Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Versäumung der Leistungsbeantragung. rückwirkende Wiederherstellung des Krankenversicherungsschutzes durch Krankenkasse für bisher Nichtversicherten. keine Übernahme von Beitragsschulden in der gesetzlichen Krankenversicherung aus der Zeit vor dem Bezug von Grundsicherungsleistungen. fehlende Rechtsgrundlage im SGB 2
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Übernahme von Beitragsschulden in der gesetzlichen Krankenversicherung bietet das SGB 2 keine Rechtsgrundlage.
2. Die Gewährung eines Darlehens gem § 24 Abs 1 S 1 SGB 2 ist wegen der Regelung in § 16 Abs 3a S 2 Halbs 2 SGB 5 ausgeschlossen.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 04.02.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Übernahme rückständiger Krankenversicherungsbeiträge nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Der 1973 geborene Kläger beantragte am 18.04.2011 bei der Gemeinde A-Stadt Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Der Antrag wurde von der Gemeinde zunächst an das Landratsamt B-Stadt und von diesem an den Beklagten weitergeleitet.
Der Kläger gab an, seit Jahren nicht krankenversichert gewesen zu sein. Nachdem Ermittlungen ergeben hatten, dass der Kläger zuletzt bei der Barmer GEK versichert war, wurde er dort ab dem 01.04.2011 angemeldet. Die Barmer GEK erließ daraufhin am 12.08.2011 mehrere Beitragsbescheide, mit denen eine Mitgliedschaft rückwirkend ab 01.03.2009 festgestellt wurde. Die daraus resultierende Verpflichtung wurde auf 4112 € beziffert, verbunden mit dem Angebot einer Ratenzahlung von 100 € monatlich.
Mit Bescheid vom 30.08.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger vom 01.04.2011 bis zum 30.09.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der aufgrund der Mitgliedschaft nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für diesen Zeitraum anfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Er wurde aufgefordert, bezüglich der rückständigen Beiträge das Angebot einer Ratenzahlung anzunehmen.
Mit Widerspruch vom 23.09.2011 beantragte der Kläger unter anderem auch die Übernahme des im August in Rechnung gestellten offenen Beitragsrests in Höhe von 4112 €.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2011 half der Beklagte den Widerspruch insoweit ab, als für die Zeit vom 01.04.2011 bis zum 30.09.2011 ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II berücksichtigt wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 16.01.2012 erhob der Kläger über seine Bevollmächtigte Klage zum Sozialgericht München mit dem Antrag, den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 30.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2011 zu verurteilen, ihm im Monat August 2011 zur Sicherstellung seines Krankenversicherungsschutzes den offenen Beitrag in Höhe von 4112 € zu gewähren.
Er habe trotz Bedürftigkeit im Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 31.03.2011 keinen weiteren Sozialhilfeantrag mehr gestellt und sei deswegen auch nicht krankenversichert gewesen. Die Wiederherstellung des Krankenversicherungsschutzes sei mit einem Gesamtbetrag von 4112 € in Rechnung gestellt worden. Hierbei handle es sich um den konkreten Bedarf für die Krankenversicherung im Monat August 2011. Außerdem wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung der Prozessbevollmächtigen beantragt.
Auf Hinweis des Gerichts, dass eine Rechtsgrundlage für die Übernahme rückständiger Beiträge nicht bestehe, zumal auch gemäß § 251 Abs. 4 SGB V die Beiträge nur für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtigen Bezieher von Arbeitslosengeld II getragen würden, teilte der Kläger mit, dass die Krankenversicherungspflicht durchgehend bestanden habe. Allerdings sei aufgrund der erheblichen Beitragsrückstände, die während des SGB II-Leistungsbezugs geltend gemacht und damit fällig geworden seien, nur ein ruhender Leistungsanspruch entstanden. Tatsächlich handle es sich bei dem gesamten Betrag um einen Beitrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB II.
Der Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 31.01.2012, dass die Last für das Versäumnis des Klägers nicht vom Steuerzahler getragen werden könne. Es liege ausschließlich im Verantwortungsbereich des Klägers, wenn er sich vor dem Leistungsbezug nicht versichert habe.
Mit Beschluss vom 04.02.2014 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Es sei keine Anspruchsgrundlage im SGB II ersichtlich, wonach die Übernahme der rückständigen Krankenversicherungsbeiträge in Betracht käme. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V bestehe Krankenversicherungspflicht für die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld II, soweit keine Familienversicherung bestehe (§ 10 SGB V), es sei denn, dass die Leistungen nur darlehensweise gewährt würden (§ 24 Abs. 4 und 5 SGB II) oder nur Leistungen nach § 24 Abs. 3 S. 1 SGB II bezogen würden. Der Beklagte sei nic...