OFD Magdeburg, Verfügung v. 1.8.2001, S 2333 - 21 - St 224
Zur Frage, ob es sich um einen beherrschenden, nicht sozialversicherungspflichtigen Gesellschafter-Geschäftsführer oder um einen abhängigen Arbeitnehmer handelt, gibt die ESt-Kartei zu § 3 EStG K 6.4 Entscheidungshilfen. Wird durch den Sozialversicherungsträger nachträglich festgestellt, dass in der Vergangenheit keine Sozialversicherungspflicht bestand, hat der rückwirkende Wegfall der angenommenen Versicherungspflicht folgende steuerliche Konsequenzen:
1. Erstattet der Sozialversicherungsträger die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung an den Arbeitgeber, die dieser in der rechtsirrtümlichen Annahme der Versicherungspflicht geleistet hat, ohne dass sie vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer weitergegeben werden (bei Weitergabe an den Arbeitnehmer siehe 5.), so ergeben sich daraus keine lohnsteuerlichen Folgen (BFH-Urteil vom 27.3.1992, BStBl 1992 II S. 663).
2. Werden die vermeintlich gesetzlichen Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung vom Sozialversicherungsträger an den Arbeitnehmer erstattet, so berührt dieser Vorgang nicht den Arbeitslohn. Da die erstatteten vermeintlichen Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht als Sonderausgaben hätten abgezogen werden dürfen, sind die betroffenen Veranlagungen nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, soweit im Erstattungsjahr keine Verrechnung mit gleichartigen Aufwendungen (hier: Vorsorgeaufwendungen) möglich ist (BFH-Urteil vom 28.5.1998, BStBl 1999 II S. 95). Die (nachträgliche) Mitteilung des Sozialversicherungsträgers, der Stpfl. sei aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses mit der GmbH nicht sozialversicherungspflichtig („Freistellung”), stellt ein rückwirkendes Ereignis i.S. der Vorschrift dar.
3. Der Vorwegabzug (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG) ist bei den betroffenen Veranlagungen wegen des rückwirkenden Wegfalls der Sozialversicherungspflicht (keine Arbeitgeberleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG) zu Unrecht gekürzt worden, soweit nicht ausnahmsweise eine andere Kürzungsvorschrift anzuwenden war. Die Kürzung des Vorwegabzugs ist folglich rückgängig zu machen (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO).
4. Kranken- und/oder Pflegeversicherungsbeiträge werden nur dann nicht erstattet, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat (§ 26 Abs. 2 SGB IV). Hinsichtlich der nicht erstatteten Kranken- und/oder Pflegeversicherungsbeiträge des Arbeitgebers liegt steuerpflichtiger Arbeitslohn im jeweiligen Jahr der Zahlung vor, diese Beiträge können als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Im Erstattungsfall sind die Ausführungen zu der Renten- und Arbeitslosenversicherung anzuwenden.
5. Werden die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung vom Sozialversicherungsträger an den Arbeitgeber erstattet und von diesem an den Arbeitnehmer weitergegeben, so ist zu entscheiden, ob es sich um eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG oder um steuerpflichtigen Arbeitslohn des Arbeitnehmers handelt. Bei Annahme von Arbeitslohn sind die Arbeitgeberanteile in dem Kalenderjahr zu versteuern, in dem sie an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden. Dies gilt auch dann, wenn die erstatteten Beiträge von diesem für eine private Lebensversicherung verwendet werden.
6. Verzichtet der Arbeitgeber auf Rückzahlung der Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und werden die Beiträge für die freiwillige Versicherung des Arbeitnehmers in der gesetzlichen Rentenversicherung verwendet (Umwandlung), ist ebenfalls zu entscheiden, ob es sich um eine verdeckte Gewinnausschüttung oder um steuerpflichtigen Arbeitslohn (Urteil des FG Köln vom 21.11.1989, EFG 1999 S. 383) handelt. Ist steuerpflichtiger Arbeitslohn gegeben, liegt Zufluss bereits in den jeweiligen Kalenderjahren der früheren Zahlung vor, da hier durch Umwandlung rückwirkend eine Versicherungsanwartschaft begründet wird. Die freiwillige Versicherung nimmt die Stellung der vermeintlichen gesetzlichen Versicherung ein. Der ehemals steuerfreie Arbeitgeberanteil, der nunmehr als steuerpflichtiger Arbeitslohn versteuert wird, kann gleichzeitig beim Stpfl. als Sonderausgabe abgezogen werden. Der Vorwegabzug ist nicht zu kürzen. Die bestandskräftigen ESt-Veranlagungen der früheren Kalenderjahre sind aufgrund der nachträglichen Freistellung von der Sozialversicherungspflicht nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.
Im Hinblick auf die anhängigen Revisionsverfahren (Az. des BFH: VI R 178/97, VI R 179/97 und IV R 180/97) bestehen keine Bedenken, Einspruchsverfahren, in denen die Steuerfreiheit des Arbeitgeber-Anteils zur Kranken- und Pflegeversicherung geltend gemacht wird, nach § 363 AO ruhen zu lassen.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 62