Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung einer katholischen Religionslehrerin
Orientierungssatz
Die standesamtliche Ehe einer im katholisch-kirchlichen Dienst stehenden Lehrerin mit einem geschiedenen katholischen Mann stellt einen schwerwiegenden und fortdauernden Verstoß gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe dar, der geeignet ist, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen. Denn die Lehrkräfte wirken unmittelbar an der Verwirklichung des Erziehungsziels der Kirche mit und nehmen im Rahmen ihres erzieherischen Auftrags eine wichtige Leitbildfunktion bei der Vermittlung von Verhaltensmaximen innerhalb der Bereiche Familie, Staat, Gesellschaft und Kirche ein. Um die von der Kirche verfolgten Erziehungs- und Bildungsvorstellungen glaubwürdig vermitteln zu können, ist es erforderlich, daß die Lehrkraft nicht nur in Wort und Schrift versucht, den Schülern bestimmte Glaubens- oder Wertvorstellungen nahezubringen.
Normenkette
GG Art. 140; BGB §§ 140, 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Anstellungsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 1986 rechtswirksam beendet worden ist.
Die am 20. Januar 1953 geborene Klägerin erwarb an der Kirchlichen Gesamthochschule in Eichstätt am 29. Juli 1977 im Fachhochschulstudiengang Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit den akademischen Grad "Religionspädagoge (grad.)". Aufgrund des Dienstvertrages vom 8. September 1977 wurde die Klägerin ab dem 15. September 1977 bei der Beklagten als Gemeindeassistentin in der Pfarrei H tätig. Auf ihren Antrag wurde ihr am 24. November 1979 die "missio canonica" erteilt. Sie wurde damit in die Lage versetzt, katholischen Religionsunterricht an Volks- und Hauptschulen im Sinne des Art. 136 Abs. 4 der Bayerischen Verfassung und des Art. 7 § 3 des Bayerischen Konkordates in der Fassung vom 4. September 1974 zu erteilen.
Die Klägerin gab an der örtlichen Haupt- und Sonderschule zuletzt 23 Wochenstunden Religionsunterricht und leistete durchschnittlich an drei Stunden in der Woche kirchliche Gemeindearbeit (insbesondere außerschulische Firmvorbereitung und Krankenhausseelsorge). Ihr durchschnittliches Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt 3.414,25 DM.
Am 12. Dezember 1984 fand eine Aussprache der Klägerin mit dem Bischof der Diözese P und dem Personalreferenten im Bischöflichen Ordinariat wegen ihrer Absicht statt, Herrn Johannes K zu ehelichen, dessen Ehe mit seiner noch lebenden ersten Ehefrau zwar gerichtlich geschieden, jedoch nicht kirchlich aufgelöst worden ist. In diesem Gespräch wurde die Klägerin auf die kündigungsrechtlichen Folgen dieser Eheschließung hingewiesen. Am 28. Dezember 1984 heiratete die Klägerin vor dem Standesamt B ihren jetzigen Ehemann, Herrn Johannes K. Dies teilte die Klägerin mit Schreiben vom 30. Dezember 1984 dem Bischof von P mit.
Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 9. Januar 1985 beim zuständigen Gewerbeaufsichtsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin, die bereits seit dem 6. November 1984 von ihrem späteren Ehemann schwanger war. Mit Bescheid des Gewerbeaufsichtsamts München-Land vom 27. Februar 1985 wurde die Zustimmung verweigert. Die Beklagte ließ diesen Bescheid bestandskräftig werden und beschäftigte die Klägerin bis zum 10. Mai 1985, dem Beginn des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes, als Religionslehrerin und Gemeindeassistentin weiter. Am 26. Juni 1985 gebar die Klägerin die Tochter Birgitta Maria. Mit Schreiben vom 3. Juli 1985 beantragte sie die Gewährung des gesetzlichen Mutterschaftsurlaubs bis einschließlich 25. Dezember 1985; gleichzeitig kündigte sie ihre Weiterarbeit ab dem 27. Dezember 1985 an. Die Beklagte beurlaubte die Klägerin mit Schreiben vom 12. Dezember 1985 von der weiteren Dienstleistung bis einschließlich 25. Februar 1986.
Mit Schreiben vom 26. Februar 1986, das der Klägerin noch am selben Tag ausgehändigt worden ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 28. Februar 1986. Die Kündigung wurde damit begründet, daß die Klägerin eine nach dem Recht der Kirche ungültige Ehe eingegangen sei und dadurch in schwerwiegender Weise gegen wesentliche Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verstoßen habe. Da sie sich zu den obersten Grundsätzen der Kirche in Widerspruch gesetzt habe, habe sie sich eines groben und schwerwiegenden Verstoßes gegen ihre Arbeitsvertragsverpflichtungen schuldig gemacht. Dies stelle gemäß § 13 Ziffer 4 der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Dienstordnung für kirchlich angestellte Religionslehrerinnen und Religionslehrer an Volks- und Sondervolksschulen in den bayerischen (Erz-) Diözesen in der Fassung vom 1. Mai 1978 (DO vom 1. Mai 1978) einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar.
Gleichzeitig erhielt die Klägerin ein weiteres unter dem Datum 26. Februar 1986 ausgefertigtes Schreiben ausgehändigt, mit dem ihr die erteilte "missio canonica" entzogen wurde. Dies wurde damit begründet, daß infolge des schwerwiegenden Verstoßes gegen wesentliche Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre die Voraussetzungen für die Erteilung katholischen Religionsunterrichts nicht mehr gegeben seien.
Mit ihrer am 18. März 1986 beim Arbeitsgericht Passau eingereichten Kündigungsschutzklage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 1986 sei rechtsunwirksam und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sei nicht gegeben. Jedenfalls führe eine umfassende Interessenabwägung zu dem Ergebnis, der Beklagten sei die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht unzumutbar. Sie habe nämlich mit der standesamtlichen Heirat ihres Ehemannes nicht mutwillig oder unverantwortlich gegen die kirchlichen Ordnungen oder die kirchliche Glaubens- und Sittenlehre gehandelt. Vielmehr habe sie sich angesichts der eingetretenen Schwangerschaft in dem schier ausweglosen Konflikt befunden, entweder entgegen kirchenrechtlicher Bestimmungen und katholischer Glaubenssätze den geschiedenen Vater des künftigen Kindes zu heiraten, um dem Kind die geordnete Zugehörigkeit zu einer Familie zu bereiten, oder das Kind ebenfalls entgegen kirchenrechtlicher Bestimmungen und katholischer Glaubenssätze nicht auszutragen. In dieser Konfliktsituation habe sie sich für das Leben und das Wohl des Kindes und für die Familie entschieden. Dies könne nicht den Vorwurf begründen, sie sei ihren Loyalitätsverpflichtungen gegenüber der Beklagten in erheblichem Umfang untreu geworden. Die ausgesprochene Kündigung stelle sich jedenfalls aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung als ungerechtfertigt dar. Denn selbst bei schwerwiegenden Loyalitätspflichtverletzungen könnten noch schwerer wiegende Interessen des Arbeitnehmers einer außerordentlichen Kündigung entgegenstehen. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß sie jahrelang ihre Dienste unbeanstandet und zur Zufriedenheit der Beklagten verrichtet habe und daß die fristlose Kündigung im Zusammenhang mit dem Entzug der "missio canonica" einem Berufsverbot gleichkomme, da sie ihren erlernten Beruf nur bei der katholischen Kirche ausüben könne. Sie, ihr Ehemann und das gemeinsame Kind seien aus wirtschaftlichen Gründen auf das Arbeitseinkommen der Klägerin angewiesen. Durch die Weiterbeschäftigung bis zum 10. Mai 1985 habe die Beklagte zu erkennen gegeben, daß ihr eine Weiterarbeit der Klägerin nicht unzumutbar sei.
Die Klägerin hat beantragt:
Es wird festgestellt, daß die fristlose Kündigung
der Beklagten vom 26. Februar 1986 rechtsunwirk-
sam ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen, aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechtes der Kirche könne sie die von ihrem Verkündigungsauftrag her gebotenen Anforderungen an die Loyalitätspflichten der im kirchlichen Dienst tätigen Personen festlegen. Sie könne darauf bestehen, daß die für sie handelnden Personen die Grundsätze, die diese im erzieherischen und seelsorgerischen Bereich vertreten sollen, auch in ihrer eigenen Lebensführung beachten. Die standesamtliche Eheschließung der Klägerin mit einem geschiedenen Mann stelle einen Verstoß gegen das von der Unauflöslichkeit der Ehe ausgehende Sittengesetz der katholischen Kirche und damit eine schwerwiegende Loyalitätspflichtverletzung gegenüber der Beklagten dar. Hierauf sei die Klägerin zuletzt im Rahmen der Aussprache vom 12. Dezember 1984 unmißverständlich hingewiesen worden. Die von der Klägerin begangene Loyalitätspflichtverletzung rechtfertige den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Eine mit der "missio canonica" ausgestattete Religionslehrerin wirke unmittelbar am Verkündigungsauftrag der Kirche mit. Ihrer Erscheinung und Wirkung nach außen komme deshalb für die Glaubwürdigkeit der Kirche besondere Bedeutung zu. Die Kirche könne keine Religionslehrer dulden, die sich in offenen Widerspruch mit der Sittenlehre und den Glaubensgrundsätzen der Kirche setzen.
Die Klägerin verquicke in unzulässiger Weise das Gebot zum Schutze des ungeborenen Lebens mit den kirchlichen Ehebestimmungen. Zwar sei ihr zuzustimmen, wenn sie den hohen Rang des Lebens des Kindes und der Fürsorge für dieses Kind betone, doch könne die Hilfe seitens der Kirche nicht darin bestehen, für das Leben und das Wohl des Kindes den Kernbereich kirchlicher Ehebestimmungen, zu dem die Unauflöslichkeit der Ehe zähle, aufzugeben. Die Klägerin könne auch aus der vorläufigen Weiterbeschäftigung nach ihrer Eheschließung bis zum Beginn der Mutterschutzfristen nicht die Verwirkung des Kündigungsrechts oder die generelle Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ableiten. Vielmehr habe die Beklagte durch das unverzüglich eingeleitete Verfahren beim Gewerbeaufsichtsamt keinen Zweifel daran gelassen, daß sie die Auflösung des Arbeitsverhältnisses anstrebe. Gegen den ablehnenden Bescheid des Gewerbeaufsichtsamtes seien nur deshalb keine rechtlichen Maßnahmen ergriffen worden, um die Klägerin zwei Monate vor Beginn der Mutterschutzfrist nicht noch mehr zu beunruhigen, zumal bis zu diesem Zeitpunkt rechtliche Schritte noch keinen Erfolg versprochen hätten. Der 26. Februar 1986 sei der erste Tag gewesen, an dem nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes eine fristlose Kündigung habe wirksam ausgesprochen werden können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Ersturteil teilweise abgeändert und festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 1986 erst zum 30. Juni 1986 beendet worden ist. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Ersturteils, während die Klägerin mit ihrer Anschlußrevision ihr Begehren weiterverfolgt, die Unwirksamkeit der Kündigung vom 26. Februar 1986 festzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen beider Parteien sind unbegründet, denn das Berufungsurteil ist im Ergebnis richtig. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung für unwirksam gehalten, sie aber zutreffend in eine wirksame ordentliche KÜndigung umgedeutet.
I. Zu Unrecht wendet sich die Revision der Beklagten gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung vom 26. Februar 1986 sei als fristlose Kündigung unwirksam. Denn die Voraussetzung des § 626 Abs. 1 BGB, daß der Beklagten die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wäre, ist nicht erfüllt.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zunächst unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts rechtsfehlerfrei festgestellt, das Verhalten der unmittelbar in der Glaubensverkündigung tätigen Klägerin habe eine schwerwiegende Loyalitätspflichtverletzung gegenüber der Beklagten dargestellt und sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche KÜndigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht insoweit im wesentlichen ausgeführt, aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der katholischen Kirche könne diese von einem Arbeitnehmer, der in ihre Dienste trete, vertraglich verlangen, daß er ihrer geistig-ideellen Zielsetzung weder im Dienst noch außerdienstlich zuwiderhandele. Derartige Loyalitätspflichten träfen insbesondere die Mitarbeiter mit Verkündigungsauftrag, die im karitativen und erzieherischen Bereich tätig seien. Da die Klägerin als Religionslehrerin unmittelbar mit der Verkündigung der christlichen Lehre der katholischen Kirche befaßt sei, könne von ihr zu Recht erwartet werden, daß sie sich auch in ihrer privaten Lebensführung an die tragenden Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre halte. Durch ihre standesamtliche Heirat eines Mannes, der bereits verheiratet war und dessen erste geschiedene Ehefrau noch lebt, habe die Klägerin in schwerwiegendem Maße gegen die Grundsätze der katholischen Glaubenslehre verstoßen. Nach Codex juris Canonici can. 1085 § 1 sei kirchenrechtlich eine Eheschließung ungültig, wenn ein Partner durch das Band einer früheren Ehe noch gebunden ist. Nach kirchlichem Lehrverständnis gehöre die Unauflöslichkeit der Ehe zu den wesentlichen Grundsätzen der Lehre. Ein Verstoß hiergegen habe den Ausschluß aus der aktiven Glaubensgemeinschaft und vom Empfang der Sakramente zur Folge. Mit ihrer zivilrechtlich zwar gültigen, nach kanonischem Recht jedoch ungültigen Ehe habe sich die Klägerin nach dem katholischen Kirchenrecht und Glaubensverständnis eines schweren Fehlverhaltens schuldig gemacht. Bei der Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten hätten die Gerichte für Arbeitssachen die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe zugrunde zu legen.
2. Dieser Würdigung hat das Landesarbeitsgericht zutreffend die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 (AP Nr. 24 zu § 140 GG) und die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 30, 247, 256 = AP Nr. 2 zu Art. 140 GG, zu B I 3 der Gründe; BAGE 34, 195, 204 = AP Nr. 7 zu Art. 140 GG, zu B II 2 a der Gründe; BAGE 45, 250, 254 f. = AP Nr. 16 zu Art. 140 GG, zu I 3 c bb der Gründe; BAGE 47, 144, 153 = AP Nr. 20 zu Art. 140 GG, zu III 3 a der Gründe; zuletzt unveröffentlichtes Senatsurteil vom 18. November 1986 - 7 AZR 274/85 -) zugrunde gelegt.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 4. Juni 1985 (aaO) ausgeführt, die Kirchen könnten der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regelten, das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller ihrer Mitarbeiter zugrunde legen. Dazu gehöre auch die Befugnis der Kirche, den ihr angehörenden Arbeitnehmern die Beachtung jedenfalls der tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre aufzuerlegen und deren Beachtung zu verlangen. Es bleibe den verfaßten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordere", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" seien und was "Nähe" zu ihnen bedeute, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" seien und was als - gegebenenfalls schwerer - Verstoß gegen diese anzusehen sei. Soweit diese kirchlichen Vorgaben den anerkannten Maßstäben der verfaßten Kirche Rechnung trügen, seien die Arbeitsgerichte an sie gebunden, es sei denn, die Gerichte begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot sowie in dem Begriff der guten Sitten und des ordre public ihren Niederschlag gefunden hätten. Es obliege den Arbeitsgerichten, den Sachverhalt festzustellen und unter die kirchlicherseits vorgegebenen, arbeitsrechtlich abgesicherten Loyalitätsobliegenheiten zu subsumieren. Kämen sie hierbei zur Annahme einer Verletzung solcher Loyalitätsobliegenheiten, so sei die weitere Frage, ob diese Verletzung eine Kündigung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertige, nach den kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften § 1 KSchG, § 626 BGB zu beantworten.
b) Nach der oben angeführten ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Kirchen kraft ihres verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung) die von ihrer Sendung her gebotenen Loyalitätsobliegenheiten der im kirchlichen Dienst tätigen, an der Verkündigung teilhabenden Arbeitnehmer festlegen. Bei der Arbeit im Dienste kirchlicher Einrichtungen, jedenfalls soweit sie das kirchliche Selbstverständnis verwirklichen, stehen zwei Aspekte nebeneinander: das Vertrauensmoment zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses und das Ansehen sowie die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Einrichtung allgemein und gegenüber denen, die sie in Anspruch nehmen. Der kirchliche Arbeitgeber kann darauf bestehen, daß die für ihn handelnden Personen jene Grundsätze, die sie Dritten gegenüber darstellen sollen, auch selbst beachten. Der Arbeitnehmer, der durch seine vertragliche Arbeitsleistung Funktionen der Kirche wahrnimmt und an der Erfüllung ihres Auftrags mitwirkt, macht sich für die Wahrnehmung der von ihm arbeitsvertraglich übernommenen Aufgaben ungeeignet, wenn er seine Lebensführung nicht so einrichtet, daß sie den grundlegenden Gesetzen der Kirche entspricht.
Der erkennende Senat hat bereits mit seinem Urteil vom 31. Oktober 1984 (BAGE 47, 144, 154 f. = AP Nr. 20 zu Art. 140 GG, zu III 4 a der Gründe) ausführlich begründet, daß die standesamtliche Ehe einer im katholisch-kirchlichen Dienst stehenden Lehrerin mit einem geschiedenen katholischen Mann einen schwerwiegenden und fortdauernden Verstoß gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe darstellt, der geeignet ist, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen. Denn die Lehrkräfte wirken unmittelbar an der Verwirklichung des Erziehungsziels der Kirche mit und nehmen im Rahmen ihres erzieherischen Auftrags eine wichtige Leitbildfunktion bei der Vermittlung von Verhaltensmaximen innerhalb der Bereiche Familie, Staat, Gesellschaft und Kirche ein. Um die von der Kirche verfolgten Erziehungs- und Bildungsvorstellungen glaubwürdig vermitteln zu können, ist es erforderlich, daß die Lehrkraft nicht nur in Wort und Schrift versucht, den Schülern bestimmte Glaubens- oder Wertvorstellungen nahezubringen. Der Erfolg der Erziehungsarbeit hängt maßgeblich davon ab, daß sich die Lehrkraft in ihren Verhaltensweisen selbst an den zu vermittelnden grundlegenden Glaubens- und Wertvorstellungen orientiert. Der Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe gehört nach wie vor zu den wesentlichen Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre (vgl. Codex juris Canonici von 1983 (CIC), can. 1055, 1056, 1134, 1141). Bei der standesamtlichen Eheschließung mit einem geschiedenen katholischen Mann und dem anschließenden Zusammenleben handelt es sich nicht um einen einmaligen Verstoß gegen kirchenrechtlich manifestierte Glaubensgrundsätze, sondern um einen Dauertatbestand, der zum Fortfall der persönlichen Eignung einer katholischen Lehrkraft führt. Zur glaubwürdigen Vermittlung des Grundsatzes der Unauflöslichkeit der Ehe gehört, daß die unterrichtende katholische Lehrkraft diesen Grundsatz selbst nicht verletzt.
In der dargestellten Entscheidung vom 31. Oktober 1984 hatte der Senat über die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung zu befinden. Er hat jedoch im nicht veröffentlichten Urteil vom 18. November 1986 (- 7 AZR 274/85 -) in einer gleichgelagerten Fallkonstellation auch ausgeführt, daß dieser schwerwiegende und fortdauernder Verstoß gegen Vertrags- und Loyalitätsobliegenheiten geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben.
c) Die Klägerin treffen keine geringeren Anforderungen hinsichtlich ihrer Vertrags- und Loyalitätsobliegenheiten gegenüber der Beklagten als die Lehrkräfte in den zitierten Entscheidungen des Senats. Diese unterrichteten an Schulen mit kirchlicher Trägerschaft in den Fächern Mathematik und Geographie bzw. Deutsch und Pädagogik. Denn bei einer mit der "missio canonica" ausgestatteten Religionslehrerin im öffentlichen Schuldienst bzw. einer mit unmittelbaren Verkündigungsaufgaben betrauten Mitarbeiterin der Kirchengemeinde stellt sich die Frage der glaubwürdigen Vermittlung tragender Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre in besonderem Maße. Diese Personen werden wegen der Wahrnehmung spezifischer kirchlicher Lehraufgaben besonders intensiv mit der kirchlichen Lehre selbst identifiziert. Ließe es die Kirche zu, daß diese Personen gegen die von ihnen verkündete Lehrmeinung verstießen, liefe sie Gefahr, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die Kirche selbst messe ihren Wertvorstellungen keine allzu große Bedeutung mehr zu. Das Gebot, seine persönliche Lebensführung nach den übertragenen Erziehungsaufgaben auszurichten und Verstöße gegen die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre und einschlägige kirchliche Bestimmungen zu unterlassen, findet sich dementsprechend auch in der einzelvertraglich in Bezug genommenen DO vom 1. Mai 1978 und der Dienst- und Vergütungsordnung für Gemeindereferenten und Gemeindereferentinnen in der Diözese P in der Fassung vom 1. August 1983.
3. Für die bei der Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB weiter zu prüfende Frage, ob das Verhalten und die persönliche Eignung des in der Verkündigung tätigen kirchlichen Arbeitnehmers nur den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung oder auch den einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigt, kommt es im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung entscheidend auf die konkreten Umstände des Einzelfalles und eine umfassende Abwägung der Interessen beider Vertragsteile an.
a) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Erfordernis einer umfassenden Interessenabwägung nicht bereits deshalb verneint, weil in der einzelvertraglich in Bezug genommenen DO vom 1. Mai 1978 unter § 13 Ziffer 4 ausdrücklich die Zulässigkeit der außerordentlichen Kündigung bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre und einschlägige kirchliche Bestimmungen geregelt worden ist. Denn die Parteien eines Arbeitsvertrages können das Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht einzelvertraglich über das gesetzliche Maß hinaus erweitern (vgl. BAGE 2, 333, 341 = AP Nr. 8 zu § 626 BGB, zu III 2 der Gründe; KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 43 m.w.N.). Auch bei Vorliegen einer die Glaubwürdigkeit der Kirche berührenden Loyalitätspflichtverletzung muß aufgrund der eindeutigen Regelung in § 626 Abs. 1 BGB Raum für eine individuelle Interessenabwägung verbleiben. Eine andere Auffassung liefe auf die Schaffung absoluter Kündigungsgründe und damit eine entscheidende Einschränkung des gesetzlichen Kündigungsschutzes hinaus (vgl. BAG Urteil vom 21. Oktober 1982, aaO).
b) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten der Klägerin berücksichtigt, daß diese vor Ausspruch der Kündigung bereits acht Jahre im Dienste der Beklagten stand, ohne daß es hinsichtlich ihrer Lebensführung in der Vergangenheit zu Beanstandungen gekommen ist. Es hat ferner berücksichtigt, daß sich die Klägerin in einem schwierigen Interessenkonflikt, das Leben und Wohl des Kindes auf der einen Seite und die Erfüllung arbeitsvertraglich geschuldeter Loyalitätspflichten auf der anderen Seite betreffend, befunden hat und sie sich trotz der in Aussicht gestellten kündigungsrechtlichen Konsequenzen für das Leben und das Wohl des Kindes entschieden hat. Dem Verhalten der Klägerin kann sicher ein hohes Maß an ethischer und sozialer Verantwortung nicht abgesprochen werden, weshalb sie der Makel einer außerordentlichen Kündigung besonders schwer träfe. Dies gilt um so mehr, als die katholische Kirche selbst dem Schutz des ungeborenen Lebens und der Einbindung des Kindes in den geordneten Familienverband in ihrer Glaubens- und Sittenlehre eine ganz herausragende Position einräumt.
Auf der anderen Seite hat das Landesarbeitsgericht auch zutreffend die Interessen der Beklagten im Rahmen ihres verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts berücksichtigt und hierbei auf die Schwere der Loyalitätspflichtverletzung und auf den Umstand abgestellt, daß es sich hierbei um einen Dauerzustand handelt, der die Glaubwürdigkeit der Kirche fortlaufend berührt.
c) Zwar rügt die Revision zu Recht, daß vom Landesarbeitsgericht nicht ausreichend berücksichtigt wurde, welche Auswirkungen der Entzug der "missio canonica" mit Wirkung ab dem 26. Februar 1986 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien hatte. Nach dem Sachvortrag der Beklagten und der Regelung unter § 3 der DO vom 1. Mai 1978 entfiel damit eine wesentliche Voraussetzung für die Tätigkeit als Religionslehrerin an einer öffentlichen Schule. Da der Entzug der "missio canonica" einen innerkirchlichen Akt darstellt, der aufgrund des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist, ist dieser Umstand von den Gerichten für Arbeitssachen als gegeben hinzunehmen. Damit steht fest, daß die Klägerin im Rahmen ihrer bisherigen Vertragsbedingungen von der Beklagten ab dem 27. Februar 1986 nicht mehr - und auch nicht lediglich für die Zeit der ordentlichen Kündigungsfrist - beschäftigt werden konnte. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts stellt sich daher die Frage nicht, ob die Klägerin - wie bereits in der Zeit zwischen den Mitteilungen der Eheschließung und dem Beginn der Mutterschutzfristen - kurzfristig ihre bisherige Tätigkeit weiter hätte ausüben können.
Entgegen der Ansicht der Revision beruht indessen das Berufungsurteil auf dieser mangelnden Berücksichtigung des Entzugs der "missio canonica" nicht. Denn gerade wenn man mit dem Vortrag der Beklagten davon ausgeht, daß sie aufgrund des Entzugs der "missio canonica" die Klägerin weder beschäftigen mußte noch konnte, erweist es sich als der Beklagten zumutbar, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen und mithin nicht fristlos, sondern lediglich ordentlich zu kündigen.
Maßstab für die gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmende Interessenabwägung ist die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer der KÜndigungsfrist, also die Aufrechterhaltung des rechtlichen Bandes für diesen Zeitraum. Es ist weder von der Beklagten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, inwiefern die Beklagte hierdurch belastet worden wäre, inwiefern mithin berechtigte Interessen der Beklagten für eine Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gesprochen hätten. Infolge des Entzugs der "missio canonica" fehlte der Klägerin die Befähigung zur Ausübung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen. Sie konnte daher von der Beklagten auch bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses weder ihre tatsächliche Beschäftigung verlangen noch die Beklagte in Annahmeverzug setzen. Denn wegen des Fehlens der "missio canonica" war die Klägerin außerstande, die vereinbarte Leistung zu bewirken (§ 615 Satz 1, § 297 BGB); Unmöglichkeit der Leistung und Annahmeverzug des Gläubigers aber schließen sich gegenseitig aus (vgl. z. B. BAGE 9, 300, 301 = AP Nr. 1 zu § 8 MuSchG, zu 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 6. März 1974 - 5 AZR 313/73 - AP Nr. 29 zu § 615 BGB, zu I 1 der Gründe; unveröffentlichte Senatsurteile vom 26. März 1986 - 7 AZR 592/84 - und vom 11. Dezember 1987 - 7 AZR 709/85 -).
Die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist war daher nicht geeignet, berechtigte Interessen der Beklagten zu beeinträchtigen und der Beklagten schon aus diesem Grunde zumutbar. Überdies belastete eine außerordentliche Kündigung die Klägerin mit einem ihr berufliches Fortkommen zusätzlich erschwerenden Makel, ohne daß auch hieran ein berechtigtes Interesse der Beklagten erkennbar wäre. Auch unter billiger Berücksichtigung des Interesses der Klägerin, nicht ohne Not mit diesem Makel behaftet zu werden, war daher der Beklagten zuzumuten, das Arbeitsverhältnis dem rechtlichen Bande nach für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.
II. Auch die Anschlußrevision der Klägerin ist unbegründet. Denn als ordentliche Kündigung hat, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, die Kündigung vom 26. Februar 1986 das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1986 beendet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die unwirksame fristlose Kündigung auf den vorsorglichen Antrag der Beklagten hin zulässigerweise gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet. Gegen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Wille der Beklagten, sich wegen der Eheschließung auf jeden Fall von der Klägerin zu trennen, sei deutlich erkennbar gewesen, wendet sich auch die Anschlußrevision nicht.
2. Das Landesarbeitsgericht hat diese ordentliche Kündigung als aus personen- bzw. verhaltensbedingten Gründen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt angesehen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Eingehung der ungültigen Ehe durch die Klägerin bilde einen Dauertatbestand, durch den sich die Klägerin in schwerwiegender Weise gegen kirchliches Recht und die katholische Glaubenslehre stelle. Das Selbstverständnis der Beklagten, einer derartigen Mitarbeiterin das pastorale Verkündigungsrecht nicht auf Dauer belassen zu können, sei hier von übergeordnetem Gewicht. Der Beklagten sei im Rahmen ihres verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts zuzubilligen, sich von einer Mitarbeiterin zu trennen, deren private Lebensführung dauernd im Widerspruch zu tragenden Grundsätzen der katholischen Glaubenslehre stehe.
Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie steht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats, wie sie insbesondere in den oben bereits angeführten Urteilen vom 31. Oktober 1984 und vom 18. November 1986 dargestellt ist. Auch die abweichende Würdigung der Anschlußrevision gibt dem erkennenden Senat keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, nach der bei einem im Dienste der Kirche stehenden Arbeitnehmer die gegen Glaubensgrundsätze verstoßende Eheschließung mit einem geschiedenen Partner jedenfalls eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen kann. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn dieser Arbeitnehmer in der Verkündigung selbst tätig ist und es sich deshalb um eine schwerwiegende Loyalitätspflichtverletzung mit Dauercharakter handelt, und muß selbst dann gelten, wenn die ordentliche Kündigung für diesen Arbeitnehmer infolge des verengten Arbeitsmarktes zu schwerwiegenden Nachteilen führt. Dem kirchlichen Arbeitgeber ist nicht zumutbar, auf Dauer einen in der Verkündigung tätigen Arbeitnehmer einzusetzen, der in seiner persönlichen Lebensführung die von ihm zu vermittelnden Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre der Kirche nicht beachtet und deshalb die persönliche Eignung für die ihm übertragene Tätigkeit nicht besitzt.
III.Die Revision beider Parteien waren daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Dr. Seidensticker Dr. Becker Dr. Steckhan
Breier Lappe
Fundstellen
RzK, I 8g Nr 13 (ST1-2) |
AP, (ST1) |
EzA § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer, Nr 27 (ST1-2) |
KirchE 26, 142-148 (ST) |