die erst nach Rechtskraft gerichtlicher Urteile errichtet wurden, als Restitutionsgründe iSv. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO anerkennen. Hierbei handelt es sich um Urkunden, die ihrer Rechtsnatur nach nicht im zeitlichen Zusammenhang mit den durch sie bezeugten Tatsachen errichtet werden und deshalb zwangsläufig zurückliegende Tatsachen beweisen. Hierzu gehören beispielsweise Geburtsurkunden, aus denen sich die Empfängniszeit errechnen lässt (BGH 28. Mai 1951 – IV ZR 6/50 – BGHZ 2, 245; 14. Dezember 1966 – IV ZR 241/65 – BGHZ 46, 300). Als Restitutionsgrund anerkannt ist ferner der nach Rechtskraft eines klagabweisenden Kündigungsschutzurteils ergangene, die Schwerbehinderung des Klägers zum Kündigungszeitpunkt feststellende Bescheid des Versorgungsamts (BAG 15. August 1984 – 7 AZR 558/82 – AP SchwbG § 12 Nr. 13 = EzA ZPO § 580 Nr. 2). Während Personenstandsbüchern und -urkunden nach §§ 60, 66 PStG formelle Beweiskraft zukommt (vgl. BGH 6. Juli 1979 – I ZR 135/77 – NJW 1980, 1000) und der die Schwerbehinderung feststellende Verwaltungsakt als öffentliche Urkunde iSv. § 418 ZPO gleichfalls gegenüber jedermann den vollen Beweis der Schwerbehinderteneigenschaft erbringt (BAG 15. August 1984 – 7 AZR 558/82 – aaO), erzeugt ein Strafurteil keine rechtliche Bindung eines anderen Gerichts an die jeweils festgestellten Tatsachen. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO sind die Zivilgerichte an die Feststellungen strafgerichtlicher Urteile nicht gebunden. Die Arbeitsgerichte müssen vielmehr eigene Feststellungen treffen und haben deshalb den Sachverhalt selbst aufzuklären (BAG 8. Juni 2000 – 2 AZR 638/99 – BAGE 95, 78; 26. März 1992 – 2 AZR 519/91 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). In Betracht kommt nur die Verwertung einzelner Beweisergebnisse des Strafverfahrens, wie zB der Protokolle über Zeugeneinvernahmen, im Wege des Urkundenbeweises (vgl. BAG 26. März 1992 – 2 AZR 519/91 – aaO).
6. Auf den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO sind die Rechtsgrundsätze nicht anwendbar, die vom Bundesgerichtshof zur nachträglichen Berücksichtigung des Restitutionsgrundes der Erwirkung eines Urteils durch eine vom Gegner in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat (§ 580 Nr. 4 ZPO) erwogen worden sind.
a) Danach könnte das Berufungsgericht bei einer zwar innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingegangenen, aber inhaltlich unzureichenden Berufungsbegründung den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 4 ZPO zu berücksichtigen haben, wenn das Rechtsmittel noch nicht als unzulässig verworfen worden ist. Trägt der Berufungsführer beweisbar vor, zu der unzureichenden Berufungsbegründung durch vorsätzlich falschen Prozessvortrag des Prozessgegners veranlasst worden zu sein, könnte das Berufungsgericht eine Art inzidentes “Restitutionsverfahren” – möglicherweise in Verbindung mit einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 149 ZPO – durchzuführen und im Falle der Bejahung des geltend gemachten Restitutionsgrundes die Berufung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich vervollständigten Berufungsbegründung als zulässig zu behandeln haben (BGH 13. Februar 1997 – III ZR 285/95 – NJW 1997, 1309).
b) Diese Rechtsgrundsätze können auf den Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO nicht übertragen werden. § 580 Nr. 4 ZPO betrifft die nachträgliche Korrektur eines durch eine Straftat erschlichenen Urteils, während durch § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO die Entscheidung geändert werden soll, weil das Gericht nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat. Wird im laufenden Verfahren deutlich, dass durch strafbare Handlungen ein Urteil erwirkt werden soll, ist dem nicht erst nach Abschluss des Verfahrens, sondern im Laufe des Rechtsstreits entgegenzuwirken. Ist jedoch aus prozessrechtlichen Gründen eine Urkunde nicht mehr berücksichtigungsfähig, wird durch die Vorlage der Urkunde die Tatsachengrundlage der Entscheidung nicht erschüttert. Die Urkunde hat dann unberücksichtigt zu bleiben.
III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Fischermeier, Dr. Armbrüster, Linck, Gebert, Spiekermann
Fundstellen
Haufe-Index 1770275 |
BAGE 2008, 190 |
DB 2007, 1764 |