Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation. Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Werkstatt für behinderte Menschen
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 11 Abs 2a Nr 2 SGB VI besteht die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn diese für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.
2. "Voraussichtlich erfolgreich" iS des § 11 Abs 2a Nr 2 SGB VI kann aus Sicht des Rentenversicherungsträgers eine Rehabilitation nur dann sein, wenn die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt prognostisch möglich erscheint.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.05.2016 aufgehoben und die Klage vom 16.12.2013 abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird im Berufungsverfahren auf 51.229,57 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung von (zuletzt) 49.631,27 Euro für zugunsten des bei der Beklagten rentenversicherten A. (Versicherter) erbrachte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat.
Der 1983 geborene Versicherte erlitt während der Schulzeit und später während des Studiums depressive Einbrüche. Im Jahr 2009 schloss er die Ausbildung zum Ergotherapeuten ab und arbeitete anschließend versicherungspflichtig in Teilzeit als Pflegeassistent bis August 2011. Im Juni 2012 wurde erneut eine stationäre psychiatrische Behandlung erforderlich. Auf Antrag des Versicherten bewilligte die Beklagte dem Versicherten eine ganztägige ambulante Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation, die vom 20.08.2012 bis 12.04.2013 in der Rehabilitationseinrichtung F. e.V. in M-Stadt durchgeführt wurde. Der dortige Entlassungsbericht vom 16.04.2013 kam im Gefolge der Diagnose "Schizophrene Psychose" zum Ergebnis, dass der Versicherte in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit nicht mehr einsatzfähig sei und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt allenfalls drei bis unter sechs Stunden arbeiten könne. Trotz der Stabilisierung durch die Langzeitmaßnahme bestehe weiterhin eine geminderte psychische Belastungsfähigkeit beim Versicherten, der schon bei halbschichtiger Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt die Grenze der psychischen Belastbarkeit erreicht oder überschritten gehabt habe. Erforderlich sei eine reizarme Umgebung mit gleichmäßigem Arbeitsanfall und strukturierten Arbeitsvorgaben, um Reizüberflutung zu verhindern. Deshalb sei eine berufliche Rehabilitation auf dem zweiten Arbeitsmarkt vorzusehen und zusätzlich sei eine kontinuierliche nervenärztliche Betreuung und Unterstützung durch betreutes Wohnen erforderlich.
Bereits zuvor, am 21.03.2013, stellte der Versicherte über die Rehabilitationseinrichtung bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, der dort am 25.03.2013 einging. Vorgesehen sei für den Versicherten eine Werkstatttätigkeit auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Die Beklagte leitete den Antrag am 02.04.2013 an die Klägerin und konkret an die Agentur für Arbeit M-Stadt weiter. Sie sei nicht der zuständige Leistungsträger, da beim Versicherten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 11 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht gegeben seien. Dies wäre nur der Fall, wenn der Versicherte die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt gehabt oder eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei Antragstellung bezogen hätte oder Hinterbliebenenrentenbezieher gewesen wäre und dabei wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Anspruch auf große Witwerrente gehabt habe oder, wenn ohne Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre, oder wenn die Teilhabeleistungen für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an von einem Träger der Rentenversicherung erbrachte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erforderlich seien. All dies liege nicht vor. Die Beklagte setzte den Versicherten von der Weiterleitung in Kenntnis.
Mit Schreiben vom 10.04.2013 bestätigte die Klägerin die Übernahme des Antrages als zweitangegangener Träger. Sie werde die Leistungen erbringen, mache aber bereits jetzt einen Erstattungsanspruch geltend, da nach ihren Erkenntnissen die Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei.
Die Beklagte erläuterte am 18.04.2013, dass der Versicherte die Wartezeit von 180 Kalendermonaten nicht erfüllt habe. Auch die Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI kämen beim Versicherten nicht in Betracht, da die Aufnahme in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) angestrebt werde. Zwar sei die Rentenversicherung für Leistungen zur Teilhabe im unmitte...