Zusammenfassung
Seit 1.5.2004 haben Arbeitgeber die Pflicht, ein "Betriebliches Eingliederungsmanagement" (BEM) durchzuführen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 167 Abs. 2 SGB IX vorliegen. Diese Pflicht trifft alle Arbeitgeber, unabhängig von der Betriebsgröße; gleichgültig ist auch, ob es in dem Betrieb einen Betriebs- oder Personalrat gibt. Durch das BEM sollen die Verfahrensregelungen zur betrieblichen Prävention fortentwickelt werden, um insbesondere durch Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft zu sichern. Durch geeignete Präventionsmaßnahmen soll Erkrankungen, die letztlich zum Verlust des Arbeitsverhältnisses führen können, entgegengewirkt werden ("Rehabilitation statt Entlassung"). Ein BEM genügt den gesetzlichen Mindestanforderungen, wenn es die zu beteiligenden Stellen, Ämter und Personen einbezieht, keine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Anpassungs- und Änderungsmöglichkeit ausschließt und die von den Teilnehmern eingebrachten Vorschläge sachlich erörtert werden. Mit dem am 10.6.2021 in Kraft getretenen Teilhabestärkungsgesetz wurde die Stellung des Betroffenen im Verfahren insoweit verbessert, als dass er zum BEM eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen kann.
Das Betriebliche Eingliederungsmanagement und die Voraussetzungen zur Einleitung des Verfahrens sind geregelt in § 167 Abs. 2 SGB IX.
1 Akteure des BEM
1.1 Zielgruppe und geschützter Personenkreis
§ 167 Abs. 2 SGB IX bezieht sich auf alle Beschäftigten, die innerhalb des Zeitraums von einem Jahr (nicht Kalenderjahr!) länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Zur Zielgruppe gehören damit sowohl
"langzeiterkrankte" Arbeitnehmer, d. h. Arbeitnehmer, deren Arbeitsunfähigkeit länger als 6 Wochen innerhalb eines Jahres andauert,
als auch
- "mehrfacherkrankte" Arbeitnehmer, d. h. Arbeitnehmer, die wiederholt und in der Summe mehr als 6 Wochen innerhalb eines Jahres krank sind.
Zum geschützten Personenkreis gehören auch Beamte sowie Richter. Im SGB IX ist für diesen Personenkreis keine Ausnahme vorgesehen.
1.2 Geltung auch für nicht schwerbehinderte Menschen
Nach dem Wortlaut von § 167 Abs. 2 SGB IX gilt die Regelung für "Beschäftigte". Der Begriff des Beschäftigten ist umfassend, er erfasst nicht nur schwerbehinderte Arbeitnehmer, sondern alle Arbeitnehmer im Betrieb, unabhängig von einer (Schwer-)Behinderung. Die Einordnung der Vorschrift in das im SGB IX geregelte Schwerbehindertenrecht ist insoweit irreführend und systemwidrig.
1.3 Verpflichtete Arbeitgeber
Zur Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements sind alle Arbeitgeber verpflichtet, d. h. sowohl private als auch öffentliche Arbeitgeber bzw. Dienstgeber. Auf die Betriebsgröße kommt es nicht an. Insbesondere ist die Kleinbetriebsgrenze des § 23 KSchG in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. D.h., die Verpflichtung des Arbeitgebers zum BEM besteht auch für Arbeitgeber im kündigungsschutzrechtlichen Kleinbetrieb. Auch ob es eine Interessenvertretung i. S. v. § 176 SGB IX (Betriebs- oder Personalrat) gibt, ist insoweit ohne Bedeutung; und zwar unabhängig davon, ob ein Betriebsrat gewählt wurde oder ob evtl. gar keine Wahl möglich ist (in Betrieben, die weniger als 5 ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer i. S. v. § 1 Abs. 1 BetrVG haben, von denen 3 als Betriebsrat wählbar sind). D. h. ein BEM ist auch dann durchzuführen, wenn es keinen Betriebsrat gibt. Dieser ist nur eine der vom Arbeitgeber gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX einzubeziehenden Stellen. Auch und gerade, wenn eine betriebliche Interessenvertretung nicht gebildet ist, ist nach ständiger Rechtsprechung ein BEM zum Schutz betroffener Arbeitnehmer vor einer vermeidbaren krankheitsbedingten Kündigung geboten.
1.4 Sonstige Beteiligte
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Verantwortlich für die Durchführung des Eingliederungsmanagements ist zunächst der Arbeitgeber. Nach dem Wortlaut von § 167 Abs. 2 SGB IX ist sein Gesprächspartner die zuständige Interessenvertretung i. S. v. § 176 SGB IX, d. h. der Betriebsrat oder der Personalrat. Sonstige Interessenvertretungen der Mitarbeiter, z. B. die bei kirchlichen Arbeitgebern existierenden Mitarbeitervertretungen (MAV), werden von § 167 Abs. 2 SGB IX nicht erfasst. Die Kirchen können im Rahmen ihrer Selbstverwaltung diesbezüglich eigenständige Regelungen zur Beteiligung ihrer Mitarbeitervertretungen treffen.
Bei schwerbehinderten Menschen hat der Arbeitgeber außerdem die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen.
Auch der betroffene Beschäftigte ist (selbstverständlich) zu beteiligen und muss der Durchführung des BEM zustimmen. Der Beschäftigte kann im Verfahren zusätzlich eine Vertrauensperson eigener Wahl hinzuziehen.