Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Anfechtungsklage. Beiladung. Überprüfungsverfahren für Schiedsspruch einer Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. leistungsgerechte Vergütung. Plausibilitätskontrolle. externer Vergleich. Berücksichtigung der tatsächlichen Erfahrungsstufen und tarifgerechten Bezahlung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Beiladung der Schiedsstelle hat nicht zu erfolgen. Die Schiedsstelle ist als hoheitliches Vertragshilfeorgan ohne eigene materielle Rechte in das Vereinbarungsverfahren eingeschaltet.
2. Die einer Partei des Vereinbarungswesens nach § 76 Abs 2 SGB 12 zugestandene Rechtsposition entspringt dem Recht der Leistungserbringung in der Sozialhilfe. Aus dieser Einräumung einer Verhandlungsposition heraus erwächst die Kompetenz der Schiedsstelle, wenn sie von den Vertragsparteien der Vergütungsvereinbarung angerufen wird.
3. Die Schiedsstelle verfügt über einen der Vertragsfreiheit der Parteien vergleichbaren Entscheidungsfreiraum. Diese ermessensähnliche Kompetenz der Schiedsstelle ist nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.
4. Zum zweistufigen Prüfungsverfahren der Schiedsstelle - Sozialhilfe.
5. Zur Bedeutung des so genannten externen Vergleichs.
6. Eine tarifgerechte Bezahlung unter Zugrundelegung der Ist-Gehälter zu Beginn der Vereinbarung widerspricht nicht dem prospektiven Ansatz der Vergütung. Für die Altersstufen sind keine Durchschnittswerte sondern die tatsächlich erreichten Erfahrungsstufen in die Kalkulation einzustellen.
7. Eine Übertragung der Rechtsprechung des BSG für die Pflegeversicherung (vgl BSG vom 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R = BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1 und vom 17.12.2009 - B 3 P 3/08 R = BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2) auf die gleiche Interessenlage in der Sozialhilfe ist geboten.
8. Hinweis auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom gleichen Tag (vgl LSG München vom 24.11.2011 - L 8 SO 223/09 KL).
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Vergütungsvereinbarungen dreier Einrichtungsteile einer Werkstatt für behinderte Menschen für die Zeit vom 01.08.2009 bis 31.07.2010. Der Kläger beantragte als Antragsgegner bei der Schiedsstelle Bayern - Sozialhilfe - niedrigere Festsetzungen der Grund- und Maßnahmepauschalen (Grundpauschale 7,72 Euro zzgl. Mittagessen 1,79 Euro; Maßnahmepauschale für die Hilfebedarfsgruppe 1 in Höhe von 21,49 Euro und für die Hilfebedarfsgruppe 2 in Höhe von 33,63 Euro).
Die Beklagte (dem Caritasverband angeschlossen) betreibt eine Werkstatt für behinderte Menschen als eine Hauptstelle mit zwei Zweigstellen. Insgesamt erbringt sie für 356 Personen Leistungen. Verhandlungen mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe (Kläger) über eine neue Entgeltvereinbarung für die Zeit vom 01.08.2009 bis zum 31.07.2010 waren nach zwei Terminen gescheitert. Der Kläger lehnte die von der Schiedsstelle festgesetzte Vergütung insbesondere wegen der Personalkosten (betreffend Grundpauschale und Maßnahmepauschale) ab. Das Angebot lag um 175.000 € unter dem von der Beklagten geltend gemachten Vergütungen.
Am 28.07.2009 beantragte die Beklagte bei der Schiedsstelle Bayern - Sozialhilfe - einen Schiedsspruch über den Abschluss einer Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung für seine Einrichtungen mit 356 Werkstattbeschäftigten, 328 Personen davon in Hilfebedarfsgruppe 1 und 56 in Hilfebedarfsgruppe 2, mit Beträgen von 8,18 Euro (Grundpauschale), 22,64 Euro (Maßnahmepauschale für Hilfebedarfsgruppe 1) sowie von 34,09 Euro Maßnahmepauschale für Hilfebedarfsgruppe 2).
Der Abschluss einer Prüfungsvereinbarung wurde vor der Schiedsstelle nicht mehr weiter verfolgt und hat sich wohl auch durch entsprechende Bestimmungen der Leistungsvereinbarung, insbesondere durch Bezugnahme auf die Rahmenvereinbarung, erledigt. Am 20.07.2009 kam eine Leistungsvereinbarung entsprechend der Rahmenvereinbarung mit Wirkung ab 01.08.2009 zu Stande. Danach besteht die Verpflichtung zur Leistungserbringung und Bereitstellung von Personal im Umfang von 72,79 Stellen bezogen auf 356 Werkstattbeschäftigte im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich sowie im Arbeitsbereich. Daraus wurde ein Basisstellenplan vom 20.07.2009 entwickelt, in dem jeder einzelne Mitarbeiter mit Geburtsdatum und Regelvergütungsstufen (Altersstufen, Erfahrungsstufen) sowie Planstellenanteil und Vergütungsgruppe aufgeführt war. Nach einer entsprechenden Kalkulation auf der Basis der Verdienstabrechnungen vom September 2009 gelangte die Beklagte zu den von ihr beantragten Vergütungswerten. Die Entlohnung erfolgte nach den Richtlinien kirchlicher Arbeitgeber (AVR) unter Berücksichtigung von Werkstatt- und Meisterzulagen (26.587 Euro), Leistungszulagen (20.457 Euro) und sonstige Personalkosten (58.125 Euro). Als Anlage war eine Personalkostenhochrechnung beigegeben, die pro Person eine Lohnsumme inklusive sämtlicher Lohnbestandteile und Arbeit...