Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegatten-Arbeitsverhältnisse
Leitsatz (NV)
Zur steuerlichen Anerkennung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen bei Lohnzahlung auf ein gemeinschaftliches Bankkonto, über das beide Ehegatten verfügen können (sog. ,,Oder-Konto").
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1977 bis 1979 eine Klempnerei. Seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau war in dem Betrieb ganztägig beschäftigt. Diese Beschäftigung übte sie seit 30 Jahren und somit schon aus, als noch der Vater des Klägers Betriebsinhaber und sie noch nicht mit dem Kläger verheiratet war. Nach Betriebsübernahme durch den Kläger wurde das Arbeitsverhältnis unverändert fortgeführt. Auch die Zahlungen des Arbeitslohns wurden wie vor der Betriebsübernahme auf ein Bankkonto geleistet, das auf den Namen der Eheleute lautete und über das jeder Ehegatte allein verfügen konnte (sog. ,,Oder-Konto"). Die Gehälter wurden von einem Geschäftskonto des Klägers überwiesen, das dieser bei einer anderen Bank unterhielt. Rückbuchungen kamen nicht vor. Auf das Konto der Eheleute wurde nur der Arbeitslohn der Ehefrau überwiesen; allein die Ehefrau hat davon Beträge abgehoben und das Geld für den Haushalt und eigene Bedürfnisse verwandt.
Nach einer Außenprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dem Ehegatten-Arbeitsverhältnis die steuerliche Anerkennung, weil der Arbeitslohn auf ein gemeinsames Konto der Eheleute überwiesen worden war, über das jeder Ehegatte verfügen konnte. Die Lohnzahlungen wurden vom FA als Entnahmen und die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung als beschränkt abziehbare Sonderausgaben behandelt. Gleichzeitig wurden wegen der Gewinnerhöhung durch die Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses für die Streitjahre gewinnmindernde Gewerbesteuerrückstellungen gebildet. Das FA erließ entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für 1977 bis 1979.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 490 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Lohnzahlungen und die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung sind keine Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG.
1. Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) steuerlich anzuerkennen, wenn sie klar und eindeutig vereinbart und tatsächlich vollzogen sind und die Vertragsgestaltung und -durchführung auch zwischen Fremden üblich ist (vgl. Urteil vom 14. Oktober 1981 I R 34/80, BFHE 134, 293, BStBl II 1982, 119). An den Nachweis eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten werden erhöhte Anforderungen gestellt. Dies hat seinen Grund darin, daß zwischen Ehegatten im Hinblick auf die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft keine grundsätzlichen Interessengegensätze zu bestehen brauchen, so daß es sich bei den Zahlungen im Rahmen eines angeblichen Arbeitsverhältnisses um private Zuwendungen handeln kann und ein Zusammenwirken - wie bei anderen sich nahestehenden Personen - nicht ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1983 IV R 116/83, BFHE 140, 190, BStBl II 1984, 298; vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 22. Juli 1970 1 BvR 285/66, 445/67 und 192/69, BVerfGE 29, 104, 113).
2. Zur tatsächlichen vertragsgemäßen Durchführung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses gehört nicht nur, daß der Arbeitnehmer-Ehegatte tatsächlich wie vereinbart seine Arbeitsleistung erbringt, sondern auch, daß er seinen Arbeitslohn erhält.
a) Der erkennende Senat hat es bisher für erforderlich gehalten, daß hierzu das vereinbarte Entgelt aus dem betrieblichen Bereich des Arbeitgeber-Ehegatten ausscheiden und in den alleinigen Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitnehmer-Ehegatten gelangen muß (vgl. Urteil vom 16. Januar 1974 I R 176/72, BFHE 111, 319, BStBl II 1974, 294). Dies sollte nicht gegeben sein, wenn das Arbeitsentgelt auf ein Konto des Arbeitgeber-Ehegatten überwiesen wird, an dem auch der Arbeitnehmer-Ehegatte ein Mitverfügungsrecht hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. April 1968 I R 157/65, BFHE 92, 281, BStBl II 1968, 524); ebenso nicht, wenn das Arbeitsentgelt auf ein gemeinschaftliches Konto der Ehegatten überwiesen wird, über das jeder der Kontoinhaber ohne Mitwirkung des anderen verfügen kann (vgl. BFH-Urteil vom 22. März 1972 I R 152/70, BFHE 105, 351, BStBl II 1972, 614). Unschädlich hingegen sollte die Überweisung des Arbeitsentgelts auf ein alleiniges Konto des Arbeitnehmer-Ehegatten sein, auch wenn der Arbeitgeber-Ehegatte über dieses eine unbeschränkte Verfügungsvollmacht besitzt (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFHE 111, 319, BStBl II 1974, 294).
b) An diesen Grundsätzen hält der erkennende Senat fest. Sie entsprechen der Rechtsprechung des VIII. Senats (vgl. Urteile vom 15. Januar 1980 VIII R 154/78, BFHE 130, 149, BStBl II 1980, 350, und vom 17. Juli 1984 VIII R 69/84, BFHE 142, 215) und der des IV. Senats (vgl. Urteile vom 12. April 1979 IV R 14/76, BFHE 128, 207, BStBl II 1979, 622, und vom 24. März 1983 IV R 240/80 BFHE 138, 427, BStBl II 1983, 663).
c) Diese Rechtsprechung zur steuerlichen Anerkennung von Ehegatten-Arbeitsverhältnissen ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Beschluß vom 26. Juli 1984 1 BvR 1766/83 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz 1975, § 4 Abs. 4, Rechtsspruch 36) hat das BVerfG ausgeführt, daß zwar ein (fremder) Arbeitgeber auf Geheiß seines Arbeitnehmers das Gehalt (bürgerlich-rechtlich) mit befreiender Wirkung auf ein Bankkonto des Ehegatten des Arbeitnehmers überweisen könne. Werde indessen auf Geheiß des Arbeitnehmer-Ehegatten das Gehalt auf ein privates Bankkonto des Arbeitgeber-Ehegatten überwiesen, über das der Arbeitnehmer-Ehegatte lediglich kraft Vollmacht verfügen könne, stehe dies einem Verzicht auf die Lohnzahlung näher als einer Tilgung des Gehaltsanspruchs durch Erbringen der geschuldeten Leistung. Es sei von Verfassungs wegen nicht verwehrt, ertragsteuerrechtlich die Überweisung des Arbeitnehmer-Ehegatten-,,Gehalts" auf ein privates Bankkonto des Arbeitgeber-Ehegatten als eine den Gewinn des Arbeitgeber-Ehegatten nicht mindernde Entnahme zu beurteilen. Das gleiche gilt, wenn das Arbeitsentgelt auf ein ,,Oder-Konto" der Ehegatten überwiesen wird, da über ein solches Konto (auch) der Arbeitgeber-Ehegatte uneingeschränkt verfügen kann und in das dessen Gläubiger - auch gegen den Willen des Arbeitnehmer-Ehegatten - vollstrecken können.
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze fehlt es im Streitfall - entgegen der Ansicht der Vorinstanz - an der tatsächlichen Durchführung des Arbeitsverhältnisses, da das Arbeitsentgelt der Ehefrau des Klägers auf ein Konto überwiesen wurde, über das beide Ehegatten uneingeschränkt verfügen konnten. Das FA hat deshalb zu Recht das Ehegatten-Arbeitsverhältnis steuerlich nicht anerkannt und die Lohnzahlungen sowie die Arbeitgeberbeiträge nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen.
Fundstellen
Haufe-Index 414398 |
BFH/NV 1986, 602 |