DSGVO-Schadensersatzanspruch wegen heimlicher Mitarbeiterüberwachung
Die Überwachung von Mitarbeitenden durch einen Privatdetektiv ist nur innerhalb enger Grenzen zulässig. Wenn Arbeitgeber einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit heimlich durch eine Detektei überwachen lassen, sollten sie dafür sensibilisiert sein, dass dies unter Umständen gegen Datenschutzvorgaben verstößt, sodass ein Schadenersatzanspruch gegeben sein kann. Wenn die Detektei bei der Überwachung den sichtbaren Gesundheitszustand des Arbeitnehmers dokumentiert, handelt es sich um die Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung, stellte das BAG fest. Es bestätigte auch, dass in diesem Fall der Kontrollverlust über die personenbezogenen Daten in einen immateriellen Schaden begründet.
Der Fall: Arbeitgeber lässt krankgeschriebenen Arbeitnehmer überwachen
Der Arbeitnehmer war seit 2009 in verschiedenen Positionen im Vertrieb eines Unternehmens bzw. dessen Rechtsvorgängers beschäftigt. Dieses bietet Beratungs- und Dienstleistungen im Bereich des Digitaldrucks und des digitalen Dokument-Managements an. Im vorliegenden Verfahren stritten die Parteien über die Wirksamkeit der außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers sowie über einen Entschädigungsanspruch wegen seiner Überwachung durch eine Detektei.
Der Kündigung des Vertrieblers waren bereits zuvor diverse unwirksame Kündigungen vorausgegangen, die das Arbeitsverhältnis nicht beendeten. Eine Änderungskündigung, die der Arbeitgeber aussprach, nahm der Arbeitnehmer 2021 an. Anfang Februar 2022 kam es erneut zu Unstimmigkeiten. Der Arbeitnehmer behauptete, mit minderwertigen, nicht dem Änderungsangebot aus der Änderungskündigung entsprechenden Aufgaben und Zuständigkeiten beschäftigt zu werden.
Arbeitnehmer verlangt Entschädigung
Am 4. Februar 2022 meldete er sich wegen einer Verletzung krank, da er auf der Treppe gestolpert sei. Mit einer Folgebescheinigung war er rund einen Monat arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Arbeitgeber ließ den Arbeitnehmer in der Zeit vom 25. Februar 2022 bis zum 4. März 2022 durch eine Detektei überwachen. Diese notierte dabei auch Wahrnehmungen hinsichtlich seines Gesundheitszustandes, beispielsweise, dass er sein Bein nachzog. Insgesamt war der Arbeitgeber nach dem Bericht der Detektei jedoch davon überzeugt, dass die Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht war und kündigte dem Arbeitnehmer. Die Kündigungsschutzklage war in der Vorinstanz erfolgreich.
Vor dem BAG ging es nur noch um die Rechtmäßigkeit des Schadensersatzanspruchs gemäß § 82 DSGVO aufgrund der erfolgten Überwachung.
BAG: Schadensersatz aufgrund DSGVO-Verstoßes
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Zu Recht habe das LAG Düsseldorf dem Arbeitnehmer einen immateriellen Schadenersatz gemäß § 82 DSGVO zugesprochen. Auch an der Höhe von 1.500 Euro hatte es nichts auszusetzen.
In der Begründung stellte das BAG fest, dass ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung vorlag. Bei der Dokumentation des sichtbaren Gesundheitszustands des Arbeitnehmers, insbesondere seines Gangs, habe es sich zum Teil um Gesundheitsdaten iSv. Art. 9 Abs. 1 iVm. Art. 4 Nr. 15 DSGVO gehandelt. Der Arbeitgeber habe als Verantwortlicher im Rahmen der Observation ohne Einwilligung des Arbeitnehmers dessen Gesundheitsdaten verarbeitet. Dies war nach Meinung des obersten Arbeitsgerichts jedoch im konkreten Fall nicht erforderlich iSv. Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DSGVO iVm. § 26 Abs. 3 BDSG. Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei nicht durch begründete Zweifel erschüttert.
Immaterieller Schaden durch Kontrollverlust?
Durch die rechtswidrige Observation hat der Arbeitnehmer nach Meinung des BAG auch einen immateriellen Schaden erlitten. Bei einer mehrtägigen Überwachung, die eine heimliche Beobachtung und Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Mitarbeiters umfasste und ihn auch im Außenbereich seines Wohnhauses betraf, hielt das BAG den Vortrag zum Schaden für substantiiert. In einer solchen Konstellation sei der Verlust von Kontrolle und die daraus folgende Befürchtung weiterer Überwachung selbsterklärend und bedürften keiner weiteren näheren Darlegung.
Der Betrag von insgesamt 1.500 Euro sei auch im Ergebnis angemessen.
Hinweis: BAG, Urteil vom 25.7.2024, Az. 8 AZR 225/23; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2023, Az, 12 Sa 18/23
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