Entscheidungsstichwort (Thema)
Zufluß des Arbeitslohns bei Ehegatten-Arbeitsverhältnis
Leitsatz (NV)
Die Anerkennung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses kann nicht allein deshalb versagt werden, weil der Arbeitgeber-Ehegatte den Arbeitslohn auf ein eigenes Konto überweist, an dem der Arbeitnehmer-Ehegatte lediglich ein Mitverfügungsrecht hat. Ist der Arbeitnehmer-Ehegatte dagegen nicht berechtigt, über das Konto des Arbeitgeber- Ehegatten zu verfügen, ist kein Arbeitslohn geflossen und damit das Arbeitsverhältnis nicht tatsächlich durchgeführt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt seit über 20 Jahren einen Einzelhandel mit ... Seine im Betrieb angestellte Ehefrau ist für Büroarbeiten und den Verkauf zuständig. Das Nettogehalt wurde vom betrieblichen Konto auf ein Konto der X- Bank überwiesen, dessen Inhaber der Kläger ist. In der Vergangenheit fanden beim Kläger drei Betriebsprüfungen und drei Lohnsteueraußenprüfungen statt, bei denen das Ehegatten-Arbeitsverhältnis nicht beanstandet wurde.
Bei einer erneuten Betriebsprüfung für die Jahre 1987 bis 1989 erkannte der Betriebsprüfer das Ehegatten-Arbeitsverhältnis wegen der Überweisung des Gehalts auf das Privatkonto des Klägers nicht an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) folgte der Auffassung des Prüfers und änderte den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1988 entsprechend. Der Einspruch, mit dem sich der Kläger auf die Grundsätze von Treu und Glauben berief, war erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision trägt der Kläger vor: Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) komme es nicht darauf an, auf wessen Konto der Arbeitslohn überwiesen werde und wer Kontovollmacht über dieses Konto habe. Die vom BVerfG für die Anerkennung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses als wesentlich angesehenen Kriterien -- tatsächlich geleistete Arbeit und angemessene Entlohnung -- seien niemals streitig gewesen. Das FG habe hierzu jedoch keine Feststellungen getroffen, weil diese Fragen aus seiner Sicht nicht erheblich gewesen seien. Ggf. sei die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit entsprechende Feststellungen nachgeholt werden könnten.
Der Kläger beantragt, das finanzgerichtliche Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer für 1988 auf ... DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Wie das FG zu Recht entschieden hat, war das FA nicht durch die Grundsätze von Treu und Glauben gehindert, den unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid zu ändern. Der Kläger hat in der Revisionsbegründung auch nicht mehr geltend gemacht, das FA sei an seine frühere Rechtsauffassung gebunden. Er hat vielmehr unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des BVerfG zu Recht gerügt, daß die steuerrechtliche Anerkennung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses nicht allein wegen der Überweisung auf ein sog. Oder-Konto versagt werden darf.
2. Das BVerfG hat im Beschluß vom 15. August 1996 2 BvR 3027/95 (Der Betrieb 1996, 2470) die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Anerkennung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen im Grundsatz gebilligt, und zwar auch insoweit, als der BFH als Indiz für die tatsäch liche Durchführung auf das formale Krite rium der Kontoführung abstellt. Nach Auffassung des BVerfG darf ein solches Indiz jedoch dann "nicht mehr mit ausschlaggebender Bedeutung herangezogen werden", wenn feststeht, daß ein Arbeitsverhältnis ernstlich vereinbart, tatsächlich erfüllt und angemessen entgolten wird. Allein die Überweisung auf ein sog. Oder-Konto kann in einem solchen Fall das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nicht ausschließen. "Stehen die tatsächlich geleistete Arbeit und ihre Entlohnung außer Frage, hat dieses Kriterium als Prüfungsmaßstab keine Bedeutung mehr."
3. Im Streitfall war nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH das Ehegatten- Arbeitsverhältnis allein deshalb nicht anzuerkennen, weil das Gehalt auf ein Konto des Klägers und nicht auf ein Konto der Ehefrau überwiesen worden war. Ob die Ehefrau ein Mitverfügungsrecht an dem Konto des Klägers hatte, war für die Entscheidung unerheblich, da der BFH auch die Überweisung des Gehalts auf ein sog. Oder-Konto nicht anerkannte (z. B. Urteil vom 15. Januar 1980 VIII R 154/78, BFHE 130, 149, BStBl II 1980, 350 und Beschluß vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160). Weder der Betriebsprüfer noch das FA noch das FG brauchten daher hierzu Feststellungen zu treffen. Aufgrund der Entscheidung des BVerfG kommt diesem Umstand aber nunmehr Bedeutung zu. Hat der Kläger das Gehalt auf ein Konto überwiesen, über das seine Ehefrau nicht verfügen kann, ist auch nach der Rechtsprechung des BVerfG kein Arbeitslohn geflossen und damit das Arbeitsverhältnis nicht tatsächlich durchgeführt. War die Ehefrau dagegen ebenfalls verfügungsberechtigt, ist zu prüfen, ob im übrigen die Voraussetzungen für die steuerrechtliche Anerkennung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses (ernstliche Vereinbarung, tatsächliche Durchführung, angemessene Entlohnung) vorliegen.
Da das FG -- auf der Grundlage der zur Zeit der Entscheidung vorliegenden BFH- Rechtsprechung zu Recht -- keine Feststellungen hierzu getroffen hat, wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 422079 |
BFH/NV 1997, 347 |