hier: Durch Krankheit erforderliche Sterilisation
Sachstand:
Versicherte haben gemäß § 24b Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Leistungen bei einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation.
Die leistungsrechtliche Voraussetzung, dass eine Sterilisation zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen durch Krankheit erforderlich sein muss, wurde mit Wirkung ab dem 01.01.2004 durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) in § 24b Abs. 1 Satz 1 SGB V verankert. Allerdings lassen sich weder aus der Rechtsvorschrift selbst noch aus der amtlichen Gesetzesbegründung zum GMG (Bundestagsdrucksache 15/1525) Hinweise zur Definition des Krankheitsbegriffs in diesem Zusammenhang entnehmen. Dies gilt ebenfalls für die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch.
Im Hinblick auf eine einheitliche Umsetzung der Regelung haben die Spitzenverbände der Krankenkassen seinerzeit die Auffassung vertreten, dass zur Erlangung eines Anspruchs auf Sterilisation zu Lasten gesetzlicher Krankenkassen neben dem Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen die Sterilisation von dem Vorliegen einer Krankheit bei der zu sterilisierenden Person abhängig ist (vgl. gemeinsames Rundschreiben zu den leistungsrechtlichen Vorschriften des GMG vom 26.11.2003, zu § 24b SGB V - Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation, Abschnitt 2.).
Darüber hinaus haben sich die Spitzenverbände der Krankenkassen in ihrer Besprechung zum Leistungsrecht am 11./12.05.2004 mit einer Ausnahme dieses Grundsatzes befasst. Fraglich war, ob die Leistungsvoraussetzungen im Zusammenhang mit einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation auch dann als erfüllt gelten, wenn der zur Sterilisation erforderliche Eingriff aus medizinischen Gründen (Eingriff beinhaltet z. B. zu hohe medizinische Risiken) nicht bei der Ehefrau – die an einer Erkrankung leidet und deshalb keine Kinder bekommen soll – erfolgen darf, sondern beim insoweit gesunden Ehemann vorgenommen werden soll. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - Urteil vom 24.02.1982, Az. 6 C 8/77 - bestand mehrheitlich die Auffassung, dass ausnahmsweise eine Sterilisation beim insoweit gesunden Ehemann zu Lasten der für die erkrankte Ehefrau zuständigen Krankenkasse erfolgen kann, wenn die Ehefrau an einer Krankheit leidet und deshalb nicht schwanger werden und keine Kinder bekommen und der bei ihr zur Sterilisation erforderliche Eingriff aus lebensbedrohlichen Gründen nicht erfolgen darf.
Durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg wurde nunmehr die Frage an den GKV-Spitzenverband herangetragen, ob die Voraussetzung "durch Krankheit erforderliche Sterilisation" auch dann als erfüllt gelte, wenn das Risiko bestünde, dass künftige potenzielle Nachkommen durch Veranlagung der Eltern bzw. durch Einnahme mutagener/teratogener Medikamente schwere genetische Defekte erlangen (z. B. bei einem männlichen Versicherten mit Chorea Huntington oder einer weiblichen Versicherten mit dauerhafter Notwendigkeit der Einnahme mutagener/teratogener Medikamente). Derzeit würden Anfragen der Krankenkassen in diesem Zusammenhang von den einzelnen MDKn unterschiedlich beantwortet.
Die in der Vorschrift des § 24b Abs. 1 Satz 1 SGB V benannte Voraussetzung der für eine Sterilisation notwendigen Krankheit kann sich, wie von den seinerzeitigen Spitzenverbänden bereits dargelegt, nur auf die zu sterilisierende Person und damit nicht auf ggf. in der Zukunft geborene Kinder beziehen. Dieser Bezug ist zwar dem Wortlaut des § 24b Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht unmittelbar zu entnehmen, ergibt sich jedoch aus weiteren zu beachtenden Rechtsvorschriften. So hat die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (vgl. § 1 Satz 1 SGB V). Auch die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB I sieht vor, dass Sozialversicherte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein Recht auf die notwendigen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit haben. Dabei nehmen beide - miteinander korrespondierende - Vorschriften im Hinblick auf die beschriebenen Ziele, wie z. B. die Erhaltung der Gesundheit, ausdrücklich Bezug auf den Versicherten selbst und nicht auf ein in der Zukunft geborenes Kind. Aus den sozialen Rechten – wozu auch die in § 4 SGB I geregelte Sozialversicherung zählt – können jedoch Ansprüche nur insoweit geltend gemacht oder hergeleitet werden, als deren Voraussetzungen und Inhalt durch die Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs im einzelnen bestimmt sind (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Zudem dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder z...