Leitsatz (amtlich)
Zuwendungen, die ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern aus Anlaß eines Firmenjubiläums macht, sind nur insoweit nach § 34 Abs.3 EStG verteilungsfähig, als sich aus den Zahlungsmodalitäten ergibt, daß mit ihnen eine mehrjährige Tätigkeit abgegolten werden soll.
Orientierungssatz
1. Erstreckte sich eine nachträglich entlohnte Tätigkeit über mehrere Kalenderjahre, so kann zum Zwecke der Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG die Verteilung des Gesamtbetrags --abweichend von Abschn. 200 Abs. 1 Satz 10 EStR 1978-- auch auf länger als 10 Jahre zurückliegende Veranlagungszeiträume erfolgen. Der Steuerpflichtige trägt jedoch die Beweislast für diejenigen Tatsachen, von denen im Einzelfall die Durchführbarkeit einer solchen Veranlagung abhängt (vgl. BFH-Urteil vom 3.7.1987 VI R 182/85).
2. Zuwendungen, die ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern aus Anlaß eines Firmenjubiläums macht, sind Arbeitslohn (Literatur).
Normenkette
EStG § 34 Abs. 3; EStR 1978 Abschn. 200 Abs. 1 S. 10; EStG § 19 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt im Streitjahr zum 100jährigen Bestehen ihrer Arbeitgeberin eine Jubiläumszuwendung in Höhe von 9 259 DM. Diese Zuwendung, die ihr zum 1.Januar 1980 zugesagt worden war und Mitte 1980 ausbezahlt wurde, errechnete sich wie folgt:
1. DM 1 200 für jeden Arbeitnehmer der Firma
+ 2. DM 3 256 100 % eines Monatsgehaltes für
Arbeitnehmer, die mindestens 6 Monate
tätig waren;
+ 3. DM 1 383,80 50 % des Urlaubsgeldes für Arbeitnehmer,
die mindestens 1 Jahr tätig waren;
+ 4. DM 3 419,20 150 % der jeweiligen Sonder-Hauszulage.
Diese betrug bei der Klägerin 70 % eines
Monatsgehalts, da sie der Firma 19 Jahre
angehörte.
In ihrer Einkommensteuererklärung beantragte die Klägerin, den steuerpflichtigen Betrag der Zuwendung in Höhe von 8 059 DM gemäß § 34 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) so günstig wie möglich zu verteilen und die dann ermittelte Steuer der Steuerberechnung im Streitjahr 1980 zugrunde zu legen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm entsprechend den Anweisungen in Abschn.201 und 200 der Einkommensteuer-Richtlinien 1978 (EStR 1978) eine Verteilung der Zuwendung auf die Jahre 1971, 1972 und 1973 vor.
Im Einspruchsverfahren beantragte die Klägerin die Verteilung auf die Jahre 1962 bis 1964.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Zuwendungen anläßlich eines Arbeitgeberjubiläums seien keine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit. Aus der Aufschlüsselung der Zuwendung sei ersichtlich, daß jeder Bedienstete, dem im Jubiläumsjahr nicht gekündigt gewesen sei, eine Zuwendung erhalten habe. Daraus folge, daß es der Arbeitgeberin nicht nur um eine Entlohnung für geleistete Arbeit, sondern auch entscheidend um einen Anreiz gegangen sei, die Arbeitnehmer für zukünftige Dienste zu motivieren. Zwar gehe aus der Berechnung der Zuwendung hervor, daß Arbeitnehmer, die --wie die Klägerin-- dem Betrieb länger als zwei Jahre angehört hätten, auch für ihre Betriebstreue hätten belohnt werden sollen. Doch liege das Gewicht auf der Klausel, daß eine Kündigung im Jubiläumsjahr nicht erfolgen dürfe. Deshalb sollten die Jubiläumszuwendungen einen Anreiz für eine künftige gute Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein. Die Zuwendung stelle sich mithin als einmalige Einnahme nach § 19 Abs.1 Nr.1 EStG dar, die nicht gemäß § 34 Abs.3 EStG begünstigt sei. Daran ändere auch die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nichts, die eine Ausdehnung des § 34 Abs.3 EStG auf freiwillige Zahlungen des Arbeitgebers zugelassen habe. Deshalb könne für die Klägerin § 34 Abs.3 EStG nur über Abschn.201 i.V.m. Abschn.200 Abs.1 Satz 10 EStR 1978 Anwendung finden. Daraus könne die Klägerin aber keine Berechtigung herleiten, den steuerpflichtigen Teil der Zuwendung auf die Jahre 1962 bis 1964 zu verteilen. Im Rahmen einer Billigkeitsregelung könne die Verwaltung durchaus zwischen Steuerpflichtigen, für die § 34 Abs.3 EStG unmittelbar anzuwenden sei, und solchen differenzieren, für die die Vorschrift nur aus Billigkeitsgründen angewendet werden solle. Die 10-Jahres-Grenze erscheine auch nicht willkürlich. In vielen Fällen wäre die Finanzverwaltung nicht in der Lage, die Zuwendungen auf noch weiter zurückliegende Jahre zu verteilen, da sie die Akten nur 10 Jahre aufbewahren müsse. Den Steuerpflichtigen aber sei es nicht zumutbar, ihre steuerlichen Unterlagen länger aufzubewahren. Viele Steuerpflichtige würden deshalb ohne Schuld schlechtergestellt werden als andere. Zu bedenken seien außerdem die Fragen, die entstehen könnten, wenn ein Steuerpflichtiger bereits einmal in den Genuß einer Jubiläumszuwendung gelangt sei. Schließlich entstünden unüberwindliche Schwierigkeiten, wenn die Verteilung auf Jahre vor der Währungsreform beantragt würde.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 34 Abs.3 EStG. Sie meint, das FG habe die gewährte Jubiläumszuwendung zu Unrecht nicht als Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit angesehen. Tatsächlich sei der gesamte steuerpflichtige Teil der Sonderzuwendung mit der Betriebszugehörigkeit verknüpft gewesen. Die Zuwendung hätte ihr auch dann belassen werden müssen, wenn sie unmittelbar nach Ablauf des Jubiläumsjahres gekündigt hätte. Daraus ergebe sich, daß die Argumentation des FG, der entscheidende und rechtlich allein erhebliche Gesichtspunkt für die Gewährung sei der Anreiz für künftige gute Zusammenarbeit gewesen, nicht tragfähig sei. Wenn demgegenüber die Jubiläumszuwendung den Mitarbeitern nicht zugestanden habe, die im Jubiläumsjahr gekündigt hätten, so drücke dies nur eine selbstverständliche Forderung des Anstands aus, sei aber nicht geeignet, die Auffassung des FG zu bestätigen.
Im übrigen spreche für die Anwendung des § 34 Abs.3 EStG auf Jubiläumsgeschenke auch die Erwägung, daß als Zuwendung nur das verteilt werden könne, was zuvor in der Firma erarbeitet worden sei. Ob ein Arbeitnehmerjubiläum oder ein Geschäftsjubiläum zum Anlaß für die Sonderzahlung genommen werde, könne in der rechtlichen Beurteilung keinen Unterschied machen. Denn in beiden Fällen werde eine Tätigkeit entlohnt, die sich über mehrere Jahre erstrecke.
Zu Unrecht gehe das FG ferner davon aus, daß die in Abschn.200 Abs.1 Satz 10 EStR 1978 vorgesehene zeitliche Einschränkung zulässig sei. Die Einschränkung widerspreche vielmehr dem klaren Wortlaut des Gesetzes (Hinweis auf Urteil des FG Baden-Württemberg vom 13.Dezember 1985 IX K 282/85, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1986, 295). Zu erwähnen sei auch, daß die Beschränkung der Verteilung auf nicht mehr als 10 Jahre zurückliegende Veranlagungszeiträume erst in den EStR 1967 eingeführt worden sei. Die uneingeschränkte Verteilbarkeit habe der BFH im Urteil vom 22.November 1974 VI R 64/71 (BFHE 114, 408, BStBl II 1975, 328) aber für zutreffend erachtet. Demgegenüber könne nicht mit Erfolg auf Praktikabilitätsschwierigkeiten hingewiesen werden. Denn nach allgemeinen Grundsätzen gehe es zu Lasten des Steuerpflichtigen, wenn die Einkommensverhältnisse in den ausgewählten, über 10 Jahre zurückliegenden Veranlagungszeiträumen nicht mehr feststellbar seien. Ihn treffe insoweit die objektive Feststellungslast.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Mit Recht gehen die Beteiligten zunächst übereinstimmend davon aus, daß die Zuwendung in vollem Umfang als Arbeitslohn anzusehen ist. Denn Zuwendungen aus Anlaß von Firmenjubiläen werden dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber nur mit Rücksicht auf das bestehende Arbeitsverhältnis gemacht und stellen sich damit im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft dar (vgl. Schmidt/Drenseck, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 6.Aufl., 1987, § 19 Anm.7 c, m.w.N.). Anders als bei Zuwendungen aus Anlaß von Dienstjubiläen der Arbeitnehmer, auf die grundsätzlich § 34 Abs.3 EStG anzuwenden ist (BFH-Urteil vom 28.September 1984 VI R 48/82, BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117), steht aber bei Zuwendungen des Arbeitgebers aus Anlaß eines Firmenjubiläums in der Regel nicht der Gedanke im Vordergrund, die Arbeitnehmer für die zurückliegende Dauer ihrer Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu entlohnen. Vielmehr geht es dem Arbeitgeber in erster Linie darum, das Jubiläum mit der vorhandenen Belegschaft dadurch zu feiern, daß er den im Jubiläumsjahr bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern eine besondere Belohnung zukommen läßt.
Die vorstehenden Erwägungen schließen es allerdings nicht aus, daß für derartige Zuwendungen an die Arbeitnehmer im Einzelfall --ganz oder zum Teil-- auch andere Gesichtspunkte, insbesondere der Gedanke der Entlohnung für langjährige treue Dienste, ausschlaggebend sein können. Eine solche Zweckbestimmung muß jedoch, da sie vom Regelfall abweicht, eindeutig hervortreten.
Im Streitfall war für die Zuwendung an die Klägerin, abgesehen von dem an jeden Arbeitnehmer ausgezahlten Betrag von 1 200 DM, die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit maßgebend. Denn nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist, lag der Berechnung der Zuwendung --von dem steuerfreien Betrag abgesehen-- eine Staffelung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit zugrunde. Bedenken gegen die Annahme, daß die für die Staffelung angegebenen Kriterien für die Bestimmung der Höhe der Zuwendung auch wirklich maßgebend waren, bestehen um so weniger, als die bei der Klägerin zugrunde gelegte Berechnungsmethode offenbar gegenüber allen Belegschaftsmitgliedern angewandt worden ist.
War danach für die Gewährung der Zuwendung in Höhe des hier streitigen Betrages von 8 059 DM die Dauer der Betriebszugehörigkeit maßgebend, so bedeutet dies nicht, daß der Gesamtbetrag gemäß § 34 Abs.3 EStG verteilt werden kann. Denn das würde voraussetzen, daß es sich in vollem Umfang um eine nachträgliche Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit gehandelt hätte. Das ist jedoch nur in Höhe von 3 419,20 DM der Fall, da nur dieser Betrag der Klägerin mit Rücksicht auf ihre mehrjährige Zugehörigkeit zur Arbeitgeberin, also als Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit, zugewandt worden ist.
In Höhe des verbleibenden Betrages von 4 639,80 DM (3 256 DM + 1 383,80 DM) ist die Jubiläumszuwendung keine nachträgliche Entlohnung für eine solche Tätigkeit. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine Entlohnung für eine Tätigkeit, "die sich über mehrere Jahre erstreckt". Das setzt nämlich voraus, daß die Tätigkeit in wenigstens zwei Kalenderjahren (Veranlagungszeiträumen) ausgeübt wurde, ohne daß sie während des ganzen Kalenderjahres (Veranlagungszeitraums) aufrechterhalten worden sein müßte (BFH-Urteil vom 12.Mai 1961 VI 107/59 U, BFHE 73, 364, BStBl III 1961, 399). Nach den Feststellungen des FG ist die Zuwendung jedoch zum 1.Januar 1980 zugesagt worden. Da für die hier interessierenden Teilbeträge lediglich eine sechsmonatige bzw. einjährige Betriebszugehörigkeit vorausgesetzt wurde, kann die Zahlung nicht für eine Tätigkeit erfolgt sein, die mehr als ein Kalenderjahr (einen Veranlagungszeitraum) berührte.
2. Der gemäß § 34 Abs.3 EStG verteilungsfähige Betrag von 3 419,20 DM kann grundsätzlich auf die von der Klägerin ausgewählten Jahre 1962 bis 1964 verteilt werden.
Wie der Senat durch Urteil vom heutigen Tage VI R 182/85 (BFHE 150, 161) entschieden hat, kann die Verteilung --abweichend von Abschn.200 Abs.1 Satz 10 EStR 1978-- auch auf länger als 10 Jahre zurückliegende Veranlagungszeiträume erfolgen. Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung trägt jedoch der Steuerpflichtige die objektive Beweislast für diejenigen Tatsachen, von denen im Einzelfall die Durchführbarkeit einer solchen Veranlagung abhängt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil VI R 182/85 Bezug genommen.
3. Das Urteil des FG, das den vorstehenden Rechtsgrundsätzen nicht entspricht, ist aufzuheben. Da die Sache nicht spruchreif ist, ist sie gemäß § 126 Abs.3 Nr.2 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Dieses wird festzustellen haben, ob die Besteuerungsgrundlagen für die von der Klägerin ausgewählten Veranlagungszeiträume noch beim FA greifbar sind oder von der Klägerin vorgelegt werden können. Im übrigen wird das FG das Verbot der Verböserung zu beachten haben (vgl. BFH-Urteil vom 22.November 1968 VI R 52/67, BFHE 94, 310, BStBl II 1969, 169), da das FA --zu Unrecht-- eine Verteilung des Gesamtbetrages vorgenommen hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 61866 |
BStBl II 1987, 820 |
BFHE 150, 431 |
BFHE 1987, 431 |
BB 1987, 2430-2431 (ST) |
DB 1987, 2287-2287 (ST) |
DStR 1987, 727-727 (ST) |
HFR 1987, 614-615 (ST) |