Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG

Hängt die Riester-Günstigerprüfung von einem Antrag des Steuerpflichtigen ab oder ist schon die Zertifizierung mit nachfolgender Datenübermittlung als Antrag zu werten?

Nach § 10a Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 EStG können in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte Altersvorsorgebeiträge i. S. von § 82 EStG zuzüglich der dafür nach Abschn. XI des EStG zustehenden Zulage jährlich bis zu 2.100 EUR als Sonderausgaben abziehen.

Ein solcher Abzug bedingt, dass die steuerliche Entlastung günstiger ausfällt als der Anspruch auf die Altersvorsorgezulage. In diesem Fall erhöht sich die unter Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Zulage. Die Günstigerprüfung wird von Amts wegen vorgenommen.

Steuerpflichtige stellen Antrag nach Bestandskraft

Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem BFH begehrten die Kläger nach Bestandskraft des Steuerbescheides einen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG. Sie führten u. a. an die Einkommensteuerfestsetzung sei im Hinblick auf den unterbliebenen Sonderausgabenabzug nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern. Die Zertifizierung des Altersvorsorgevertrages sei ein Grundlagenbescheid.

Finanzamt: Antrag über Anlage AV erforderlich

Das Finanzamt war der der Ansicht, die Günstigerprüfung setze einen Antrag - in Form der Abgabe der Anlage AV - des Steuerpflichtigen voraus, welcher aber nach Eintritt der Bestandskraft der Steuerfestsetzung nicht mehr berücksichtigt werden könne. Bezüglich des Antrags vertraten die Kläger die Auffassung, dass die Einwilligung in die Datenübermittlung als Antrag zu werten sei.

Im Ergebnis hat das Finanzamt recht

Der BFH gab dem Finanzamt bezüglich des Antrags recht (Urteil v. 19.01.2022, X R 32/20), sodass eine Korrektur des Steuerbescheides nicht mehr möglich war. Der Sonderausgabenabzug gemäß § 10a EStG sei als Wahlrecht des Steuerpflichtigen konzipiert.

Zwar gebe der Wortlaut der Vorschrift hierzu noch kein eindeutiges Bild ab. Hier heißt es, die dort genannten Altersvorsorgebeiträge "können" als Sonderausgaben abgezogen werden. Mit dieser Formulierung unterscheide sich § 10a EStG vom allgemeinen Sonderausgabenabzug nach § 10 EStG, der - wie der Eingangssatz jener Norm belegt - eben kein Wahlrecht beinhaltet.

Hauptsächlich würden aber systematische Erwägungen für ein Wahlrecht sprechen. Wollte man nämlich allein die Erfüllung der tatbestandlichen Anforderungen des § 10a EStG als für den Sonderausgabenabzug ausreichend ansehen, bliebe unberücksichtigt, dass ein solcher belastende - vom Steuerpflichtigen nicht erwünschte - Folgewirkungen mit sich ziehen kann. Die Zulage wie auch der Sonderausgabenabzug lösen eine spätere Besteuerung des Altersvorsorgevertrags nach § 22 Nr. 5 EStG (nachgelagerte Besteuerung) aus. Beantragt der Steuerpflichtige beispielsweise. keine Zulage oder ist er nicht Zulage- aber sonderausgabenberechtigt, würde die Ansicht der Kläger eine spätere nachgelagerte Besteuerung der Beiträge auslösen.   

Antragstellung erforderlich

Demnach kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass der Steuerpflichtige einen Antrag stellen muss um sein Wahlrecht auszuüben.

Dagegen spreche auch nicht, dass der Steuerpflichtige (nach altem Recht) in die Datenübermittlung durch den Anbieter einwilligen musste. Erst die Einwilligung des Steuerpflichtigen verlieh der Finanzverwaltung die Befugnis, die Daten steuerrechtlich überhaupt zu berücksichtigen. Hiermit treffe der Steuerpflichtige aber noch keine Aussage dazu, ob er einen Sonderausgabenabzug begehrt.

Auch würden die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht erfüllt. Es fehle an einem Grundlagenbescheid, auch wenn der Gesetzgeber die Zertifizierung eines Altersvorsorgevertrags ausdrücklich als Grundlagenbescheid i.S. von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO qualifiziert hat. Durch die Zertifizierung und der damit verbundenen Datenübermittlung erhält das Finanzamt die Information, dass die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug erfüllt sind. Eine darüber hinaus gehende Bindungswirkung der Zertifizierung bestehe nicht und wäre mit der Grundkonzeption der Vorschrift, die Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzugs ins Wahlrecht des Steuerpflichtigen zu stellen, nicht vereinbar.

Antrag muss aber nicht zwingend mit Anlage AV gestellt werden

Da die Kläger hier erst nach Bestandskraft ihr Wahlrecht ausgeübt haben, kam somit eine Änderung nicht in Betracht. Der BFH hat aber darauf hingewiesen, dass entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 21.12.2017, BStBl 2018 I S. 93 Rz. 101) der Steuerpflichtige den Antrag nicht zwingend mittels Abgabe der Anlage AV stellen muss, sondern keiner besonderen Form bedarf.

Neuregelung nicht entschieden

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass es im Klageverfahren um ein Jahr vor 2017 ging. Ob für Streitjahre, die nach dem 31.12.2016 beginnen, wegen der Einführung des § 150 Abs. 7 Satz 2 AO etwas Anderes gilt, musste der BFH nicht entscheiden. Dort heißt es, dass Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe von § 93c AO an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, grundsätzlich als (eigene) Angaben des Steuerpflichtigen gelten. M. E. ergeben sich hierdurch aber keine Änderungen, sodass eine Günstigerprüfung weiterhin nur durchgeführt wird, wenn der Steuerpflichtigen einen Antrag stellt.


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