Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbarkeit einer Arbeitnehmersammelbeförderung
Leitsatz (NV)
Die Beurteilung, ob besondere Umstände für eine Arbeitnehmersammelbeförderung durch den Arbeitgeber vorliegen, die dazu führen, daß diese Leistung wegen eines überwiegenden Interesses des Unternehmers nicht steuerbar ausgeführt werden kann, hängt von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ab. Dabei ist die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstelle nur ein Umstand, der neben anderen in die tatsächliche Würdigung einfließt.
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b; UStG 1991 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beschäftigte in ihrem Unternehmen durchschnittlich 50 bis 70 Arbeitnehmer auf verschiedenen Baustellen im Umkreis von 100 km vom Unternehmenssitz. Sie beförderte durchschnittlich 22 Arbeitnehmer unentgeltlich in betriebseigenen Fahrzeugen von Sammelstellen zu den Arbeitsorten.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) besteuerte in den angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen für 1988 bis 1991 diese Arbeitnehmersammelbeförderungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes ―UStG― 1980/1991), während die Klägerin sie als nicht steuerbare, im überwiegenden unternehmerischen Interesse ausgeführte Leistungen beurteilte.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach der Zurückweisung des Einspruchs erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, nach der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95 - Fillibeck (Slg. 1997, I-5577, Umsatzsteuer-Rundschau ―UR― 1998, 61) werde die Beförderung von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber zur Arbeitsstätte regelmäßig aus unternehmensfremden Zwecken ausgeführt, weil die Fahrt zur Arbeitsstätte grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers sei. Besondere Umstände des Unternehmens, so legte das FG weiter dar, die es gebieten könnten, daß der Arbeitgeber die Beförderung der Arbeitnehmer zur Arbeitsstelle und zurück selbst sicherstelle, seien im Streitfall nicht erkennbar. Zwar könne es sich bei den Baustellen um im Laufe der Zeit wechselnde Arbeitsstätten gehandelt haben. Der Notwendigkeit einer Beförderung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber stehe aber entgegen, daß die Mehrheit der Arbeitnehmer die Fahrt zur Arbeitsstätte selbst ausgeführt habe.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision. Zur Begründung macht sie geltend, das FG habe keine ausreichende Sachaufklärung betrieben und die Besonderheiten des Streitfalles nicht berücksichtigt, insbesondere nicht geprüft, ob die Beförderung der Arbeitnehmer aufgrund der weiten Entfernung zwingend gewesen sei.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat nicht dargelegt, welcher Zulassungsgrund (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) die Revision eröffnen soll. Selbst wenn ihre Beschwerdebegründung auf mögliche Zulassungsgründe untersucht wird, genügen ihre Ausführungen nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung der Voraussetzungen stellt.
a) Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin in der Beschwerdebegründung keine bestimmte, abstrakte, klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt hat (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 31. Oktober 1996 VIII B 11/96, BFH/NV 1997, 459), wie es in § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO gefordert wird.
Die Beurteilung, ob besondere Umstände für eine Arbeitnehmersammelbeförderung durch den Arbeitgeber vorliegen, die dazu führen, daß diese Leistung wegen eines überwiegenden Interesses des Unternehmers nicht steuerbar ausgeführt werden kann, hängt von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles ab. Dabei ist die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstelle nur ein Umstand, der neben anderen in die tatsächliche Würdigung einfließt. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nicht bereits deshalb anzunehmen, weil das FG einen zu berücksichtigenden Umstand anders als ein im Klageverfahren unterlegener Beteiligter gewürdigt hat.
b) Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen Abweichung der Vorentscheidung von Grundsätzen eines Urteils des BFH zuzulassen. Die Klägerin hat keinen entscheidungserheblichen Rechtssatz aus dem angefochtenen finanzgerichtlichen Urteil und keinen abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des BFH so genau bezeichnet, daß eine Abweichung erkennbar wird, weil die gegenübergestellten Rechtsgrundsätze unvereinbar sind (BFH-Beschlüsse vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Die Klägerin behauptet lediglich eine Abweichung von der Rechtsprechung des BFH.
c) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, reichen ihre Ausführungen nicht aus, um dadurch einen Verfahrensmangel zu bezeichnen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Wer einen Verstoß des FG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unvollständiger Auswertung des Akteninhalts und wegen unterlassener Beweiserhebung rügen will, muß nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung bezeichnen (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juni 1998 VII B 67/98, BFH/NV 1999, 54, m.w.N.), welche weitere Aufklärung sich dem FG ―nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung― von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluß vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58), welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, weshalb ein entsprechender Beweisantrag nicht in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt worden ist und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Dazu enthält die Beschwerdebegründung keine ausreichenden Anhaltspunkte. Hätte die Klägerin dazu die erforderlichen Ausführungen gemacht, hätte sich ergeben, daß das FG die von der Klägerin erwähnten Umstände (Beförderung in unternehmenseigenen Bussen an bis zu 100 km entfernte wechselnde Arbeitsstellen) berücksichtigt, sie aber anders als die Klägerin bewertet hat.
2. Im übrigen ergeht die Entscheidung ohne weitere Begründung (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen