TOP 1 § 105 SGB X – Erstattungsanspruch des unzuständigen Leistungsträgers
hier: Abrechnung der Kosten für Einzelverträge
Sachstand:
Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 2 SGB X gilt entsprechend. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (vgl. § 105 Abs. 1 und 2 SGB X).
Da in der Praxis immer mehr Einzelverträge mit Leistungsanbietern (z. B. Ärzten, Therapeuten, Kliniken) vereinbart werden, stellt sich nun die Frage, ob diese Kosten ebenfalls über § 105 SGB X mit dem zuständigen Träger abgerechnet werden können, wenn der zuständige Leistungsträger mit dem Leistungserbringer keine vertragliche Vereinbarung geschlossen hat.
Besprechungsergebnis:
Ist dem Grunde nach ein Anspruch auf die jeweilige Leistung gegenüber dem zuständigen Leistungsträger gegeben, besteht nach Auffassung der Besprechungsteilnehmer ein Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X auch dann, wenn eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Leistungserbringer und dem erstattungspflichtigen Leistungsträger nicht besteht. Der Umfang der Erstattung richtet sich nach dem Recht des zuständigen Trägers und ist auf die tatsächlich entstandenen Kosten begrenzt.
TOP 2 § 62 SGB V - Belastungsgrenze;
hier: Belastungsgrenze von 1 oder 2 von Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt bei chronisch Kranken
Sachstand:
Nach § 62 Abs. 1 SGB V haben Versicherte während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze in Höhe von 2 bzw. für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, in Höhe von 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zu leisten. Hiervon abweichend beträgt die Belastungsgrenze 2 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt ("Malus-Regelung")
- für nach dem 1. April 1972 geborene chronisch kranke Versicherte, die ab dem 1. Januar 2008 die in § 25 Abs. 1 SGB V genannten Gesundheitsuntersuchungen vor der Erkrankung nicht regelmäßig in Anspruch genommen haben und
- für nach dem 1. April 1987 geborene weibliche und nach dem 1. April 1962 geborene männliche chronisch kranke Versicherte, die an einer Krebsart erkranken, für die eine Früherkennungsuntersuchung nach § 25 Abs. 2 SGB V besteht, und die diese Untersuchung ab dem 1. Januar 2008 vor ihrer Erkrankung nicht regelmäßig in Anspruch genommen haben.
Bestehen mehrere chronische Erkrankungen zeitgleich oder tritt zu einer bestehenden chronischen Erkrankung eine weitere hinzu, stellt sich die Frage, ob die "Malus-Regelung" hier Anwendung findet.
Besprechungsergebnis:
Die Besprechungsteilnehmer/-innen sind der Auffassung, dass die "Malus-Regelung" keine Anwendung findet, wenn eine zweite chronische Erkrankung besteht oder hinzutritt, für die es keine Früherkennungsuntersuchung gibt. Voraussetzung ist allerdings, dass für die zweite chronische Erkrankung auch die üblichen Voraussetzungen, die zu einer Absenkung der Belastungsgrenze führen, erfüllt sind.
Beispiel 1 – Bestehen mehrerer chronischer Erkrankungen:
weibliche Versicherte, geboren am 2. April 1988,
Erkrankungen:
- Gebärmutterhalskrebs, Erkrankungsbeginn: 1. Mai 2010;
- Diabetes, Erkrankungsbeginn: 1. Juli 2005.
Für die Erkrankung Gebärmutterhalskrebs wäre in der Zeit vom 2. April 2008 bis zum 1. April 2010 eine Beratung im Präventionspass nachzuweisen, da Anspruch auf eine Früherkennungsuntersuchung von Krebserkrankungen des Genitales besteht. Eine Beratung wurde von der Versicherten nicht in Anspruch genommen. Demnach würde grundsätzlich die "Malus-Regelung" greifen und eine Belastungsgrenze in Höhe von 2 vom Hundert der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt gelten.
Für die Erkrankung Diabetes besteht keine Vorsorgeuntersuchung. Die Voraussetzungen der chronischen Erkrankung, die eine Absenkung der Belastungsgrenze auf 1 vom Hundert der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zur Folge hatten, sind seit dem 1. Juli 2006 erfüllt.
Somit ist für die Berechnung der Belastungsgrenze ab dem 1. Januar 2006 von einer Belastungsgrenze in Höhe von 1 vom Hundert der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt auszugehen. Eine Anwendung der "Malus-Regelung" erfolgt nicht.
Beispiel 2 – Hinzutritt einer chronischen Erkrankung:
weibliche Versicherte, geboren am 2. April 1988,
Erkrankungen:
- Gebärmutterhalskrebs, Erkrankungsbeginn: 1. Mai 2010;
- Diabetes, Erkrankungsbeginn: 1. Oktober 2011.
Für die Erkrankung Gebärmutterhalskrebs wäre in der Zeit vom 2. April 2008 bis zum 1. April 2010 eine Beratung im Präventionspass nachzuweisen, da Anspruch auf eine Früherkennungsuntersuchung von Krebserkrankungen des Genitales besteht. Eine Beratung wurde nicht durchgeführt. Hier greift die "Malus-Regelung" und es bleibt bei einer Belastungsgrenze von 2 vom Hundert der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt.
Am 1. Oktober 2011 tritt...