Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenversicherung: Verhängung einer Sperrzeit nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Berücksichtigung der Umstände des Vertragsabschlusses bei der Sperrzeitanordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Prozesskostenhilfe für Klageverfahren gegen Sperrzeitbescheid.

 

Orientierungssatz

1. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses führt auch dann zur Anordnung einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld aus der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, wenn der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber vorbereiteten Vertrag ohne Bedenkzeit abschließen musste und ihm andernfalls mit einer außerordentlichen Kündigung gedroht wurde. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Arbeitgeber tatsächlich ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht zur Verfügung stand.

2. Allerdings kann sich aus den Umständen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages ein Grund für die Annahme einer besonderen Härte der Anordnung einer Sperrzeit für den Leistungsempfänger ergeben, insbesondere wenn der Leistungsempfänger bei einer angedrohten außerordentlichen Kündigung durch den vormaligen Arbeitgeber subjektiv vom Vorliegen eines geeigneten Kündigungsgrundes und damit der alternativen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung ausging. In diesem Fall kommt eine Verkürzung der Dauer der zu verhängenden Sperrzeit ihn Betracht.

 

Tenor

I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 13.05.2016 wird aufgehoben.

II. Der Klägerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt V., A-Stadt, beigeordnet.

 

Gründe

I.

Streitig ist der Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit im Hinblick auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages sowie die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) während einer Arbeitsunfähigkeit.

Die 1952 geborene Klägerin war seit 2007 bei der Firma T. GmbH & Co. KG D-Stadt (T.), zuletzt mit 20,12 Wochenstunden, als Verkäuferin beschäftigt. Am 02.05.2014 schloss sie mit T. einen Aufhebungsvertrag, wonach das Beschäftigungsverhältnis sofort endete. Im Rahmen der Arbeitgeberbescheinigung führte T. insofern aus, es wäre der Klägerin im Falle des Nichtabschlusses eines Aufhebungsvertrages zum selben Zeitpunkt gekündigt worden.

Die Klägerin meldete sich bei der Beklagten am 03.05.2014 persönlich arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Sie bestätigte dabei das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben. Im Hinblick auf den Abschluss des Aufhebungsvertrages gab sie an, ihr sei vom Bezirksleiter vorgeworfen worden, sie arbeite zu langsam und zu wenig. Sie habe ihren Arbeitgeber nicht vom Gegenteil überzeugen können, da sie noch am selben Tag durch den "BZL" und "VKL" zur sofortigen Unterschrift bezüglich des Aufhebungsvertrages genötigt worden sei. Sie habe keinerlei Bedenkzeit erhalten.

Mit Bescheid vom 30.06.2014 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 03.05.2014 bis 25.07.2014 sowie die Minderung der Anspruchsdauer des Alg-Anspruchs um 180 Tage fest. Die Klägerin habe ihr Arbeitsverhältnis selbst durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ohne wichtigen Grund gelöst. Unter Berücksichtigung der Sperrzeit bewillige die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 30.06.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07.07.2014 sodann Alg ab 26.07.2014 bis 24.01.2016 in Höhe von 11,60 € täglich. Gegen die Sperrzeit legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Erlangung eines für ihren Arbeitgeber wirtschaftlichen Vorteils sei sie von diesem genötigt worden, dem Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung zuzustimmen. Um die Bedeutung der Erklärung habe sie nicht gewusst. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2014 zurück.

In der Zeit vom 23.07.2014 bis 26.08.2014 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erhielt, hob sie die Bewilligung von Alg mit Bescheid vom 18.08.2014 ab dem 26.07.2014 auf. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Krankengeld zu. Im Hinblick auf die eingetretene Überzahlung von 58,00 € sei ein anderer Leistungsträger zur Erstattung aufgefordert worden. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und meldete sich am 28.08.2014 erneut arbeitslos, worauf ihr mit Bescheid vom 04.09.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 01.10.2014 und 18.11.2014 für die Zeit vom 28.08.2014 bis zum 31.10.2014 - ab 01.11.2014 hat die Klägerin eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen - Alg in Höhe von 11,60 € täglich wieder bewilligt wurde. Dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.08.2014 half die Beklagte ab und hob mit Bescheid vom 01.10.2014 den Bescheid vom 18.08.2014 wieder auf. Gleichzeitig wurde mit einem neuen Bescheid vom 01.10.2014 die Bewilligung von Alg wiederum ab 26.07.2014 aufgehoben und die Erstattung von Alg für die Zeit vom 26.07.2014 bis 31.07.2014 in Höhe von 69,60 € von der Klägerin gefordert. Sie sei nicht verfügbar gewesen und habe keinen Anspruch auf Leistungsfortzahlung nach § 146 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge