hier: Berücksichtigung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (sowie der Leistungen zur Hilfe des Lebensunterhalts nach dem SGB XII) bei der Beurteilung des überwiegenden Unterhalts

Sachverhalt:

Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB V können Stiefkinder und Enkel des Mitglieds unter den sonstigen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 bis 3 SGB V familienversichert sein, wenn das Mitglied sie überwiegend unterhält. Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist nicht näher geregelt, wie der überwiegende Unterhalt zu ermitteln ist. Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben daher als Hilfestellung für und im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung durch die Krankenkassen in gemeinsamen Richtlinien Näheres zur Ermittlung des überwiegenden Unterhalts festgelegt.

Nach den aktuellen Richtlinien zur Feststellung des überwiegenden Unterhalts vom 14.03.2002 (im Folgenden: ÜberwUnterhaltRL) sind zunächst alle Einnahmen der im Haushalt des Mitglieds lebenden Personen zu ermitteln und zuzuordnen. Als Einnahmen in diesem Sinne kommen alle Nettobezüge in Betracht, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden können (Abschnitte 2.1 und 2.2 ÜberwUnterhaltRL). Die vom Sozialhilfeträger gewährte laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG (ab 01.01.2005 nach dem SGB XII) rechnet nach ausdrücklicher Bestimmung in Abschnitt 2.4 ÜberwUnterhaltRL zwar zum Nettoeinkommen der Familie, aber nicht zum Einkommen eines bestimmten Familienmitglieds. Eine entsprechende Aussage haben die Spitzenverbände der Krankenkassen in ihrem gemeinsamen Rundschreiben vom 08.10.2004 zum Versicherungs-, Beitrags- und Melderecht in der Kranken- und Pflegeversicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld II in Bezug auf das Arbeitslosengeld II getroffen (vgl. Ausführungen unter Punkt I 1.8). Aufgrund dessen wird für Stiefkinder und Enkel eines über den Leistungsbezug nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V pflichtversicherten Mitglieds, das ausschließlich Arbeitslosengeld II bezieht, eine Familienversicherung nicht eingeräumt, weil generell unterstellt wird, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einem bestimmten Familienangehörigen nicht individuell zugeordnet werden können.

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vornehmlich ALG II, Sozialgeld), die im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht werden, stehen den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sowie den mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (Familienangehörigen) als Berechtigten zu. Angesichts der in den Bescheiden über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bzw. den den Bescheiden beigefügten Berechnungsbögen klar ausgewiesenen und den einzelnen Berechtigten im Einzelnen zugewiesenen Beträge (vgl. Anlage) stößt die im gemeinsamen Rundschreiben vom 08.10.2004 vorstehend wiedergegebene Aussage in der Praxis auf Unverständnis.

Ergebnis:

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vornehmlich ALG II, Sozialgeld), die im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht werden, sind bei der Feststellung des überwiegenden Unterhalts als Einnahmen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden können, zu berücksichtigen und den einzelnen Familienangehörigen personenbezogen zuzuordnen. Nicht personenbezogene Leistungen (Kosten für Unterkunft und Heizung) sind ebenfalls zu berücksichtigen, wobei der den Familienangehörigen jeweils zuzurechnende Anteil ermittelt wird, indem die Leistung durch die Anzahl der Personen der Bedarfsgemeinschaft geteilt wird.

Der überwiegende Unterhalt ist daraufhin individuell von der Krankenkasse zu prüfen (vgl. nachstehendes Beispiel). An der im gemeinsamen Rundschreiben zum Versicherungs-, Beitrags- und Melderecht in der Kranken- und Pflegeversicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld II vom 08.10.2004 unter Punkt I 1.8 enthaltenen anderslautenden Aussage wird nicht länger festgehalten.

Praxis-Beispiel
Personen Einkommen in EUR Unterhaltsbedarf in EUR Überschuss in EUR Fehlbetrag in EUR
Mitglied 311 (ALG II) 365,25 34,75 0
  89 (Unterk.)      
Ehefrau 311 (ALG II) 365,25 34,75 0
  89 (Unterk.)      
leibl. Kind 276 (Sozialgeld) 365,25 0 0,25
  89 (Unterk.)      
Stiefkind 207 (Sozialgeld) 365,25 0 69,25
  89 (Unterk.)      
Gesamt 1.461   1.461 69,50 69,50

Unterhaltsbedarf: 1.461 EUR : 4 = 365,25 EUR; Hälfte des Unterhaltsbedarfs: 365,25 EUR : 2 = 182,63 EUR Ergebnis und Begründung: Das Stiefkind bringt mindestens die Hälfte seines Unterhaltsbedarfs aus eigenen Einkünften auf; es wird deshalb vom Mitglied nicht überwiegend unterhalten.

Die vorstehenden Grundsätze gelten ebenfalls hinsichtlich der nach dem SGB XII erbrachten Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt.

Die ÜberwUnterhaltRL werden bei nächster Gelegenheit entsprechend geändert.

Anlage

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