Nachträgliche Berücksichtigung übermittelter Riester-Daten

Kann eine nachträgliche Beantragung eines Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG gem. § 175b AO beantragt werden, indem man darauf hinweist, dass die Einwilligung in die Datenübermittlung an das Finanzamt vorgenommen wurde?

Ein Steuerbescheid ist aufzuheben oder zu ändern, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden (175b Abs. 1 AO).

Gelten Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, nach § 150 Abs. 7 Satz 2 als Angaben des Steuerpflichtigen, ist der Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit diese Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen unrichtig sind (§ 175b Abs. 2 AO).

Das Hessische FG hatte kürzlich einen Fall zu entscheiden, in dem eine nachträgliche Beantragung eines Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG gemäß § 175b AO beantragt wurde und der Kläger auf die Einwilligung in die Datenübermittlung an das Finanzamt hingewiesen hat.

BFH-Rechtsprechung zu Altfällen

Zunächst ist hier auf das BFH-Urteil v. 19.01.2022, X R 32/20, hinzuweisen, in dem BFH entschieden hat, dass allein die Einwilligung in die Datenübermittlung an die Finanzverwaltung nach § 10a Abs. 2a Satz 1, Abs. 5 Satz 1 EStG a. F. keine wirksame Ausübung des Wahlrechts auf Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs gemäß § 10a EStG darstellt.

Ob für Streitjahre, die nach dem 31.12.2026 beginnen, wegen der Einführung des § 150 Abs. 7 Satz 2 AO durch das Steuermodernisierungsgesetz vom 18.7.2016 (BGBl 2016 I S. 1679) etwas anderes gilt, hatte er im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Die Vorschrift bestimmt, dass die von den mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c AO übermittelten Daten als die erklärten Daten des Steuerpflichtigen gelten, soweit sie in den Steuererklärungsformularen als eDaten gekennzeichnet sind oder bei nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelten Steuererklärungen für den Belegabruf bereitgestellt werden und er nicht in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuerklärung abweichende Angaben macht.

Hessisches FG entscheidet zum VZ 2019

Im Fall des Hessischen FG beantragten die Kläger im Veranlagungsverfahren 2019 keine Berücksichtigung von Altersvorsorgebeiträgen im Rahmen des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG. Dabei hatte der Anbieter dem Finanzamt im Wege der elektronischen Datenübermittlung bereits am 27.1.2020 mitgeteilt, dass der Kläger im Streitjahr Altersvorsorgebeiträge für einen Riester-Rentenvertrag in Höhe von 1.947,95 EUR geleistet hatte.

Im Steuerbescheid erläuterte das Finanzamt, dass vom Anbieter elektronisch übermittelte Beitragsdaten zu einer zusätzlichen Altersvorsorge vorliegen und dass weitere Angaben benötigt werden, falls die Kläger eine Überprüfung durch das Finanzamt wünschen, ob hierfür ein Sonderausgabenabzug nach 10a EStG günstiger ist als der Anspruch auf die Zulage. Für diesen Fall bat das Finanzamt um Abgabe einer Anlage AV innerhalb der Einspruchsfrist. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Auffassung der Kläger: Fall des § 175b Abs. 2 AO

Im Rahmen einer berichtigten Steuererklärung für 2019 machten die Kläger dann Angaben zum Vorsorgeaufwand für eine Riester-Altersvorsorge. Das Finanzamt lehnte die Änderung ab.

Die Kläger argumentierten der Betrag sei vom Anbieter an die Finanzverwaltung gemeldet worden und habe somit wie Arbeitslohn, Renten usw. berücksichtigt werden müssen. Das Wahlrecht des Steuerpflichtigen zur Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs für eine zusätzliche Altersvorsorge nach § 10a EStG müsse nicht zwingend durch Abgabe der Anlage AV ausgeübt werden, sondern könne auch formlos geltend gemacht werden. Das Wahlrecht sei hier von ihnen bereits mit der Einwilligung in die Datenübermittlung an die Finanzverwaltung ausgeübt worden.

Gestützt werde dies durch die zwischenzeitlich eingeführte Vorschrift des § 150 Abs. 7 Satz 2 AO, wonach die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe von § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelten Daten grundsätzlich als eigene Angaben des Steuerpflichtigen gelten. Dies habe zur Folge, dass auch steuerliche Wahlrechte bereits durch eine Datenübermittlung als ausgeübt anzusehen seien. Der Steuerbescheid sei dann nach § 175b Abs. 2 AO aufzuheben oder zu ändern.

Hessisches FG: Keine Änderung möglich

Dieser Auffassung hat sich das Hessische FG allerdings nicht angeschlossen (Urteil v. 19.9.2024, 10 K 932/22). Nicht berücksichtigt seien übermittelte Daten, wenn sie nicht ausgewertet oder verarbeitet wurden und damit nicht Eingang in die Steuerfestsetzung gefunden haben. Nicht zutreffend berücksichtigt seien die übermittelten Daten, wenn die Auswertung oder Verarbeitung fehlerhaft erfolgte. Ein danach relevanter Fehler liege jedoch nur vor, soweit die Verwendung der übermittelten Daten zu einer materiell unrichtigen Steuerfestsetzung geführt hat.

Nach diesen Maßstäben fehle es an den Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen nach § 175b AO. Der Hinweis im Steuerbescheid sage aus, dass von dem Anbieter übermittelte Daten vorliegen, für die Durchführung der Günstigerprüfung jedoch weitere Angaben fehlen. Demnach habe das Finanzamt die von dem Anbieter übermittelten Daten ausgewertet und verarbeitet und damit berücksichtigt.

Die Auswertung und Verarbeitung erfolgte dabei auch nicht fehlerhaft, weil dem Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG aufgrund der übermittelten Daten die rechtzeitige Ausübung des von dem Kläger insoweit auszuübenden Wahlrechts entgegenstand. Dessen Ausübung ist in zeitlicher Hinsicht nur bis zum Eintritt formeller und materieller Bestandskraft möglich.

Der Kläger habe das Wahlrecht auch nicht bereits durch die (ursprüngliche) Einwilligung in die Datenübermittlung ausgeübt. Denn die Erteilung einer solchen Einwilligung sei für sich genommen nicht ausreichend, um auch das Wahlrecht zur Anwendung des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG auszuüben.

Nichts anderes folge aus der Fiktionswirkung des § 150 Abs. 7 Satz 2 AO, die sich bereits nach dem Wortlaut der Regelung allein auf die konkret übermittelten Daten erstreckt. Denn zu den nach § 10a Abs. 5 S. 1 EStG gemäß § 93c AO übermittelten Daten gehöre die Ausübung des Wahlrechts zugunsten eines Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG gerade nicht.

Revisionsverfahren beim BFH und Hinweis für Beitragsjahre ab 2021

Das FG Hessen hat die Revision zugelassen, welche auch eingelegt wurde (Az beim BFH X R 28/24). M. E. ist dem FG zuzustimmen.

Es ist aber auf Folgendes hinzuweisen: Ob diese Auffassung auch für Beitragsjahre ab 2021 Bestand hat, muss abgewartet werden. Ab 2021 kann ein Steuerpflichtiger nach § 10 Abs. 4 der Altersvorsorge-Durchführungsverordnung (AltvDV) gegenüber seinem Anbieter erklären, dass eine steuerliche Berücksichtigung der Altersvorsorgebeiträge für den jeweiligen Vertrag bei der Ermittlung der abziehbaren Sonderausgaben nach § 10a EStG nicht beabsichtigt ist.

Dies hat nach Auffassung der Finanzverwaltung zur Folge (BMF, Schreiben v. 5.10.2023, BStBl 2023 I S. 1726, Rn. 94), dass der Anbieter ein gesondertes Merkmal in dem amtlich vorgeschriebenen Datensatz nach § 10a Abs. 5 EStG aufzunehmen hat und die automatisierte Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs für die vom Anbieter übermittelten Altersvorsorgebeiträge zu diesem Vertrag unterbleibt. Hieraus könnte man schließen, dass bei Fehlen eines solchen Merkmals, der Steuerpflichtige einen Sonderausgabenabzug wünscht (beantragt?). Die Finanzverwaltung verlangt aber weiterhin eine Anlage AV oder einen formlosen Antrag (BMF, Schreiben v. 5.10.2023, Rn. 102).


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