TOP 1 Versicherungs- und beitragsrechtliche Folgen der Inanspruchnahme der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG in der Kranken- und Pflegeversicherung
[A] Sachverhalt
Mit dem Gesetz über die Pflegezeit (Pflegezeitgesetz – PflegeZG), das Bestandteil der strukturellen Reform der Pflegeversicherung ist (vgl. Artikel 3 des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.05.2008, BGBl I S. 874), werden die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege verbessert. Die Pflegezeitregelungen basieren auf zwei Säulen:
- Beschäftigte haben im Rahmen der "kurzzeitigen Arbeitsverhinderung" nach § 2 PflegeZG die Möglichkeit, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren.
- Für eine längere Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung wird ein besonderer Rechtsanspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung als Pflegezeit für längstens sechs Monate eingeräumt (§ 3 PflegeZG). Die Pflegezeit kann in der Form der vollständigen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung erfolgen. Ein Anspruch besteht nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten.
Das neue sozialpolitische Instrument der Pflegezeit, das am 01.07.2008 in Kraft tritt, wird durch Regelungen zur sozialen Sicherung der die Pflegezeit in Anspruch nehmenden Pflegepersonen, u. a. durch Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung, ergänzt.
[B] Ergebnis
Die Inanspruchnahme der Pflegezeit zieht folgende versicherungs- und beitragsrechtliche Konsequenzen nach sich:
1. Beschäftigungsverhältnis und Versicherungspflicht
Die vollständige Freistellung von der Arbeitsleistung durch Inanspruchnahme der Pflegezeit lässt die an das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis geknüpfte Versicherungspflicht entfallen. Ein Fortbestehen des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für Pflegezeiten ist von Gesetzes wegen nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Durch die Neuregelung des § 7 Abs. 3 Satz 3 SGB IV wird bewirkt, dass selbst für den ersten Monat der Pflegezeit eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nicht angenommen werden kann.
Das infolge der vollständigen Freistellung von der Arbeitsleistung wegen der Pflegezeit zu beendende versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis zieht eine Abmeldung nach § 8 Abs. 1 DEÜV (Abgabegrund "30") nach sich; für die (Wieder-)Anmeldung bei Aufnahme der Beschäftigung nach Beendigung der Pflegezeit wird eine Anmeldung mit dem Abgabegrund "13" erwartet.
Arbeitnehmer, die sich nur teilweise von der Arbeitsleistung freistellen lassen, unterliegen weiterhin der Versicherungspflicht als Arbeitnehmer, es sei denn, dass durch die Reduzierung des Arbeitsentgelts die Voraussetzungen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV erfüllt sind. Soweit das verminderte regelmäßige Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung innerhalb der Gleitzone im Sinne des § 20 Abs. 2 SGB IV liegt (bei Arbeitsentgelten zwischen 400,01 und 800 Euro monatlich), sind ab Beginn der Pflegezeit die besonderen Regelungen für die Ermittlung der Beitragsbemessungsgrundlage und für die Beitragstragung anzuwenden.
2. Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung
Für die Dauer der Inanspruchnahme der Pflegezeit bei vollständiger Freistellung von der Arbeitsleistung ist ein Arbeitnehmer dem Kreis der nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfreien Personen nicht mehr zuzurechnen. Ein nur vorübergehendes Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze, das die Versicherungsfreiheit zunächst unbeschadet lässt, kann in diesen Fällen nicht angenommen werden. Insoweit ergibt sich eine vergleichbare versicherungsrechtliche Situation mit der Gruppe derer, deren Arbeitsentgelt wegen der Inanspruchnahme Elternzeit nach § 15 BEEG wegfällt. Bei nur teilweiser Freistellung endet die Versicherungsfreiheit, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt bei vorausschauender Betrachtung die maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht mehr übersteigt.
Die Ergänzung der Fiktionsregelung des § 6 Abs. 4 Satz 6 SGB V um die "Pflegezeit" bewirkt, dass die Unterbrechung der entgeltlichen Beschäftigung wegen der Inanspruchnahme der Pflegezeit bei der für die Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V im Wege der Rückschau zu betrachtenden tatsächlichen Jahresarbeitsentgelte in den letzten 3 Kalenderjahren nicht zu Nachteilen bei der Versicherungsfreiheit führt. Pflegezeiten sind danach – ebenso wie beispielsweise Zeiten des Bezugs von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder der Inanspruchnahme von Elternzeit – ohne weitere Prüfung als Zeiten anzusehen, in denen das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstiegen hat, wenn innerhalb eines Jahres danach eine Beschäftigung mit einem regelmäßigen Arbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze aufgenommen wird. Das Gleiche gilt auch für Zeiten der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 2a SGB V (vgl. auch Ausführungen unter Abschnitt "Befreiung von der Krankenversicherungspflicht").
3. Befreiung von der Krankenversicherungspflicht
Arbeitnehmer, die wegen Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit während der Pflegezeit versicherungspflichtig werden, können sich nach § 8 Abs. 1 Nr. 2a SGB V v...