Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflegungspauschalen wegen Fahrtätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtsprechung, dass Verwaltungspauschalen nach dem Regelungsverständnis der Verwaltung auszulegen sind, gilt nicht für solche Verwaltungsanweisungen, die lediglich gesetzesauslegenden Charakter haben.
2. Ob Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen wegen Fahrtätigkeit zu gewähren sind, entscheidet sich nicht nach den abstrakten Merkmalen eines bestimmten Berufsbildes, sondern nach dem konkreten Einsatz des betreffenden Arbeitnehmers.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 5 S. 3, § 9 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde zum Streitjahr 1998 mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er machte als bei der Flughafen Frankfurt/Main AG tätiger Rettungsassistent Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen bei Fahrtätigkeit in Höhe von (225 Tage zu 10 DM =) 2 250 DM als Werbungskosten geltend, deren Berücksichtigung der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ablehnte.
Mit der hiergegen erhobenen Klage trug der Kläger vor, er übe als Rettungsassistent Fahrtätigkeit aus, denn er sei in der Abteilung Fahrdienste eingesetzt und ausschließlich mit dem Transport von Kranken und Behinderten sowie den Notfallrettungsfahrdiensten befasst. Sein Arbeitsplatz sei das Einsatzfahrzeug, das für alle notfallversorgenden Maßnahmen ausgestattet sei. Neben den Anforderungen als Fahrer sei seine Hauptaufgabe, diese Maßnahmen zur Anwendung zu bringen und dem teilweise mitfahrenden Arzt zu assistieren. Das Fahrzeug sei stets mit zwei Rettungsassistenten besetzt, von denen jeder während einer halben Schicht als Fahrer tätig sei. Der Aktionsradius erstrecke sich auf das gesamte Umfeld des Rhein-Main-Flughafens, einschließlich der umliegenden Gemeinden wie Mörfelden, Groß-Gerau, Kelsterbach und Frankfurt am Main. Er sei täglich mehr als zehn Stunden von zu Hause abwesend, was zur Anerkennung der begehrten Pauschalen führe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, dem Kläger ständen die Pauschbeträge nach Abschn. 39 Abs. 2 Nr. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien 1996 (LStR) nicht zu, da sie nur auf solche Sachverhalte anzuwenden seien, die dem Regelungsverständnis der Verwaltung entsprächen. Der Rettungsassistent gehöre nicht zu den in Abschn. 37 Abs. 5 LStR angesprochenen Personengruppen und sei ihnen auch nicht ähnlich. Wie sich aus § 3 des Gesetzes über den Beruf des Rettungsassistenten (RettAssG) vom 10. Juli 1989 (BGBl I 1989, 1384 ff.) ergebe, solle die Ausbildung zum Rettungsassistenten diese befähigen, als Helfer des Arztes am Notfallort bis zur Übernahme der Behandlung durch den Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Unfallpatienten durchzuführen, die Transportfähigkeit solcher Patienten herzustellen, die lebenswichtigen Körperfunktionen während des Transports zum Krankenhaus zu beobachten und aufrecht zu erhalten sowie Kranke, Verletzte und sonst hilfsbedürftige Personen, auch soweit sie nicht Notfallpatienten seien, unter sachgerechter Betreuung zu befördern. Diese Tätigkeit sei nach ihrer Aufgabenstellung mit der des Berufskraftfahrers und der anderen in Abschn. 37 Abs. 5 LStR aufgeführten Berufen nicht vergleichbar.
Nachdem das FG die Revision mit dem am 8. September 2000 zugestellten Beschluss vom 4. September 2000 zugelassen hatte, hat der Kläger am Montag, den 9. Oktober 2000 fristgerecht Revision eingelegt. Die Revisionsbegründung ist erst am 10. November 2000 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen und hat deshalb die am 9. November 2000 abgelaufene Begründungsfrist nicht gewahrt. Auf den diesbezüglichen Hinweis des Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 14. November 2000, zugestellt am 17. November 2000, hat der Kläger am 29. November 2000 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung auf den Poststempel vom 6. November 2000 verwiesen, der auf dem die Revisionsbegründung enthaltenden Umschlag angebracht ist. Danach beruhe die Versäumung der Frist auf der dem Kläger bzw. seinem Bevollmächtigten nicht zurechenbaren Nichteinhaltung der üblichen Postlaufzeit.
Zur Revisionsbegründung trägt der Kläger vor, dass die von ihm tatsächlich ausgeübte Berufstätigkeit als Fahrtätigkeit anzusehen sei, was die Gewährung der begehrten Verpflegungspauschalen rechtfertige. Das angefochtene Urteil habe zu Unrecht lediglich auf die abstrakte Definition des Berufsbildes des Rettungsassistenten in § 3 RettAssG abgestellt und nicht auf die Betätigung, wie sie tatsächlich ausgeübt worden sei. Unter den vielen, in der Legaldefinition aufgeführten Aspekten der beruflichen Tätigkeit eines Rettungsassistenten konzentriere sich seine eigene Betätigung darauf, dass er diese Arbeit auf, am und im Fahrzeug ausübe. So bestehe seine Aufgabe nicht etwa lediglich darin, an einen Unfallort zu fahren, um das Opfer an Ort und Stelle zu versorgen. Vielmehr habe er auch gerade während des Transports die angeführten Versorgungsmaßnahmen durchzuführen. Im Übrigen betone § 3 RettAssG ausdrücklich, dass die geforderte Betreuung auf dem Fahrzeug auszuüben sei. Weil das Fahrzeug sein Arbeitsplatz sei, müsse er sich ―wie in jedem Lehrbuch zum Rettungsdienst nachzulesen sei― regelmäßig in der Fahrzeugtechnik fortbilden. Seine Fahrkunde und Eignung habe er regelmäßigen Überprüfungen zu unterziehen, die besondere Genehmigung und Befähigung zur Personenbeförderung nachzuweisen, ebenso wie das bei Taxi- und Busfahrern der Fall sei.
Der Kläger beantragt unter Aufhebung der Vorentscheidungen, im Einkommensteuerbescheid 1998 Verpflegungspauschalen in Höhe von 2 250 DM zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig. Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil ihn kein Verschulden daran trifft, dass die Revisionsbegründungsfrist nicht eingehalten worden ist. Eine Fristversäumung ist unverschuldet, wenn sie auf einer Verzögerung bei der Postbeförderung beruht (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, statt aller vgl. Bundesverfassungsgericht ―BVerfG-, Beschluss vom 25. September 2000 1 BvR 2104/99, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 2001, 1566, m.w.N.). So verhält es sich hier. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Richtigkeit des Poststempels auf dem Umschlag, mit dem die Revisionsbegründung befördert worden ist ―"Briefzentrum 6.11.00"―, in Zweifel zu ziehen. Ausgehend von diesem Datum liegt es auf der Hand, dass die Sendung den BFH bei üblicher Postlaufzeit vor Ablauf der Frist am 9. November 2000 erreicht hätte. Die Revisionsbegründung entspricht auch den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, sich inhaltlich mit dem angefochtenen Urteil auseinander zu setzen.
2. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Gründe des FG tragen die Klageabweisung nicht. Die Sache ist zurückzuverweisen, da sie nicht entscheidungsreif ist.
a) Das FG hat sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung gestützt, dass Pauschalen in Vereinfachungsregelungen der Verwaltung nach deren eigenem Handhabungsverständnis auszulegen sind, weil seit 1996 Rechtsgrundlage für die Gewährung von Verpflegungspauschalen nicht mehr lediglich Verwaltungsrichtlinien, sondern unmittelbar die gesetzliche Regelung in § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist. Die diesbezüglichen Auslegungshilfen in Abschn. 37 Abs. 5 LStR ab 1996 binden nur insoweit, als sie sich aus der gesetzlichen Regelung ableiten lassen.
b) Nach § 4 Abs. 5 Nr. 5 EStG stehen, wenn die dort genannten Abwesenheitszeiten erfüllt sind, Verpflegungspauschalen neben dem Fall der Dienstreisen (Satz 2) auch zu, wenn der Steuerpflichtige bei seiner individuellen betrieblichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug tätig wird (Satz 3). Dies gilt nach § 9 Abs. 5 EStG sinngemäß für die entsprechende berufliche Tätigkeit eines Arbeitnehmers.
aa) Mit der im Gesetz nicht näher definierten Einsatzwechsel- bzw. Fahrtätigkeit hat der Gesetzgeber an die diesbezüglichen vorangegangenen Regelungen in den LStR angeknüpft. Bereits zu diesen hat die Rechtsprechung ausgeführt, dass nicht die abstrakten Merkmale eines bestimmten Berufsbildes entscheidend sind; maßgebend ist vielmehr der konkrete Einsatz des Arbeitnehmers im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers (BFH-Urteil vom 20. November 1987 VI R 6/86, BFHE 152, 232, BStBl II 1988, 443). Diese Auslegung hat der Gesetzgeber erkennbar übernommen, indem er auf die "individuelle" betriebliche bzw. berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen abstellt. Grund für den Abzug von Verpflegungspauschalen ist nämlich nicht die Prämierung bestimmter Berufsbilder, sondern die Annahme des Gesetzgebers, der Steuerpflichtige werde bei bestimmten beruflichen Betätigungsformen für seine Verpflegung aus beruflichen Gründen mehr Geld ausgeben müssen, als dies bei dem üblichen ortsfesten Arbeitsplatz der Fall ist.
bb) An diesem Gesetzeszweck hat sich auch die Auslegung des Begriffs der Fahrtätigkeit zu orientieren. Demgemäß kann ein Arbeitnehmer, der außerhalb des Betriebssitzes des Arbeitgebers ständig unterwegs sein muss, auch dann typischerweise auf einem Fahrzeug tätig sein, wenn sich seine geschuldete Arbeit nicht im Lenken oder Begleiten eines Fahrzeugs erschöpft, sondern ―wie beispielsweise beim Zugbegleitpersonal― andere Aufgaben zu erledigen sind.
cc) Entgegen der Auffassung des FG kommt es auch nicht mehr darauf an, welcher individuelle berufliche Verpflegungsmehraufwand bei dem Steuerpflichtigen entstanden ist. Ein Einzelnachweis von Verpflegungsmehraufwendungen ist, wie sich aus § 4 Abs. 5 Nr. 5 Satz 1 EStG ergibt, ab 1996 entfallen. Im Übrigen ist die Gewährung der Pauschalen bei Vorliegen der im Gesetz aufgeführten Betätigungsformen nur noch von den Abwesenheitszeiten abhängig, zumal die Regelung nicht unter dem generellen Vorbehalt erfolgt ist, dass die abziehbaren Pauschbeträge nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen dürfen.
3. Das FG wird nunmehr zunächst Feststellungen darüber zu treffen haben, wie der Kläger seine Arbeit erbringt. Soweit der Kläger auf dem Flughafengelände tätig war, wird das FG der Frage nachzugehen haben, ob es sich dabei um eine ―weiträumige― ortsgebundene regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers gehandelt hat. Des Weiteren wird das FG zu untersuchen haben, ob der Umfang des dort ortsfest ―also nicht fahrend― erbrachten Dienstes noch den Schluss zulässt, dass der Kläger "typischerweise nur" auf einem Fahrzeug tätig war. Im Übrigen bedarf es weiterer Feststellungen zu den tatsächlichen Abwesenheitszeiten des Klägers.
Fundstellen
Haufe-Index 732371 |
BFH/NV 2002, 865 |
BStBl II 2002, 779 |
BFHE 198, 559 |
BFHE 2003, 559 |
BB 2002, 1138 |
DB 2002, 1139 |
DStR 2002, 898 |
DStRE 2002, 734 |
HFR 2002, 0 |