1. Grenzgänger aus Deutschland
In dieser Fallkonstellation geht es um in Deutschland wohnhafte Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat erwerbstätig und aufgrund dessen auch dort krankenversichert sind. Zur Behandlung einer Erkrankung, die in dem für sie zuständigen Mitgliedstaat eingetreten ist, begeben sie sich zurück nach Deutschland (ihren Wohnstaat). Dabei entstehen Kosten für grenzüberschreitende Fahrten.
Beispiel 1:
Sachverhalt:
Herr Müller arbeitet seit einigen Jahren in den Niederlanden. Aufgrund seiner Beschäftigung ist er dort krankenversichert. Seinen Wohnsitz in Deutschland hat Herr Müller jedoch nie aufgegeben, da er die kurze Fahrstrecke (26 km) von seiner Wohnung bis zum Sitz seines Arbeitgebers in den Niederlanden täglich mit dem Auto zurücklegen kann. Herr Müller ist nierenkrank. Eine notwendige Dialysebehandlung erfolgt 3x wöchentlich nach der Arbeit in einem von seinem Wohnort und seinem Beschäftigungsort aus nächst erreichbaren Dialysezentrum in Deutschland. Dabei entstehen ihm Kosten für die grenzüberschreitenden Fahrten von der Arbeitsstätte zum Dialysezentrum. Das Dialysezentrum liegt auf der Fahrstrecke zwischen Herrn Müllers Beschäftigungsort und seiner Wohnung, wobei die Strecke von seiner Arbeitsstätte zum Dialysezentrum 12 km und von dort aus zu seiner Wohnung 14 km beträgt.
Es soll beurteilt werden, ob die Fahrkosten für die Hinfahrten zur Dialysebehandlung von Herrn Müllers Beschäftigungsort in den Niederlanden zum Dialysezentrum in Deutschland (der nächst erreichbaren Behandlungsmöglichkeit) übernommen werden.
Gemäß Art. 17 VO (EG) 883/04 haben diese Personen Anspruch auf Sachleistungen, die vom Träger des Wohnorts (hier: deutsche Krankenkasse) nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften für Rechnung des zuständigen (hier: ausländischen) Trägers erbracht werden, als ob die Betroffenen nach diesen – d. h. den deutschen - Rechtsvorschriften versichert wären.
Demnach haben diese Personen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich einen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten.
Die Fahrt bzw. der Transport findet allerdings von einem vorübergehenden Aufenthalt im EUAusland (Ort der Erwerbstätigkeit) zurück zur Behandlung in den Wohnstaat (Deutschland) statt. Laut § 60 Abs. 4 Satz 1 SGB V i. V. m. der BSG-Rechtsprechung (Urteil v. 10.10.1978 – 3 RK 75/77, Rn. 14 -; Urteil v. 23.02.1999 – B 1 KR 1/98 R, Rn. 22 -) werden die Kosten eines Rücktransports von einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt in das Inland nicht durch die Krankenkassen übernommen. Somit ist der Ausschluss der Fahrkostenübernahme aus Sicht des deutschen Rechts erfüllt. Da Transportleistungen als ein zusammenhängender Vorgang bewertet werden, gilt dies für die gesamte Wegstrecke aus dem Ausland nach Deutschland zum Behandlungsort.
Als Ergebnis bleibt dementsprechend festzuhalten, dass für diese grenzüberschreitenden Fahrten keine Kostenübernahme durch die deutschen Krankenkassen erfolgt.
Fahrkosten, die in diesem Zusammenhang ggf. vollständig innerhalb Deutschlands anfallen (z. B. Rückfahrt von der Behandlungsstätte in Deutschland zur Wohnung der Versicherten in Deutschland) werden nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch die Krankenkassen für Rechnung des zuständigen (hier: ausländischen) Trägers übernommen, sofern die weiteren Anspruchsvoraussetzungen nach deutschem Recht erfüllt sind.
Inwiefern sich der Anspruch auf eine Kostenübernahme für grenzüberschreitende Fahrten für Betroffene aus den nationalen Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates bzw. aus dem überstaatlichen Recht herleiten lässt, ist vom Träger des zuständigen Mitgliedstaats zu prüfen.
Beispiel 1:
Ergebnis:
Da die Fahrten von seinem Arbeitsplatz in den Niederlanden nach Deutschland stattfinden, also von einem vorübergehenden Aufenthaltsort zurück ins Inland, greift § 60 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Daher werden die Kosten für grenzüberschreitende Fahrten durch seine deutsche "aushelfende" Krankenkasse nicht übernommen. Aus dem überstaatlichen Recht lässt sich für diese Fahrkosten kein weiterer Anspruch ableiten, da das überstaatliche Recht für die "Sachleistungsaushilfe" auf die in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften verweist.
Anmerkung:
Die Prüfung, ob die Rechtsvorschriften des niederländischen Trägers Herrn Müller einen Anspruch auf Kostenübernahme grenzüberschreitender Fahrten einräumen oder diese ggf. i. V. m. dem überstaatlichen Recht herzuleiten sind, erfolgt durch den niederländischen Träger.
2. Einfach-Rentner – auch Einfach-Grenzgänger in Rente
In dieser Sachverhaltskonstellation geht es um in Deutschland wohnhafte Personen, die eine Rente aus einem anderen Mitgliedstaat beziehen und dort krankenversichert sind. Zur Behandlung einer Erkrankung, die während eines vorübergehenden Aufenthalts in dem für sie zuständigen Mitgliedstaat eingetreten ist...