Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Einkommen. Grundsicherung für Arbeitsuchende: Berücksichtigung des sog. Sterbevierteljahresbonus im Rahmen der Witwenrente als Einkommen. Besondere Zweckbestimmung. Sicherstellung des Lebensunterhalts. Rentenartfaktor
Leitsatz (amtlich)
Mangels einer eindeutigen ausdrücklichen Zweckbestimmung für den sog. Sterbevierteljahresbonus im Rahmen der Witwenrente ist dieser als Einkommen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu berücksichtigen.
Normenkette
SGB II § 11a Abs. 3 S. 1, § 11 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 46 Abs. 2, § 67 Nr. 6; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 107 Abs. 1
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 23.11.2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 24.01.2017 wird aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 08.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2016 (W 1257/16) abgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von Februar bis April 2016 ohne Anrechnung des sogenannten Sterbevierteljahresbonus im Rahmen einer Witwenrente.
Die 1976 geborene Klägerin zu 1. bezieht mit ihren Kindern, den Klägern zu 2. bis 4. (geboren 1997, 2000 und 2002) Alg II bzw Sozialgeld vom Beklagten. Für die von ihnen bewohnte Wohnung fallen monatlich Grundmiete iHv 570 €, Nebenkosten iHv 156,98 € und Heizkosten iHv 198,02 € an. Die Klägerin zu 1. verfügte über ein monatliches Arbeitseinkommen iHv 1.600 € brutto, wovon 1.196,62 € ausgezahlt worden sind. Bis zu dessen Tod am 06.01.2016 bezog auch der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Kläger zu 2. bis 4. neben einer Rente Leistungen vom Beklagten. Mit Bescheid vom 25.11.2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29.11.2015 und 02.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2016 bewilligte der Beklagte den Klägern ua Leistungen für Februar bis April 2016 iHv monatlich 857,35 € (Klägerin zu 1.: 366,06 €, Klägerin zu 2.: 185,33 €, Kläger zu 3.: 162,83 € und Kläger zu 4.: 143,13 €). Im Hinblick auf den Tod des Ehegatten der Klägerin zu 1. bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern (DRV) der Klägerin zu 1. eine große Witwenrente unter Berücksichtigung eines Rentenartfaktors von 1,0 und einem Auszahlungsbetrag für Februar 2016 iHv 509,82 €, für März und April 2016 iHv 508,12 € und für die Zeit ab Mai 2016 unter Berücksichtigung eines Rentenartfaktors von 0,55 iHv 279,47 €. Den Klägern zu 2. bis 4. wurde von der DRV jeweils eine Halbwaisenrente mit einem Zahlbetrag für Februar 2016 iHv 120,52 € und für die Zeit ab März 2016 iHv 120,12 € gezahlt. Ein vom Beklagten gegenüber der DRV geltend gemachter Erstattungsanspruch für die Monate Februar und März 2016 wurde von der DRV entsprechend befriedigt.
Mit Änderungsbescheid vom 08.03.2016 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Monate Februar und März 2016 Leistungen iHv 961,85 € (Klägerin zu 1.: 410,68 €, Klägerin zu 2.: 207,92 €, Kläger zu 3.: 182,67 € und Kläger zu 4.: 160,58 €), für April 2016 iHv 93,39 € (Klägerin zu 1.: 49,66 €, Kläger zu 2.: 17,50 €, Kläger zu 3.: 14,45 € und Kläger zu 4.: 11,78 €) und für April 2016 iHv 322,03 € (Klägerin zu 1.: 91,43 €, Kläger zu 2.: 12,31 €, Kläger zu 3.: 26,60 € und Kläger zu 4.: 21,68 €). Dabei wurden ab April 2016 ua die in den ersten drei Kalendermonaten nach dem Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1. erhöhten Rentenzahlungen (sog Sterbevierteljahresbonus) als Einkommen angerechnet. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein. Es werde der Anrechnung der Rente für die Monate Februar und März 2016 widersprochen. Es gehe aus dem Rentenversicherungsbescheid hervor, dass kein Erstattungsanspruch während des Sterbevierteljahres bestehe, da es sich insoweit um ein zweckbestimmtes Einkommen handle. Die Leistungen für Februar bis April 2016 seien neu zu berechnen. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2016 (W 1257/16) zurück. Auch die Witwenrente im sogenannten Sterbevierteljahr sei als Einkommen zu berücksichtigen. Für die Monate Februar und März 2016 sei ein Erstattungsanspruch beim Rentenversicherungsträger iHv 509,82 € bzw 508,12 € geltend gemacht worden, der auf § 104 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beruhe. Der Sterbevierteljahresbonus sei nicht von einer Einkommensanrechnung freigestellt, da er keine anrechnungsfreie zweckbestimmte Leistung sei. Zwar diene die Witwenrente im Sterbevierteljahr dem abstrakt generellen Ziel, den während des Sterbevierteljahres zwangsläufig eintretenden besonderen Bedarf des Hinterbliebenen Ehegatten zu befriedigen. Dies genüge jedoch für eine Zweckbestimmung iSv § 11a SGB II nicht. Vielmehr müsse über einen solchen allgemeinen Zweck hinaus ein ausdrücklicher Zweck genannt sein. Die Erwartung des Gesetzgebers im Fall der Witwenrente im Sterbevierteljahr sei nicht derart konkr...