Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Behandlungsmaßnahme durch einen nichtärztlichen Behandler im Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Keine Erstattung der Kosten von durch einen nichtärztlichen Behandler im Ausland erbrachten diagnostischen und therapeutischen Leistungen.
2. Keine Erstattung der Kosten für Nahrungsergänzungsmittel.
3. Bei einer bereits bestehenden beidseitigen Taubheit handelt es sich nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung i.S. von § 2 Abs.1a SGB V.
4. Das Gericht hat nicht ins Blaue zu ermitteln, ob eine bisher nicht benannte Erkrankung i.S. des § 2 Abs.1a SGB V vorgelegen haben könnte, für die eine dem wissenschaftlichen Standard entsprechende Therapie nicht zur Verfügung gestanden haben könnte.
5. Zur Einhaltung des Arztvorbehalts und Beachtung der Regeln der ärztlichen Kunst im Rahmen des § 2 Abs.1a SGB V.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für Behandlungsmaßnahmen im Ausland streitig.
Der 2010 geborene Kläger und Berufungskläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er wurde am 18.02.2011 wegen eines Skaphozephalus ("Kahnschädel") bei Sagittalnahtsynostose operiert. Die Kinderärztin H., bei der der Kläger sich letztmalig am 02.03.2012 zum Impfen vorstellte, überwies den Kläger wegen des Verdachts auf eine Hörstörung an einen HNO-Facharzt (Befundbericht vom 15.08.2013). Der HNO-Arzt Dr. K., in dessen Behandlung der Kläger sich von Dezember 2011 bis März 2012 befand (Befundbericht vom 09.09.2013), empfahl bei V.a. kindliche Schwerhörigkeit eine Untersuchung in der HNO-Klinik des Universitätsklinikums R-Stadt. Dort wurde aufgrund eigener Untersuchungen im Dezember 2011 und Januar 2012 sowie der auswärts erhobenen Vorbefunde der dringende Verdacht auf eine beidseitige Taubheit gestellt. Die Eltern seien ausdrücklich über die Situation und die absehbare Notwendigkeit einer beidseitigen Cochlea Implantat (CI)-Versorgung informiert worden (vgl. Arztbrief vom 01.02.2012).
Ein Pädakustiker des Hörhauses R-Stadt teilte dem behandelnden HNO-Arzt mit Schreiben vom 29.03.2012 mit, die Mutter des Klägers habe sich an ihn gewendet, da eine CI-Versorgung anstehe. Die Eltern empfänden die Hörreaktionen nicht so schlecht und wünschten eine testweise Powerhörgeräteversorgung.
Am 22.05.2012 legten die Eltern bei der Beklagten laborärztliche Befundberichte u.a. eines Labors in Tschechien über im April 2012 vom Kläger entnommene Proben vor, die "befundabhängige Therapieempfehlungen" (orthomolekulare Therapie, Phytotherapie und Mikrobiologische Therapie) enthielten. Die Beklagte legte diese dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Begutachtung vor, der in seiner Stellungnahme vom 23.05.2012 zu dem Ergebnis kam, es sei weder eine medizinische Indikation noch eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu erkennen. Für den therapeutischen Nutzen der orthomolekularen Therapie gebe es keinerlei seriöse Belege. Für die in der Therapieempfehlung genannten Produkte (Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Lebensmittel oder nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel) sei eine Leistungspflicht ausgeschlossen.
Am 01.06.2012 wurden der Beklagten zwei Rechnungen der Firma S., Tschechien (S.) vom 20.04.2012 in Höhe von insgesamt 3.778,- Euro vorgelegt. Mit Bescheid vom 11.06.2012 lehnte diese eine Kostenerstattung ab. Die Mutter des Klägers erhob Widerspruch und teilte mit, beim Kläger liege eine Immunschwäche vor, das Vertrauen zu deutschen Ärzten, die nur ein CI setzen wollten, sei zerstört. Die Ärzte im Ausland hätten diese Operation verboten. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Das hiergegen beim Sozialgericht Regensburg (SG) geführte Klageverfahren wurde durch fiktive Klagerücknahme am 22.07.2014 erledigt (S 8 KR 470/12).
Bereits mit Email vom 10.04.2014 wandten sich die Eltern des Klägers erneut an die Beklagte und baten um Hilfe wegen des aus ihrer Sicht vorliegenden Impfschadens und um Erstattung der Kosten für zwei Rechnungen vom 20.04.2012 und 12.03.2013. Das Blutbild und die Immunschwäche hätten sich gebessert. Die Ärzte im Ausland vermuteten, dass der Kläger mit höchster Wahrscheinlichkeit von der Operation der Sagittalnahtsynostose eine Immunschwäche davongetragen haben müsse. Dadurch habe sich sein Körper nicht gegen die Impfstoffe wehren können. Die Eltern hätten über einen Bekannten von Dr. S. erfahren, der dort selbst in Behandlung gewesen und geheilt worden sei. Daraufhin hätten sie am 20.04.2012 in der Kinderklinik W-Stadt vom Kläger Blut abnehmen lassen und hätten dieses sowie Stuhl und Urin zu Dr. S. transportiert.
Mit Schreiben vom 09.03.2015 teilte die Beklagte mit, wie bereits im Gespräch am 23.02.2015 ...