Ermäßigte Besteuerung bei Haupt- und Restzahlung in mehr als zwei VZ
Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 13.10.2015, IX R 46/14). Mit der Frage ob die Anwendung der ermäßigten Besteuerung generell ausgeschlossen ist, wenn Hauptzahlung und Restzahlungen in mehr als zwei Veranlagungszeiträumen zufließen, hat sich das FG Thüringen beschäftigt.
Ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG: Voraussetzungen
Nach § 34 Abs. 1 EStG sind außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern. Als außerordentliche Einkünfte kommen Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht. Mehrjährig ist eine Tätigkeit, wenn sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Jedoch werden außerordentliche Einkünfte nach der Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Diese abzumildern ist der Zweck des § 34 Abs. 1 und 2 EStG.
Demnach liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt. Ausnahmsweise ist nach der Rechtsprechung des BFH aber die ermäßigte Besteuerung trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in einem Betrag ausgezahlt wird (eine geringfügige Nebenleistung hat der BFH nicht mehr angenommen, wenn sie mehr als 10 % der Hauptleistung beträgt) oder wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Teilleistung bedingen und bei Nichtanwendung der Zweck des Gesetzes verfehlt würde.
Fall des FG Thüringen: Ausnahmefall?
Besondere Umstände hat der Kläger im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem FG Thüringen angenommen. Die Klägerin erhielt als Mitgesellschafterin von einer GmbH eine Kapitalauszahlung aus einer Pensionszusage i. H. v. 543.000 EUR. Obwohl die Auszahlung der Kapitalleistung in einem Betrag vereinbart war, wurde diese in 3 Teilbeträgen ausgezahlt. Der größte Teil i. H. v. 473.000 EUR wurde in 2017 angewiesen. Der Rest wurde in 2018 und 2019 ausgezahlt (55.000 und 15.000 EUR). Wie zu erwarten war, lehnte das Finanzamt eine ermäßigte Besteuerung für 2017 ab, weil der Betrag in mehreren Teilbeträgen und in mehreren Veranlagungszeiträumen ausgezahlt wurde.
Die Klägerin machte geltend, für die erst nach 2017 gezahlten 70.000 EUR habe sie dem Arbeitgeber, im Wissen um dessen finanzielle Überschuldung, faktisch ein Darlehen gewährt. Auch eine klageweise Geltendmachung der ausstehenden 70.000 EUR hätte nicht zu einer Auszahlung in 2017 geführt. Eine bereits anerkannte Ausnahme vom Erfordernis des vollständigen Zuflusses in einem Veranlagungszeitraum sei, dass auch eine Verteilung auf mehrere Zeiträume unschädlich ist, wenn die Verteilung wie im Streitfall nicht von vornherein geplant war, die Zahlung allerdings aufgrund der ungewöhnlichen Höhe und der besonderen Verhältnisse beim Zahlungspflichtigen verteilt werden musste. Der Kläger vertritt daher die Auffassung, dass es nach der Rechtsprechung des BFH möglich ist, in Ausnahmefällen auch dann von einer Zusammenballung der Einkünfte auszugehen, wenn diese in mehreren Veranlagungszeiträumen zugeflossen sind.
FG Thüringen: Kein Ausnahmefall
Nach Meinung des FG Thüringen (Urteil v. 28.7.2021, 1 K 478/20) liegt ein solcher Ausnahmefall jedoch nicht vor, da die Zahlungen nicht nur auf zwei, sondern sogar auf drei Veranlagungszeiträume verteilt wurden. Bei den Zahlungen in den Folgejahren in Höhe von insgesamt 70.000 EUR handele es sich auch nicht um eine geringfügige Nebenleistung. Auch der Umstand, dass der Klägerin die Auszahlung in 3 Raten aufgrund der Liquiditätsprobleme der GmbH aufgezwungen wurde, führe nach neuere Rechtsprechung des BFH (u. a. BFH, Urteil v. 2.8.2016, VIII R 37/14) zu keiner anderen Beurteilung, da die Tarifbegünstigung des § 34 EStG an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen anknüpft und nicht daran, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Bezüglich der Frage, ob eine Kapitalauszahlung aus einer Pensionszusage, die abweichend vom Vereinbarten in eine Hauptzahlung und verschiedene Restzahlungen aufgeteilt und in mehreren aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen ausgezahlt wird, ermäßigt nach § 34 Abs. 1 EStG besteuert werden kann, liegt ein Revisionsverfahren vor dem BFH vor. Die Entscheidung des BFH (Az VI R 19/21) bleibt abzuwarten.
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