Medizinischer Dienst durfte eigenen Mitarbeiter begutachten
Der Medizinische Dienst führt bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeitenden medizinische Begutachtungen durch. Dies geschieht unter anderem im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen. Im vorliegenden Fall ging es vor dem Bundesarbeitsgericht um die Frage, ob der Medizinische Dienst bei Zweifeln an der Arbeitsfähigkeit auch Gesundheitsdaten seiner eigenen Beschäftigten verarbeiten darf, um deren Arbeitsfähigkeit zu beurteilen. Zum anderen war die Frage, ob Gesundheitsdaten derart gesichert sein müssen, dass kein anderer Mitarbeitender Zugriff auf sie hat. Das BAG hat nach einem Umweg über den EuGH dazu entschieden.
Der Fall: Medizinischer Dienst verarbeitet Gesundheitsdaten von eigenem Mitarbeiter
Der Arbeitnehmer ist IT-Mitarbeiter "Helpdesk" und Systemadministrator beim Medizinischen Dienst Nordrhein. Er war seit November 2017 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Ab Mai 2018 bekam er Krankengeld von seiner gesetzlichen Krankenkasse. Diese beauftragte kurz darauf den Medizinischen Dienst und damit den Arbeitgeber des erkrankten Mitarbeiters, ein Gutachten zur erstellen, um die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters zu beurteilen. Das Gutachten übernahm eine beim Medizinischen Dienst angestellte Ärztin. Sie erkundigte sich dafür bei dem behandelnden Arzt zuvor telefonisch über den Gesundheitszustand des Mitarbeiters. Das Gutachten selbst enthielt die Diagnose Depression. Als der Arbeitnehmer durch seinen behandelnden Arzt von dem Telefonat erfuhr, bat er eine Kollegin aus der IT-Abteilung, im Archiv nach dem Gutachten zu recherchieren und ihm davon Fotos zu schicken, was die Kollegin auch tat.
Schadensersatz wegen unzulässiger Datenverarbeitung?
Der Arbeitnehmer verlangte daraufhin von seinem Arbeitgeber die Zahlung von immateriellem und in zweiter Instanz auch materiellem Schadenersatz nach § 82 DSGVO mit der Begründung, die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten sei unzulässig gewesen. Das Gutachten hätte ein anderer Medizinischer Dienst erstellen müssen, jedenfalls sei die Ärztin nicht berechtigt gewesen, Auskünfte bei seinem Arzt einzuholen. Auch seien die Gesundheitsdaten nicht ausreichend gesichert gewesen. Zugangsberechtigt (um ihre Aufgaben zu erfüllen) waren IT-Mitarbeitende sowie Mitarbeitende einer Einheit "Spezialfall", die Gutachten in den besonderen Fällen, wo es um eigene Mitarbeitende des Medizinischen Dienst geht, erstellt.
BAG: Medizinischer Dienst durfte Gesundheitsdaten verarbeiten
Der IT-Mitarbeiter unterlag in beiden Vorinstanzen mit seiner Klage. Das Bundesarbeitsgericht befragte zunächst den EuGH zur Auslegung von EU-Recht bei der Verarbeitung von personenbezogenen Gesundheitsdaten. Der EuGH hielt die EU-Vorgaben für erfüllt.
Das BAG entschied daraufhin, dass der Medizinische Dienst die Gesundheitsdaten verarbeiten durfte, auch wenn es sich um den eigenen Mitarbeiter handelte. Einen Anspruch auf Schadensersatz habe dieser nicht, da aus Sicht des Gerichts kein Verstoß gegen die DSGVO vorlag. Die Verarbeitung der Gesundheitsdaten des Mitarbeiters war zur Erstellung der von der gesetzlichen Krankenkasse beauftragten gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit iSv. Art. 9 Abs. 2 h DSGVO erforderlich. Sie war zudem unionsrechtlich zulässig, begründete das BAG seine Entscheidung.
Weiterhin stellte es fest, dass ein Arbeitgeber, der als Medizinischer Dienst Gesundheitsdaten eines eigenen Arbeitnehmers verarbeitet, nicht verpflichtet sei zu gewährleisten, dass überhaupt kein anderer Beschäftigter Zugang zu diesen Daten hat. Ausreichend sei es, dass sämtliche Mitarbeitende, die Zugang zu Gesundheitsdaten haben, einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht bzw. jedenfalls dem Sozialgeheimnis, das die Beschäftigten des Medizinischen Dienstes auch untereinander zu beachten haben, unterlagen.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Juni 2024, Az. 8 AZR 253/20;
Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 11. März 2020, Az. 12 Sa 186/19
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