1. Ziel eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM)
Langfristige Erkrankungen oder diverse Kurzerkrankungen, die in der Summe gesehen ebenfalls eine langfristige Abwesenheit vom Arbeitsplatz verursachen, erfordern einen Reintegrationsprozess. Das Ziel dieses Prozesses ist es,
- die langfristige oder wiederholte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer eines Betriebes möglichst zu überwinden,
- erneuter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen und
- den Arbeitsplatz des betroffenen Beschäftigten im Einzelfall zu erhalten und erneuter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.
Diesem Ziel dient das sog. betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM), das in § 167 Abs. 2 SGB IX geregelt ist.
2. Geltungsbereich des BEM
Obwohl das BEM im SGB IX geregelt ist, dass grundsätzlich der Verbesserung der Stellung von Menschen mit Behinderungen in Gesellschaft und Arbeitsleben dient, ist vollkommen unbestritten, dass unter diese Regelungen auch alle Arbeitnehmer ohne eine Behinderung fallen.
Das BEM wird immer dann erforderlich, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen arbeitsunfähig ist (in einem Stück oder in aufaddierten Zeiträumen). Nach § 191 BGB ist dies der Zeitraum von 365 Tagen, also der jeweils zurückliegende Jahreszeitraum unabhängig vom Kalenderjahr. Für die Durchführung des BEM ist nicht erforderlich, dass es sich um ein und dieselbe Krankheit handelt. Es ist auch ein BEM durchzuführen, wenn sich eine Vielzahl von Erkrankungen innerhalb eines Jahres zu einer Fehlzeit von 6 Wochen und mehr aufaddieren.
Notwendige Voraussetzung des BEM ist, dass der Arbeitnehmer an diesem Prozess mitwirkt, jedoch besteht hierzu schon mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG keine Verpflichtung für diesen. Mangelnde Mitwirkung führt also dazu, dass das BEM nicht stattfindet. Der Arbeitnehmer hat nach der Rechtsprechung des BAG keinen Anspruch auf die Durchführung eines BEM.
Das BEM ist auch in Kleinbetrieben mit 5 oder weniger Arbeitnehmern (§ 23 Abs. 1 KSchG) durchzuführen.
3. Berücksichtigung des BEM im Kündigungsschutz
Eine Sonderform der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte Kündigung, die nach der Rechtsprechung des BAG zum Schutz des Arbeitnehmers eine Interessenabwägung erforderlich macht. Ein wesentlicher Aspekt im Rahmen dieser Interessenabwägung, ist die Frage, ob ein BEM durchgeführt worden ist. Verweigert der Arbeitnehmer die Teilnahme an einem BEM, kann und wird das i.d.R. die Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers beeinflussen.
Auch bei Weisungen des Arbeitgebers, z. B. bei der Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes aus gesundheitsbedingten Gründen, ist die vorherige Durchführung des BEM anzuraten. Das BAG hat dieses zwar nicht ausdrücklich gefordert, lässt es in seinen Entscheidungen jedoch anklingen, dass die auch hier erforderliche Interessenabwägung eindeutiger zugunsten des Arbeitgebers ausfallen würde, wenn ein BEM stattgefunden hätte (z.B. BAG, Urteil v. 18.10.2017, 10 AZR 47/17).
4. Mitbestimmungsrecht
Grundsätzlich handelt es sich bei der Einführung des BEM im Betrieb um eine Maßnahme, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Diese führt i. d. R. zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung, ohne die nach ganz einhelliger Meinung ein BEM-Verfahren überhaupt nicht durchgeführt werden kann. Man spricht hier von einer Inklusionsvereinbarung nach § 166 SGB IX, die als Betriebsvereinbarung nach § 77 BetrVG geschlossen wird. In dieser wird auch geregelt, wie eine Eingliederungsmaßnahme ablaufen sollte.