Erfolgreich BEM-Gespräche führen
Wann ist ein BEM fällig und welches Ziel verfolgt es?
Ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) ist gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX vorgeschrieben, wenn ein Beschäftigter innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen mehr als sechs Wochen anhält oder eine wiederholte Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Auch die Ursachen sind ohne Belang. So ist es gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX egal, ob die Arbeitsunfähigkeit auf dieselbe Ursache, ähnliche oder verschiedene Ursachen zurückzuführen ist. Weiterhin ist nicht relevant, ob die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit betrieblicher oder privater Natur sind.
Die wesentlichen Ziele des BEM werden in § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX genannt:
Überwindung der bestehenden Arbeitsunfähigkeit (Rehabilitation): Dazu werden geeignete Maßnahmen im Bereich der Rehabilitation ergriffen. Hierzu zählen beispielsweise stationäre oder ambulante Rehabilitationsmaßnahmen oder eine stufenweise Wiedereingliederung nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit.
Vorbeugung vor erneuter Arbeitsunfähigkeit (Prävention): Die bestehende Arbeitsunfähigkeit soll überwunden oder die Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitern wiederhergestellt und langfristig erhalten werden. Dies kann durch frühzeitige Intervention und gezielte Maßnahmen erreicht werden. Zu solchen präventiven Maßnahmen gehört z. B. die Vermeidung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren.
Dauerhafte Erhaltung des Arbeitsplatzes (Integration): Um den Arbeitsplatz zu erhalten und die Integration von Mitarbeitern mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen sicherzustellen, kann auch eine Veränderung des Arbeitsplatzes zielführend sein. Dabei geht es nicht um den konkreten Arbeitsplatz, sondern eher um die Erhaltung des Arbeitsverhältnisses, denn auch eine sinnvolle Versetzung kann zur Stabilisierung beitragen.
Ist ein Betriebliches Eingliederungsmanagement Pflicht?
Arbeitgeber sind seit 2004 gesetzlich verpflichtet, Beschäftigten, die länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt sind, ein BEM anzubieten. Diese Pflicht gilt für alle Arbeitgeber, unabhängig der Betriebsgröße. Für die Beschäftigten hingegen ist die Teilnahme freiwillig.
Die Unternehmen sind dadurch aufgefordert, frühzeitig alle erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen, um die Leistungsfähigkeit der Betroffenen wiederherstellen zu. Eine Nichtbeachtung kann zu rechtlichen Konsequenzen führen, insbesondere im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen. So entscheiden Gerichte in Kündigungsschutzklagen regelmäßig zugunsten der BEM-berechtigten Personen, wenn das Angebot oder die Durchführung eines BEM-Verfahrens nicht nachgewiesen werden können.
Ablauf und Rahmen eines BEM-Gesprächs
In der Praxis hat es sich bewährt, den BEM-Betroffenen zunächst zu einem Informationsgespräch (auch Orientierungs- oder Erstgespräch genannt) einzuladen. Dieses dient der Erläuterung des BEM hinsichtlich Zielsetzung, Ablauf, Datenschutz sowie Unterstützungsmöglichkeiten durch Maßnahmen, die durch Interne oder Externe erfolgen können.
Ziel des Informationsgesprächs ist es, den Beschäftigten zur weiteren Teilnahme zu motivieren. Nachdem der Berechtigte seine Teilnahme am BEM schriftlich mitgeteilt hat, wird er zum BEM-Gespräch eingeladen. Der Ablauf eines BEM-Gesprächs sollte in den folgenden Schritten durchgeführt werden:
1) Begrüßung und Vorstellung aller Anwesenden
2) Kurzer Verweis auf Prinzipien, Aufgaben, Ziele sowie die Möglichkeit, eine Person des Vertrauens mitzubringen
3) Aktuelle Situation aus der Sicht des BEM-Berechtigten
4) Vorschläge zur BEM-Strategie abgleichen mit den folgenden Punkten:
- Aktuelle Entwicklungen am Arbeitsplatz
- Informationen von Experten
- Vergleich Fähigkeiten und Anforderungen
- Maßnahmenentwicklung
- Maßnahmenverabredung
5) Gesprächsabschluss.
Die Gespräche in der Fallbetreuung sind der zentrale Bereich des gesamten BEM, da hier neben der anfänglichen Situationsanalyse vor allem die Maßnahmenfindung, -koordinierung und -bewertung stattfinden. In den Fallgesprächen werden Lösungsmöglichkeiten diskutiert, die dann auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden. Dabei kann auf ein mögliches BEM-Team zurückgegriffen oder externe Netzwerkakteure einbezogen werden.
Werden Maßnahmen gefunden, übernimmt der Fallmanager die Koordination und steht in regelmäßigem Kontakt mit dem betroffenen Beschäftigten. In regelmäßigen Abständen können weitere Fallgespräche stattfinden, in denen der aktuelle Stand und die Verbesserung der gesundheitlichen Situation sowie der Arbeitsfähigkeit besprochen werden.
Wichtige Fragen für ein BEM-Gespräch
Laut BAG handelt es sich beim BEM um einen verlaufs- und ergebnisoffenen „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG, Urteil v. 10.12.2009, 2 AZR 400/08). Mit solch einem offenen Prozess zielt der Gesetzgeber darauf ab, Lösungen zu finden, die individuell auf die Bedürfnisse der Unternehmen angepasst sind.
Es ist stets wichtig zu betonen, dass BEM-Berechtigte nicht verpflichtet sind, die Diagnose im BEM-Gespräch offenzulegen. Dennoch spielen die individuelle Situation und Perspektive der BEM-Berechtigten eine entscheidende Rolle im weiteren Prozess. Mittels einfühlsamer Fragen können wichtige Informationen eruiert werden, ohne auf die konkrete Diagnose einzugehen.
Dieser Ansatz verfolgt das Ziel der Anteilnahme und des Interesses, stets mit dem Bestreben, die BEM-Berechtigten bestmöglich zu unterstützen. In jedem BEM-Gespräch ist es entscheidend, klare Informationen zu den Aufgaben, Zielen und Prinzipien des BEM zu vermitteln. Dies schärft den Fokus der Beteiligten auf das Wesentliche.
Fazit: Warum BEM-Gespräche sinnvoll sind
In Zeiten des demografischen Wandels, Fachkräftemangels und von Rekordkrankenständen spielen der Erhalt und die Wiedererlangung von Arbeitsfähigkeit eine besondere Rolle. Letzteres verursacht in vielen Unternehmen hohe Kosten und Produktivitätseinbußen.
Ein strukturiertes und zielgerichtetes BEM kann nicht nur ein gesetzeskonformes Handeln gewährleisten, sondern auch ein elementarer Bestandteil einer nachhaltigen Sicherheits- und Gesundheitskultur in den Organisationen darstellen. Somit sollte BEM nicht als lästige Gesetzesauflage verstanden werden, sondern als Chance, um die Leistungsfähigkeit von Organisationen und ihren Beschäftigten sicherzustellen. Damit dies gelingt, bedarf es jedoch klar definierter Prozesse, einer guten Integration aller beteiligter Akteure, sowie einer wertschätzenden Kommunikation, auch bereits im Vorfeld.
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