Entscheidungsstichwort (Thema)
Medizinische Rehabilitation. Psoriasiserkrankung. stationäre klimatherapeutische Heilmaßnahme am Toten Meer. Ermessensreduzierung auf Null. Kostenerstattungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen der Übernahme der Kosten einer stationären Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer in Israel durch den gesetzlichen Rentenversicherungsträger.
2. Dem stationären Charakter einer Klima-Heilkur am Toten Meer steht nicht entgegen, dass sich der Maßnahmeträger zur Erbringung der im Rahmen einer einheitlichen Maßnahme nötigen Elemente der Unterkunft und Verpflegung eines Hotels bedient, dem eine unter deutschsprachiger ärztlicher Leitung stehende, ambulante Tagesklinik räumlich eingegliedert ist (Abgrenzung zu LSG Stuttgart vom 3.8.2012 - L 4 R 272/11).
3. Im Einzelfall kann bei Psoriasiserkrankungen unter Berücksichtigung der Krankheitsanamnese einschließlich durchgeführte erfolgloser Therapien im Inland, des Chronifizierungsgrades und des aktuellen Erscheinungsbildes der Erkrankung das Auswahlermessen des Rentenversicherungsträgers auf Null reduziert sein, sodass eine stationäre Rehabilitation am Toten Meer als einzig erfolgsversprechende Maßnahme verbleibt.
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.09.2011 wird insoweit abgeändert, als die Beklagte in Ziffer II des Tenors verurteilt wird, dem Kläger die Kosten für die in der Zeit von 26.04. bis 17.05.2011 durchgeführte Maßnahme der medizinischen Rehabilitation am Toten Meer in Israel in Höhe von Euro 2144,00 zu erstatten.
II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation am Toten Meer in Israel abgelehnt hat, respektive nach Selbstbeschaffung der Leistung zur Kostenerstattung verpflichtet ist.
Der 1961 geborene Kläger arbeitet als Qualitäts-Facharbeiter bei einem Automobilhersteller. Er leidet seit seinem 11. Lebensjahr an einer schweren Psoriasis vulgaris mit ständiger Progredienz. Der Kläger befindet sich seit 1977 in andauernder dermatologischer Behandlung. Die ambulanten Therapien mit Cortison und Calcipotriol (Psorcutan) wie auch neue Behandlungsansätze (Cignolin-Minutentherapie, systemische Methotrexal-Therapie) blieben erfolglos. Der Kläger führte daneben verschiedene stationäre Rehabilitationsmaßnahmen durch. In den Jahren 2001 bis 2004 übernahm die Krankenkasse die Kosten für Aufenthalte am Toten Meer in Israel. In den Jahren 2005 und 2006 bewilligte auch die Beklagte dem Kläger Leistungen der stationären medizinischen Rehabilitation in Form einer Heilbehandlung im Deutschen Medizinischen Zentrum (DMZ) am Toten Meer in Israel. Hierbei war der von der Beklagten beauftragte dermatologische Sachverständige jeweils zu der Einschätzung gelangt, dass eine nachhaltige Remission der Haut-Efloreszenzen ausschließlich mit einer 5-wöchigen stationären Klimaheilbehandlung am Toten Meer erreicht werden kann. Der Erfolg der jeweiligen Maßnahme wurde durch die Entlassungsberichte des DMZ bestätigt, wonach der Kläger bei Aufnahme an ausgedehnter und ausgeprägter Psoriasis vulgaris mit großflächigen, teils tief infiltrierenden Herden am ganzen Körper litt. Nach Abschluss der Behandlungen hatten sich sämtliche Hauterscheinungen sehr gut zurückgebildet. Der Kläger konnte in erscheinungsfreiem Zustand als vollständig arbeitsfähig für seine berufliche Tätigkeit entlassen werden.
In den Folgejahren 2007 und 2008 gewährte die Beklagte gleichwohl nur inländische stationäre medizinische Maßnahmen, jeweils für fünf Wochen in der T.-Fachklinik, Bad S., sowie in der F.-Klinik, Bad W.. Der Entlassungsbericht der F.-Klinik bescheinigt hierbei nach täglichen Bädern im beheizten Natursole-Freiluftsee, künstlicher UVB Ganzkörper-Bestrahlung sowie Behandlung mit rückfettenden Cremes und Corticosteroiden zwar einen deutlich gebesserten Hautzustand. Es wird jedoch ausgeführt, dass eine komplette Erscheinungsfreiheit nicht erreicht werden konnte. Gleiches gilt für den Entlassungsbericht der T.-Fachklinik, welcher eine "fast" vollständige Abheilung bestätigt. Eine nahtlose ambulante Fortführung der kombinierten Behandlungen wurde jeweils ausdrücklich empfohlen. Für das Jahr 2009 lehnte die Beklagte einen erneuten Antrag auf Bewilligung einer Maßnahme der stationären Rehabilitation mit der Begründung ab, es lägen keine Gründe für eine erneute Bewilligung vor Ablauf des Zeitraums von 4 Jahren vor. Daraufhin übernahm die Krankenkasse die Kosten einer stationären Maßnahme am Toten Meer, welche ausweislich des Entlassungsberichtes des DMZ alleine unter Einsatz von Hautpflege-Präparaten sowie durch Exposition gegenüber den örtlichen Klimaheilfaktoren wiederum zur Entlassung in völlig erscheinungsfreiem Zustand geführt hatte.
Der hier streitgegenständliche erneute Antrag ging am 08.03.20...